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urmeli

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Insgesamt 465 Bewertungen
Bewertung vom 13.11.2023
Aenne und ihre Brüder
Beckmann, Reinhold

Aenne und ihre Brüder


ausgezeichnet

Aennes Mutter starb kurz nach ihrer Geburt an einer Lungenentzündung, so hatte der Witwer nicht nur sein Schuhmachergeschäft zu bewältigen, sondern auch einen Säugling und die älteren Brüder Hans, Franz und Alfons zu versorgen. Daher war er bald wieder verheiratet. Aenne war gerade vier Jahre alt, als ihr Vater ab den Spätfolgen aus dem großen Krieg ebenfalls starb. Kurz darauf hatte sie eine Stiefmutter und eine Stiefvater, die eigene Kinder bekamen. Aenne stand sich mit ihren Brüdern immer besonders nah, sie teilten das gleiche Schicksal. Sie hatten alle Hoffnungen und Vorstellungen von ihrem Leben als Erwachsene, doch es sollte anders kommen. Der kleine, sehr katholische Ort Wellingholzhausen nähe Osnabrück hat lange nichts vom aufkeimenden Nationalsozialismus mitbekommen, man lebte sein bäuerliches oder handwerkliches Leben ohne Politik. Nicht freudig, aber pflichterfüllend ziehen die jungen Männer in den Krieg. Was sie dort erlebten wird einerseits und sehr persönlich anhand von Feldpostbriefen erzählt, andererseits durch Aufzeichnungen anderer Soldaten, von Truppenbewegungen und Kämpfen ergänzt. Einige Hintergrundinformationen waren für mich überraschend und neu. Die Stellung der katholischen Kirche, das Wegsehen über die Gräueltaten werden beschrieben aber auch das alltägliche Leben in dem Ort, in dem Aenne ihren Weg sucht. Man weiß von Beginn an das kleiner ihrer Brüder überlebt, auch der junge Stiefbruder Willi wird noch eingezogen und dennoch hofft und leidet man mit ihnen und ihrer kleinen Schwester.
Das Leben und Sterben, Liebe und Trauer, die Gräuel im Krieg werden emotional und sachlich erzählt.

Bewertung vom 04.11.2023
KRYO - Die Verheißung
Ivanov, Petra

KRYO - Die Verheißung


sehr gut

Vorab gesagt, da es auf dem Cover nicht zu sehen ist, Kryo, die Verheißung, ist der erste Teil einer Trilogie die am Ende des Bandes viele Fragen offen lässt.
Michael Wild hat seinen Traumberuf als Chirurg aufgegeben, er arbeitet nun, für seine Eltern Julia und Henri unverständlich, als Journalist. Als sie keinen Kontakt mehr zu ihrem Sohn bekommen macht sich Julia so große Sorgen, dass sie sich auf Spurensuche begibt. Michael hat sich mit dem Thema Transhumanismus befasst, um die Verschmelzung von Mensch und Maschine, um Verjüngungskuren, für die über Leichen gegangen wird. Michael ist auf den plötzlichen Tod des vierjährigen Jesse gestoßen, er hat unangenehme Fragen gestellt und seitdem ist er verschwunden. Julia, die als Übersetzerin arbeitet, begibt sich völlig unvorbereitet auf Suche, nur mit einem Gespür und einer Ahnung und gerät selbst immer wieder in gefährliche Situationen. Zusätzlich lastet auf ihr das Geheimnis um Michael leiblichen Vater.
Der Thriller ist sehr spannend geschrieben, er bietet ein interessantes Thema, eine schwierige private Situation, Aktion und Liebe. Was ich vermisst habe ist eine umfangreichere Beschreibung über Transhumanismus, die Gefahren und Vorteile aufschlüsseln, da ich mich bisher überhaupt nicht mit dem Thema beschäftigt habe.

