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Ellinorliest

Bewertungen

Insgesamt 39 Bewertungen
Bewertung vom 03.03.2025
Würger, Takis

Für Polina


ausgezeichnet

Es gibt Bücher, die sind vom ersten Satz an einfach perfekt. Genau so eines ist Für Polina. Fritzi Prager ist eine ganz besondere Figur, aber auch die anderen Personen sind unglaublich gut herausgearbeitet und liebenswert (wobei ich Polina tatsächlich am wenigsten mochte). Ich liebe generell Bücher, in denen es um die Liebe zur Musik und besonders talentierte Menschen geht. Ich höre mir dann auch diese Stücke an oder versuche- wie in diesem Fall- mir vorzustellen, wie sie klingen könnten.
Was Für Polina aber so außergewöhnlich macht, ist der Ton, in dem die Geschichte geschrieben ist. Er erinnerte mich an etwas, ich kann es aber trotz intensiven Nachdenkens nicht benennen. Eventuell ein John Irving zu seiner besten Zeit (dazu passt auch der ungewöhnliche Tod Fritzis). Auf jeden Fall waren es dieser Ton, diese Sprache, die mich von Anfang an gefangen nahmen. Um sie genießen zu können, habe ich das Buch tatsächlich langsam gelesen, langsamer als ich so eine fantastische Geschichte normalerweise lesen würde.
Das Buch war mein drittes von Takis Würger. Die anderen habe ich gerne gelesen, Für Polina ist aber eine Klasse für sich. Ganz große Leseempfehlung!

Bewertung vom 25.02.2025
Bußmann, Nina

Drei Wochen im August


gut

Nach der Leseprobe hatte ich hohe Erwartungen an das Buch: Elena fährt mit ihrem sechsjährigen Sohn und ihrer Teenietochter nach Frankreich in ein Ferienhaus, eine Freundin der Tochter kommt ebenfalls mit. Der Mann bleibt zu Hause, er muss arbeiten. Auch mit von der Partie ist Eve, das Kindermädchen, nennen wir sie mal so. Gleich im ersten Kapitel werden gewisse Andeutungen gemacht, es scheint etwas in der Luft zu liegen. Das Haus gehört der Partnerin von Elenas Chefin; letztere ist auch Elenas Freundin. Vor Ort ist noch Ilya, eine Art Hausmeister. Irgendwann tauchen dann noch unangemeldete Besucher auf und die ganze Region wird von Waldbränden bedroht. Ach ja, und Handyempfang gibt es auch kaum.
Daraus hätte man echt was machen können, das hätte ein Kammerspiel sein können. Kein Thriller, aber ein feinsinniges psychologisches Spiel. Die Geschichte dümpelt dann aber nur so vor sich hin. Es wird vieles angedeutet, dann doch wieder fallen gelassen, ständig kommt neues dazu, woher plötzlich fragt man sich. Häufig mangelt es auch einfach an Kommunikation. Beim Lesen dacht ich manchmal, sie müssen doch jetzt schon länger als drei Wochen dort sein. Ich habe mich regelrecht gelangweilt. Zeitweilig hatte ich auch überlegt abzubrechen, wollte dann aber doch wissen, ob da noch etwas kommt (Spoiler: tut es nicht). Sprachlich mochte ich das Buch; das konnte aber leider den Rest nicht ausgleichen.

Bewertung vom 22.02.2025
Hagena, Katharina

Flusslinien


sehr gut

Was Katharina Hagena schreibt, entwickelt von der ersten Seite an eine Sogwirkung. Dies war schon bei Der Geschmack von Apfelkernen so, bei Flusslinien gelingt es ihr erneut. Wieder verbindet sie dabei geschickt unterschiedliche Generationen. Besonders gelungen ist ihr dabei die 102-jährige Margrit. Sie lebt in einer Seniorenresidenz an der Elbe. Ihre Zeit verbringt sie hauptsächlich im Römischen Garten. Dieser wurde vor vielen Jahren von Else Hoffa gestaltet, die eine Zeit die Geliebte von Margrits Mutter Johanne war. Margrit denkt viel über die Welt nach, ihre Gedanken nehmen dabei oftmals sehr interessante Formen an. Besonders über ihre Enkelin Luzie denkt sie nach. Luzie brach kurz nach ihrem achtzehnten Geburtstag die Schule ab und möchte nun als Tätowiererin arbeiten. Außerdem gibt es da noch Arthur, der Margrit und die anderen Senioren zu allerlei Terminen fährt. Auch seine Geschichte wird nach und nach erzählt.
In Rückblenden und Teil auch in Erzählungen (denn alle haben ihre Geheimnisse, die sie jedoch eigentlich nicht erzählen wollen), erfahren wir langsam, was sich wirklich zutrug. Besonders gelungen fand ich dabei, dass die Geschichten nicht vorhersehbar waren, es immer überraschende Wendungen gab, die aber keinesfalls unrealistisch wirkten. Gegen Ende befürchtete ich bei Margrits Plänen noch einen großen Showdown, das wurde jedoch wunderbar gelöst.
Für mich interessant war auch, dass ich für Margrit meist viel mehr Verständnis hatte als für Luzie, die mir altersmäßig deutlich näher ist. Vermutlich lag dies daran, dass Margrit für ihr Alter eine sehr fortschrittliche Person ist, dies auch ihr ganzes Leben war. Luzie dagegen ist eine typische Vertreterin ihrer Generation und dafür bin ich vielleicht schon wieder zu alt.
Flusslinien ist ein sehr gut und leicht lesbares Buch, dass ich nicht mehr aus der Hand legen wollte. Es lässt mich sehr zufrieden und glücklich zurück.

