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bookloving
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Munich

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Insgesamt 303 Bewertungen
Bewertung vom 25.10.2023
Perlenbach (eBook, ePUB)
Caspari, Anna-Maria

Perlenbach (eBook, ePUB)


sehr gut

*Interessante Fortsetzung der historischen Eifel-Trilogie*
Nachdem die deutsche Autorin Anna-Maria Caspari mit dem gelungenen Auftakt ihrer historischen Eifeltrilogie „Ginsterhöhe“ dem Eifeldorf Wollseifen ein literarisches Denkmal gesetzt hat, liegt nun mit ihrem neuen Roman „Perlenbach“ der zweite Band vor, der diesmal im ausgehenden 19. Jahrhundert spielt.
Dieser stellt somit nicht die direkte Fortsetzung des ersten Bands dar, sondern erzählt eine zeitlich vorgelagerte Vorgeschichte, die ebenfalls in dem Bauerndorf Wollseifen sowie in dem kleinen Tuchmacher-Städtchen Montjoie, dem heutigen Monschau, angesiedelt ist. Daher kann man die beiden Teile der Trilogie problemlos unabhängig voneinander lesen.
Der in drei Abschnitte unterteilte historische Roman spielt zwischen den Jahren 1865 bis 1905 und deckt eine Zeitspanne von 40 Jahren ab. Der Autorin ist es hervorragend gelungen, sorgsam recherchierte historische Hintergrundinformationen mit ihrer fiktiven Handlung zu verweben und zeichnet ein stimmiges Bild des damaligen Lebensalltags und der gesellschaftlichen Zustände in jener Zeit der Widersprüche. Sehr anschaulich führt sie uns die unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten in der kargen, ländlich geprägten Eifel zu Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts am Beispiel ihrer Hauptfiguren und Familien vor Augen.
Mühelos tauchen wir in die aus abwechselnden Perspektiven geschilderten Geschehnisse der Vergangenheit ein. So lernen wir nicht nur den jungen Bauernsohn Wilhelm aus Wollseifen kennen, der Jacob - dem kränklichen Sohn des Tuchfabrikanten in Montjoie - im Winter Gesellschaft leisten darf, sondern auch die clevere und recht eigensinnige Arzt- und Nachbartochter Luise kennen und nehmen Anteil an der unbeschwerten engen freundschaftlichen Bindung zwischen den Kindern, deren sozialer Status kaum unterschiedlicher sein könnte.
In der abwechslungsreichen Handlung erzählt Caspari die bewegende Geschichte der drei Kindheitsfreunde, deren ungewöhnliche Freundschaft schließlich auf eine harte Probe gestellt wird. Zwischen den Kapiteln sind kurze in Kursivschrift verfasste, fragmentarische Tagebucheinträge von Luises Gouvernante Friederike eingefügt, die aus einer gewissen Distanz das Geschehen kommentieren. Zudem dokumentieren sie nebenbei das gesellschaftliche und politische Weltgeschehen in Kurzfassung und geben uns mit der genauen Datierung einen groben historischen Überblick.
Schrittweise folgen wir den ereignisreichen Lebensgeschichten von Wilhelm, Jacob und Luise im Wandel der Zeiten. Wir erfahren von ihren Träumen von einer besseren, selbst bestimmten Zukunft und ihrer Hoffnung den gesellschaftlichen Zwängen der damaligen Zeit und ihrem vorbestimmten Lebensweg entrinnen zu können. Eindrücklich zeigt die Autorin jedoch auch auf, wie sehr ein jeder von ihnen gefangen ist in den rigiden Standeshierarchien, überkommene Konventionen und tradierten Rollenbildern und für sein Glück gegen vielfältige Widerstände ankämpfen muss.
Geschickt hat die Autorin auch viele geschichtlich interessante Informationen zu zur Arbeit im Bleibergwerk, dem Bau der Erfttalsperre oder dem Niedergang der Tuchherstellung in ihre Handlung eingewoben. Ausführlich geht sie auch auf die Rolle der Frau in jener Zeit ein und thematisiert die den beginnenden Kampf der Frauen um Gleichberechtigung und Frauenrechte.
Die einfühlsame, vielschichtige Zeichnung der verschiedenen Charaktere bis hin zu den verschiedenen Nebenfiguren ist der Autorin gut gelungen. Sie werden recht lebensecht mit all ihren Charaktereigenschaften beschrieben und auch ihre Entwicklung wirkt weitgehend glaubhaft und wirklichkeitsnah, so dass man sich gut in ihre Lage und Gefühlsleben hineinversetzen kann. Ab einem Punkt konnte ich allerdings Wilhelms unbesonnenes Verhalten wenig nachvollziehen, was ihn mir im weiteren Verlauf leider wenig sympathisch machte.
Schade auch, dass die wir die bewegenden Schicksale der Hauptfiguren im Ausklang nur noch in einer Art Kurzabriss erleben und viele interessante Aspekte weitgehend ausgeblendet bleiben, gerne hätte ich vor allem Luise noch weiter begleitet. Ich bin sehr gespannt, zu welcher Zeit der Abschlussband der Eifeltrilogie angesiedelt ist und welchen Nachkommen bekannter Figuren wir dort begegnen werden.
In ihrem Nachwort „Die gute alte Zeit …“ erläutert die Autorin schließlich noch eingehender die historischen Hintergründe ihres Romans. In ihrer Danksagung fasst sie zudem ihr Quellenmaterial zusammen und gibt einen kurzen Einblick in ihre Recherchen.
FAZIT
Ein abwechslungsreich und einfühlsam erzählter historischer Roman über das Leben im ausgehenden 19. Jahrhundert und die bewegende Geschichte dreier Kindheitsfreunde auf der Suche nach ihrem Lebensglück.
Ein interessantes, gut recherchiertes Zeitdokument über das Armenhaus Eifel!

