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Lilis Lesemomente
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Garbsen

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Insgesamt 119 Bewertungen
Bewertung vom 14.05.2023
Bülow, Johann von

Roxy (MP3-Download)


gut

Roxy handelt von der Freundschaft zwischen Roy und Marc. Roy und Marc lernen sich während der Schulzeit kennen und könnten verschiedener nicht sein. Während Roy - der eigentlich Robert, nach seines Vaters Vater heißt - sich alles nimmt, was ihm das Leben bietet, weil er es von Haus aus gar nicht anders gewohnt ist, versucht Marc immer ausgleichend nach allen Seiten zu wirken und sucht gleichzeitig nach dem Sinn seines Lebens.



"Muss man sein Leben lang der sein, als der man geboren wurde? Wieviel Freiheit besitzen wir überhaupt, uns weiterzuentwickeln? Wer legt das eigentlich alles fest, wer man ist?" - Section 97



Diese Fragen gehen Marc oft durch den Kopf, während er versucht, sein Leben so gut es geht zu gestalten. Ich lerne Marc zu einem Zeitpunkt kennen, an dem er selbst in der Mitte seines Lebens ist. Gerade befindet er sich auf dem Weg nach München - zur Beerdigung seines Freundes Roy. Die beiden hatten wenig Kontakt in den vergangenen Jahren, während sie die ersten Jahre ihrer Freundschaft sehr eng und beinahe tagtäglich gemeinsam verbracht haben.

Mit der Berufswahl und den ersten intensiven Gefühlen von Marc zu Carolin sehen sich Roy und Marc kaum noch. In gedanklichen Rückblenden auf der Fahrt nach München lerne ich mehr über die Vergangenheit der ungleichen Freunde kennen. Die verhaltenen Annäherungen von Marc zu Carolin. Die ungestüme Art von Roy. Und das Zusammenwirken der Beiden auf ihre Außenwelt. Mal ist es für mich spannend zu verfolgen. Mal plätschert die Geschichte etwas dahin. Am intensivsten ist für mich die Zurückhaltung von Marc spürbar. Und genauso ungewöhnlich ist bei all der Zurückhaltung auch sein Berufswunsch für mich: Marc möchte Schauspieler werden. Ich stelle mir die Frage, ob es rein der Wunsch ist, gesehen zu werden.



"Mir hat es vielleicht immer zu gut gefallen, angeguckt zu werden. Das haben die bei mir aber immer gleich gesehen und gesagt: "Sei doch mal existenzieller!", er lachte. Das Wort musste ich nachschlagen. Ich hatte keine Ahnung, was die meinten. Irgendwann habe ich zu ahnen begonnen, dass es darum gehen könnte, dass man, um angeguckt zu werden nicht unbedingt etwas machen muss. Also, nichts hinzutun muss. Dass man selbst genug ist. Das wusste ich nämlich nicht. Ich dachte immer, wenn man nix macht, ist da auch nix." - Section 117



Der Erzählstil hat mir sehr gefallen. Johann von Bülow erzählt die Geschichte in einem ruhigen Ton. Manchmal wirkt die Erzählung etwas verworren, wenn Episoden aus den Jugend- oder jungen Erwachsenenjahren erzählt werden. Ich finde jedoch immer schnell ins Geschehen.

Was mich ebenfalls etwas erstaunt hatte, war der Bezug zum Titel. Nach etwa der Hälfte wurde mir als Leser erzählt, was es mit dem Roxy auf sich hatte. Das ist bei einem Hörbuch von rund 10 Stunden nach meinem Geschmack etwas spät, aber verschmerzbar. Nur wunderte ich mich bis dahin, was es denn mit Roxy auf sich hatte und wann sie oder er in Erscheinung treten würde.



Johann von Bülow hat für mich mit seiner Erzählung um Freundschaft, Angst, Mut und dem Wunsch mehr zu sein, als man ist, genau die richtige Geschichte, wenn es um das Zusammentreffen von Menschen geht. Jedes Gefühl, jedes Hoffen, jedes Bangen ist spürbar - ganz genauso wie die Ausgelassenheit und der Nervenkitzel der Protagonisten in jungen Jahren. Mir hat es viel Spaß gemacht, die Freunde zu begleiten und ihre jeweilige Entwicklung zu verfolgen.



