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Hoelzchen

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Insgesamt 129 Bewertungen
Bewertung vom 03.05.2025
Simon, Teresa

Zypressensommer (MP3-Download)


ausgezeichnet

Der neue Roman von Teresa Simon wurde von mir als Hörbuch geradezu „ weggesuchtet“. Schnell hatte ich die 11 ½ Stunden gehört, zumal das Buch von meiner Lieblingssprecherin Tanja Fornaro eingelesen wurde. Die Handlung umfasst zwei Zeitebenen und beginnt 1998. Die Hamburgerin Julia reist in die Toskana, um das Vermächtnis ihres kürzlich verstorbenen Großvaters zu erfüllen. Er war Italiener und kam im Zuge des 2. Weltkrieges als Zwangsarbeiter nach Hamburg. Dort lernte er seine spätere Frau Marieke kennen. Einen Kontakt nach Italien gab es in all den späteren Jahren nicht. Während ihres Aufenthaltes in Luciganao bröselt Julia ihre Familiengeschichte auf und erfährt viele Geheimnisse der Vergangenheit. Geschickt gelingt es der Autorin, uns in Rückblenden, die 1940er Jahre sowohl in Italien, wie auch in Deutschland näher zu bringen. Von der französischen Widerstandsbewegung habe ich schon oft in Romanen gelesen, von der italienischen bislang noch nicht. Diese thematisiert Teresa Simon hier recht umfangreich und gewährt und einen wichtigen Einblick. Auch das es italienische Zwangsarbeiter gab, wusste ich bislang noch nicht. Wieder einmal stelle ich fest, dass auch so genannte Unterhaltungsliteratur einen Bildungsauftrag erfüllt. Die sympathischen Protagonisten machten es mir leicht, diesen Roman zu lieben. Auch die Liebesgeschichte hat Teresa Simon gut verpackt. Wie wir im Nachwort erfahren, ist jedoch der historische Kontext, das A und O dieser Handlung. Diese Umsetzung ist ihr perfekt gelungen. Der Schreibstil ist, so wie immer, modern und flüssig. Mit jeder Zeile ist sichtbar, dass sie die Toskana gut kennt und weiß worüber sie schreibt. Vor meinen Augen ließ sie die Orte und Landschaften erscheinen und meinen Wunsch bestärken, dieses schöne Fleckchen der Welt zu besuchen. Abschließend möchte ich erwähnen, dass diesem Hörbuch auch das Nachwort beigefügt wurde, dass ist nicht selbstverständlich, denn häufig mache ich die Erfahrung, dass es fehlt. Diese Worte machen den Roman rund und geben uns die wichtige Botschaft: nicht vergessen und aus der Geschichte lernen. Ich danke der Autorin für diese gute Zeit, die sie mir geschenkt hat und bin auch ein bisschen traurig, dass die 11 ½ so schnell vorbeigingen.

