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TanyBee

Bewertungen

Insgesamt 60 Bewertungen
Bewertung vom 05.04.2018
Die Geschichte des Wassers / Klima Quartett Bd.2
Lunde, Maja

Die Geschichte des Wassers / Klima Quartett Bd.2


sehr gut

Im letzten Jahr war „Die Geschichte der Bienen“ ein großer Erfolg und auch mir hat es gut gefallen. Als ich nun gesehen habe, dass das nächste Buch der Autorin „Die Geschichte des Wassers“ heißt, war ich erst einmal verwundert. Ist das jetzt eine Art Abklatsch? Ist das nicht langweilig? Doch schon nach den ersten Seiten war ich überzeugt, dass sich die Lektüre lohnt.
Zum Inhalt: Wie auch schon „Die Geschichte der Bienen“ spielt das Buch auf verschiedenen Zeitebenen, diesmal aber nur auf zwei.
Im Jahr 2017 begleiten wir Signe, fast 70 Jahre alt, die ihr ganzes Leben für die Umwelt gekämpft hat. Sie hat erfahren, das ihre Jugendliebe Magnus im ihrem Heimatdorf in Norwegen Teile des Gletschers abbaut, um sie reichen Leuten in warmen Ländern als Eiswürfel zu verkaufen. Sie beschließt, Magnus eine Lektion zu erteilen.
Im Jahr 2041 begleiten wir David und seine Tochter Lou in Frankreich. Das Land leidet unter einer großen Dürre und die beiden mussten nach einem Brand aus ihrem Heimatort fliehen und haben dabei die Mutter Anna mit Baby August aus den Augen verloren. Die beiden finden Zuflucht in einem Lager, doch auch hier ist das Wasser streng begrenzt. Und es wird immer knapper.
Wenn ich so darüber nachdenke, spielt das Buch eigentlich doch zu drei verschiedenen Zeiten. Denn der Leser erfährt auch viel über Signes Kindheit und Jugend.
Obwohl die beiden Handlungsstränge wenig miteinander zu tun haben, nur kleine Berührungspunkte haben, hat man trotzdem nicht das Gefühl, zwei verschiedene Bücher zu lesen. David und Signe sind sicher nicht perfekt, sie machen Fehler, aber sie sind trotzdem sympathisch und es ist spannend, sie auf ihrem Weg zu begleiten und die Welt durch ihre Augen zu sehen.
„Die Geschichte des Wassers“ ist ein richtiger Schmöker, der sich sehr gut liest. Die Seiten fliegen nur so dahin. Das Szenario, dass für das Jahr 2041 entworfen wird, ist sicherlich nicht unrealistisch und es ist gut, sich mit solchen Themen zu beschäftigen und auch das eigene Verhalten zu hinterfragen.
Aber einen Kritikpunkt habe ich doch: die Geschichte ist zu großen Teilen vorhersehbar. Richtige Überraschungen kamen nicht vor. Für meinen Geschmack hätte das Thema etwas komplexer angegangen werden können, weniger naiv. Das hört sich jetzt schlimmer an, als es ist, denn ich hatte auf jeden Fall sehr schöne Lesestunden und gebe dem Buch 4 Sterne.
Ich habe gelesen, dass die Autorin insgesamt vier Bücher zu Umweltthemen plant. Ich freue mich schon auf die nächsten beiden und bin gespannt, welche Geschichte sie uns als nächstes erzählt.

Bewertung vom 14.03.2018
Eine Liebe, in Gedanken
Bilkau, Kristine

Eine Liebe, in Gedanken


ausgezeichnet

Manchmal liest man ein Buch und mag es sehr und kann hinterher gar nicht genau sagen, wieso eigentlich. So ging es mir ein bisschen bei „Eine Liebe, in Gedanken“. Aber ich werde versuchen, meine Gefühle in Worte zu fassen. Doch zuerst zum Inhalt:

Die Ich-Erzählerin hat gerade ihre Mutter verloren, sie ist alleine in ihrer Wohnung gestorben, sie hat sie gefunden. In Gedanken führt sie noch Gespräche mit ihr. Die Erzählerin ist selbst gerade in einer Phase des Umbruchs, denn ihre eigene Tochter ist erwachsen und wird bald ausziehen. Das ist die Rahmenhandlung, doch der eigentliche Star des Buchs ist die Mutter: Toni, Antonia Weber. Das Buch erzählt uns ihre Geschichte. Es sind die 1960er Jahre, sie ist von zu Hause ausgezogen und genießt ihre Freiheit, auch wenn sie nur zur Untermiete in einem Zimmer wohnt. Sie ist eine selbstbewusste junge Frau und als sie eines Tages auf der Straße von einem Mann angesprochen wird, ob sie eine Tasse Kaffee mit ihm trinken will, lässt sie ihn erst einmal warten. Als er nach einer halben Stunde immer noch da ist, hat er den Test bestanden und Toni verliebt sich in ihn. Dieser Mann, ihre erste große Liebe, Edgar Janssen, wird ihr Schicksal sein und auch im hohen Alter wird sie noch an ihn denken.
Selbst ihre Tochter (die ihn nur aus den Erzählungen der Mutter kennt) denkt oft an ihn und beschließt sogar, sich mit ihm zu treffen.



Wenn man den Klappentext des Buches gelesen hat (der mehr verrät als meine Inhaltsangabe), dann kennt man eigentlich schon die ganze Handlung des Buches. Lohnt es sich denn dann trotzdem noch, es zu lesen? JA! Und warum? Es ist ganz wunderbar erzählt. Schon nachdem ich die Kennenlern-Szene zwischen Toni und Edgar gelesen habe, war ich ganz verliebt in das Buch. Edgar ist etwas schüchtern und geht ängstlich an das Leben ran, ganz anders als die unbekümmerte Toni. Es ist schön, die junge Liebe in der 60er Jahren zu begleiten. Als man sich noch Briefe geschrieben hat und eine Beziehung fast zwangsläufig aufs Heiraten zusteuerte. Man leidet mit Toni, die ihrer Zeit eigentlich voraus ist, die gerne Karriere machen möchte und Reisen und die die Pille nehmen möchte, die sie zur damaligen Zeit aber noch nicht bekommt.
Und zwischendurch treffen wir immer wieder die Tochter, die das große Rätsel im Leben der Mutter nicht los lässt: Edgar Janssen.

Ein sehr berührendes Buch, sehr schön zu lesen, ich habe jede Seite genossen. Schon der Debütroman der Autorin Kristine Bilkau („Die Glücklichen“) hat mir sehr gefallen und ich freue mich auf weitere Bücher von ihr.

Eine Leseempfehlung an alle, die auch die „leiseren“ Bücher mögen.

Bewertung vom 07.11.2017
Leere Herzen
Zeh, Juli

Leere Herzen


sehr gut

„Leere Herzen“ spielt in den 2020er Jahren. Britta hat sich gut eingerichtet in ihrem Leben, mit ihrem Mann Richard und ihrer Tochter Vera. Doch in Deutschland läuft so einiges falsch: Die Partei der Besorgten Bürger ist an der Macht und es sieht fast so aus, als wollten sie die Demokratie abschaffen um Deutschland noch effizienter zu machen. Britta findet das nicht gut, aber sie protestiert nicht öffentlich, sondern auf ihre Weise: mit ihrer gut laufenden Firma „Die Brücke“. Doch eines Tages bekommen sie und ihr Geschäftspartner Babak Konkurrenz, die vor nichts zurückschreckt.
„Leere Herzen“ soll ein Anschlag sein auf die Politikverdrossenheit der Bevölkerung. Ein Aufschrei gegen die Aussage: „Meine Stimme kann doch sowie nichts verändern“. Das Buch will uns zeigen, wo wir in wenigen Jahren stehen können, wenn wir so weitermachen, wenn wir nicht wählen gehen, wenn uns die Politik nicht interessiert. In Juli Zehs letztem Buch, „Unterleuten“, war die Gesellschaftskritik gut verpackt, in einer spannenden Story. „Leere Herzen“ ist provozierender, krawalliger.
Ich persönlich hatte beim Lesen meine Probleme mit der Hauptfigur Britta und ihrem Geschäftsmodell. Man kann nicht gerade sagen, dass sie mir sehr sympathisch war. Ich will hier keinesfalls zu viel verraten, denn was „Die Brücke“ macht soll jeder Leser selbst herausfinden. Aber ehrlich gesagt, fand ich das Szenario eher unrealistisch, es ist ein emotionales Thema, das zu verkopft angegangen wurde. Vielleicht ging es der Autorin aber auch nicht unbedingt darum, eine realistische Geschichte zu erzählen, sondern eine, die Leser findet und die aufrüttelt. So steht im Buch auch an der Stelle, an der sonst eine Widmung steht der Satz: „Da. So seid ihr.“
Trotz meiner Kritik ist „Leere Herzen“ ein gutes Buch. Es liest sich sehr leicht und spannend, wie man es von der Autorin gewohnt ist. Es wird bestimmt kontrovers diskutiert werden, aber so war es wahrscheinlich auch beabsichtigt. Ich gebe 4 Sterne.

