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Benutzername: 
Brilli
Wohnort: 
Hagen

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Insgesamt 90 Bewertungen
Bewertung vom 27.12.2013
Die Prüfung
Schlüter, Kristian

Die Prüfung


ausgezeichnet

Auf akademischen Spuren.
Der Platz vor dem Audimax der Universität Hamburg ist eigentlich kein ungewöhnlicher Aufenthaltsort für einen Studenten der Rechtswissenschaften, aber dieser hier liegt tot, elegant gekleidet, mit dunklem Cardigan, weißem Hemd und schwarzem Wollmantel, im winterlich-eisigen Wasser des künstlich angelegten Beckens und seine teure Designer- Uhr funktioniert noch und zeigt 19 h 51.

Eher ungewöhnlich ist jedoch der Ermittler, der zu diesem Fall gerufen wird.

Christoph Schönlieb, erst 26 Jahre alt und wahrhaftig kein Allerwelts-Typ, ist auf Grund günstiger Umstände und Protektion recht schnell nach Beendigung seiner Ausbildung der Mordbereitschaft zugeteilt worden, obwohl er für die Arbeit in diesem Team eigentlich einige Lebensjahre mehr und eine größere Berufserfahrung benötigt hätte. Diese Ansicht vertritt auch sein älterer Kollege Harald Wallner, was nicht gerade zum entspannten Arbeitsklima beiträgt.

Ungeachtet dessen teilt Kommissar Holding, sein Vorgesetzter, ihm diesen Fall zu und so ruft ihn die Pflicht zum Halbzeit-Anpfiff aus dem Stadion seiner Lieblingsmannschaft FC St. Pauli zum Tatort auf dem Uni-Gelände.

Die ersten interessanten Hinweise bringen ihn auf die Spur von "Neuro-Enhancern", Medikamenten, die von den Studenten zur Leistungssteigerung und Konzentrationsoptimierung eingenommen werden und natürlich auf Grund der Rezeptpflichtigkeit meist auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden.

Gehörte der Tote zu den Dealern? Waren ihm die Geschäfte mit den Arzneimitteln zum Verhängnis geworden? Musste man den Mörder in seiner Freundes-Clique oder unter seinen Kunden suchen? Als verdeckter Ermittler taucht Schönlieb in die Studentenwelt ein.

Geraume Zeit später erst, als ein weiterer Mord endlich Licht in das dunkle Geflecht bringt, erkennt Schönlieb die Abgründe und den wahren Ursprung der Verbrechen.

Ein ungewöhnlicher, flüssig geschriebener, intelligenter Kriminalroman, der mit Gegenwartsbezug und viel Liebe zum Detail gestaltet ist.

Schlüter bringt Personen als Protagonisten, die sich dem Leser schnell als unverwechselbar einprägen und teils von ausgefallener Charakteristik sind.

Der Autor vermittelt die Geschichte in glaubhafter, allmählich Spannung aufbauender Form, in der minimale Hinweise gegeben werden, die nachher in logischer Auflösung erneut auftauchen und dadurch Authentizität bieten.

Facettenreiche und interessante Ermittlungen führen den Leser über unterhaltsame dreihundert Seiten zu einem überraschenden, effektvollen Ende.

Hier sind keine "Neuro-Enhancer" erforderlich - für Konzentration und Spannung ist gesorgt.

Kristian Schlüters Debüt ist meiner Ansicht nach ein gelungener 5-Sterne-Start.

Bewertung vom 06.12.2013
Von Mauern und Flammen
Licht, Emilia

Von Mauern und Flammen


ausgezeichnet

Katja Fischer und Radolf Jantzon trafen sich zum ersten Mal im August 1989 in Prag und damit veränderte das Schicksal ihre Welt.

Beide waren Teilnehmer einer wissenschaftlichen Excursion der Deutsch-Tschechoslowakischen Literaturgesellschaft, die auf den Spuren deutschsprachiger Dichter und Schriftsteller wie Kisch und Rilke diese Stadt besuchte.

40 Jahre lang hatte mittlerweile die Deutsche Demokratische Republik ihre Macht demonstriert, doch seit Jahren schon gab es pro westliche Strömungen in Polen, Tschechien, Ungarn und der damaligen CSSR, die mit immer eindringlicheren Demonstrationen die Reformen Gorbatschows bejubelten - die Starre der Willkür zeigte erste Schwächen, die Zeit war reif, den Rufen nach Freiheit Tribut zu zollen.