Bewertung vom 20.02.2025
Frank, Arno

Ginsterburg


sehr gut

Ginsterburg ist eine fiktive Stadt irgendwo mitten in Deutschland. Arno Frank führt uns zu drei verschiedenen Zeitpunkten dorthin: 1935, zwei Jahre nach der Machtergreifung, 1940, noch relativ am Anfang des zweiten Weltkriegs, und schließlich 1945, als das Ende bereits naht. Dabei begleiten wir immer die gleichen Personen und verfolgen ihre Entwicklung. Da ist Merle, eine Buchhändlerin, die nicht besonders viel für das Regime übrig hat. Ihr zu Beginn dreizehnjähriger Sohn Lothar wird durch die Hitlerjugend vereinnahmt und möchte Pilot werden. Merle verbindet eine Leidenschaft mit Eugen, Journalist bei der Lokalzeitung und Mann ihrer besten Freundin, zunächst nur für Bücher, später auch körperlich. Merles Nachbarin ist leidenschaftliche Nationalsozialistin, auch wenn diese ihren geistig behinderten Sohn als „Ballastexistenz“ bezeichnen. Otto Gürckel nutzt die Gunst der Stunde, steigt zum Kreisleiter auf und verwendet seine Beziehungen, um das Familienunternehmen voranzubringen.
Anhand dieser und weiterer Personen zeigt Arno Frank exemplarisch und in einem Mikrokosmos die verschiedenen Persönlichkeiten, die ein solches System hervorbringt: Mitläufer, glühende Anhänger, Profiteure. Dabei drehen sich nicht wenige die Welt so, wie sie es gerade brauchen, um zusätzlichen Gewinn herauszuziehen. Gerade gegen Kriegsende, als vielen die ausweglose Lage bereits bewusst ist, wird dies noch einmal besonders deutlich.
Das tatsächliche Kriegsgeschehen und auch die Politik in Berlin scheinen von Ginsterburg weit weg zu sein. Doch auch dieser Ort wird von ihnen eingeholt. Im Vordergrund stehen dabei aber die zwischenmenschlichen Beziehungen.
Sprachlich ist Ginsterburg äußerst gelungen. Jede Figur hat ihren eigenen Ton. Auch die Beschreibungen der Stadt zwischendurch passen perfekt, sie lassen sie lebendig werden. Lediglich römische Zahlen sollte sich der Autor noch einmal genauer anschauen. MDXCVII ist nämlich nicht 1497, sondern 1597, aber das nur nebenbei.
Ich war zunächst sehr begeistert von Ginsterburg. Besonders die ersten beiden Teil lesen sich sehr gut. Im dritten Teil nimmt nicht nur der Kriegsverlauf eine Wendung, auch die Handlung schlägt häufig eine andere Richtung ein. Nicht alles davon fand ich erzählerisch gleich gut gelungen. Der Schluss ist relativ offen, aber dennoch passend. Was ich mir jedoch sehr gewünscht hätte, wäre ein Bezug zum zu Beginn des Romans erwähnten Wanderzirkuses gewesen. Dieser findet lediglich im 1940 spielenden Teil noch kurz Erwähnung, ist sonst aber komplett von der Bildfläche verschwunden.
Wie bewerte ich nun den Roman? Das fällt mir ehrlich gesagt etwas schwer. Ich mochte, es, dass nicht wie in anderen Romanen Gestapo, SS etc im Fokus stehen, sondern hier fast keine Rolle spielen. Gleichzeitig kamen gerade im letzten Teil einige Elemente hinzu, die alles ein wenig unglaubwürdig wirken ließen (die Marlene Dietrich-artige Rückkehr von Gürckels Frau, ein vierjähriges Mädchen, das Stimmen und Geräusche als Instrumente sieht und insgesamt wie ein deutlich älteres Kind spricht…). Mir ist nicht ganz klar, was der Autor hiermit bezwecken möchte.