Bewertung vom 18.10.2023
Spiel auf Leben und Tod / Fräulein vom Amt Bd.3 (eBook, ePUB)
Blum, Charlotte

Spiel auf Leben und Tod / Fräulein vom Amt Bd.3 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

*Fräulein Alma ermittelt wieder*
Mit der unterhaltsamen Fortsetzung „Fräulein vom Amt - Ein Spiel auf Leben und Tod“ haben die unter dem Pseudonym Charlotte Blum schreibenden Autorinnen Regine Bott und Dorothea Böhme bereits den dritten Band ihrer tollen historischen Roman-Serie vorgelegt, die uns in die spannenden, turbulenten 1920er-Jahre eintauchen lässt. Angesiedelt ist die Geschichte aber nicht in Berlin sondern in der mondänen, international populären Kurstadt Baden-Baden. Im Mittelpunkt der abwechslungsreichen Handlung, die diesmal im Jahre 1925 spielt, stehen wieder die sympathische Alma Täuber als auf eigene Faust ermittelndes Fräulein vom Amt und ihre quirlige Freundin Emmi Wolke. Ein internationales Schachturnier lockt neben vielen Touristen auch einige Ganoven nach Baden-Baden und natürlich sind auch die beiden Freundinnen Alma und Emmi vom Schachfieber erfasst.
Der gelungene Mix aus aufschlussreichen Einblicken in das damalige Zeitgeschehen, ausgiebigen Exkursen in das private und berufliche Leben der sympathischen Hauptfiguren sowie spannendem Kriminalfall, bei dem man nach Herzenslust Mitermitteln und Spekulieren kann, hat mir wieder hervorragend gefallen. Toll eingefangenes Lokalkolorit, interessante zeitgeschichtliche Informationen und nette humorvolle Episoden sorgen für ein sehr unterhaltsames und zugleich lehrreiches Lesevergnügen.
Schon der unheilvolle Prolog mit der darin geschilderten ergreifenden Szene von der in einer Wäschetrommel gefangenen, dem qualvollen Erstickungstod geweihten jungen Wäscherin Gertrude in einer Waschdampfanstalt lässt sofort Spannung aufkommen. Da die Polizei von Unfall oder Selbsttötung ausgeht, kann die junge Telefonistin Alma mit ihrem untrüglichen kriminalistischen Spürsinn gar nicht anders, als erneut auf eigene Faust zu ermitteln - sehr zum Verdruss ihres Freundes Kriminalkommissar Ludwig Schiller. So dauert es auch gar nicht lange, bis sie bei den Nachforschungen zu dem verzwickten Fall nicht nur in zwielichtige Kreise in sondern auch in große Gefahr gerät. Dank des lebendigen Erzählstils werden wir rasch in das spannende Geschehen hinein gezogen und folgen gebannt Almas Ermittlungen.