Bewertung vom 27.04.2025
Mommsen, Janne

Das Licht in den Wellen


ausgezeichnet

Bislang hatte ich noch nichts von Janne Mommsen gelesen, doch die Leseprobe seines neuen Romans machte mich neugierig. Um es vorweg zu nehmen, ich bin begeistert und wurde nicht enttäuscht. Ich lebe in Schleswig-Holstein, war natürlich auch schon auf der wunderschönen Insel Föhr und hatte bereits davon gehört, dass viele Insulaner in die USA ausgewandert sind. Aber genaueres wusste ich nicht darüber, doch diese Lücke hat Janne Mommsen nun geschlossen. Die Geschichte seiner Protagonistin Inge hat mich sehr beeindruckt und berührt, denn einst ist klar, es waren andere Zeiten und die Auswanderer hatten nicht die Möglichkeit sich im Internet zu informieren oder über Social Media engen Kontakt zu Familie und Freunde zu halten. 1947 beschließt die 24-jährige Inge, von Föhr nach New York zu ziehen. Ein Vorfall, welcher erst am Ende des Romans erklärt wird, lässt sie Hals über Kopf eine Überfahrt von Kopenhagen nach New York buchen. Ihre Eltern und ihr Bruder bleiben auf Föhr. Auf der Schiffsreise lernt sie Karolina kennen, die Zeit ihres Lebens ihre beste Freundin bleiben wird und ihre eine große Stütze ist. Einen Arbeitsvertrag hat Inge bereits in der Tasche. Die Gemeinde der Insulaner in New York ist groß, man spricht weiter Fehring, die Sprache der Insel Föhr, untereinander und Inge beginnt im Deli von Gerd, er stammt auch von Föhr, zu arbeiten. Die Anfangszeit ist nicht einfach für Inge und immer wieder spielt sie mit dem Gedanken zurück nach Föhr zu gehen. Doch immer kommt etwas dazwischen und sie bleibt in New York. Dann lernt sie Hauke kennen, sie heiraten und beide greifen zu, als sie die Chance erhalten, sich in New York selbstständig zu machen. Das Leben meint es gut mit Ihnen, doch dann wendet sich das Blatt und Inge muss neue Entscheidungen treffen, die auch für ihren mittlerweile erwachsenen Sohn Tom richtungsweisend sein werden. Der über 450 Seiten starke Roman lässt sich einfach und flüssig lesen und der Einstieg gelingt leicht. Der Hauptstrang erzählt von Inges Anfangsjahren in New York in den 1940er und 1950er Jahren und erstreckt sich bis ins Jahr 1978. Der Nebenstrang spielt im Jahr 2022. Inge ist fast 100 Jahre alt und begibt sich mit ihrer 20jährigen Urenkelin Swantje auf eine Schiffsreise von Hamburg nach New York. Auf dieser Überfahrt erfährt Swantje vom turbulenten Leben ihrer Urgroßmutter. Der Romanaufbau gefällt mir sehr gut und ist prima gelungen. Janne Mommsen hat eine umfassende Recherche betrieben, um diese Geschichte so authentisch wie möglich abzubilden. Mit Inge hat er seine sympathische Figur geschaffen und ich habe vieles über das Leben der deutschen Einwanderer in die Vereinigten Staaten von Amerika während der Nachkriegszeit erfahren dürfen. Der Zeitgeist ist gut getroffen worden und es fließen auch historische Ereignisse wie zum Beispiel Kennedys Ermordung und das Musikfestival Woodstock ein. Gern hätte ich noch erfahren, wie es Inge in ihrer zweiten Lebenshälfte ergangen ist, aber das hätte vermutlich den Umfang gesprengt und das wesentliche der Geschichte ist perfekt erzählt worden. Besonders gut gefällt mir auch die Atmosphäre und das Tempo des Romans. Janne Mommsen versteht es, das lebhafte, nie zur Ruhe kommende New York und das ruhige und gemütliche Föhr vor unseren Augen entstehen zu lassen. Buchcover und Titel passen sehr gut zum Inhalt. Daumen hoch und eine 5 Sterne Leseempfehlung von mir.

Bewertung vom 23.04.2025
Koenig, Tabea

Amore in italiano (MP3-Download)