Bewertung vom 16.02.2025
Turton, Stuart

Der letzte Mord am Ende der Welt


gut

Meine Erwartungen an den neuen Stuart Turton waren wahnsinnig hoch. Den Vorgänger Der Tod und das dunkle Meer habe ich regelrecht verschlungen und war extrem begeistert. The Last Murder at the End of the World wurde vom Autor als „wild“ bezeichnet. Wild trifft es tatsächlich, aber vor allem wild konstruiert.
Zum Setting möchte ich nicht zuviel verraten, daher nur ganz kurz: auf einer Insel leben 122 Bewohner und drei Wissenschaftler. Sie sind die letzten Überlebenden der Menschheit. Vor einigen Jahren rottete ein geheimnisvoller Nebel alles andere Leben aus. Nun wurde ein Wissenschaftler ermordet und es blieben nur wenige Stunden, um den Täter zu ermitteln und das endgültige Ende Menschheit zu verhindern.
Das klingt ein bisschen verrückt und ist auch ein Genremix aus Dystopie, Science Fiction und Murder Mystery. Es werden viele falsche Fährten gelegt und alles wird auch gut aufgelöst. Doch für mich war alles ein bisschen zu verrückt und zu konstruiert. Ich habe das Buch zwar gerne gelesen und es ist auch wirklich ein Pageturner. Für meinen Geschmack ging manches aber ein bisschen zu weit. Die Geschichte hat lediglich durch ein geschickt angelegtes Konstrukt Bestand, anderenfalls wäre sie zu simpel.
Auch wenn ich von diesem Buch ein wenig enttäuscht war, bin ich neugierig auf weitere Werke von Stuart Turton.

Bewertung vom 08.02.2025
Murrin, Alan

Coast Road


gut

Coast Road beginnt mit einem Knaller: Ein Haus brennt mitten in der Nacht. Die hinzugezogene Polizei fragt die Nachbarin, die den Brand meldete, woher sie denn wusste, dass das Feuer kein Unfall gewesen sei. Darauf gibt diese zurück, dass sei eine ganz andere Geschichte. Im Anschluss daran springt die Handlung in der Zeit zurück und es wird berichtet, wie es zu dem Brand kommen konnte. Schnell wird klar, dass es in dem kleinen irischen Städtchen einiges an Spannungen gibt. Da ist zum einen Izzy, deren Mann ihr nach Geburt des ersten Kindes einfach den Blumenladen kündigt, damit sie sich mehr um den Nachwuchs kümmert. Und vor allem ist da Colette. Sie verließ vor einigen Jahren ihren Mann und die Kindern, um in Dublin zu leben. Colette ist Dichterin und scheint so gar nicht in den Ort zu passen. Nun ist sie zurück, lebt in eben jenem zu Beginn erwähnten Cottage und ihr Mann verbietet ihr den Umgang mit den Kindern.
Wer dies liest, fühlt sich wahrscheinlich in die Sechzigerjahre versetzt. Tatsächlich spielt das Buch jedoch im Jahr 1994. In Irland gab es damals- unvorstellbar aber wahr - noch kein Recht auf Scheidung. Nach einer äußerst knappen Entscheidung wurde dies erst ein Jahr später möglich. Ziemlich bedrückend das ganze.
Ich war also zu Beginn ziemlich begeistert von diesem Buch, ganz gespannt, was nun kommen würde. Und das war dann erstmal fast nichts. Es wurde dann nämlich recht zäh und zog sich. Hin und wieder passierte zwar schon was, aber eben auch nur hin und wieder. Gegen Ende wurde es dann wieder besser, war mir bei vielem aber doch zu voraussehbar. Die Personen kamen mir teils auch überzeichnet vor, das hätte die Geschichte nicht nötig gehabt. Denn sie spricht ja so viele wichtige Dinge an, die ganze Bigotterie und Heuchelei die sich gerade in ländlichen Gegenden auch heute immer noch so häufig findet. Da das Buch ein Debüt ist, will ich mit dem Autor auch gar nicht zu hart ins Gericht gehen. Bei einer irischen Geschichte hatte ich im Hinterkopf halt auch immer Claire Keegan, die auf so wenigen Seiten so großartige Geschichten schreibt, die die sozialen Missstände so präzise anprangern. Zieht man diesen vergleich, hat es vermutlich jeder Autor schwer.