Bewertung vom 18.09.2017
Das magische Labyrinth / Die drei Magier Bd.1
Bornstädt, Matthias von

Das magische Labyrinth / Die drei Magier Bd.1


ausgezeichnet

Ein Buch zu einem Spiel? Da war ich erst ein wenig skeptisch. Aber schon ein kurzer Blick in die Leseprobe konnte mich neugierig machen auf dieses Buch. Und was soll ich sagen? Es ist ein absolutes Highlight!
Aber erst mal zum Inhalt:
In Algravia wütet der böse Zauberer Rabenhorst. Er geht sogar so weit, dass er süße kleine Lunies gefangen nimmt, um ihnen Magie zu stehlen. Lunies sind flauschige und leuchtende kleine Wesen und man muss sie einfach vom ersten Moment gern haben.
Derweil muss Conrad sich mit Schulproblemen und einer neuen, etwas vorlauten Mitschülerin herumschlagen. Doch bei einem Badeausflug mit Vicky und seiner Schwester Mila wird er plötzlich in die Welt von Algravia hineingezogen und dort werden sie als die drei neuen Magier willkommen geheißen. Wie kann das denn sein?
Die Welt von Algravia ist so wunderbar! Es ist richtige eine kleine Fantasy-Welt, die da erschaffen wurde, aber auch schon für jüngere Kinder geeignet. Da gibt es sprechende Bäume und schlaue Kater, wilde Trolle und sehr haarige Wesen. Die Kinder glauben erst nicht daran, dass sie die drei Magier sind, aber dann bestehen sie doch tapfer ihr Abenteuer. Und das ist ganz schön spannend! Ich hatte ein bisschen Sorge, dass meine Kinder zwischendurch das Atmen vergessen vor lauter Mitfiebern. Und witzig ist es noch dazu. Ich habe mich sehr gerne überreden lassen, bitte noch ein Kapitel vorzulesen. Und noch eins. Und so weiter.
Die Illustrationen sind einfach genial und sehr passend. Man hat das Gefühl, dass die Lunies richtig leuchten, so schön sind die dargestellt. Und die Bilder machen neugierig. Sehr gerne möchten wir Haarmut näher kennen lernen.
Das Buch hat eine schöne Länge. Viele Bücher ab 8 sind sehr umfangreich, was ich auch mag, aber meine Tochter würde das noch nicht zum Selbstlesen durchhalten, „Bleiwüsten“ schrecken sie zu sehr ab. Hier ist die Schrift relativ groß und immer wieder durch farbige Bilder aufgelockert, so dass die Kinder schneller ein Erfolgserlebnis haben. Außerdem ist das Buch so spannend, ich glaube, damit kann man auch Lesemuffel zum Lesen bringen.
Zum Vorlesen ist es auch schon für jüngere geeignet, mein Sohn ist 6 und mochte es super gern. Genauso wie ich. Ich freue mich sehr auf den zweiten Band, weil ich unbedingt mehr über Algravia erfahren will! Der wird also sehr bald bei uns einziehen. Für dieses tolle Kinderbuch möchte ich eine ganz große Empfehlung aussprechen.