"Und seine Angst, abgelehnt zu werden. Über die Frage, ob es vorbestimmt ist, wer man sein muss im Leben. Oder ob man da eine Wahl hat. Wieviel man selber mitzureden hat, bei solchen Fragen." - Section 163



Fazit
Roxy ist für alle, die sich schon mal Gedanken über die Vorherbestimmug des eigenen Lebensverlaufs gemacht haben und anhand der fiktiven Geschichte von Roy und Marc erleben wollen, was es bringt, wenn man auf die richtige Gelegenheit wartet.

Bewertung vom 26.04.2023
Alaoui, Abla

Bissle Spätzle, Habibi? (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Bissle Spätzle, Habibi? ist die Geschichte um Amaya. Amaya Baysan ist 30 Jahre alt, hat zwei jüngere Geschwister und lebt mit ihren marokkanischen Eltern in Hamburg. Amayas Eltern sind sehr modern, doch alles wollen sie ihrer Tochter auch nicht zugestehen. Amaya soll einen soliden Beruf erlernen und einen muslimischen Mann heiraten - eben alles, was sich Eltern für ihr Kind wünschen.


Amayas Herz allerdings schlägt für die Schauspielerei und für Daniel, einen Atheisten und Schwaben. Um ihre Familie und Daniel nicht zu verlieren, verstrickt sich Amaya immer mehr in ein Lügenkonstrukt. Zu groß ist Amayas Angst, dass ihre Eltern sie verstoßen, wenn sie nicht - wie es sich gehört - mit einem Muslimen eine Beziehung und Ehe eingeht.

Abla Alaoui schreibt sich mit Amayas Geschichte direkt in mein Herz. Die innere Zerrissenheit von Amaya ist für mich spürbar. Genau so wie ihr Humor und ihre moderne Traditionsverbundenheit und die Verbundenheit zu ihrer Familie und zu Daniel. Bissle Spätzle, Habibi? hat mich ausgezeichnet unterhalten. Die Geschichte ist kurzweilig erzählt, birgt die eine und andere Wahrheit im gesellschaftlichen und familiären Zusammenleben in sich und bringt mich gleichermaßen zum Kopfschütteln und zum Lachen. Ein echter Lesegenuss.



Fazit
Bissle Spätzle, Habibi? ist für alle, die humorvoll erzählte Liebesgeschichten mögen und die Verschiedenheit kultureller Werte schätzen und verstehen.

Bewertung vom 12.04.2023
Ægisdóttir, Eva Björg

Verschwiegen / Mörderisches Island Bd.1 (eBook, ePUB)


sehr gut

Verschwiegen ist der erste Band der Reihe um die Ermittlerin Elma. Elma ist gerade erst wieder in ihren ursprünglichen Heimatort Akranes zurückgekehrt, da ereignet sich ein Todesfall. Schnell wird festgestellt, dass es sich um ein Fremdverschulden handelt. Der örtlichen Polizei wird die Übernahme des Falls durch die Polizei der nächstgrößeren Stadt angeboten, da solch ein Fall für Akranes mehr als ungewöhnlich ist. Die Bearbeitung wird dennoch von den Polizisten vor Ort durchgeführt, so dass Elma es gleich mit einem Mordfall zu tun bekommt.

Das Opfer hat selbst in Kindertagen in Akranes gelebt und in den vergangenen Jahren keinen Kontakt zu den Bewohnern gehabt. Elma deckt in dem scheinbar einfach gelagerten Fall Ungereimtheiten auf und macht sich damit nicht bei allen Bewohnern im Ort beliebt.

Eva Björg Aegisdottir hat mit Verschwiegen einen düsteren und raffinierten Krimi kreiert. Die Geschichte hat mich von Anfang an gepackt und ich konnte kaum schnell genug lesen, um zu erfahren, wie die Ermittlungen weitergehen. Ich war neugierig auf die Entwicklung der Charaktere, bedacht auf Verstrickungen und den Fortgang der Geschichte. Der Schreibstil ist flüssig und die Spannung wird durchweg gehalten. Für mich war es spannend, nach und nach die Charaktere kennenzulernen. Die Rückblenden in das Jahr 1989 haben das Erleben der damaligen Zeit in das Heute gespiegelt und mich mit weiteren Informationen versorgt.