Bewertung vom 04.11.2023
Das Nachthaus
Nesbø, Jo

Das Nachthaus


sehr gut

Nach dem Tod seiner Eltern lebt der 13-jährige Richard bei Onkel und Tante in der Kleinstadt Ballantyne. Tom und Jack sind seine einzigen Freunde. Er stiftet sie zu Streichen und Untaten an bis zuerst Tom und später auch Jack spurlos verschwinden. Da beide als letzte mit Richard zusammen waren wird er von der Polizei als schuldig angesehen, beweisen können sie jedoch nichts. Richards Erklärungen klingen extrem verstörend, laut Lügendetektor sagt jedoch er die Wahrheit.
Der erste Teil des Romans ist wie ein Jugendbuch geschrieben, es handelt vom Schulalltag und Treffen mit Freunden, von Problemen junger Menschen und dazu die Schwierigkeiten Richards sein Leben in den Griff zu bekommen. Es handelt von schwarzer Wortmagie, Fantasy und Horror.
Der zweite Teil spielt 15 Jahre später, Richard ist erfolgreich und trifft beim Klassentreffen auf seine Schulkameraden, bei denen nur Karen damals Verständnis für ihn hatte. Man glaubt, nun die Fragen des ersten Teils beantwortet zu kommen, bis wieder alles anders wird.
Die Geschichte ist ein Psychothriller, ein Fantasyroman, ein Jugendbuch, mit immer wieder neuen Wendungen. Der Beginn als Jugendbuch war für mich der langweiligste Teil, dennoch wollte ich wissen, was es mit dem Verschwinden der zwei Jungen auf sich hatte.

Bewertung vom 04.11.2023
Hundert Klassiker
Henssler, Steffen

Hundert Klassiker


ausgezeichnet

Ein Kochbuch ohne Schnickschnack von Steffen Henssler. In verschiedenen Kapiteln werden Rezepte, jeweils mit einem aussagekräftigen Foto versehen, vorgestellt. Bei dem Kapitel Fleisch erfahren wir vorab, wo sich welche Stücke des Tieres befinden, welche Teile man wofür am Besten nutzt. Grundlagen, wie verschiedene Brühen werden ebenso erwähnt, wie Desserts oder Kuchen. Allen eint, das es Rezepte sind, die bereits von mehreren Generationen gekocht, gebraten, gebacken wurden. Die schwere Mehlschwitze wurde reduziert und alles etwas kalorienärmer gestaltet. Auch kleine Tipps am Rande helfen bei der Zubereitung der einfach erklärten Arbeitsschritte.
Die meisten Rezepte wurde für eine 2-Personen Haushalt berechnet. Da dieses Klassiker der deutschen Küche sind werden erfahrene Köche und Köchinnen keine neuen Erkenntnisse daraus ziehen. Für Kochanfänger ist dieses äußerst gut gemachte Buch sehr zu empfehlen.

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Bewertung vom 04.11.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


ausgezeichnet

Mit sehr gut recherchierten und fundierten Kenntnissen bringt uns Daniel Kehlmann die Welt der Filmschaffenden näher. Georg Wilhelm Pabst war in der Weimarer Republik ein angesehener und erfolgreicher Filmregisseur, sein Film „die freudlose Gasse“ brachte Greta Garbo den Durchbruch. In den 30er Jahren verließen immer mehr Künstler Deutschland und Österreich. Auch Pabst ging nun nach Hollywood, doch er blieb nicht lange. Die Geldgeber hatten das Sagen, er kam mit der Sprache und Kultur nicht zurecht. Da auch seine alte und demente Mutter Hilfe benötigte kam er mit Frau und Sohn wieder zurück. Mit Kriegsausbruch gab es keine Chance mehr auf Ausreise und der deutsche Film, der durch die wenigen noch verbliebenen Filmemacher und das Ausbleiben der amerikanischen Filme am Boden lag, musste mit aller Kraft am Leben erhalten werden. So geriet auch Pabst in die Propagandamaschinerie des dritten Reiches.
Wir erfahren viel über die Produktion eines Filmes, über Künstler und Regisseure der damaligen Zeit. Arrangiert man sich mit dem System, leistet man Widerstand oder wird man zum Täter, so wie Jakob, Pabst Sohn, der als Kind zum fanatischen Nazi wird. Oder wie Gertrude, Pabst Frau, die fast daran zugrunde geht.
Aus verschiedenen Perspektiven wird hier ganz hervorragend, teils mit kurzen Abschweifungen, die Zeit vor, während und nach Kriegsende die Welt des Filmemachens erzählt. Das Meisterwerk, das Pabst immer anstrebte ist Daniel Kehlmann gelungen.

