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Benutzername: 
Arabella
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Pirmasens

Bewertungen

Insgesamt 461 Bewertungen
Bewertung vom 14.10.2020
Verlangen
Hofstede, Bregje

Verlangen


sehr gut

Unser Gedächtnis ist ein Geschichtenerzähler und enorm unzuverlässig. Das ist praktisch, weil es uns hilft über Dinge hinwegzukommen, aber es ist auch zum Haareraufen, wenn beispielsweise die Erinnerungen von zwei Menschen völlig auseinanderdriften, je mehr sich diese entfremden. Insofern ist die Frage, was von einer Liebe übrigbleibt, ziemlich knifflig und interessant. Es war einmal eine Winternacht. Es war einmal eine Frau, die aus ihrem Haus taumelte, unter einem viel zu schweren Rucksack gebückt ging. Denn sie nimmt alle ihre Tagebücher mit. Diese Nacht ist jetzt. Verlangen ist die freimütige Geschichte einer jungen Frau, die von zu Hause flieht, weil sie jahrelang vor sich selbst geflohen ist. Sie handelt davon, wie überwältigend die erste Liebe ist, bis sie einen einengt. Und davon, ob es in jeder Liebesgeschichte letztlich um Betrug geht. Die Ich-Erzählerin im Buch heißt Bregje Hofstedt. Trotz aller fiktiven Elemente hat man den Eindruck, ein sehr persönliches Portrait in den Händen zu halten. Darin geht es um eine junge Frau, die ihre Jugendliebe, Luc, verläßt. Sie erzählt in der ersten Person von ihrer Beziehung. In dem Roman spielt die Frage Fiktion vs. Realität eine große Rolle - wie vertrauenswürdig sind Erinnerungen, Anekdoten aus der Kindheit, Tagebucheinträge oder die Kennenlerngeschichte eines Paares. Sind wir in Wirklichkeit alle nur Teil einer Geschichte, die wir uns selbst erzählen? Sehr intensiv und etwas verstörend ist daß im Roman die Rücken der Tagebuch-Kladden der Hauptfigur etikettiert sind. Darauf steht jeweils ein einzelnes Wort, das die jeweilige Lebensphase beschreibt: "Ehe", " Brüssel", "Romandebüt", "Insomnia". Im Buch liest die Erzählerin ihre Tagebücher aus der Anfangszeit der Beziehung und gleichzeitig erinnert sie sich an dieselbe Zeit. Oft weichen Erinnerungen und ihre Tagebucheinträge voneinander ab. Die Frage ist also: Woran will man sich erinnern? Wenn man auf eine gescheiterte Beziehung zurückblickt, ist die eigene Erinnerung völlig verschoben. Was man mit seinem Leben anfangen kann und wo man sich selbst im Weg steht, davon erzählt die Autorin detailliert und einfühlsam und vor allem mit gehörig überraschenden Wendungen. "Verlangen" erzählt auch davon, wie wir uns selbst belügen, damit wir nicht das tun, wonach wir uns am meisten sehnen und wie wir es dann vielleicht doch tun. Aber auch ein Stück Lebenskunst, das ebenso Literatur geworden ist – feinfühlig, vital und einnehmend. Ich hatte mir allerdings unter diesem Roman dadurch etwas ganz anderes – Mut machendes – vorgestellt. Trotzdem habe ich es nie bedauert diesen Roman gelesen zu haben. Ein wunderbares Buch, das haarklein aufzeigt, wie machtlos Liebende sind.