Freyja Melsted hat Verschwiegen ins Deutsche übersetzt. An zwei, drei Stellen im Buch habe ich tatsächlich bemerkt, dass die Geschichte übersetzt wurde; und an den Namen. Die ersten cirka 100 Seiten kam ich immer wieder aus dem Lesefluss, wenn es um die Namen der Figuren ging. Elma war für mich leicht zu lesen. Doch die Schreibweise und das Nichtwissen um die Aussprache der mir unbekannten Buchstaben und Namen haben mir ein flüssiges Lesen zunächst unmöglich gemacht. Hinzu kam, dass sich alle - auch zuvor unbekannte Charaktere - von Anfang an geduzt haben. Da habe ich mich dann immer gefragt, woher sich die Figuren möglicherweise kennen könnten. Das zog sich aber konsequent bis zum Ende der Geschichte durch, so dass ich davon ausgehe, dass es bedingt durch die Übersetzung erfolgt ist.

Verschwiegen hat mich über die Lesezeit hinweg gut unterhalten und ich bin sehr gespannt, welchen Herausforderungen sich Elma in den beiden bereits erschienenen Folgeromanen stellen muss.



Fazit

Verschwiegen ist für alle, die düstere, raffinierte Island-Krimis mögen.

Bewertung vom 10.04.2023
Geiger, Arno

Das glückliche Geheimnis (MP3-Download)


ausgezeichnet

Das glückliche Geheimnis ist ein autobiografischer Roman. Arno Geiger beschreibt darin die Anfänge seiner schriftstellerischen Karriere. Sie begann vor etwa 30 Jahren indem er - auf der Suche nach Literatur im Altpapier Wiens - durch die Straßen radelte und Bücher, Postkarten, Briefe und Tagebücher inspizierte und Lohnenswertes mit nach Hause nahm.

Lohnenswert waren zweierlei "Altpapiervorkommen": einmal die, die Arno Geiger auf dem Flohmarkt zu Geld machen konnte und einmal die, die seinen Horizont erweiterten und ihn zwischenmenschliche Beziehungen und Erlebnisse näher brachten.

"Durch Lesen verkürzen wir unsere Lebenszeit nicht, wir verlängern sie. In wenigen Stunden können wir die Erfahrungen nachvollziehen, die ein anderer Mensch in Jahren oder Jahrzehnten gemacht hat. Wir gewinnen Erfahrung im Zeitraffer. Derlei Wundersames vermögen Bücher." - Section 84



Arno Geiger beschreibt den Verlauf seines Lebens über mehrere Jahre und lässt mich als Leserin auch an seinem Leben mit seiner Frau K und seinen Eltern teilhaben. Arno Geiger macht deutlich, dass alles für ihn seine Zeit hat und Offenheit - trotz Doppellebens - für ihn einen großen Wert hat.



"Heimlich das Tagebuch seines Bruders zu lesen ist grausam. Aber das Tagebuch von jemand Unbekanntem zu lesen, versachlicht das Geschriebene. ... Es ist erstaunlich. Wenn man sich darauf einlässt, erkennt man in jedem Schreiber und jeder Schreiberin eine Ähnlichkeit mit sich selbst. Eine menschliche Familienähnlichkeit, sozusagen." - Section 83



Es ist erstaunlich, denke ich, als ich diese Zeilen lese. Nichts anderes stelle ich fest, wenn ich tagtäglich Menschen begegne. - Nur, dass ich über die zwischenmenschliche Verbindung und den mal geringen, mal etwas ausführlicheren Erlebnisberichten lauschen darf.



Matthias Brandt spricht das Hörbuch in einem sehr angenehmen Timbre. Wenn ich nicht gewusst hätte, dass Arno Geiger das Hörbuch nicht selbst eingelesen hat, hätte ich annehmen können, Arno Geiger erzählt mir selbst seine Geschichte. Einzig ab Section 79 - von insgesamt 89 Sections - habe ich eine etwas andere Klangfarbe der Stimme wahrgenommen, die mich zunächst irritierte, aber bald wieder ins gewohnte Klangbild zurückfiel.

Das glückliche Geheimnis ist eine wunderbare Geschichte um einen für Arno Geiger bedeutenden Lebensabschnitt, um Literatur und wahrhaften Geheimnissen von Menschen.



Fazit
Das glückliche Geheimnis ist für alle, die Geschichten und Begebenheiten von Menschen lieben und stets auf der Suche nach mehr Gehalt und Sinn für ihr Leben sind.