Bewertung vom 04.11.2023
Meine Männer
Kielland, Victoria

Meine Männer


ausgezeichnet

Die 17-jährige Norwegerin Brynhild arbeitet als Magd auf einem Bauernhof und glaubt, der Hoferbe liebt sie. Als sie ihm freudig erzählt sie sei schwanger, tritt er sie, tötet das Kind in ihr und verletzt sie schwer an Körper und Seele. Dies ist der fiktive Beginn der Geschichte um die real existierende Massenmörderin. Sie verlässt in jungen Jahren Norwegen, ihre Schwester Nellie nimmt sie in Chicago auf und besorgt ihr eine Arbeitsstelle. Kurz darauf trifft Brynhild, die sich inzwischen Bella oder Belle nennt, auf den aus Norwegen stammenden Mats Sorenson. Sie erhofft sich Halt und Liebe bei ihm, sie heiraten und leben ein paar Jahre zusammen, bis Mats eines plötzlichen Herztodes erliegt. Durch den Tod ihres Mannes ist Belle nun vermögend, die Gerüchte des seltsamen Ablebens veranlassen Belle die Stadt zu verlassen und eine Schweinefarm in La Porte zu kaufen. Kurz danach heiratet sie erneut.
Der Schreibstil von Victoria Kielland hat mich stark beeindruckt. Man braucht erst ein paar Seiten um sich darauf einzulassen, dann wird man jedoch sogartig in die Handlung hineingezogen. Psychologisch hoch interessant weiß man als Leser nicht ob man Mitleid mit einer nach Liebe sehnenden Frau haben soll oder es sich um eine männermordenden Psychopathin handelt.

Bewertung vom 02.10.2023
60 Kilo Kinnhaken
Helgason, Hallgrímur

60 Kilo Kinnhaken


ausgezeichnet

Im zweiten Band der Reihe um den fiktiven Ort Segulfjördur im Norden Islands steht erneut Gestur im Mittelpunkt des Geschehens. Im Jahr 1906 ist er inzwischen 19 Jahre alt und seine Gedanken und bald auch Taten kreisen um das weibliche Geschlecht. Insgesamt ist das Leben und Lieben in dem Ort recht offenherzig, Leidenschaft ist wichtiger als Treue. Dafür kümmert man sich umeinander, so wie Lasi ein Ziehvater für den Waisen Gestur wurde, ist Gestur wie ein Vater für den kleinen, einäugigen Olgeir. Der Ort lebt vom Hering, man fährt mit Booten aufs Meer und folgt den Schwärmen. Jahrelang gab es gute Fangquoten und dieses zog ausländische Investoren an, größtenteils Norweger.
Das Leben der Isländer verändert sich, es werden stabilere Häuser gebaut, Fabriken, nach dem Telefon gibt es auch noch elektrisches Licht. Auch Gestur möchte an dem Fortschritt teilhaben und geht einen Deal ein.
Neben dem harten Leben der Isländer, dem Fang und Verarbeitung des Herings wird uns die Kultur und die Sagen näher gebracht. Vielleicht an manchen Stellen ein wenig zu ausschweifend. Hingegen gefällt mir ganz besonders der Schreibstil mit einer außergewöhnlichen Wortwahl und -findung.

Bewertung vom 02.10.2023
Das NABU-Vogelbuch
Mullen, Peter;Karwinkel, Fabian

Das NABU-Vogelbuch


ausgezeichnet

Das Buch über unsere heimische Vogelwelt ist optisch wie informativ eine Bereicherung. Bei der Einführung wird eine gelungene Gartengestaltung für mehr Vögel im eigenen Garten erläutert und wie wir für das Wohl der gefiederten Freunde sorgen können. Alle in unseren Breiten vorkommenden Vogelarten werden ausführlich mit Fotos und Grafiken beschrieben. Ihre Lebensweise, ihr Brutverhalten und ihr Lebensraum werden detailliert und leicht verständlich erzählt. Auch der Klimawandel und die Veränderungen die es für unsere Vögel bedeutet, werden angesprochen. Als ein besonderes Extra gefällt mir die herunter zu ladende Kosmos App mit den Vogelstimmen, die bei einer Bestimmung sehr hilfreich ist.
Das Sachbuch ist nicht gerade günstig, meiner Meinung nach den Preis auf jeden Fall wert. Die Aufmachung und Gliederung, die umfassende Beschreibung aller Vögel und viel Extrainformation außergewöhnlich gut gemacht.