Dieses Jahr des Mauerfalls, das Jahr der Wiedervereinigung eines Volkes, das zusammengehörte und brutal getrennt worden war, war auch das Schicksalsjahr der beiden Menschen, die einander sahen und nie wieder voneinander loskommen konnten.

Zwischen ihnen entstand eine Liebe, die nicht sein durfte, weil beide ihr Leben mit anderen Partnern teilten, und es war auch ein Gefühl, das ihnen Schmerz brachte, weil die Unterschiedlichkeit ihres Denkens und Handelns sie oft unüberbrückbar zu trennen schien. Der Verstand sprach seine eigene Sprache, doch ihre Seelen spürten den Gleichklang, in dessen Rhytmus sie immer wieder aufeinander zustrebten, ja beinahe "zueinander flohen, weil sie wie Fremde durch ihr anderes Leben irrten". Über Jahre wurde es ein bitter-süßer Kampf zwischen Hingabe und Verzicht, der ihre Wege letztlich auseinander führte.

Der Brand in der berühmten Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar symbolisiert mit der kaum bezähmbaren Macht seiner Flammen die Unabwendbarkeit des Schicksals, das beiden Menschen Bestimmung wird, als sie erneut aufeinander treffen.

Das cover als Umhüllung der darin eingebetteten Zeilen zeigt bereits in ausgefallener Art die Gefühle, welche die Eckpfeiler dieser Geschichte bilden, verdeutlicht Zuwendung und Abkehr, positives Bejahen und deprimierenden Verzicht, dunkle Begrenzung und lichte Erfüllung. Es ist passend und intelligent gewählt.

Die Autorin Emilia Licht hat mit diesem Roman ein wunderbares Leseerlebnis geschaffen.

Die zarten, beflügelten Töne erwachenden Gefühls, mit denen sie die Begegnung der beiden Protagonisten schildert, lassen bei Weitem nicht die Intensität, die Zerrissenheit und Problematik erahnen, mit denen der Leser im Fortgang der Geschichte konfrontiert wird.

Vor geschichtlich aufrührender Kulisse nimmt das Leben zweier Liebender Gestalt an, die mit ihren Sehnsüchten, Verletzlichkeiten, Stärken und Schwächen so nahe beim Leser sind, dass er zum teilnehmenden Begleiter wird, der mit liebt, leidet oder zweifelt und ebenso Eigenes aus sich selbst hier wiedererkennt.

Emilia Licht hat die seltene Gabe aus einem fast unauffällig bescheidenen Anfang ein tiefgründiges, lebenskluges Buch voll Wärme und Menschlichkeit machen zu können, das fortlaufend größer und reicher wird, uns ganz aufnimmt und mit sich trägt. Ein wahrhafter Genuss, dem ich gerne alle Sterne als Empfehlung mit auf den Weg geben möchte.

Bewertung vom 05.12.2013
Bauernopfer - Lichthaus' zweiter Fall
Walz, Paul

Bauernopfer - Lichthaus' zweiter Fall


ausgezeichnet

Die Rufe der Zugvögel drangen von fern her zu dem Mann, der in der nächtlichen Dunkelheit vom Wohnhaus auf dem Weg zu den Ställen seines Biohofes war, um dort wie jeden Abend nach dem Rechten zu sehen. Er legte den Kopf in den Nacken und lauschte den Schreien der Kraniche, die, den uralten Naturgesetzen folgend, ihre Bahn am Nachthimmel zogen. Ein Gefühl des Friedens überkam ihn, denn seit alters her galten diese majestätischen Vögel als Glücksbringer.

In diesem Augenblick wusste er nicht, dass es das letzte Glück war, das er empfand, weil man ihn wenige Stunden später bestialisch ermordet in einem seiner Bio-Ställe auffinden würde, wo er an einem Balken wie an einem Galgen hängend, sein Leben ausgeblutet hatte wie ein Schlachtvieh.

Johannes Lichthaus, der ermittelnde Kommissar, stand vor einem Rätsel.

Die ersten Verdachtsmomente richteten sich auf die Familienmitglieder des Ermordeten. Da waren zwei Söhne, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten, deren Hass aufeinander und auf den Vater unverkennbar war und eine Ehefrau, welche die meisten Stunden des Tages im Alkoholrausch verbrachte, vom Partner enttäuscht und haltlos - durchaus Umstände, die verdächtig machten.