Bewertung vom 29.03.2023
Läckberg, Camilla

Kuckuckskinder / Erica Falck & Patrik Hedström Bd.11


ausgezeichnet

Kuckuckskinder ist der elfte Band der Krimireihe um die Ermittlerin Erica Falck. Erica Falck ist im "echten" Leben Schriftstellerin - und immer am Puls der Zeit, wenn es um Ermittlungsarbeit für ihr neues Schreibprojekt geht. Ihr Lebensgefährte Patrik Hedström, ist von Erica nicht nur hingerissen, sondern auch hin- und hergerissen, wenn es um den Ermittlerdrang von Erica geht.







Erica sucht sich leider zielgerichtet das aktuelle "Ermittlungsthema" aus, in dem Patrik gerade alle Hände voll zu tun hat. Zwar handelt es sich bei Ericas Ermittlungsprojekt um einen Cold Case, dieser steht aber immerhin in Zusammenhang mit den Personen im aktuellen Fall. Patrik ist mit Leib und Seele Kommissar und wenig angetan, wenn Erica sich quasi sehenden Auges in Gefahr begibt.

Kuckuckskinder beginnt sehr familiär im Freundeskreis. Erica und Patrik sind zur Goldenen Hochzeit von Henning und Elisabeth Bauer eingeladen. Und Henning Bauer könnte vermutlich bald einen wichtigen Literaturpreis sein eigen nennen. Nur blöd, dass einer der Gäste, der nicht einmal die Einladung wahrgenommen hat, am nächsten Tag tot in der Kunstgalerie aufgefunden wird.

Bevor der Mord an dem befreundeten Künstler und Fotografen Rolf Stenklo aufgeklärt werden kann, überschlagen sich die Ereignisse. Erica erfährt auf der Goldenen Hochzeit von einem Jahre zurückliegenden ungeklärten Mordfall, der in den Fokus ihrer schriftstellerischen Ermittlungen gerät, Patrik ermittelt im Fall des ermordeten Rolf Stenklo und die Familie Bauer zieht sich in ihr Familiendomizil auf einer sonst einsamen Insel zurück.

Der Spannungsbogen ist immens hoch in dieser Geschichte. Die einzelnen Stränge sind klar erkennbar und vermischen sich nach und nach zu einem großen Ganzen. Camilla Läckberg erzählt die Geschichte in der heutigen Zeit und in der Zeit des ungeklärten Mordfalls von 1980. Ich bin begeistert von ihrem Schreibstil, denn sie erweckt die 1980er Jahre durch den Tonfall und die Beschreibung der Stimmung und der Begebenheiten vor Ort so realistisch, dass ich mich wahrlich zurückversetzt fühle. Und auch in der Jetzt-Zeit stimmt alles.

Kuckuckskinder ist spannend, im richtigen Maße verworren und - spannend!

Katrin Frey hat Kuckuckskinder so gekonnt übersetzt, dass eine Übersetzung nicht spürbar ist. Ich bin immer beeindruckt, wenn sprachlich alles stimmt und ich beim Lesen nicht durch wortwörtliche Übersetzung aus der Geschichte gerissen werde. Vielen Dank.



Fazit
Kuckuckskinder ist für alle, die kriminalistische Arbeit auch in polizeifremde Hände legen können und Krimis in Verbindung mit einem Cold Case lieben.

Bewertung vom 27.03.2023
Weber, Sara

Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten? (MP3-Download)


gut

Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten ist ein lebendig und bildhaft geschriebenes Sachbuch. Darin steht nichts, was ich nicht selbst in den letzten Monaten erlebt habe. Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten ist eine schöne Zusammenfassung der erlebten Arbeitswelt - aus ArbeitnehmerInnen-Sicht.


Wenn ich jemanden das Buch oder Hörbuch empfehlen würde, dann wären es auf jeden Fall die Arbeitgeber, die Wirtschaftsbosse dieser Zeit, den politisch Tätigen - die Gewerkschaftler wissen es ohnehin und die Arbeiter und Arbeitnehmerinnen spüren die Auswirkungen am eigenen Leib und Geldbeutel.