Bewertung vom 10.10.2020
Final Control
Etzold, Veit

Final Control


ausgezeichnet

Was wäre, wenn wir nur noch die Wahl hätten zwischen totaler Kontrolle – und totalem Chaos? Der Deutsche Tom Bayne arbeitet in China bei einem Medical-Startup und sucht einen Investor. Als er auf den Milliardär Dairon Arakis trifft, kommt er dessen unglaublichen Plan auf die Spur: Arakis möchte chinesische Sicherheits- und Überwachungstechnologie im großen Stil nach Europa exportieren und so Europa unter chinesische Kontrolle bringen. Über ein riesiges Hedgefonds-Konsortium sorgt er dafür, dass italienische Banken reihenweise pleite gehen. Ein Bürgerkrieg in Europa steht kurz bevor. Am Ende stehen Europas Herrscher vor einer Entscheidung, die vom Teufel selbst kommen könnte: Totales Chaos oder totale Kontrolle. Genau so steht Tom vor der Frage, ob er weiter für Arakis arbeiten will – oder ob er dieses wahnsinnige Projekt beendet – und damit vielleicht auch sein Leben.
Vielleicht hätte Tom den Teufel sofort erkennen können. Doch er brauchte einen Investor, und der charismatische Milliardär Dairon Arakis verfügt über die nötigen Mittel. Als Tom begreift, worum es Arakis wirklich geht, ist es beinahe zu spät. Denn was viele lange befürchtet haben, tritt letztendlich ein: Die EU zerbricht, und Europa steht kurz vor einem Bürgerkrieg. Erst ein paar Monate vorher hat Dairon Arakis, Investor und Milliadär, einen unbeschreiblichen Plan auf einem geheimen Treffen in Davos auf dem Wirtschaftsforum vorgestellt. Doch niemand nahm ihn ernst. Hat er doch über ein riesiges Hedgefonds Konsortium reihenweise italienische Banken in den Bankrott getrieben. Erst Tom, der im chinesischen Shenzhen in einem Start-up arbeitet, erkennt das Ausmaß von Dairons Plan und die Rolle der totalen digitalen Überwachung, die in China milliardenfach angewandt wird. Doch da ist es fast zu spät, denn Dairon Arakis ist niemand, der Leute, die ihm im Weg sind, am Leben lässt. Die Regierungen sehen sich vor eine Wahl gestellt und am Ende stehen Europas Anführer vor einer Entscheidung, die vom Teufel selbst kommen könnte. Totales Chaos oder totale Überwachung. In dieser Situation scheint die von Arakis angebotene chinesische Sicherheitstechnologie die einzige Lösung zu sein … Mit seinem neuen Polit-Thriller „Final Control“ liefert der etablierte Autor Veit Etzold einen weiteren politischen Krimi der Extraklasse mit dem Kernthema digitale Kontrolle über die Welt, in drastischer Brisanz gepaart mit Expertenwissen, welches besticht. Dieser Roman ist eine erschreckend aktuelle, auf die Zukunft gerichtete Perspektive. Ein brisanter wie hochaktueller, auf die nahe Zukunft gerichteter Politthriller, bei desen Handlung man hofft, dass sich nichts davon bewahrheiten wird. Mit viel Wissen weiß Etzold gekonnt zu provozieren. Wer Verschwörungstheorien mag, kommt hier auf seine Kosten. „Final Control“ ist ein düsterer Spielplatz der Grausamkeiten, ist modern, spannend und reich an Wendungen. Das hier gelesene ist sehr gut recherchiert, und wird man so schnell nicht wieder vergessen können. Ein gut geölter Plot, der mehrere Erzählstränge integriert und durch rasche Schauplatzwechsel und Cliffhanger angetrieben wird. Starke Figuren, rasant und spannend geschrieben! Wieder einmal ein guter Veit Etzold! Toll!