ausgezeichnet

Das Cover lässt eine lockere, oberflächliche Liebesgeschichte vermuten, doch davon sollte man sich nicht blenden lassen. Tabea Koenig kann mehr. Das stellt sie mit ihrem neuen Roman „Amore in italiano“ unter Beweis. Denn uns erwartet eine tiefgründige Familiengeschichte in mehreren Zeitebenen. Der Hauptstrang spielt im Jahr 1999. In Lucias Leben geht es momentan drunter und drüber. Sie steckt mitten in der Scheidung, ist berufstätig und erzieht nebenbei ihre beiden pubertierenden Töchter. Immer noch nagt an ihr der Verlust ihrer Mutter Cristina, die im vergangenen Jahr starb. Doch damit nicht genug. Ihr Vater Alberto hat sich zusammen mit ihrem pflegebedürftigen Bruder Gianni in einer Nacht und Nebel Aktion auf die Reise nach Italien gemacht. In der alten Heimat soll die Asche von Cristina die letzte Ruhe finden. Lucia beschließt, den beiden zu folgen. Zusammen mit ihren Töchtern folgt sie den beiden nach Italien. Doch wo soll sie die Suche beginnen? Ihr wird bewusst, wie wenig sie vom Leben ihrer Eltern weiß. Alberto denkt auch an vergangene Zeiten und in Rückblenden erfahren wir, wie sein Leben verlief und auch Lucia deckt so manches Geheimnis auf. Nach turbulenten Wochen des Reisens, finden die beiden Familienhälften wieder zueinander und erkennen, dass das Erlebte sie zusammengeschweißt hat und dass das Verständnis füreinander größer geworden ist.
Das Hörbuch habe ich an einem Wochenende komplett durchgehört, das sagt eigentlich schon alles, oder? Die Sprecherin in klasse, der Funke ist sofort übergesprungen, aber auch der lustige und dynamische Schreibstil hat einen großen Anteil daran. Es gibt viele witzige Situationen und Aha-Momente (gerade als Mutter von zwei Töchtern) an denen ich mich köstlich amüsiert habe, aber auch berührende Momente. Ich mag die Idee der Geschichte. Einerseits versetzt sie mich in den Urlaubsmodus, anderseits stimmt sie mich nachdenklich. Es geht um Neuanfang und Verluste. Tabea Koenig trifft immer genau den richtigen Ton. Es ist die perfekte Unterhaltung für eine gemütliche Zeit auf dem Sofa. Ich vergebe fünf Sterne Leseempfehlung.

Bewertung vom 23.04.2025
Hope, Anna

Wo wir uns treffen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Wenn ein Familienmitglied stirbt und ein Erbe hinterlassen wird, so zeigen die Familienmitglieder ihr wahres Gesicht. So auch in der Familie Brooke. Philip Brooke ist gestorben. Seine Witwe Grace trägt es mit Fassung. Hat sie ihn doch schon vor Jahrzehnten verloren. Damals, als er sie mit drei kleinen Kindern in der Abgeschiedenheit alleine ließ und einige Jahre in New York mit seiner Geliebten zusammenlebte. Die drei Kinder, mittlerweile erwachsen und um die 40 Jahre alt, waren ihm nie nah. Lediglich die älteste Tochter Frannie zog vor einigen Jahren zurück aufs elterliche Anwesen und half Philip bei der Arbeit. Sie ist es auch, die das Anwesen erben wird. Ihr Bruder Mio und ihre Schwester Isa reisen zur Beerdigung an. Mio hat auch Pläne mit dem Anwesen, doch Frannie reagiert ablehnend. Isa zeigt kein Interesse, sie hat ihre eigenen Erinnerungen an ihre Kindheit und Jugend und versucht den Zauber von damals zurückzuholen. Auch hat sie Kontakt zu Clara aufgenommen, sie ist die Tochter von Philips früherer Freundin. Sie hat Clara zu Beerdigung eingeladen, sehr zum Missfallen der Familie. Clara kommt und hat sich intensiv mit der Familiengeschichte beschäftigt und hat einiges zu berichten.
Wie man sieht, es ist keine heitere Familiengeschichte, die uns Anne Hope hier in ihrem neuen Roman präsentiert, doch meiner Meinung nach, bildet sie ein absolut realistisches Bild ab. Bei Nachlässen, Vermächtnissen und Abschieden, kommt so einiges ans Licht. So auch hier. Das ist der ganz normale Wahnsinn. Sämtliche Protagonisten haben ihr Päckchen zu tragen. Hauptverursacher der Misere: Vater Philip. Mit seinem Verhalten hat er die Entwicklung seiner Kinder geprägt und sie knabbern noch im Erwachsenenalter daran. Der Autorin ist es sehr gut gelungen, die Charaktereigenschaften ihrer Figuren aufzuzeigen. An vielen Stellen wurde es sehr emotional und das Gelesene hat mich tief berührt. Der Roman hat einige Längen, doch die kann ich charmant weglächeln, denn größtenteils fand ich es einfach spannend zu lesen, ob und wie die Hinterbliebenen zueinander finden. Anne Hope hat mich mit diesem Roman komplett abgeholt. Ich mag ihren durchdachten und atmosphärischen Schreibstil. Die Naturbeschreibungen sind sehr schön und ließen Bilder vor meinen Augen entstehen. Auf alle Fälle eine Leseempfehlung für die Leserschaft von „leisen“ Romanen.