Bewertung vom 28.08.2017
Palast der Finsternis
Bachmann, Stefan

Palast der Finsternis


sehr gut

Anouk ist 17 und hat eine Einladung bekommen, einen unterirdischen Palast in Frankreich zu erforschen. Sie musste ein Auswahlverfahren durchstehen, aber sie wurde tatsächlich genommen. Am Flughafen trifft sie auf Ihre Mitstreiter, über die sie schon vorab Infos bekommen hat. Alle sind ungefähr in ihrem Alter, 3 Jungs und ein weiteres Mädchen. Sie werden im Privatjet nach Paris geflogen und dort in die Villa der Sapanis gebracht. Die Sapanis haben die Erforschung des unterirdischen Palasts in Auftrag gegeben. Doch warum hat man dafür ausgerechnet Teenager ausgewählt? Anouk merkt schnell, dass an der Sache etwas faul ist.
Gleichzeit erfährt der Leser auch etwas aus dem Jahr 1789, als der Palast gebaut wurde und dann genutzt wurde um die Familie Bessancourt vor der französischen Revolution zu schützen. Welches dunkle Geheimnis birgt der Palast?
Ich würde das Buch als Young Adult mit Fantasy-Elementen beschreiben. In diesem Genre lese ich nur ab und zu, deswegen kann ich das Buch schlecht mit anderen vergleichen. Für mich war es ein richtiger Schmöker, ich bin nur so durch die Seiten geflogen. Als Anouk und die anderen unten im Palast sind, stellt sich heraus, dass dieser voll mit Fallen ist. Das hatte etwas Indiana-Jones-mäßiges und war spannend und actionreich. Auch weiß man lange gar nicht, wer Freund und wer Feind ist.
Die Auflösung war interessant und ganz anders, als ich am Anfang gedacht hätte. Die Erklärung der Zusammenhänge ist mir vielleicht ein kleines bisschen zu kurz ausgefallen, aber die wichtigsten Dinge wurden schon aufgelöst.
Ich möchte auch das Cover nicht unerwähnt lassen, denn wenn man das Buch nur im Internet sieht, dann weiß man gar nicht, wie speziell es ist. Das Bild auf dem Cover schimmert und hat eine Art 3D Effekt, wenn man es hin und her bewegt. Sehr hübsch und ein Schmuckstück im Bücherregal.
Fazit: Das Buch hat mir kurzweilige Lesestunden beschert, sehr gut zur Entspannung. Ideal um mal einen Ausflug in ein anderes Genre zu wagen.

Bewertung vom 24.08.2017
Und es schmilzt
Spit, Lize

Und es schmilzt


gut

Eva lebt in einem kleinen Dorf in Belgien. Ihre besten Freunde sind Laurens und Pim, allerdings hat sie auch nicht viel Auswahl, da es nicht viele Kinder gibt im Ort. Zuhause hat sie viele Probleme, denn ihre Mutter ist Alkoholikerin und vernachlässigt die Kinder. Das Buch erzählt vom Sommer 2002, als alles anders wurde. Und es erzählt auch von Eva heute, die in Brüssel lebt und sich von ihrer Vergangenheit und ihrer Familie los gesagt hat.

Ich muss zunächst einmal anmerken, dass ich das Cover vollkommen falsch finde für diesen Roman. Es ist ein sehr schönes Cover, und die ganze Gestaltung des Buchs gefällt mir auch sehr. Aber was hat es mit diesem Roman zu tun? Es weckt vollkommen falsche Erwartungen im Leser. Denn „Und es schmilzt“ ist durch und durch trostlos. Es erzählt eine sehr traurige Geschichte und es gibt keinen Hoffnungsschimmer, nirgends. Es erzählt von vernachlässigten Kindern, alkoholkranken Eltern, von Selbstmord und von sexueller Gewalt. Gerade die sexuelle Gewalt wird sehr ausführlich geschildert, mir wurde richtiggehend übel beim Lesen.