Viele sorgsam recherchierte und geschickt eingewobene Details führen uns das damalige Alltagsleben sowie die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen sehr anschaulich vor Augen. Insbesondere das faszinierende zeitgeschichtliche Flair Mitte der 1920er-Jahre ist von den Autorinnen sehr lebendig und authentisch eingefangen. Trotz des rasanten Fortschritts und der opulenten gesellschaftlichen Amüsements werden im Alltag gesellschaftliche Spannungen und die unheilvolle Vorboten des populärer werdenden nationalsozialistischen Gedankenguts immer spürbarer.
Wie im Nachwort erläutert haben die Autorinnen wieder viele spannende historische Details - vom modischen und technologischen Wandel bis hin zu politischen und kulturellen Hintergründen - sehr ansprechend in ihre Geschichte eingearbeitet. Obendrein lassen sich viele Hintergrundinformationen im angehängten Glossar nachlesen.
Der Roman lebt aber vor allem von seinen, äußerst lebensnah gezeichneten Protagonistinnen Alma und Emmi, die sehr lebendig und mit viel Liebe ausgearbeitet sind.
Die Autorinnen haben wundervolle Charaktere geschaffen, in die man sich hervorragend hinein versetzen und an deren Privatleben man gerne Anteil hat. Die überaus clevere, selbstbewusste Hauptfigur Alma, die sich aufgrund der aufkommenden Selbstwählapparate vermehrt um ihre Stelle in der Telefonvermittlung des Postamts Sorgen macht und mit dem Gedanken spielt eine Detektei zu gründen, ist nach wie vor ihre Unabhängigkeit äußerst wichtig. Diese möchte sie auch für ihre Liebe Kriminalkommissar Ludwig Schiller nicht aufgeben. Mit ihrer charmanten, frischen Art sorgt auch ihre quirlige, lebensfrohe Freundin Emmi, die inzwischen Filialleiterin eines Blumenladens geworden ist, wieder für amüsante Szenen und viel Abwechslung.
Mir hat es mit viel Spaß bereitet, mich an Almas Seite in die verzwickten Nachforschungen zu stürzen, die so manche unerwartete Wendung nehmen. Dank ihrer Gewitztheit und Kombinationsgabe gelingt es ihr schließlich die Hintergründe für den tragischen Tod der jungen Wäscherin auf eigene Faust aufzudecken und zugleich noch weitere Vorkommnisse aufzuklären. Die Auflösung kommt zwar höchst überraschend, ist aber dennoch in sich schlüssig und nachvollziehbar dargelegt.
Ich bin schon sehr gespannt, welche neuen Abenteuer und Herausforderungen auf Alma im 4. Band zukommen werden, und freue mich schon auf eine Fortsetzung dieser gelungenen historischen Reihe.
FAZIT
Eine sehr kurzweilige Fortsetzung der historischen Reihe rund um das ermittelnde Fräulein vom Amt Alma Täuber -mit viel Zwanziger Jahre-Zeitkolorit, liebenswerten Charakteren und netten humorvollen Episoden!

Bewertung vom 07.10.2023
Mrs Potts' Mordclub und der tote Bräutigam (MP3-Download)
Thorogood, Robert

Mrs Potts' Mordclub und der tote Bräutigam (MP3-Download)