Bis ein weiterer Mord, dessen Opfer ein hohes Tier des Wirtschaftsministeriums war, ganz andere Erwägungen brachte. War es möglich, dass hier ein Kampf gegen die Öko-Landwirtschaft geführt wurde? Waren eventuell korrupte Kreise der Politik oder Drahtzieher der Mafia am Werk? Eine Journalistin musste für ihre bloßstellenden Recherchen zu einem Skandal teuer bezahlen, und der ermittelnde Kommissar geriet unter Zeitdruck, weil er dem grausamen Verbrechen ein Ende bereiten musste, bevor seiner Familie Gefahr drohte.



Paul Walz hat einen ausgezeichneten Kriminalroman geschrieben. Das Buch hat einfach alles, was die Lektüre in diesem Genre auszeichnen sollte.

Der Fall ist interessant und hochaktuell, die Protagonisten - allen voran Johannes Lichthaus - sind authentisch und nahe beim Leser, hervorragend skizziert und leicht vorstellbar.

Mit flüssiger, gut gewählter Sprache führt der Autor den Leser durch eine Geschichte, deren Spannungsbogen zu keiner Zeit nachlässt, sondern sich im Fortgang der Geschehnisse stetig erhöht, um in einem furiosen, nicht vorhersehbaren Ende zu münden.

Selbst die vereinzelten, brutalen Mordszenen und -beschreibungen haben durch die kühle, berichtende Distanziertheit keinerlei reißerischen Charakter.

Ein intelligenter, interessanter Kriminalroman, der einem Freund dieses Genres sicherlich genussvolle Lesestunden bereitet und mit meiner uneingeschränkten Empfehlung auch alle zu vergebenden Sterne erhält.

Bewertung vom 26.10.2013
Ich heirate Frau Antje ihre Familie
Bergner, Ben

Ich heirate Frau Antje ihre Familie


ausgezeichnet

Die amüsante Geschichte eines Grenzgängers.

Die beherzte Lebensrettung der über Bord gegangenen, quirligen Holländerin Anouk, die in fröhlicher Feierlaune, mit alkoholisch fortgeschrittenem Pegel vom Rand eines Floßes in die bayrische Isar gepurzelt war, brachte dem Münchner Möbelfachverkäufer Gabriel nicht nur die Zuneigung dieses umwerfenden Geschöpfes, sondern gleichzeitig eine Fülle von oranje-farbenen Erkenntnissen, die sein Bild vom Nachbarstaat Holland ganz schön auf den Kopf stellten, und Anouks gezellige Großfamilie, ohne die ein richtiger Holländer eigentlich nicht denkbar ist, startete einen Großangriff auf sein Misanthropen-Dasein.

Sollte sich sein bisheriges Wissen auf Gouda Käse, Heineken Bier und Tulpen beschränkt haben, so wurde das mit vereinten Kräften gründlich reformiert, und die Tage der begonnenen Zweisamkeit zeigten sich immer wieder voll neuer Überraschungen, bei denen so ein deutscher "Einsiedler-Krebs" wie Gabriel - oder Gab, wie ihn seine jetzige Familie liebevoll nennt - erst mal ganz schön nach Luft schnappen musste. Aber seine Zuneigung zu Nuki - übrigens die holländisch-niedliche Form von Anouk - machte alles wett und es bestätigt sich wieder einmal, dass Liebe und ein zärtliches "schatje" Flügel verleihen, mit denen man alle Grenzen überwinden kann - abgesehen davon brauchte Gab ja sowieso nur "nach nebenan".

Ben Bergners Buch ist spritzig, humorvoll, geistreich und bunt wie ein Tulpenfeld.

Seine Protagonisten sind detailliert beschrieben, kommen ganz nah an den Leser heran und lassen ihn an Dingen teilhaben, die eigentlich in jedem Alltag passieren könnten - speziell natürlich im holländischen.

So wirkt der Humor sehr natürlich und die Situationskomik nicht aufgesetzt, sondern echt und unterhaltsam.

Es macht Spaß, Gab beim Einstieg in seine holländische Großfamilie zu begleiten und den meistert er so professionell, dass er dem Leser ein paar wunderbar entspannende Lesestunden bereitet.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.10.2013
Namibische Nächte
Van Hoop, Michelle

Namibische Nächte


gut

Schicksalhaftes Namibia.
Namibia - schon der Name ist Verheißung in den Ohren eines Europäers, klingt wie Zauber und Magie, birgt verlockende Ferne, endlose Weiten und entspannende Einsamkeit.