Auch Bücher mit schwierigen Themen können den Leser natürlich fesseln. Bei mir persönlich ist dieser Effekt bei „Und es schmilzt“ allerdings nicht eingetreten. Das Buch hat über 500 Seiten und war mir über weite Strecken zu langatmig. Erst im letzten Drittel empfand ich das Buch als spannend, aber auf eine grausame Art und Weise.

Es tut mir immer sehr leid, wenn ich über ein Buch schreibe, das ich nicht mochte, weil ich denke, dass ich vielleicht einfach nicht der richtige Leser für dieses Buch bin. Wer also denkt, dass er mit den drastischen Beschreibungen und der Trostlosigkeit umgehen kann, der sollte lieber andere Rezensionen lesen als meine, denn es gibt durchaus auch begeisterte Stimmen zu diesem Buch. Für mich war es aber leider kein Highlight.

Bewertung vom 21.08.2017
Ein Gentleman in Moskau
Towles, Amor

Ein Gentleman in Moskau


ausgezeichnet

Graf Alexander Rostov wir am 21. Juni 1922 vor das Notstandskomitee des Volkskommissariats berufen. Im Gegensatz zu vielen anderen Adligen wird er nicht zum Tode verurteilt, sondern zu lebenslangem Hausarrest im Hotel Metropol, in dem er gerade wohnt. Der Graf ist ein wahrer Gentleman: er weiß mit Menschen umzugehen, er kennt sich mit Wein und gutem Essen aus, er weiß die schönen Dinge im Leben zu schätzen. Als er nach einigen Jahren des Hausarrests verzweifelt, ist es ausgerechnet ein kleines Mädchen, dass ihm die Lebensfreude zurückgibt und ihm ganz andere Seiten am Hotel Metropol zeigt, obwohl er doch glaubte, es bereits in und auswendig zu kennen.

Beim Lesen dieses Buches musste ich oft an die Serie „Downton Abbey“ denken, obwohl der Schauplatz und die Umstände ganz andere sind. Ich denke, die Lebenseinstellung des Grafen war es, die mich so daran erinnert hat. Obwohl er einige Schicksalsschläge zu verkraften hat bewahrt er immer die Contenance und bleibt ein wahrer Gentleman. Die Geschichte wird so leicht und locker und amüsant erzählt, dass man oft die ernsten Hintergründe vergisst. Denn der Graf befindet sich eigentlich in ständiger Lebensgefahr und in Russland tobt die Revolution und später ein Krieg.

Das Hotel Metropol ist nun die ganze Welt des Grafen, und so werden die Angestellten und Gäste dort die Bevölkerung seiner Welt. Die Freundschaften, die dabei entstehen sind ganz wunderbar. Es ist so rührend zu lesen, wie sich die Freundschaft zu Nina, dem kleinen Mädchen, entwickelt und ihn schließlich rettet.

Ich mochte bereits „Eine Frage der Höflichkeit“ vom Amor Towles sehr gerne und auch „Ein Gentleman in Moskau“ hat mich nicht enttäuscht. Wunderbar leicht zu lesen, ein Schmöker, ohne dabei kitschig zu sein und trotzdem mit ernstem Hintergrund. Das Buch hat 560 Seiten und ich möchte keine einzelne missen. Im Gegenteil: wenn es in der Handlung einen Zeitsprung gab dachte ich immer: Aber was ist zwischendurch passiert? Ich will alles wissen! Aber der Autor weiß es natürlich besser als ich: er erzählt kein Wort zu viel und keines zu wenig.

Eine große Empfehlung!

Bewertung vom 24.07.2017
Swing Time
Smith, Zadie

Swing Time


sehr gut

Die Ich-Erzählerin in „Swing Time“ ist noch ein kleines Mädchen, als wir sie kennen lernen. Sie ist begeistert von alten Musik-Filmen und nimmt selbst Tanzstunden. Aber sie ahnt, dass sie niemals so gut sein wird wie ihre Freundin, die im Gegensatz zu ihr keine Plattfüße hat, Tracey. Und die Mutter der Erzählerin möchte, dass aus ihrer Tochter etwas Besseres wird als eine Tänzerin. Die beiden Mädchen haben die gleiche Hautfarbe, ein helles braun, da sie „Mischlinge“ sind, wie sie es selbst nennen.