The Great Resignation - das große Kündigen ist das Hauptthema in diesem mit der Arbeitswelt befassten Sachbuch. Und gerade deshalb würde ich jedem Vorgesetzten, jedem Arbeitgeber empfehlen: Bitte rechnen Sie sich einmal selbst aus, wie gut Sie mit dem geringst bezahlten Vollzeitlohn heutzutage über die Runden kommen würden. Und zwar auch dann, wenn Sie alleine leben oder ein Kind zu verpflegen haben, in einem Wohnumfeld leben, dass manchmal ein wenig zweifelhaft, laut oder unsauber ist, Sie für den Weg zur Arbeit Aufwendungen haben, sich und Ihr Kind vielleicht zumindest haftpflichtversichern möchten, gesundes und nahrhaftes und abwechslungsreiches Essen haben möchten, und dann vielleicht noch ein Hobby unterhalten und einmal im Jahr eine Woche in den Urlaub reisen möchten. Können Sie sich das alles leisten? - Die meisten würden wahrscheinlich den Kopf schütteln und sich fragen: wofür gehe ich eigentlich arbeiten? Entweder "Muckibude" oder Urlaub oder versichert sein? Und im Januar kann ich den Zeitraum vom 1. zum 2. Januar finanziell nicht überstehen. - Das sagt das Buch Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten zwar nicht im Klartext - aber genau das wäre der Ansatz, um den sich unser Land erst einmal kümmern muss. Nämlich, dass der Geringverdiener sich ein normales Leben leisten kann. Wir sind schließlich ein reiches Land.

Genau das wünsche ich mir von meiner Umwelt.

Wie das Arbeitsleben in Angestelltenkreisen abläuft und wie man sich das in Arbeiterkreisen vorstellt - genau davon handelt Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten. Daneben wird das Gefühl der Machtlosigkeit und der inneren Kündigung thematisiert. Alles wichtige Aspekte, die unbedingt beachtet werden müssen.

Sara Weber hat das Buch selbst eingelesen. Ihre Stimme ist klar verständlich und ich finde es toll, dass sie ihrem Werk ihre eigene Stimme gegeben hat. Sara Weber kann beim Aufklären der Sachverhalte während des Schreibens, des Lesens, nicht aus ihrer Haut und wird auch mal emotional. Die Emotionalität hat mir gutgetan. Allerdings fand ich den Aufhänger minimal zu persönlich. Denn auch ich möchte mal gefragt werden: "Wie nah gehen dir als Frau die Nachrichten über die Greueltaten gerade?" Das ist keine Frage, die ich hautfarben- oder herkunftsabhängig prüfen würde, sondern menschlich. Liebe Sara, wenn du das hier liest: auch mir gehen diese Schicksale nahe. Ganz hautfarben- und herkunftsunabhängig.



Fazit
Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten ist für alle, die den derzeitigen Arbeitsmarkt als Arbeitnehmerin oder Arbeiter erleben eine gute Zusammenfassung und für Arbeitgeber eine Pflichtlektüre. Die Politik ist zum Teil schon auf einem guten Weg - doch mitziehen oder besser vorlegen muss die Wirtschaft.

Bewertung vom 15.03.2023
Poppe, Sandra

Liebe ist schön, von einfach war nie die Rede


ausgezeichnet

Liebe ist schön, von einfach war nie die Rede erzählt die Geschichte von Evi. Evi ist Alleinerziehende einer 14jährigen und der Alltag fordert sie jeden Tag aufs Neue heraus.

Dann stirbt auch noch Großtante Lisbeth und hinterlässt - allen Annahmen zum Trotz - ein stattliches Erbe. Doch Lisbeth wäre nicht Lisbeth, wenn sie die Erbschaft nicht mit einem kleinen Haken versieht. Und damit steht für Evi und ihre Tochter Helena ein Campingurlaub an. Ihr erster Campingurlaub. Drei Wochen entschleunigen, süßes Nichtstun. Liebe ist schön, von einfach war nie die Rede. Und das kann man vom Camping dann eben auch sagen, wenn man - wie Evi - unerprobt das erste Mal zum Zelten fährt.

Sandra Poppe erzählt die Geschichte locker und schnörkellos. Ein, zwei Sätze und ich bin mitten im Geschehen und lerne mit Evi und Helena ruckzuck alle weiteren Charaktere kennen. Jeder hat so seine Eigenarten und Evi muss ganz schön aufpassen, dass sie sich von dem einen oder anderen nicht vereinnahmen lässt. Dafür bleibt Tochter Helena pubertär unnahbar.

An Evi gefällt mir, dass sie wunderbar reflektiert ist und die Zwischentöne bei ihren Mitmenschen wahrnimmt. Es fällt ihr leicht an ihren Aufgaben zu wachsen - auch wenn es manchmal sehr mühselig erscheint.