Auch Vanessa, die wartend in der Abflughalle des Flughafens sitzt, bis die Passagiere an Bord der Maschine geholt werden, hat dieses Ziel für ihren Urlaub gebucht, um all der Hektik ihres Berufes zu entgehen, sich auf die Ruhe einzulassen, die sie in der wunderbaren Ursprünglichkeit des Landes zu finden hofft.

Sie ist eine Karrierefrau, führt ein selbst gewähltes Single-Dasein, in dem berufliche Kontakte und ehrgeiziges Vorwärtsstreben den Ton angeben.

Das war nicht immer so gewesen, ihre Sehnsucht nach einer Familie, nach Kindern und einem Mann, mit dem sie ihr Leben teilen wollte, hatte für eine Zeit ihre Gedanken ausgefüllt.

Doch das war vorbei, seit ihre Beziehung zu dem blonden Namibier Kian zerbrochen war. Eine wunderbare Liebe hatte sie verbunden, ein alles umfassendes, unbeschreibliches Gefühl der Zuneigung - und doch hatte das Schicksal sie auseinander getrieben, als seien sie nicht reif für eine Gegenseitigkeit.

Das schmerzliche Verlustgefühl des Anfangs ist verblasst, viele neue Begegnungen sollten Ersatz sein und scheiterten doch an den Erinnerungen, die immer geblieben waren.

Vanessa ist kein Typ, der kapituliert, die Hoffnung auf ein Wiedersehen hatte sie innerlich aufgegeben, will sich jedoch nicht von ihren verlorenen Sehnsüchten begrenzen lassen und fliegt nun dem Land entgegen, in das Kian damals zurückgekehrt war, womit all' seine Spuren sich verloren.

Doch der braungebrannte Mann an der Rezeption der Gästefarm, die Vanessa als Urlaubsdomizil gebucht hat, ist Kian , und die Vergangenheit mit allen Emotionen wird wieder wach, scheint ihr den Boden unter den Füssen wegzuziehen, denn neben ihm steht Isolde, eine Freundin aus Deutschland und ihre Kinder sind zauberhaft, so blond und blauäugig wie Kian.

Gibt es das - sich wiederzufinden und dann gleichzeitig für immer zu verlieren?

Michelle van Hoop hat hier ihren Debütroman geschrieben.

Die Geschichte ist nicht ganz ungewöhnlich oder extravagant, sicher haben schon einige Menschen dieses Sich-Verlieren und Wiederfinden erlebt, unter welchen Umständen auch immer.

Hier scheint der Grund des Verlustes ein Mangel an Reife, an Loyalität und Bereitschaft gewesen zu sein, dem Anderen auf seinen Wesenspfaden zu seinen Wurzeln hin zu folgen. Der Anspruch, eigene Verhaltensweisen durchzusetzen ohne alltagstaugliche Kompromisse anzustreben, bringt die Trennung, die schmerzlich bleibt, weil das Gefühl nicht stirbt.

Dieser Zwiespalt kommt im Roman deutlich zum Tragen, die beiden Menschen werden zwischen den verschiedensten Empfindungsebenen und Missverständnissen hin - und hergeschleudert, und ihr Verhalten ist oft ungewöhnlich, schwer nachvollziehbar und nicht immer kritiklos hinnehmbar.

Die Geschichte zwischen den Liebenden hat die Autorin eingebettet in die faszinierende Kulisse ihres Heimatlandes Namibia.

Wunderbar passt die Welt der Gefühle unter das geheimnisvolle Sternenzelt des afrikanischen Himmels, versteckte Sehnsüchte und heimliche Lust könnten nicht verschwiegener aufbewahrt werden als im Rondavel in der atmenden Stille der Savanne, und das pulsierende Naturerlebnis Namibia könnte nicht intensiver erlebt werden als beim Versuch, skrupelloser Wilderer habhaft zu werden, die man mit dem "Bakkie" aufspürt.

Mit flüssiger Sprache schreibt Michelle van Hoop unterhaltsam über vertraute Gefühle, recht menschliche Protagonisten mit Stärken und Schwächen und vor Allem von einem Land, das wir anschließend in den Katalog unserer "Traumreisen" mit aufnehmen werden - denn nicht jeder kann dort für immer sein "Rondavel" aufschlagen, auch nicht, wenn er es sich wünscht.