ausgezeichnet

*Humorvoller britischer Cosy Crime *
Mit „Mrs Potts' Mordclub und der tote Bräutigam” ist dem britischen Roman- und Drehbauch-Autor Robert Thorogood eine kurzweilige und amüsante Fortsetzung seiner „Cosy crime“-Reihe „Mord ist Potts' Hobby“ gelungen, in deren Mittelpunkt die liebenswerte, etwas schrullige 77-jährige Hobby-Ermittlerin Judith Potts und ihre beiden Mitstreiterinnen Becks und Suzie stehen.
Auch der zweite Band ist ein gelungener Wohlfühlkrimi, der mich neben einem unblutigen und nicht allzu leicht zu durchschauenden Kriminalfall mit witzigen Dialogen, netter Situationskomik und feinem britischen Humor bestens unterhalten konnte.
Die stimmungsvollen Beschreibungen der Schauplätze im idyllischen, an der Themse gelegenen Örtchens Marlow und der lebendige Schreibstil des Autors sorgen dafür, dass das Kopfkino rasch anspringt, und man hervorragend in das tolle Setting mit viel britischem Flair eintauchen kann.
Der reichste Mann vor Ort Sir Peter Bailey wird am Tag vor seiner Hochzeit mit der viel jüngeren Krankenschwester Jenny Page während einer Gartenparty in von einem schweren Schrank im von innen verschlossenen Arbeitszimmer seines großen Herrenhauses erschlagen. Schnell steht für die drei anwesenden Hobby-Ermittlerinnen fest, dass es sich trotz der mysteriösen Umstände um einen gerissenen Mord handelt und keineswegs um einen tragischen Unfall wie die Polizei allen weis machen möchte. Es ist natürlich Ehrensache, dass bei diesem verzwickten Fall Mrs Potts Mordclub der Polizei unter die Arme greifen und die Ermittlungen tatkräftig unterstützen muss - auch wenn dies gar nicht erwünscht ist, da der Unglücksfall schnell zu den Akten gelegt werden soll. Auch wenn ich bezüglich des Täters schon früh eine Ahnung hatte, hat es mir wieder großen Spaß bereitet, mich an der Seite der drei verschrobenen, recht forsch vorgehenden Spürnasen in den verwickelten Fall zu stürzen, etliche Geheimnisse aufzudecken und nach Herzenslust über mögliche Motive und den Tathergang zu spekulieren. Obwohl die Ermittlungen zum Fall in einem gemächlichen Tempo voranschreiten und das Privatleben der Hobbyermittlerinnen oft stark im Vordergrund steht, verstehen es die Autorinnen, die Spannung mit unerwarteten Twists und Turns sowie falschen Fährten immer wieder anzuziehen. Zum Ende hin überschlagen sich die Geschehnisse regelrecht und dem cleveren Ermittler-Trio allen voran der gewitzten Judith mit ihrer genialen Spürnase gelingt es den verzwickten Fall aufzuklären. Trotz einiger Unstimmigkeiten ist die von ihr präsentierte Auflösung zum Tathergang recht schlüssig, wirkt aber schon etwas arg bemüht.
Dieser Cosy Crime lebt vor allem von seinen sehr lebendig gezeichneten und facettenreich angelegten Protagonistinnen, die man mit all ihren liebenswerten Eigenheiten und Marotten einfach ins Herz schließen muss. Ob nun die resolute 77-jährige verwitwete Kreuzworträtsel-Autorin Judith, die gerne nackt in der Themse badet und eine Whisky-Liebhaberin ist, die zurückhaltende Pfarrersgattin Becks Starling, die immer wieder mit bemerkenswerten Qualitäten zu überraschen weiß, oder schließlich die forsche Hundesitterin in Geldnöten Suzie Harris – die drei Hobbyermittlerinnen ergänzen sich perfekt und tragen mit ihrem großen Einsatz, unkonventionellen Ermittlungsmethoden und ihren originellen Ideen schließlich zur Aufklärung bei. Kein Wunder, dass ihre Nachforschungen der Polizei generell ein Dorn im Auge sind und nur Polizistin Tanika ihre Bemühungen zu schätzen weiß.
Entsprechend ihrer Rolle hat Thorogood auch seine Nebenfiguren mit ihren Hintergrundgeschichten interessant ausgearbeitet, so dass sie mit ihren Geheimnissen und rätselhaftem Verhalten für Abwechslung sorgen und viel Stoff zum Spekulieren liefern.
Ich freue mich schon sehr auf eine Fortsetzung mit den liebgewonnenen, agilen und vorwitzigen Ermittlerinnen vom Mordclub!

ZUM HÖRBUCH
Die Schauspielerin und Kabarettistin Christine Prayon liest den Krimi zwar kurzweilig, aber mit einem sehr gedrosselten und für meinen Geschmack etwas zu langsamen Sprechtempo. Nur gut, dass man das Wiedergabetempo entsprechend verändern kann! Ihre Stimmlage ist sehr angenehm, so dass man schnell ins Geschehen hineingezogen wird. Betonung und Sprechtempo passt sie der jeweiligen Handlung und Atmosphäre an. Darüber hinaus fängt sie die Eigenheiten der etwas eigenwilligen Charaktere des Mordclubs sehr glaubhaft und überzeugend ein. Geschickt schlüpft sie in die einzelnen Rollen und versteht es, die Dialoge stimmlich abwechslungsreich und lebendig zu gestalten. Ein rundum vergnügliches Hörbuch!
FAZIT
Eine unterhaltsame Fortsetzung der neuen humorvollen britischen Wohlfühlkrimi-Reihe - mit einem verzwickten Fall, der zum Miträtseln einlädt und dem liebenswerten, herrlich verschrobenen Mordclub-Trio! Gewürzt ist der gemütliche Cosy Crime mit nettem britischen Lokalkolorit und einigen amüsanten Episoden.