Im späteren Verlauf des Buches erfährt der Leser auch, wie es der Ich-Erzählerin als Erwachsenen geht. Durch Zufall ist sie die persönliche Assistentin eines Popstars geworden, die ein Hilfsprojekt in Afrika aufzieht.
Die Handlung springt zwischen den verschiedenen Zeiten. Manchmal hatte ich Probleme mich zu orientieren, obwohl ich eine solche Erzählstruktur sonst sehr reizvoll finde. Die Passagen, in denen sie als Assistentin arbeitet, empfand ich teilweise als etwas langatmig. Nach einiger Zeit wird sehr klar, dass dieser Popstar ein reales Vorbild hat, auch wenn einige Details verändert wurden. Da habe ich mir gedacht: darf man das? Eine reale, lebende Person nehmen und eine fiktive Geschichte darum erzählen? Mir hat das nicht so richtig gefallen!

Ansonsten entwickelt das Buch aber durchaus einen Sog. Obwohl man nicht mal den Namen der Erzählerin erfährt, kommt man ihr doch sehr nahe. Manches Mal wollte ich ihr allerdings einen Tritt in den Hintern verpassen. Einige der Nebenfiguren mochte ich auch sehr gern.

Das Buch hat zwei große Themen: das Tanzen und die Identität, die sich über die Abstammung definiert. Der Vater der Erzählerin ist weiß, die Mutter schwarz, und ebenso zerrissen fühlt sie sich auch. Das Hilfsprojekt in Afrika konfrontiert sie mit ihren Wurzeln, obwohl ihr das alles so fremd ist.

Vom Schreibstil her hat mir das Buch sehr gefallen. Aber das Thema blieb mir ein wenig fremd und die realen Bezüge haben mich irritiert. Deswegen gebe ich 4 Sterne.

Bewertung vom 06.07.2017
Was man von hier aus sehen kann
Leky, Mariana

Was man von hier aus sehen kann


ausgezeichnet

Luise, die Ich-Erzählerin, ist zu Beginn des Buchs noch ein Kind. Ihre Welt ist klein, sie lebt in einem Dorf, in dem jeder jeden kennt. Eines Morgens erfährt sie, dass Selma (ihre Oma) von einem Okapi geträumt hat. Das Dorf gerät in helle Aufruhr, denn jeder weiß, wenn Selma von einem Okapi träumt, dann stirbt jemand.

Die Handlung ist bei diesem Roman eigentlich zweitrangig. Es geht eher darum, wie wunderbar Mariana Leky die Figuren schildert, ihre Gefühle, und die Beziehungen zwischen den Dorfbewohnern. Die wichtigste Person in Luises Leben ist Selma. Und der Optiker, der heimlich in Selma verliebt ist und jeden Tag darüber nachdenkt, ob er ihr das sagen soll. Luises Mutter ist kaum präsent, denn sie verliert sich total in der Frage, ob sie Luises Vater verlassen soll oder nicht. Und Luises Vater ist mit seiner Psychoanalyse bei Dr. Maschke beschäftigt.

Die Autorin schreibt ganz wunderbare Sätze, bei denen man oft schmunzeln muss. Manchmal sind sie auch sehr traurig. Ich habe einige Male eine Seite noch einmal gelesen, weil die Sätze so wunderschön sind. Sie drücken genau das Richtige aus, aber auf eine sehr ungewöhnliche Art und Weise. Hier ein Beispiel. Die Dorfbewohner freuen sich gerade darüber, dass sie nicht gestorben sind, obwohl Selma von einem Okapi geträumt hat: (Seite 97)