Bewertung vom 02.10.2013
Im Schatten des Krans
Rath, Jürgen

Im Schatten des Krans


sehr gut

Im Schatten des Krans im Hafen von Hamburg spielt sich das Leben derer ab, die durch die Schiffahrt Arbeit, Brot und Verdienst haben. Der Alltag ihres Daseins ist geprägt vom Handel über die Weltmeere hinweg, von Ladungen und Transporten, gewichtigen Gütern und ihren Beförderungen, die stets mit hartem Arbeitseinsatz der Menschen unter Überwindung der Naturgewalten geleistet werden mussten.

Und eben dieser Kran, der durch den großen Brand zerstört worden war, soll 1845 durch einen modernen, eisernen Schwergutkran aus England ersetzt werden.

So planen es Reeder und Kaufleute, die fortschrittliche Erleichterung für das Löschen und die Beladung der Lastschiffe davon erwarten. Ein vehementer Gegner dieser Anschaffung ist der Werftbesitzer Elbrand, der sich für eine hölzerne Hebemaschine einsetzt und zur Durchsetzung dieses Plans sicherlich wohl auch seine sehr guten Kontakte zur Regierung spielen lassen würde.

Doch eines Nachts wird Elbrand ermordet aufgefunden. Ein Volontär des Handelshauses Schröder & Westfalen, der junge Engländer Roger Stove, der aus seiner Ablehnung dieser Hebemaschine kein Hehl gemacht hatte, gerät nun in Verdacht und wird erst einmal festgesetzt.

Der Kontorlehrling Moritz Forck , der dort seine Lehre absolviert, glaubt fest an die Unschuld seines Kollegen, den er einer solchen Tat nicht für fähig hält und versucht auf eigene Faust, den Mörder aufzuspüren und dingfest zu machen.

Mit jugendlich-unbedachtem Draufgängertum, durch das er auch seiner angebeteten Cäcilie imponieren möchte, lässt er sich auf ein lebensgefährliches Unterfangen ein, das ihn in den düsteren, verrufenen Gassen des Gängeviertels in höchste Gefahr bringt.

Jürgen Rath hat einen interessanten Roman geschrieben.

Durch seine akribischen Recherchen und ein angehängtes, erklärendes Glossar, schafft er es wunderbar, ein Bild der damaligen Zeit zu malen. Er nimmt den Leser mit nach Hamburg, in die Stadt, die damals schon als Metropole für den Handel ein Tor zur Welt bedeutete. Die dort ansässigen Menschen waren nahezu alle auf ihre Art mit diesem Umschlagplatz der Waren verbunden. Sie führten ihre Kontore in Handelshäusern, waren Erbauer seetüchtiger Schiffe, die auf ihren Routen die ganze Welt erreichten und das geschäftliche Leben prägte die vornehme Gesellschaft ebenso wie es dem Alltag jener einfachen Leute einen Stempel aufdrückte, deren arbeitsgewohnte Hände dafür sorgten, dass auch die niederen Tätigkeiten erledigt wurden.

Durch diese Milieustudie zieht sich ein roter Faden - die Aufklärung des Mordes am Werftbesitzer Elbrand.

Unmerklich, jedoch auf sehr intensive Art, erfährt der Leser soviel Wissenswertes über die Hamburger Gesellschaft, die sich um das Jahr 1845 unter dem Kran, der als Wahrzeichen den Hafen überragte, in den ihr eigenen Gepflogenheiten und Sitten etabliert hatte, dass der Kriminalfall fast ein schmückendes Beiwerk geworden ist.

Faszinierend finde ich, dass man als Leser trotzdem gefesselt ist und es nicht vermisst, dass die kriminalistische Spannung ein wenig entzerrt wird.

Ob man das Buch nun als historischen Kriminalroman oder als ein Gesellschaftsbild mit kriminalistischen Ambitionen betrachtet, es ist eine unterhaltsame Lektüre, flüssig und spannend erzählt, ein bunter, höchst authentisch vermittelter Geschichtsrückblick mit lebendig wirkenden Protagonisten als Spiegelbild der Gesellschaft.

Professionell und gut.