Bewertung vom 17.04.2025
Lopez, Paola

Die Summe unserer Teile


sehr gut

Paola Lopez versucht uns, in ihrem neuen Roman „Die Summe unserer Teile“, die drei Frauen Großmutter Lyudmila, Tochter Daria und Enkelin Lucy, näherzubringen. Die Beziehung der drei untereinander ist sehr kompliziert. Lyudmila flieht mit den Wirren des 2. Weltkriegs aus Polen in den Libanon. In Beirut studiert sie Chemie und wird eine erfolgreiche Chemikerin. Dort wird auch ihre Tochter Daria geboren. Ihr Verhältnis ist geprägt von Distanz, warum erfährt Daria erst viele Jahrzehnte später. Daria zieht zum Studieren nach München und wird Kinderärztin. Sie bekommt eine Tochter: Lucy. Daria will, dass Lucy nicht die Entbehrungen ihrer eigenen Kindheit erfährt und gibt alles. Doch auch dieses alles ist nicht gut, so entfernt sich Lucy immer mehr, bis sie letztendlich den Kontakt zu Daria abbricht. Hier beginnt der Roman. Wir lernen die Studentin Lucy aus Berlin kennen, die seit drei Jahren nicht mehr mit ihren Eltern spricht. Plötzlich erhält sie, ohne Aufforderung, von ihrer Mutter ein Klavier geschickt. Dieses Instrument löst einiges in Lucy aus.
In wechselnden Zeitebenen lernen wir die drei Frauen kennen. Leider stellte sich beim mir während des Lesens keine Nähe ein. Alle drei blieben mir fremd. Nach und nach erklärten sich zwar bestimmte Verhaltensweisen und Entscheidungsprozesse und ich konnte nach anfänglichen Unverständnis Verständnis aufbringen, doch schlussendlich hatte ich viele Fragen. Auch wenn mir Lucy durchgehend nicht sympathisch war, so halte ich ihr zu Gute, dass sie durch ihre Reise nach Polen, um auf den Spuren von Lyudmila zu wandeln, den Stein ins Rollen gebracht hat, Licht ins Dunkeln der Familienverhältnisse zu schaffen. Dank ihr ist einiges in Bewegung geraten und Daria und Lucy stellen sich ihrer Vergangenheit.
Paola Lopez hat mich mit diesem Roman sprachlich tief beeindruckt und an vielen Stellen auch sehr berührt. Viele Sätze habe ich mehrfach gelesen, weil sie einfach wunderschön und atmosphärisch sind. Literarisch gesehen, spielt dieser Roman in einer ganz hohen Liga. Wie bereits erwähnt, lässt mich dieser Roman jedoch etwas ratlos zurück, die Botschaft jedoch ist ganz klar: miteinander reden ist das a und o und lässt viele Missverständnisse vermeiden.

Bewertung vom 17.04.2025
Moore, Georgina

Die Garnett Girls (MP3-Download)