„Sie waren heilfroh und nahmen sich vor, sich künftig an allem zu freuen und dankbar zu sein, weil sie noch vorhanden waren. Sie nahmen sich vor, sich zum Beispiel endlich einmal ausgiebig an dem Lichtspiel zu freuen, das die Morgensonne in den Apfelbaumzweigen veranstaltete. […] Aber immer kam nach kurzer Zeit der Dankbarkeit und Freude dann ein Wasserrohrbruch oder eine Nebenkostenabrechnung, und da waren Freude und Dankbarkeit dann schnell verwässert, da war man dann nicht mehr dankbar, dass man vorhanden war, da war man dann verärgert, dass mit einem selbst auch Nebenkostenabrechnungen oder Wasserrohrbrüche vorhanden waren, und das Sonnenlicht im Apfelbaum konnte einpacken.“

Für mich ist „Was man von hier aus sehen kann“ ein absolutes Herzensbuch. Als ich eben darin geblättert habe, um diese Rezension zu schreiben, hätte ich es am liebsten noch einmal von vorne bis hinten gelesen. Anfang der 2000er hatte ich von der Autorin „Liebesperlen“ gelesen, ein Band mit Erzählungen, und fand diesen auch sehr großartig. Mir ist gerade aufgefallen, dass ich seitdem einiges verpasst habe, dass muss ich dringend nachholen.

Übrigens habe ich mich beim Lesen ein bisschen in den Optiker verliebt. Und es kommt eine Buchhandlung vor! Und ein großer Hund! Lauter gute Gründe, das Buch zu lesen. Ich kann es nur empfehlen.

Bewertung vom 27.06.2017
Dem Kroisleitner sein Vater / Polizeiobermeister Frassek Bd.1
Schult, Martin

Dem Kroisleitner sein Vater / Polizeiobermeister Frassek Bd.1


sehr gut

Alois Kroisleitner, stolze 104 Jahre alt, wird tot aufgefunden, ausgerechnet an einer Stelle die „Toter Mann“ heißt. Die Polizei ermittelt und es stellt sich die Frage, ob er wirklich eines natürlichen Todes gestorben ist. Warum ist seine Zunge so blau? Und seine Knie so aufgeschrammt? Der Tod sorgt für helle Aufregung in seinem Heimatdorf St. Margarethen, denn hier kennt natürlich jeder jeden. Doch ausgerechnet am Todestag war ein fremder Wanderer im Dorf. Ist er vielleicht der Täter?

„Dem Kroisleitner sein Vater“ ist ein Krimi mit Lokalkolorit, wie der Titel es auch schon vermuten lässt. Um die Berge geht es leider nicht so viel, wie ich mir erhofft hatte, aber die schrulligen Dorfbewohner mit ihrer Mundart haben die Enttäuschung wieder wettgemacht. Um den vermeintlichen Mord aufzuklären müssen die Leute tief in der Vergangenheit des Dorfes graben. Und sie müssen sich mit Fremden in ihrem Dorf auseinandersetzen! Da muss man beim Lesen doch des Öfteren Schmunzeln.

Um den Fall zu lösen müssen so einige Dorfgeheimnisse gelüftet werden und der Leser wird auf falsche Fährten gelockt. Die Geheimnisse reichen sogar zurück bis zum zweiten Weltkrieg, in dem auch in St. Margarethen gekämpft wurde.

Einen Handlungsstrang fand ich ein bisschen sehr aus der Luft gegriffen, nämlich den um Amy/Emma, aber irgendwie hat er sich dann doch noch ganz nett eingefügt. Das muss man wohl eher mit einem Augenzwinkern betrachten. Denn hier geht es um das Gesamtpaket: die Krimihandlung ist vielleicht nicht die ganze Zeit superspannend, aber dafür ist zwischendurch auch mal schön lustig oder auch schön traurig. Mir haben vor allem die Charaktere gut gefallen, die sind mir richtig ans Herz gewachsen.

Ein Krimi mit wenig Blut, vielen Geheimnissen, liebenswerten Protagonisten und Schmunzelgarantie. Gute Unterhaltung also! Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, zur Einstimmung auf den nächsten Österreichurlaub.