Es ist mir ein Fest das Geschehen auf dem Campingplatz und der Insel Rügen zu verfolgen. Ich als Nicht-gern-Camper finde schnell die Argumente, die gegen das Zelten sprechen und - zu meinem Leidwesen - auch jede Menge Argumente die dafür sprechen. Es ist lustig und es lohnt sich anderen Menschen zu begegnen, wie anders sie auch immer sein mögen. Das Zusammenleben auf dem Campingplatz macht Spaß und der gemeinschaftliche Austausch ist vielleicht manchmal nervig aber auch unendlich bereichernd.

Liebe ist schön, von einfach war nie die Rede hat mir oft ein Grinsen und gelegentlich auch ein lautes Lachen entlockt. Sandra Poppe gelingt es scheinbar mühelos von der Problematik des Zusammenwirkens der Menschen untereinander in eine Wohlfühlatmosphäre zu gelangen. Aber immer mit viel Platz für jeden Charakter und einer Prise Humor.

Ich habe die Geschichte durchweg genossen und freue mich schon darauf, wieder ein Buch von Sandra Poppe zur Hand zu nehmen.



Fazit
Liebe ist schön, von einfach war nie die Rede ist für jeden, der sich auf die Insel Rügen zum Zelten entführen lassen und dort einfach mal mit Evi an der Seite abtauchen möchte.

Bewertung vom 14.03.2023

Er ist's


ausgezeichnet

Er ist´s - Die schönsten Frühlingsgedichte ist eine wundervolle Sammlung von Gedichten rund um die Frühlings- und Osterzeit. Die Schriftstellerinnen und Schriftsteller haben überwiegend im 19. Jahrhundert gelebt. Die zehn Gedichte werden - bis auf eines - jeweils auf einer bunt bebilderten Doppelseite dargestellt und laden den Betrachter als auch die Leserin ein, das Frühlingserwachen zu begleiten.


Beim Lesen fällt mir auf, dass hier gleichermaßen Schriftstellerinnen und Schriftsteller zu Wort kommen. So lese ich beispielsweise Er ist´s von Eduard Mörike und Frühling von Theodor Fontane, als auch Der Frühling ist die schönste Zeit von Annette von Droste-Hülshoff und Der Veilchenpflücker von Anna Löhn-Siegel.


Die Illustrationen von Günther Jakobs sind großzügig auf den Doppelseiten angelegt und unterstreichen thematisch den Text des jeweiligen Gedichts.


Die Gedichte und Illustrationen nehmen meine Gedanken mit auf eine Reise und lassen mich schon einmal warme Sonnenstrahlen spüren während Wolken vorüberziehen und Blüten sich an den Ästen der Bäume im Wind wiegen.

Er ist´s ist ein Buch, das ich immer wieder gern zur Hand nehme und mich in den Frühling entführen lasse.



Fazit
Er ist´s ist ein tolles Buch, das Leser und Zuhörer gedanklich in die Frühlingszeit entführt und den vom Frühling Träumenden ein Lächeln schenkt.

Bewertung vom 04.03.2023
Henk, Maria

Als Rangerin im Politik-Dschungel


sehr gut

Als Rangerin im Politik-Dschungel erzählt die Geschichte von Maria Henk und ihrer Arbeit in der Politik. Sie hetzt von Termin zu Krisenkommunikation, stellt sich schützend vor oder an die Seite von Politikern, beobachtet Nachrichten und Meldungen auf Social Media Kanälen und ist 24 Stunden per Mobiltelefon erreichbar.



Nach einigen Jahren von ihrem politischen Handeln ausgepowert und unzufrieden beschließt Maria Ruhe zu tanken und sich mehr mit ihrer Verbundenheit zur Natur zu beschäftigen und entscheidet sich für eine kurze Auszeit nach Afrika zu gehen.

Für einen größtmöglichen Nutzen und um mehr über das Land zu erfahren, nimmt sie an einer Schulung als Rangerin teil. Während der Ausbildung fällt Maria mehr und mehr auf, wie sozial und demokratisch - oder eben auch nicht - es in der Tierwelt zugeht. Sie zieht Vergleiche zur Politik und muss über die eine und andere Begebenheit aus ihrer beruflichen Karriere schmunzeln.