Bewertung vom 07.10.2020
Das Wörterbuch des Windes
Blazon, Nina

Das Wörterbuch des Windes


ausgezeichnet

Der besondere Blick... Wundervoll! Über Wahrheit, die weh tut und aufrichtige Liebe. Wenn der Wind sich dreht, wirst du die Freiheit finden, du selbst zu sein. In Island, der Insel der Winde, treffen sie am Walfjord aufeinander: die deutsche Touristin Swea, deren Ehe gerade auf der gemeinsamen Reise zerbrochen ist, der ehemalige Lehrer Einar Pálsson und der scheue Jón Árnarsson. Was bleibt, wenn alles geht? Dieser Frage muss Swea sich nun stellen, als sie ihre Ehe und ihre Zukunftspläne vom einen Tag auf den anderen mitten auf einer Islandreise verliert. Ohne Geld und Perspektive, gestrandet auf der Wikingerinsel, muss sie sich neu erfinden. In Einars Haus am Meer versucht Swea noch einmal ganz neu anzufangen. Früher hat sie Kunst studiert, wollte malen, Liebhaber sammeln und auch sonst in jeder Hinsicht frei sein. Aber kann man wirklich alles auf Null setzen? Auf der Suche nach Antworten entdeckt Swea das Leben und das Lieben neu und wagt es schließlich, ihre eigenen Geister zurückzulassen und dem Weg des Windes zu folgen. Swea begibt sich auf einen abenteuerlichen Weg zu alten Träumen, neuen Erfahrungen und einer Freiheit, die man nur in Island erleben kann. So hatte sie noch nie in ihrem Leben getanzt: losgelöst von dem Gedanken, wie sie auf andere wirkt. Sie hebt die Arme, bis der Wind ihr die Hände füllt. Genau das ist Freiheit, denkt Swea: Zwei Hände voll Wind. Eine spannende Handlung mit sanfter Liebesgeschichte kombiniert, ein wundervoller Frauenroman über Liebe und Freundschaft. Wortgewandt und fesselnd kann man sich den Bildern, die Nina Blazon entstehen lässt nicht entziehen. Eine geniale Geschichten Erzählerin. Dieser Roman zieht schon ab der ersten Seite den Leser in seinen Bann. Natürlich überzeugt dieses Buch mit einer grandiosen und spannenden Handlung, aber es ist besonders diese zauberhafte und magische Welt, mit der dieses Buch überzeugt. Tolle und vielschichtige Charaktere. Ein Lesetipp für Sucher der besonderen Geschichten, für alle Fans von Nina Blazon ein absolutes Muss, und für die, die Sie noch nicht kennen, ein guter Grund ihre fesselnden Romane kennen zu lernen. Ein wunderbares Buch mit der richtigen Mischung aus Spannung, Romantik und Wendungen.

Bewertung vom 03.10.2020
Mord in Highgate / Hawthorne ermittelt Bd.2
Horowitz, Anthony

Mord in Highgate / Hawthorne ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

Hawthorne und Horowitz ermitteln weiter. Ein stylischer, vielschichtiger Thriller - spielerisch, genial gebaut und wunderbar unterhaltsam. Der erfolgreiche Scheidungsanwalt Richard Pryce wird in seinem Londoner Haus in Hampstead Heath mit einer 2000 Pfund teuren Flasche 1982 Château Lafite Rothschild Pauillac niedergeschlagen und mit dem abgebrochenen Flaschenhals massakriert. An die Wand neben der Leiche ist in grüner Farbe die Zahl 182 gepinselt. Schnell scheint klar, wer es war: Nur wenige Tage zuvor hat die berühmte feministische Autorin Akira Anno ihm genau diesen Tod angedroht – und ihm ein Glas Rotwein ins Gesicht geschüttet. Aber ist es wirklich so einfach? Denn jeder hat hier Dreck am Stecken, und als ein weiterer Toter gefunden wird, beauftragt die Polizei den Privatdetektiv und Ex-Polizisten Daniel Hawthorne, die zuständige Beamtin DI Cara Grunshaw zu unterstützen. Aber nicht nur den Fall will er lösen, es soll auch ein Buch daraus werden, und dafür wird Bestsellerautor Anthony Horowitz gebraucht. Der wiederum sträubt sich zunächst, ist jedoch schon bald unrettbar in den Fall verstrickt. Fasziniert von der Welt des Verbrechens ebenso wie von dem undurchsichtigen Detektiv und dessen messerscharfem Verstand. Hawthorne überredet schließlich den zunächst widerwilligen Autor Anthony Horowitz, ihn als Biographen zu begleiten. Nun muss er gemeinsam mit seinem Assistenten und Stichwortgeber Anthony Horowitz tief in die Vergangenheit der Opfer eintauchen, um die Lösung des Rätsels zu finden. Ein elegantes Haus am Rande von Hampstead Heath. Ein toter Scheidungsanwalt. Eine rätselhafte Botschaft in grüner Farbe. Eine unglaublich teure Weinflasche als Tatwaffe… Zweifellos ein Fall für Daniel Hawthorne, Ex-Polizist und Privatdetektiv, und Scotland Yard immer einen Schritt voraus. Ganz im Stil von Holmes und Watson begeben sich Hawthorne und Horowitz auf die Suche nach dem Mörder eines scheinbar harmlosen smarten Prominentenanwalts, in dessen Vergangenheit allerdings schon bald dunkle Geheimnisse auftauchen. Eine atemberaubende Jagd beginnt …
Herrliche Krimilektüre im Stil der englischen Klassiker, ein stylischer, vielschichtiger Thriller - spielerisch, genial gebaut und wunderbar unterhaltsam. Wieder ein perfekter Krimi von Anthony Horowitz für spätsommerliches, herbstliches Schmökern! Auf jeden Fall eine perfekte Wochenendlektüre. Der zweite Mord wirft viele Fragen auf und der sich entwickelnde zweite Fall kommt genauso wenig voran wie der erste. Dann, auf den letzten 100 Seiten, nimmt die Handlung Fahrt auf, lose Fäden verbinden sich und schließlich wird die entsetzliche Wahrheit offenbar zwei Verbrechen, eine Verbindung. Und so bin ich am Ende sprachlos, aber auch mit dem Buch versöhnt. Ein stylischer, vielschichtiger Thriller - spielerisch, genial gebaut und wunderbar unterhaltsam durch einen spannenden und verwickelten Fall! Dieser Kriminalroman, ein feiner Krimi-Lese-Spaß der klassischen Art, rundum gelungen, überzeugt mit seiner intelligent gestrickten Mord-Ermittlung mit Ich-Erzähler Horowitz an der Seite eines genialen Privatdetektives. Voller Spannung, mit überraschendem Finale.