Bewertung vom 25.09.2013
Todeswalzer / Nechyba-Saga Bd.4
Loibelsberger, Gerhard

Todeswalzer / Nechyba-Saga Bd.4


ausgezeichnet

Dreivierteltakt des Todes.

Recht gut sein läßt sich's der Wiener Inspektor Josef Maria Nechyba während seiner Kur im steirischen Gleichenberg. In "Wellers Gasthof" zu sitzen, eine Portion dünn geschnittenen Schweinsbraten, oder Haussulz mit Zwiebel und Kürbiskernöl zu essen, ein frisch gezapftes Krügerl Bier und einen abschließenden Vogelbeerschnaps dazu zu trinken, ist schon ein Hochgenuss. Nur seine Virginier Zigarren fehlen ihm - und natürlich seine geliebte Frau Aurelia. Ansonsten ist die Welt in Ordnung - bis auf dass vor zwei Tagen der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand in Sarajewo einem serbischen Attentäter zum Opfer fiel. Das beunruhigt ihn doch, weil das patriotische Volk in rachsüchtiger Verblendung nach Vergeltung schreit und er mit weitgreifenden Folgen rechnet.

Dass ein Telegramm des Polizeipräsidenten, der um seinen Anruf bittet, erst einmal Folgen für ihn selbst haben würde, weiß er vor diesem Telefonat noch nicht.

In Wien ist der junge fesche Alphonse Schmerda, seines Zeichens erfolgloser Schauspieler mit erfolgreicher Damenausbeute in seiner Dachgeschoßwohnung durch zahllose Stiche in den Rücken ermordet worden, und da er der Sohn des angesehenen Hofrats ist, betraut das Innenministerium Nechyba mit den Ermittlungen.

Seine Recherchen führen ihn direkt ins "Milieu" in der Leopoldstadt, in das Revier des Zygmunt Karminsky, eines Zuhälters, dessen Einfluss groß und dessen Ruf facettenreich ist. Seine Feinde erfahren seine uneingeschränkte Brutalität, diejenigen jedoch, denen er gnädig gesonnen ist, nennen ihn "den Guaden" - na, ja, so "guad" wie so ein "Strizzi" halt sein kann in der Wiener Unterwelt, wo man kein "Vater unser" übrig hat, wenn's den einen oder anderen auf Nimmerwiederseh'n erwischt.

Trotzdem versucht der Inspektor mit Hilfe seines zwielichtigen Gegenspielers Licht in den mysteriösen Mordfall zu bringen.

Doch während er noch mit der komplizierten Aufklärung beschäftigt ist, geschieht in der vom Hass auf die Serben und vom Kriegsgeschrei beunruhigten österreichischen Metropole ein weiterer brutaler Mord und als Nechyba sich auf die Suche nach einem gefährlichen Serientäter macht, wird die Welt in blutiger Parallelität von der Welle des ersten Weltkrieges erfasst.



Die Mordgeschichte des Autors Gerhard Loibelsberger spielt im Jahr 1914 in der österreichischen Metropole, zu einem Zeitpunkt, wo die Welt erschüttert ist vom Tod des Erzherzogs Franz Ferdinand und die dem Thron treu ergebenen Bürger nach Krieg und Vergeltung schreien.

Er lässt seine spannende Kriminalstory vor diesem geschichtlich bedeutsamem Hintergrund ablaufen, eingebunden in eine interessante Milieustudie, die mit vielen typischen Wiener Ausdrücken untermalt ist und daher ungemein authentisch wirkt. Natürlich hat er - eingedenk des Lesers Unkenntnis - ausreichend Fußnoten angefügt, sodass dem Verständnis der deftigen Sprache nichts im Wege steht.

Der Kommissar Joseph Maria Nechyba ist eine starke Persönlichkeit mit Ecken und Kanten, einer glücklichen Ehe und einer Vorliebe für landestypische Gerichte, die er sich genussvoll und ausführlich zu Gemüte führt.

Seine Ermittlungsmethoden sind ausgefallen, nicht zimperlich und erfolgreich. Loibelsberger zeichnet hier einen Charakter, den der Leser so schnell nicht vergessen wird - ebenso wenig wie die ihn umgebenden Protagonisten, die ausnahmslos typvoll und authentisch wirken.

Dynamik und Lokalkolorit machen solche Wiener Impressionen zu einer besonderen "Krimi-Delikatesse".

Mit diesem Buch hat mir ein ausgefallener, markanter, rundherum wienerischer Kriminalroman, dem ich gerne alle Sterne serviere, ein ungetrübtes Lesevergnügen bereitet.