sehr gut

Margo hat ihre mittlerweile erwachsenen Töchter Rachel, Imogen und Sasha mehr oder weniger allein großgezogen. Ihre Jugendliebe und späterer Ehemann Richard hat sie verlassen, als die jüngste Tochter Sasha noch klein war. Richard war Alkoholiker. Sein Weggang hat Margo den Boden unter den Füssen weggerissen und sie ist danach nie wieder eine feste Bindung eingegangen. Diese Trennung schwebt auch Jahrzehnte später immer noch wie ein Damoklesschwert über die Familie. Rachel und Sasha sind verheiratet. Rachel bewohnt mit Mann und Töchter auf Margos Wunsch, das Haus ihrer Kindheit. Margo wohnt in der Nähe. Imogen hat sich verlobt und Margo ist glücklich, dass nun auch die letzte Tochter endlich heiraten wird. Doch Imogen plagen Zweifel, eigentlich möchte sie nicht heiraten. Sasha pflegt momentan kaum Kontakt zu Margo. Das Verhältnis ist schwierig.
Dieser Roman ist keine leichte Sommerkost. Komplizierte Mutter-Tochter-Beziehungen stehen im Vordergrund. Ich habe diese Geschichte als Hörbuch gehört. Die Sprecherin Yara Blümel ist mir aus anderen Produktionen bekannt und ich höre sie sehr gerne. Auch hier passt ihre Stimme wieder hervorragend. Der Einstieg gelang mir nicht so leicht. Es gibt immer wieder Rückblenden und die vielen Figuren mussten gedanklich zugeordnet werden. Vermutlich ist das Verständnis beim Lesen einfacher im Vergleich zum Hörbuch. Doch nachdem die erste Hürde überwunden war, hatte ich Freude an diesem Hörbuch. Im Vordergrund stehen die zwischenmenschlichen Beziehungen. Man sieht, wie viele Päckchen Menschen aus der Vergangenheit mit sich herumtragen und welchen Einfluss diese aufs gesamte Leben nehmen können. Schweigen ist kein guter Berater, das müssen auch Mutter und Töchter in diesem Buch erkennen. Der Autorin gelingt es gut, die vier Protagonistinnen zu beschreiben und Bilder entstanden vor meinen Augen. Auch die Örtlichkeiten sind gut dargestellt und ich konnte mir alles gut vorstellen. Normalerweise entwickle ich während des Lesens oder Hören Sympathien oder Antipathien gegenüber den Figuren. Diesen Effekt konnte ich dieses Mal nicht beobachten. Es stellte sich eine neutrale Distanz ein, die aber nicht negativ zu bewerten ist. Ich würde diesen Effekt eher im Schreibstil der Autorin vermuten, ist dieser doch eher nüchtern und beschreibend zu definieren. Der große Emotionsfunke sprang zwar nicht über, dennoch wird mich dieser Roman noch einige Zeit gedanklich beschäftigen, denn Georgina Moore hat mit ihrem Debütroman etwas zum Thema genommen, was wir alle haben oder hatten: eine Mutter-Kind-Beziehung. Darüber nachzudenken, ist es immer Wert.