Bewertung vom 02.10.2023
Die Butterbrotbriefe
Henn, Carsten Sebastian

Die Butterbrotbriefe


gut

Nachdem die fast 40-jährige Kati Waldstein ihre Mutter beerdigt hat beschließt sie, das sie ihr Heimatdorf verlassen will. Endlich mal nicht mehr fremdbestimmt sein, endlich frei und die Welt sehen können. Ihr Vater ist schon seit längerem tot, was sie von ihm noch besitzt ist ein heruntergekommenes, hoch verschuldetes Kino und eine Sammlung von gebrauchten Butterbrotspapieren. Diese nutzt sie nun für Abschiedsbriefe, die auch eine Abrechnung beinhalten. Bei ihrer Grundschullehrerin rechnet sie mit der Nichtempfehlung fürs Gymnasium ab, die sie ihrer Meinung nach verdient hatte. Ihrem Exmann liest sie seine Ignoranz vor, der Verkäuferin, wie sie selbstlos hilfsbereit war. Die Reaktionen, die sie erhält werfen ein völlig neues Licht auf ihre Mutter und wie diese in Katis Leben eingegriffen hat. Auch bei ihrer Berufswahl, sie arbeitet in der Stadtverwaltung, obwohl sie lieber Friseurin geworden wäre. Jeden Samstag verbringt Kati auf dem Wochenmarkt um Obdachlosen die Haare zu schneiden. Dort trifft sie auf Severin, der sich von der Welt zurückgezogen hat und nun durch Kati, die er für sein Schicksal hält, wieder am Leben teilhaben will.
Manche dieser Briefe und Personen wirken überzogen, nicht immer glaubhaft und das von der Mutter bestimmte Leben hätte Kati durchaus ändern können, wenn sie ernsthaft gewollt hätte. Alles wirkt ein wenig halbherzig, viel in schwarz-weiß Malerei. Zum Wegschmökern bestens geeignet, viel Tiefgang sollte man nicht erwarten.

Bewertung vom 02.10.2023
Wie ein Stern in mondloser Nacht
Sand, Marie

Wie ein Stern in mondloser Nacht


sehr gut

Henni Bartholdy ist eine intelligente junge Frau, sie besucht das Gymnasium. Sie lebt im Berlin der 50er Jahre mit ihrer als Putzfrau arbeitenden Mutter und ihrem kleinen, lungenkranken Bruder. Als sie ihre Mutter bei der Putzstelle der von Rothenburgs vertreten musste, traf sie auf Ed, etwas älter als sie, der sich benahm wie ein reicher Schnösel, doch mit der Zeit wurden die aus so unterschiedlichen Schichten angehörenden ein Paar. Bis Henni schwanger wurde und das Kind nicht geboren werden durfte und Ed nach Cambridge zum Studium verschwand. Für Henni stand nun fest, sie wollte Hebamme werden. Nicht alle Mütter freuten sich auf ihre Kinder, immer wieder fand man Neugeborene tot in einer Mülltonne. Henni will etwas tun, gegen das Leid der Mütter und die vielen toten Babys.
Im Jahr 2000 ist die Journalistin Liv auf der Suche nach ihrer eigenen Vergangenheit, sie wurde adoptiert und vermutet, das ihr Leben mit dem von Henni zusammenhängt.
Die Unterdrückung der Frauen, Männer, die über das Leben der Frauen bestimmten und wie sie zu gebären hatten, bestimmt diesen Roman, um Kinder, nach denen man sich sehnt und solchen, die unerwünscht sind, man sich jedoch strafbar macht, wenn man sie weggibt. Ein hochinteressantes Thema, die nur durch die Liebesgeschichte mit Ed manchmal etwas kitschig wurde.