Maria lernt die Freiheit im Okavango-Delta zu schätzen und gleichzeitig sieht sie die schützenden Wände ihrer Zeit in Berlin. Ich genieße es an der Seite von Maria Henk gleichzeitig die Vor- und Nachteile auszuloten. Dabei habe ich beim Lesen einen großen Vorteil: ich weiß, wie sich die Natur in Botswana anfühlt. Ich weiß, wie nah der Sternenhimmel ist. Ich weiß, wie es ist, ein mulmiges Gefühl im Magen zu haben, wenn ich die Gefahr durch ein wildes Tier beinahe greifen kann.

Maria Henk schildert ihre Begegnungen im Okavango-Delta bildhaft und lässt mich als Leserin an ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben. Das macht für mich ihr Politikerleben wie auch die Umgebung in Botswana greifbar.



Fazit
Als Rangerin im Politik-Dschungel ist für alle, die einen kleinen Einblick in den politischen Alltag und gleichzeitig den Blick in eine mögliche Auszeit in Afrika werfen wollen. Und für alle, die sich gern an der Seite von Maria Henk eine eigene Auszeit gönnen wollen und unterhalten werden möchten.

Bewertung vom 01.03.2023
McFarlane, Mhairi

Fang jetzt bloß nicht an zu lieben (MP3-Download)


ausgezeichnet

Fang jetzt bloß nicht an zu lieben erzählt die Geschichte von Harriet Hatley. Harriet ist Hochzeitsfotografin, kann mit Romantik wenig anfangen und ist aus Überzeugung mit ihrem langjährigen Freund zusammen und nicht verheiratet. Als dieser ihr jedoch vor seinen Eltern einen Heiratsantrag macht, fühlt sie sich so unter Druck gesetzt, dass sie den Heiratsantrag annimmt.


Wenige Stunden später löst Harriet die Verlobung, zieht aus der gemeinsamen Wohnung aus und mietet notgedrungen und ungesehen als Untermieterin ein Zimmer bei einem jungen Mann namens Cal.

Als wäre die gelöste Verlobung ein Ventil, dass sich nicht mehr schließen lässt, wirbelt diese nun Harriets Leben ordentlich durcheinander. Ihr Job als Hochzeitsfotografin, die Beziehung zu ihrem langjährigen Freund, Harriets Vergangenheit - mit einem Mal ist Harriets Zukunft in allen Bereichen ungewiss.

Fang jetzt bloß nicht an zu lieben ist ein Roman der mich zum Schmunzeln und zum Lachen bringt. Eine Geschichte, die aufgregend und einfühlsam erzählt ist und die mich zum Nachdenken anregt. Viele aktuelle Themen in zwischenmenschlichen Beziehungen werden angesprochen. Ich erlebe mit Harriet an meiner Seite die Spannbreite von emotionalem Missbrauch und was es heißt, in den sozialen Medien der Ungnade der Leserschaft ausgeliefert zu sein. Und ich erlebe eine Harriet, die diese Herausforderungen annimmt, darunter leidet und - auch wenn es schwer fällt - nach Lösungen sucht. Die Charaktere, die Harriet auf dieser abenteuerlichen Reise namens Leben begleiten, sind ihr dabei nicht immer eine Stütze.

Mir gefällt Harriets Art. Sie ist lebenslustig, charmant, herrlich unperfekt und absolut liebenswert.

Britta Steffenhagen als Sprecherin verleiht Harriet mit ihrer Stimme Leben. Besonders schön finde ich die Momente, in denen Harriets Art zum Tragen kommt. Die Neugierde beispielsweise ist beinahe greifbar, wenn Harriet ihre Fragen stellt. Es fühlt sich an, als würde Harriet neben mir stehen und ihrem Gegenüber Löcher in den Bauch fragen.

Mhairi McFarlane hat einen wunderbar bildhaften Schreibstil. Mir gefällt die Ausdrucksweise und die Ausdrucksstärke. Das ist genau die Art von Humor, die mich zum Lachen bringt, meine Neugierde weckt und mich bei der Geschichte hält. Ich kann gar nicht anders als Harriet und auch Mhairi McFarlane in mein Herz zu schließen.

Fang jetzt bloß nicht an zu lieben war mein erster Roman von Mhairi McFarlane. Nun wurde meine Wunschliste um ihre bisher erschienen Romane ergänzt.



Fazit
Fang jetzt bloß nicht an zu lieben ist für alle, die rosarote Cover und mitreissende Geschichten lieben, in denen es um ernste Themen geht und man mit der Protagonistin mitfiebern und lachen kann.