Bewertung vom 17.04.2025
Winter, Claire

Die Erbin


ausgezeichnet

Der neue Roman von Claire Winter heißt „Die Erbin“ und ist, wie man es von der Autorin kennt, ein historischer Roman der Spitzenklasse. Die Protagonistin ist Cosima Liefenstein. Es ist das Jahr 1957 und Cosima beschließt, obwohl sie erst Anfang zwanzig ist, eine Stiftung zu gründen. Diese soll Kriegswitwen mit Kindern unterstützen, denn in der noch jungen Bundesrepublik haben es diese Frauen schwer. Cosima hingegen hatte nie finanzielle Probleme. Sie kommt aus einer einflussreichen Industriellenfamilie und nach wie vor ist ihre Familie sehr wohlhabend. Der Krieg hat dem Familienimperium nichts anhaben können. Cosima lernt den jungen Journalisten Leo Marktgraf kennen, man ist sich sympathisch und anfangs gibt er vor, an Cosimas Stiftung interessiert zu sein und will darüber berichten. Doch eigentlich ist er einer ganz anderen Sache auf der Spur und Cosimas Familie spielt dabei eine große Rolle. Der Roman ist in unterschiedlichen Zeitebenen geschrieben, so lernen wir in Rückblenden Cosimas Familie kennen und erfahren, wie diese der NS-Diktatur gegenüberstand. Ihr Großvater war ein Patriachat wie er im Buche steht. Seine zwei älteren Söhne Theodor und Albert führten das Unternehmen in seinem Sinne weiter. Lediglich Edmund Liefenstein, Cosimas Vater, welcher früh verstarb, hatte kein Verständnis für die Machenschaften der Nazis und verurteilte seine Familie aufs höchste, dass sie mit den Nazis gemeinsame Sache machten. Cosima gräbt in ihrer Familiengeschichte und ist entsetzt zu erfahren, dass ihre Onkel stets auf die eigenen Vorteile bedacht waren und somit die Nazis unterstützten. Aber Cosima deckt noch mehr auf. So erfährt sie, dass die Ehe ihrer Eltern keineswegs so gut funktionierte, wie ihre Mutter immer behauptet hat. Viele Wahrheiten kommen ans Licht, doch all dies macht Cosima stärker und ihr Leben wird durch neue Menschen bereichert.
Was für ein ergreifender Roman. Die Figuren sind fiktiv, doch das Gelesene könnte sich zugetragen haben. Die zahlreichen Industriellenfamilien gab es, und ja, sie sympathisierten mit den Nazis und waren auf ihren eigenen Profit gedacht. Claire Winter greift in ihrem Roman ein wichtiges Thema auf und es ist gut, dass darübergeschrieben wird. Denn diese Familien waren durch ihr Handeln maßgeblich an den Gräueltaten der Nazis beteiligt. Auch in den späteren Gerichtsprozessen fanden sie Schlupflöcher, um sich den Strafen zu entziehen. Theodor und Alber aus diesem Roman stehen also für viele Menschen und in der jungen Bundesrepublik waren immer noch viele vom alten System überzeugt. Ferner galt die landläufige Meinung, dass man nun vergessen sollte und ein neues Leben starten solle. Entschädigungen waren nicht vorgesehen. Auch heute, viele Jahrzehnte später, dürfen wir nicht vergessen. Romane wie dieser helfen uns, die Erinnerung zu wahren und wachsam zu sein. Claire Winter bringt uns diese Zeit näher und erläutert Hintergründe und die Vorgehensweise von Politik und Industrie. Während des Lesens stellte sich bei mir eine große Fassungslosigkeit ein. Damals galt mehr denn je, wer reich war, blieb reich oder wurde reicher und der Großteil der Bevölkerung musste leiden. Der knapp 600 Seiten starke Roman lässt sich einfach lesen, bei mir stellte sich sofort ein Lesefluss ein. Der moderne Schreibstil und die wechselnden Handlungsstränge beleben den Roman. Die Kapitellängen sind perfekt. Ich konnte dem Geschehen sehr gut folgen und der Romanaufbau ist sehr gelungen. Besonders gut gefallen, hat mir das vorangestellte Personenverzeichnis. Es erleichtert die Zuordnung der vielen Personen. So konnte ich gut den Überblick bewahren. Ich habe schon einige Romane von Claire Winter gelesen und auch dieses Buch hat mich wieder absolut überzeugt. Für Fans historischer Romane unbedingt ein Muss.

Bewertung vom 12.04.2025
Holland Moritz, Patricia

Drei Sommer lang Paris (eBook, ePUB)