Bewertung vom 22.08.2013
Rückkehr nach Somerton Court / Somerton Court Bd.1
Rasheed, Leila

Rückkehr nach Somerton Court / Somerton Court Bd.1


sehr gut

Träume und Tränen.

Man schrieb das Jahr 1912.

An Bord der "Moldavia" kehrte Lady Ada Averly in Begleitung ihrer Schwester Georgina und ihres Vaters Lord Westlake nach England zurück. Das luxuriöse Leben in Indien, das der Vater als Vertreter Englands dort genoss, war beendet, als er seinen Gouverneursposten in Bengalen aufgeben musste und Indien den Rücken kehrte, um auf sein herrschaftliches Anwesen Somerton Court zurückzukehren.

Auf seine Töchter wartete im Frühjahr die erste Ballsaison mit Festlichkeiten und Veranstaltungen, auf denen sich die jungen Debütantinnen zu zeigen pflegten.

Diese Aussichten jedoch erheiterten Ada nicht. Ihr Geist war rebellisch, ihr Aufbegehren gegen die untergeordnete Rolle, welche eine Frau in der Gesellschaft spielte, die ihr weder Wahlrecht noch Anspruch auf Bildung zubilligte, war trotzig und impulsiv. So sah sie ihrem Aufenthalt in der englischen Heimat mit gemischten Gefühlen entgegen. Obendrein würde ihr nach dem Tode ihrer Mutter allein lebender Vater eine neue Frau mit drei Kindern als seine Verlobte zu sich nach Somerton Court holen.

Alle Zeichen standen bereits auf Umbruch, Veränderung und Bewältigung neuer Anforderungen, als der Inder Ravi Sundaresan in ihr Leben trat.

Aus dem blauen Dunkel der Nacht trat er zu der jungen schönen Frau, die gedankenverloren an der Reling des Schiffes lehnte, erhielt Einlass in ihr Leben, in ihre Seele, die er von diesem Moment an nie wieder verlassen sollte.

Aber es gab gesellschaftliche Pflichten, Vorschriften, die der Verstand diktierte oder die Umstände erzwangen.

Ada wusste, in welch schwieriger Lage sich ihr geliebter Vater befand und dass es in ihren Händen lag, ihm zu helfen, aber das bedeutete Verzicht auf eigenes Glück, auf die Erfüllung ihrer Lebensträume und auf den Mann, dem ihre Sehnsucht galt.

Leila Rasheed hat mit Worten gemalt. Ein Gemälde voll leuchtender, eindrucksvoller Farben, das uns mitnimmt in das England kurz vor dem ersten Weltkrieg.

Auf Somerton Court, dem herrschaftlichen Sommersitz der Westlakes, erlebt der Leser den bunten Bogen der menschlichen Befindlichkeiten.

In den streng geprägten Hierachien der herrschenden und dienenden Klasse werden alle Gefühle offenbar, die das Miteinander aber auch die Feindseligkeiten gegeneinander aufzubieten hat.

Hier liegen die Träume und Tränen der damaligen Zeit dicht beieinander.

Die Protagonisten sind überzeugend und authentisch gezeichnet, als Leser bleibt man nicht unberührt von den Gefühlen, von der Problematik, die in vielen Gegebenheiten liegt. Oft wünscht man sich, man könnte eingreifen und etwas ins rechte Lot bringen, was für uns heute so selbstverständlich ist, aber zur damaligen Zeit unveränderlich schien.

Das Lesen ist ein Eintauchen in eine andere Welt, deren Mantel aus Romantik gewebt scheint, unter dem man aber bei näherem Hinsehen sehr wohl die Einschränkung der Freiheit, die Borniertheit der durch Geburt Herrschenden und den Schmerz des erzwungenen Verzichts erkennen kann.

Leila Rasheed hat dafür die Verpackung in eine gefühlvolle Familiensaga gewählt - but I think, there is a lot between the lines.

Ich gebe gern eine Leseempfehlung.

Das einzige Manko: Es fehlt der Hinweis, dass dieses nur der erste Band von - bisher - zweien ist.

Die englischen Romane heißen zum ersten "Cinders and Sapphires" und zweitens "Diamands and Deceid"

Die Übersetzung des zweiten Bandes soll wohl Januar 2014 in Deutschland erscheinen.

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1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.