Bewertung vom 26.09.2020
Das Erbe der Päpstin
Glaesener, Helga

Das Erbe der Päpstin


ausgezeichnet

Packend, brisant und hintergründig: ein Historienthriller der besonderen Art. Helga Glaesener, schreibt die Geschichte des Romans „Die Päpstin“ weiter. Und dies ist ihr großartig gelungen. Mit Freya und Asta hat sie zwei Hauptfiguren erschaffen, mit denen man mitfiebert und deren Schicksal man gerne verfolgt. Mit ihrer Schwester lebt Freya als Sklavin in Dänemark, wohin man sie einst verschleppt hat. Doch immer ist in ihr der Traum wach, eines Tages zu fliehen, in das Land ihres Großvaters, Gerold, von dem ihre Mutter ständig spricht. Als ihr brutaler Vater wieder die Hand gegen ihre Mutter erhebt, tötet Freya ihn. Danach wird sie Zeuge, wie ihre von dänischen Wikingern entführte Mutter ermordet wird, und sie flüchtet mit Asta Richtung Süden, denn sie weiß, der Einzige, der ihr nun noch helfen kann, ist Gerold. Als sie nach endlosen Strapazen in Dorstadt ankommt, scheinen auch hier die Dänen insgeheim zu herrschen, und ihr Großvater ist längst weitergezogen. Er lebe nun in Rom, heißt es, als Befehlshaber der päpstlichen Garde. Während ihre Schwester zurückbleibt, macht Freya sich als Mann verkleidet im Jahr 858 auf in die Heilige Stadt zu gelangen. Dort herrscht Aufruhr. Verfeindete Parteien stehen einander gegenüber; auch Papst Johannes vermag die Streitigkeiten nicht zu schlichten. Kaum hat Freya ihren Großvater getroffen, brechen die Unruhen offen aus und sie muss mitansehen, wie Gerold während einer Prozession ermordet wird – und mit ihm der Papst. Dabei tritt Ungeheuerliches zutage. Papst Johannes ist in Wahrheit eine Frau und sie ist von Gerold schwanger. Freya gelingt es, aus der Stadt zu fliehen. Doch sie beschließt herauszufinden, wer hinter dem Mord an der Päpstin und ihrem Großvater steckt um sie zur Rechenschaft zu ziehen, auch wenn sie damit übermächtige Feinde auf den Plan ruft. Die Geschichte des außerordentlich begabten und willensstarken Mädchens Freya kommt ohne Längen aus und gibt schon einen spannenden Einblick in die mittelalterliche Welt. Ein Opus, das seinesgleichen sucht. Man merkt auch, dieser Roman ist sehr gut unabhängig von der "Päpstin“ lesbar, da es eine eigenständige Geschichte ist die die Autorin erzählt. Der Leser folgt Freya ihr ganzes Leben und das ist geprägt von Mut, Entbehrungen, Intrigen, Liebe und Verrat. Eine Geschichte über die heilkundige Johanna und das Mädchen Freya, das, fasziniert von der Päpstin, den Kampf gegen die Feinde ihres Großvaters aufnimmt. Und plötzlich will man wissen, was denn nun wirklich geschehen ist...Spannend bis zur letzten Seite... Geschickt verknüpft die Autorin Gegenwart und Vergangenheit und läßt uns über die Rolle der Frauen in der Kirchengeschichte aber auch deren aktuelle Lage nachdenken. Ein spannender Roman um eine außergewöhnliche Frauengestalt. Alles in allem eine gelungene Fortsetzung.