Bewertung vom 31.01.2025
Osman, Richard

Wir finden Mörder Bd.1


gut

Ich bin riesiger Fan des Donnerstagsmordclubs. Natürlich habe ich deswegen auch den neuen Richard Osman gelesen. Dieser ist kein Teil der Serie um das Seniorenquartett, sondern der Beginn einer eigenständigen Reihe. Das Buch spielt auch in einem beschaulichen Städtchen in Südengland, aber nur zu einem ganz geringen Teil. Auch ist diesmal nur einer der Protagonisten ein Rentner.
Das war es dann auch schon so ziemlich mit den Gemeinsamkeiten. Der Rest ist dann ein wilder Ritt um die halbe Welt. Für meinen Geschmack ein wenig zu wild. Teilweise war es nur noch ein riesiges Durcheinander, dem man kaum folgen konnte. Das lag auch an der völlig unüberschaubaren Anzahl an Personen, über die fünf Seiten lang erzählt wurde, bevor die Handlung irgendwo anders hinsprang. Alles war ein wenig unübersichtlich. Ich hatte irgendwann eigentlich gar keine Lust mehr weiterzulesen. Einzige wegen der witzigen Dialoge und weil ich dann doch wissen wollte, wer der Mörder war, habe ich das Buch zu Ende gelesen.
Sehr schade eigentlich. Diese Reihe werde ich daher nicht weiterlesen, sollten neue Bände erscheinen. Ich hoffe jetzt auf einen weiteren Teil des Donnerstagmordclubs.

Bewertung vom 31.01.2025
Hazelwood, Ali

The Love Hypothesis - Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe


ausgezeichnet

Ich bin ja normalerweise keine große Leserin von Liebesgeschichten. Manchmal braucht man aber einfach was fürs Herz. Da ich großer Fan von RomComs bin und auf der Suche nach einer leichten Sommerlektüre war, dachte ich mir, dass ich mit Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe (Englisch: The Love Hypothesis) nichts falsch machen kann. Und ich habe es keine Sekunde bereut: Ich habe dieses Buch von der ersten bis zur letzten Seite geliebt und so durchgesuchtet, wie schon lange keins mehr.
Natürlich gibt es Klischees und natürlich stellt sich Olive manchmal ein bisschen arg doof an und klar weiß man, wie es ausgehen wird. Das hat mich aber absolut nicht gestört. Die beiden Hauptfiguren sind einfach nur total liebenswert und sympathisch, genauso wie der Großteil ihrer Freunde. Die Geschichte ist auch extrem witzig geschrieben. Es hat mich manchmal ein bisschen an Das Rosie-Projekt erinnert, das ich damals genauso verschlungen habe.
Das Setting mochte ich auch sehr. Ich arbeite schon lange an der Uni, wenn auch nicht in der Forschung. Ich kann vieles bestätigen, wenn auch oft nur aus zweiter Hand. Adams Ratschlag an Olive ist genau richtig: der Mangel an diesen Gründen war für mich nämlich damals ausschlaggebend, nicht zu promovieren.
Ich kann dieses Buch nur wärmstens empfehlen!

Bewertung vom 31.01.2025
Thorpe, Rufi

Only Margo


sehr gut

Only Margo ist ein sehr unterhaltsames Buch, dass immer wieder voller Überraschungen steckt. Gleichzeitig ist es auch viel tiefsinniger, als man von der bloßen Inhaltsbeschreibung erwarten könnte.
Zu Beginn macht Margo einen ziemlich naiven Eindruck, später wird sie sich selbst als ein bisschen dumm beschreiben. Und mit diesem „sich selbst beschreiben“ sind wir auch schon an einem interessanten Punkt: Rufi Thorpe verwendet für Margo nämlich zwei verschiedene Erzählstimmen. Manche Passagen werden in der dritten, andere dagegen in der ersten Person erzählt. Darauf wird sogar ganz bewusst eingegangen, es erfolgt ein Vergleich mit Gogols Die Nase und ein Abschnitt beginnt mit den Worten: „Nun kommt einer der Abschnitte, die ich in der dritten Person erzählen muss.“
Gut herausgearbeitet ist auch die Position, in der Margo sich befindet. Durch ihre ungewollte Schwangerschaft kann sie nicht studieren (dies wird ihr sogar untersagt); arbeiten kann sie ebenfalls nicht, da ihr die Kinderbetreuung fehlt. Die Arbeit bei OnlyFans wird jedoch als ebenso kritisch gesehen. Dabei werden wunderbar die Heuchelei und die Absurditäten der Gesellschaft deutlich. Das zeigt sich auch beim Doxing: Margo wird beschimpft, viele brechen den Kontakt zu ihr ab. Denjenigen jedoch, die ihre Identität preisgegeben haben und die selbst Kunden auf OnlyFans waren, geschieht nichts.
Im Übrigen war eine meiner liebsten Stellen die D*ck Ratings: Das war einfach zum Schießen, mit welcher Ernsthaftigkeit sie das macht und unglaublich, dass Männer tatsächlich für so etwas zahlen!