sehr gut

Im Sommer 1989 wird der Ausreiseantrag aus der DDR der 21jährigen Ulrike bewilligt. Ihr Weg in den Westen führt sie nach Paris. Dort lebt bereits seit einigen Jahren Ulrikes Mutter mit Ulrikes Stiefvater. Obwohl Ulrike kein Französisch spricht, ist ihr nicht bange. Mit ihrer Kamera begibt sie sich im Sommer 1989 durch Paris, entdeckt die Stadt durch ihre Augen, weit ab vom Touristenblick. Sie ist neugierig und auf ihren Streifzügen lernt sie Menschen mit besonderen Lebenseinstellungen kennen. Gedanklich immer dabei, sind viele Berühmtheiten, welche einige Zeit in Paris lebten. Ulrike begibt sich auf Spurensuche. Ulrike weiß, um anzukommen, muss sie die Sprache erlernen und einen Job finden. Mit der Leichtigkeit der Jugend gelingt ihr das auch sehr schnell und ein neues Leben beginnt.
Was für ein wundervoller Roman. Ich bin ein großer Paris Fan und dieses Buch zu lesen und rückblickend in das Jahr 1989 zu reisen ist einfach toll. Es ist das Jahr in dem ich 22 Jahre alt war, also im ähnlichen Alter wie die Protagonistin Ulrike. Vielleicht sprang auch deshalb gleich der Funke über, eine Zeitreise in meine Jugend. Eine Leichtigkeit, die man nur in jungen Jahren spürt. Der Autorin ist es sehr gut gelungen, dieses Lebensgefühl zu übermitteln. Sie trifft genau den damaligen Zeitgeist. Ohne Internet und Social Media gelingt es Ulrike den Alltag zu meistern und ihre Ziele zu erreichen. Heutzutage kaum noch vorstellbar. In der Buchmitte hat der Roman seine Längen und verlor sich etwas, doch zum Ende hin, hatte die Geschichte wieder meine volle Aufmerksamkeit und auch bis zur Titelerklärung muss man bis zum Schluss warten. Wie ich im Porträt der Autorin nachlesen konnte, sind Ähnlichkeiten ihrer Vita, mit der ihrer Protagonistin Ulrike zu erkennen und so vermute ich einige reale Bezüge, was den Roman noch interessanter erscheinen lässt. Auch gibt es bereits einen Vorgängerroman von Patricia Holland Moritz. In diesem ist Ulrike eine Jugendliche und lebt mit ihrem Vater in der DDR. Dieser Roman kommt nun auf meine Wunschliste, denn mit ihren Themen und Schreibstil trifft die Autorin genau meinen Nerv. „Drei Sommer lang Paris“ ist ein in sich geschlossener Roman und kann ohne Kenntnis der Vorgeschichte gelesen werden. Gern spreche ich eine Leseempfehlung aus.

Bewertung vom 12.04.2025
Lloyd, Josie

Der Bright-Side-Running-Club (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Nachdem mir schon „Der Brighton Schwimm Club“ von Josie Lloyd so gut gefallen hat, war ich sehr neugierig auf ihren neuen Roman: „Der Bright Side Running Club“. Auch hier treffen wieder Frauen aufeinander, die sich bislang nicht kannten, aber etwas haben, was sie eint. In diesem Roman leider die Diagnose Brustkrebs. Die Protagonistin Keira erhält mit Ende vierzig diese Diagnose. Natürlich zieht ihr diese Nachricht den Boden unter den Füssen weg, aber dank ihrer neuen Frauenfreundschaften, schafft sie es, das Beste aus dieser Situation zu machen. Die Frauen sind füreinander da und unterstützen sich wo es nur geht. Das Verständnis untereinander ist groß, denn die Behandlung verlangt den Patientinnen einiges ab. Josie Lloyd benennt die Dinge beim Namen, nichts wird schöngeredet, wie zum Beispiel der Verlust der Haare oder das vermeintliche Loch im Oberkörper. Die Autorin weiß, wovon sie schreibt, denn 2017 bekam auch sie die Diagnose Brustkrebs. Das Laufen entdeckte sie, wie auch ihre Protagonistin, während der Therapie. Beim Lesen habe ich geradezu mitgelitten und oft kam mir der Gedanke, dass es gut ist, nicht zu wissen, was das Leben für uns bereithält. Keira erweist Stärke und Zuversicht. Einen großen Anteil daran haben ihre neuen Freundinnen von dem neu gegründeten Laufclub. Man stelle sich vor: Keira nimmt während der Chemotherapie an einem 10 km langen Benefizlauf teil. Doch es gibt auch Baustellen in Keiras Leben, denn ihr familiäres und berufliches Umfeld nimmt nur bedingt Rücksicht auf ihre Krankheit. So tobt zuhause weiterhin der Alltagstrubel mit drei Kindern im Alter von Grundschule bis Pubertät und das unmögliche Verhalten ihrer Geschäftspartnerin setzen ihr ganz schön zu. Ihr Ehemann scheint sich von ihr zu distanzieren. Aber Keira lässt sich zu keiner Zeit die Butter vom Brot nehmen und weiß sich zu behaupten. Josie Lloyd hat dieses ernste und berührende Thema in einem wunderbaren Unterhaltungsroman umgesetzt und es wird zu keiner Zeit kitschig. Die Ernsthaftigkeit verliert sie nie aus den Augen und auch die Realität wird klar benannt, wie wir am Ende des Romans mitfühlen können. Der moderne, lockere und flüssige Schreibstil haben mich schnell durchs Buch getragen und Keira und ihre Freundinnen sind mir sehr ans Herz gewachsen. Ihr Mut, ihre Zuversicht und ihre Stärke haben mich sehr beeindruckt. Es ist ein lebensbejahender Roman und absolut lebenswert.