Bewertung vom 13.09.2020
Wer auf dich wartet / DCI Jonah Sheens Bd.2
Lodge, Gytha

Wer auf dich wartet / DCI Jonah Sheens Bd.2


ausgezeichnet

Abends, kurz vor elf. Aiden loggt sich ein, um mit seiner Freundin Zoe zu skypen. Als die Verbindung steht, sieht er nur ihr leeres Zimmer. Dann einen Schatten. Ist sie etwa nicht allein? Plötzlich ein Schrei. Hilflos muss Aiden mit anhören, wie im Hintergrund gekämpft wird. Und schließlich herrscht Stille. Als Stunden später ein anonymer Anrufer der Kripo von Southampton von einem möglichen, online beobachteten Verbrechen an seiner Freundin berichtet, kommt jede Hilfe zu spät. Detective Chief Inspector Jonah Sheens und sein Team finden in Zoes Wohnung nur noch ihre Leiche. Verdächtige gibt es genug – doch wessen Motiv ist mörderisch genug? Was hat Aiden dazu gebracht, so lange zu zögern, bis er die Polizei gerufen hat? Warum hat er, der Anrufer und Freund des Opfers, seinen Namen nicht genannt? Und warum kannte er die Adresse seiner Freundin nicht? Niemand aus Zoes großem Freundeskreis weiß etwas Schlechtes zu sagen über die hilfsbereite junge Künstlerin. Tatsächlich, ein mehrfach verschlungener Fall, verkopftes "in-sich-hinein-hören" aller Beteiligten und eine überbordende bildhafte Sprache macht das Hineinfallen in diesen Krimi sehr diffus. Beruhigend hingegen das altbewährte Muster, gesellschaftsrelevante Dinge mit menschelnden Ansichten auszuleuchten - und die Frage zu stellen: Was ist der Mensch? Und was will er sein? Und dann bekommt die Story auf einmal eine Wendung, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt, ob der Unfassbarkeit der geschichtlichen, doch totgeschwiegenen Dimension. Schon der Prolog zeigt dies ist ein rasanter Thriller, ein superspannender "Pageturner" allererster Klasse! Neben einmaligen Protagonisten und genialen Handlungssträngen, schafft es Gytha Lodge mal wieder mich zu überzeugen warum sie zu meinen Lieblingsautoren gehört. Ein kurvenreicher, messerscharf, geschriebener Thriller mit überraschenden Wendungen und schlüssigem Ende, und zugleich eine zarte Ode über Verlust und Sehnsucht. Dieser gehört auf jeden Fall zu den richtig spannenden - ein intensiver Krimi aus Großbritannien mit Atmosphäre. Hier reiht sich ein Puzzleteil ans nächste. Eine ausgeklügelte Story die nur teilweise vorhersehbar ist. Ein Thriller der sich sehr gut liest und den Leser nicht lange mit unwichtigen Dinge wach hält. Einmal angefangen ist es schwer, wieder aufzuhören.

Bewertung vom 11.09.2020
Ihr Königreich
Nesbø, Jo

Ihr Königreich


ausgezeichnet

Ein verschlafenes Nest in Norwegen, vom Abstieg bedrohte Menschen – und zwei Brüder, die sich bis aufs Messer bekämpfen. Wie weit wird Roy für seinen Bruder gehen?
Nach dem plötzlichen Tod der Eltern kümmert sich Roy um seinen jüngeren Bruder Carl. Schließlich fängt Carl im Ausland ein neues Leben an, und Roy bleibt in den Bergen Norwegens zurück. Jahre später kehrt Carl mit der charismatischen Architektin Shannon zurück. Er und seine Frau haben große Pläne, wollen auf dem Land der Familie ein Wellnesshotel bauen. Es soll die Brüder reich machen, aber auch alle anderen im Ort. Nicht lange und die gefeierte Rückkehr Carls löst eine Serie von Ereignissen aus, denn lang gehütete Geheimnisse drängen an die Oberfläche. Als die Polizei erneut in dem ungelösten Fall ihres verschwundenen früheren Chefs ermittelt, ist der Automechaniker Roy alarmiert. Die kürzliche Rückkehr seines Bruders Carl in die kleine Stadt Os bringt anscheinend Unglück. Auch dass dessen Frau genau Roys Typ ist macht ihn nervös. Carl hingegen ist voll großer Pläne und verspricht, ganz Os reich zu machen. Doch plötzlich kursieren im Ort Gerüchte und Verdächtigungen zum Unfalltod ihrer Eltern.
Roy hat seinen kleinen Bruder immer beschützt, aber jetzt stehen sie sich als Rivalen gegenüber. Ein brisanter, raffiniert konstruierter Krimi, der gekonnt immer wieder in die Irre führt. Mit ausgefeilter Figurenpsychologie und einer virtuos beherrschten Dramaturgie der Spannung schickt Jo Nesbø Leser wie Akteure auf eine gnadenlose Treibjagd der Gefühle. Dieser Spagat zwischen gut und böse, gemischt mit der wunderbaren Sprache des Romans, macht die ganze Faszination aus! Der Autor hat mit "Ihr Königreich" einen bewegenden, poetischen und abgründigen Thriller erschaffen, von dem mich schon die ersten Seiten gefesselt und begeistert haben! Extrem gut! Sein Erzählstil ist dicht, seine Figuren sind glaubwürdig gezeichnet, seine Geschichte gut durchdacht und geschickt konstruiert. Ein mehrfach verschlungener Fall, verkopftes "in-sich-hinein-hören" aller Beteiligten und eine überbordende bildhafte Sprache macht das Hineinfallen in diesen Krimi sehr diffus. Beruhigend hingegen das altbewährte Muster, gesellschaftsrelevante Dinge mit menschelnden Ansichten auszuleuchten - und die Frage zu stellen: Was ist der Mensch? Und was will er sein? Und dann bekommt die Story auf einmal eine Wendung, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt, ob der Unfassbarkeit der geschichtlichen, doch totgeschwiegenen Dimension. Und das nicht nur in Schweden! Ein fulminanter Countdown lässt zweifeln an den Mechanismen des Menschsein, ein brisanter, raffiniert konstruierter Krimi, der gekonnt immer wieder in die Irre führt und in einem furiosen Finale endet.