Bewertung vom 30.03.2025
Durand, Catherine

Die tausend Farben von Paris


ausgezeichnet

„Die tausend Farben von Paris“, schon alleine der Titel und das bezaubernde Cover machen neugierig auf das Buch. Catherine Durant ist ein Pseudonym und dahinter verbirgt sich die Autorin Petra Mattfeldt, auch bekannt unter Caren Benedict und Elin Carsta.
Wir tauchen ein ins Jahr 1951. Viele Amerikaner wollen, nach den Schrecken des 2. Weltkriegs, ein neues Leben beginnen und es zieht sie nach Paris. Darunter befindet sich auch Frank Levant, ein Sänger und Entertainer, der im Pariser Lido große Erfolge feiert. Sein wahres ich hält er zunächst unter Verschluss. In Paris freundet er sich mich dem Amerikaner Jack an. Im Rahmen eines US-Army Programms ist auch er nach Paris gekommen, um sich hier ein neues Leben aufzubauen. Er versucht sich als Maler, doch die Erfolge bleiben aus und chronischer Geldmangel ist seine tägliche Sorge. Frank greift ihm unter die Arme soweit Jack es zulässt. Schon bald verlieben sich Frank und Jack in zwei bezaubernde Französinnen. Frank trifft auf Amelie, ihre Einstellung zum Leben imponiert ihn und schon nach kurzer Zeit stellt sich zwischen den beiden eine innige Vertrautheit ein. Jack hat in Rose seine Herzensfrau gefunden, doch die beiden müssen einige brenzlige Situationen überwinden bis sie ein Paar werden. Was auf den ersten Blick wie ein Liebesroman klingen mag, entwickelt sich sehr schnell zu einem Spionageroman. Denn Jack und Rose sind unwissentlich in eine hochbrisante, politische Angelegenheit hineingeraten, die, wie wir im Nachwort erfahren, sich an historische Begebenheiten orientiert. Das zeichnet diesen Roman aus. Die Autorin hat, wie man es von ihr aus anderen Romanen kennt, eine umfassende Recherche betrieben und ihre Figuren an wahrhaftige Personen angelehnt. Einige dieser Charaktere erkennt man beim Lesen sofort. Der Roman lässt sich leicht und flüssig lesen und die Kapitel haben eine perfekte Länge. Die Überschriften zeigen den Ort der Handlung und die im Mittelpunkt stehende Figur. Somit kann man der Geschichte sehr gut folgen. Die Ortsbeschreibungen sind wunderbar und sehr genau formuliert. Vor meinen Augen zeichnete sich Paris ganz deutlich ab. Einzig ein Stadtplan im Buchumschlag wäre wünschenswert gewesen, um die Wege der Protagonisten noch besser nachvollziehen zu können. Die beiden Paare waren mir sehr sympathisch und ich hatte eine gute Lesezeit.
Ein absolut glaubwürdiger Roman mit spannenden Krimielementen.