Bewertung vom 01.09.2020
Jahresringe
Wagner, Andreas

Jahresringe


ausgezeichnet

Chapeau, Andreas Wagner für dieses Debüt eines Familienepos'. Ein besonderer Heimatroman über die eindringliche Suche nach Heimat. Eine große deutsche Familiengeschichte am Rand des Hambacher Forstes. Als junges Mädchen flieht Leonore aus Ostpreußen in den Westen und verliert dabei nicht nur ihre Familie, sondern auch ihre Heimat. Leonore hat nur ein Ziel vor Augen: den Westen. In einem kleinem Dorf umgeben von Bäumen findet sie ein neues Zuhause für sich und ihren späteren Sohn. In diesem kleinen Ort zwischen Köln und Aachen, in dem sie ein Zuhause und Arbeit findet, bleibt sie zeit ihres Lebens eine Fremde. Einzig im riesigen Bürgerwald fühlt sie sich geborgen. Für Leonore Klimkeit ist Heimat vor allem dieser Wald nahe des kleinen Dorfes, in dem die aus Ostpreußen Vertriebene Zuflucht gefunden hat. Zwischen den hohen Bäumen findet sie Trost und neuen Lebensmut. Doch als Leonores Sohn Paul zwölf Jahre alt ist, muss der Wald dem Braunkohle-Tagebau weichen, das Dorf wird umgesiedelt. Eine Kleinigkeit für den Kohlekonzern, für die Bewohner ist es jedoch ein Verlust, der sich über Generationen vererben wird. In einer Neubausiedlung am Rand der Kreisstadt versucht Leonore, für Paul und später die Enkel Jan und Sarah eine neue Heimat zu schaffen. Jahre später zieht Paul in dem seelenlosen Neubaugebiet zwei Kinder groß, Leonores Enkelkinder Sarah und Jan, die sich schließlich als Gegner in verfeindeten Lagern gegenüberstehen. Die immer weiter fortschreitende Rodung des Waldes treibt jedoch einen tiefen Keil in die Familie: Denn während Jan einen der gigantischen Schaufelradbagger des Braunkohle-Konzerns steuert, schließt sich seine Schwester Sarah den Wald-Besetzern im Hambacher Forst an. Hier müssen sie entscheiden, wie sehr sie bereit sind, für ihre Heimat zu kämpfen.
Das Buch erzählt die Geschichte einer Familie, die versucht ihre Wurzeln und Heimat zufinden ohne sich dabei selber zu verlieren. Dieses Wissen, dass man eigentlich nicht erwünscht ist. Zu Wissen, dass die Heimat verloren ist. Wird es jemals eine neue Heimat geben? Das bringt der Autor sehr gut rüber. Dabei schafft er es ohne Ausschweifungen und mit viel Emotionen das Schicksal dieser Familie darzustellen. Gleichzeitig zeichnet er ein Stück der (Nachkriegs)Geschichte Deutschlands und des Hambacher Forstes, welche uns bis heute bewegt. Eine Geschichte von drei Generationen, deren Leben vom Braunkohlabbau am Niederrhein geprägt ist, bekommt Aktualität durch die Ereignisse am Hambacher Forst, die in diesem Buch eine zentrale Rolle spielen. Unaufgeregt und einfühlsam erzählt Andreas Wagner in seinem Debütroman eine berührende Familiengeschichte, die immer wieder die Frage stellt: Was ist Heimat? Eine Bemerkung zu dem schlichten Cover, die Jahresringe von Bäumen findet man bei genauer Betrachtung im Einband wieder, in der Mitte durch den Buchtitel, ein zartes entwurzeltes Maiglöckchen in voller Blüte, das sich genau so durch die ganze Geschichte zieht. Dieses ganz besondere Buch, das lange lange nachhallt, werde ich ganz bestimmt nochmal lesen. Eine sehr reale lebendige Geschichte, einfühlsam und spannend.

Bewertung vom 30.08.2020
Bluthölle / Detective Robert Hunter Bd.11
Carter, Chris

Bluthölle / Detective Robert Hunter Bd.11


ausgezeichnet

Wieder einmal ein grandioses Werk! Chris Carters 11. Fall für Robert Hunter und seinen Partner Garcia, die härtesten Profiler der Welt, packend geschrieben. Mit zahlreichen Wendungen, die man als Leser so nicht erwartet hätte, bleibt das Buch auf einem Spannungslevel, der einen Rekord verdient hätte. Es waren noch knapp drei Wochen bis Weihnachten. Für Angela Wood markierte dieser Samstag den Startschuss dessen, was sie gerne als "Hochsaison" bezeichnete. Es war die Zeit im Jahr, in der die meisten Menschen nicht an ihren Kontostand dachten. Für Angela bedeutete die Vorweihnachtszeit gut gelaunte Menschen mit prall gefüllten Portemonnaies in Hosen-, Jacken- oder Handtaschen. In diesem Jahr hatte Angela beschlossen, die Hochsaison in einer lauschigen kleinen Einkaufsstraße in Tujunga Village einzuläuten. Angela blieb stets bescheiden. Nur ein einziges Mal hatte sie sich von ihrer Gier leiten lassen, und das war ihr prompt zum Verhängnis geworden. Sie hatte eine kurze Zeit im Gefängnis verbracht – ein Ort, an den sie unter keinen Umständen zurückwollte. Taschendiebin Angela Wood hatte diesmal einen guten Tag. Sie gönnt sich einen Cocktail, als ihr in der Bar ein Gast auffällt, der sich rüpelhaft benimmt. Um ihm eine Lektion zu erteilen, stiehlt sie seine teure Ledertasche. Ein schwerer Fehler, die Tasche enthält nichts Wertvolles, nur ein kleines Notizbuch. Ein Albtraum beginnt. Das Buch enthält Skizzen und Fotos von 16 Folter-Morden. 16 Polaroids der Opfer, 16 DNA-Analysen. In Panik schickt Angela das Buch an das LAPD, wo Robert Hunter und Carlos Garcia sofort erkennen, dass der sadistische Täter ein Experte sein muss. Das ist ihr einziger Hinweis. Eine blinde Jagd beginnt, bis der Killer Hunter ein Ultimatum stellt. Eine absolut rasante Geschichte, die nicht so schnell in Vergessenheit gerät. Der Autor Chris Carter hat es wieder einmal geschafft eine unglaubliche Spannung aufzubauen und sein Buch mit einem Knall enden zu lassen. Meiner Meinung nach gehört seine Thriller Reihe um den Profiler Robert Hunter und seinem Partner Carlos Garcia schon jetzt zu den Klassikern des Genres der Serienkiller Romane. Und dies auch völlig zu recht! Carters Schreibstil packt einem sofort von der ersten Seite an und läßt einem nicht mehr los, bis die Geschichte zu Ende gelesen ist. Bei dem voliegenden Roman handelt es sich mit um eines der Highlights der Serie. Eine absolut rasante Geschichte, die nicht so schnell in Vergessenheit gerät. Dieser 11. Fall für Hunter und Garcia hat alles was es braucht, um die Fanherzen zum Rasen zu bringen - ich bin da keine Ausnahme. Ich bin immer begeistert, wenn die Autoren ein sinniges Serienuniversum schaffen, packende Figuren und Schicksale mit einem teilen und wenn es dabei blutig und brutal zur Sache geht, dann hab ich da auch nichts dagegen. Super spannend konstruierter Plot. Ein Feuerwerk an Spannung, einfach nur genial!

Bewertung vom 23.08.2020
Dunkles Lavandou / Leon Ritter Bd.6
Eyssen, Remy

Dunkles Lavandou / Leon Ritter Bd.6


ausgezeichnet

Mörderisches Lavandou und ein Mörderischer Sommer an der Côte d’Azur. Packende Spannung trifft auf provenzalisches 'Savoir-vivre', das ist der sechste Fall für Leon Ritter. Die Stimmung in Le Lavandou könnte nicht besser sein, denn strahlender Sonnenschein und jede Menge Touristen versprechen den Beginn einer perfekten Sommersaison. Doch eines Morgens wird unter einer Brücke die Leiche einer Frau gefunden. Leon Ritter findet durch die Obduktion heraus, dass sie nicht freiwillig in den Tod gesprungen ist. Vieles deutet auf eine rituelle Tötung hin. Während Leon und seine Lebensgefährtin Isabelle verschiedenen Verdächtigen nachspüren, scheint die Polizei den Fall schleifen zu lassen – bis eines Tages die Tochter des französischen Kultusministers samt einer Freundin verschwindet. Sie wurden zuletzt in Le Lavandou gesehen … Laissez-faire' trifft auf deutsche Gründlichkeit. Ein mörderisch guter Krimi mit einem sympathischen Helden, gewürzt mit einem Hauch von Lavendel. Für mich eine sehr gelungene Kombination aus Spannung und französischem Lebensgefühl! Aber für Frauen ist Lavandou anscheinend ein ziemlich gefährliches Pflaster.....Dieser Krimi hat eine riesige Portion an Lokalkolorit. Außerdem ist die Wahl des Ermittlerpaares wirklich exzellent. Der 6. Fall ist richtig spannend und schockt nicht nur Zartbesaitete. Remy Eyssen versteht es wie kein anderer, Spannung mit französischem Flair zu verbinden. Wie immer flott erzählt, mit kleinen Einschüben zu medizinischen Fachthemen bei Leons Leichen und kurzen Einblicken in die Seele des Täters. Ein Roman, der Spannung mit Urlaubsgefühlen packend verbindet und in schöne Zeilen gießt. Und ein charismatischer Gerichtsmediziner, der einem ans Herz wächst. Der besondere Lesespaß vor der Kulisse Südfrankreichs ist hier garantiert! Allerdings sollte man trotzdem nicht allzu zart besaitet sein. Tolle Lektüre besonders für den Frankreich-Urlaub oder als Kopfkino für Daheimgebliebene. Deftig, aber dabei herrlich atmosphärisch! Mal wieder absolut lesenswert! Kurzum eine tolle Lektüre! Klasse!!!