Bewertung vom 04.10.2023
Ein höchst royaler Mord - Ein Queen-Elizabeth-Krimi (MP3-Download)
Bennett, S J

Ein höchst royaler Mord - Ein Queen-Elizabeth-Krimi (MP3-Download)


ausgezeichnet

*Humorvoller Cosy Crime*
Der unterhaltsame Wohlfühlkrimi „Ein höchst royaler Mord” von der britischen Autorin S J Bennett ist bereits der dritte Band ihrer humorvollen Cosy-Crime-Reihe, in deren Mittelpunkt eine sehr ungewöhnliche Ermittlerin steht. Es ist die hochbetagte Queen Elizabeth II. höchstpersönlich, die ihrer heimlichen Leidenschaft als Hobby-Ermittlerin nachgeht. Dem literarischen Vorbild Miss Marple aus der Feder der legendären Queen of Crime Agatha Christie steht sie bezüglich Cleverness, Kombinationsgabe und untrüglicher Spürnase durchaus in nichts nach.
Der Autorin ist es mit ihrem lebendigen Schreibstil erneut gelungen, eine wundervolle Atmosphäre mit einzigartigem royalen Flair einzufangen, so dass wir als Zaungäste fast mühelos in die faszinierende und bisweilen bizarre Welt der britischen Royals und deren etwas exzentrischen Umgangsformen eintauchen können. Gewürzt ist dieser klassische Whodunnit mit viel feinem britischen Humor und toller Situationskomik, so dass für ein abwechslungsreiches, amüsantes und höchst royales Krimivergnügen gesorgt ist.
Der schockierende Fund einer Hand in einer Plastiktüte am Strand von Sandringham trübt die weihnachtliche Stimmung in Sandringham House, dem Landsitz der Royals in der englischen Grafschaft Norfolk. Anhand des Siegelrings und einer charakteristischen Narbe gelingt es der gesundheitlich angeschlagenen Queen das mutmaßliche Opfer als den ehemaligen Spielgefährten ihrer Kinder Edward St. Cyr zu identifizieren. Der höchst verzwickte Fund gibt schon bald viele Rätsel auf und so sieht sich die englische Queen genötigt mit Unterstützung von Rozie, ihrer cleveren Assistentin aus Nigeria und stellvertretenden Privatsekretärin, auf eigene Faust diskrete Nachforschungen anzustellen. Keine einfache Aufgabe für die beiden bei den zahlreichen Verdächtigen, diversen Hintergrundinformationen und vielen kursierenden Gerüchten noch den Überblick zu bewahren. Ob nun der königliche Pferdepfleger und seine aufmüpfige Schwester, der zwielichtige Landmakler, der aristokratische Nachbar sowie diverse Verwandte des Toten – sie alle haben etwas zu verbergen und machen sich auf die ein oder andere Weise verdächtig.
Mir hat es wieder großen Spaß gemacht, der Queen bei ihren äußerst zurückhaltenden Ermittlungen über die Schulter zu blicken und ihre Bemühungen mitzuerleben, diese dezent in die richtige Richtung zu lenken ohne dabei offiziell in Erscheinung zu treten. Um den immer verwickelter werdenden Fall halbwegs folgen und miträtseln zu können, ist allerdings erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich, da die Monarchin ihre vielfältigen Erkenntnisse leider meist für sich behält.
Geschickt hat die Autorin einige aktuelle Themen und reale politische Ereignisse in die Handlung einfließen lassen, so dass die Geschichte sehr authentisch wirkt. Höchst lebendig ist das royale Setting eingefangen, das uns aufschlussreiche Einblicke ins Leben der Monarchin sowie in die weihnachtlichen Festivitäten bei der königlichen Familie, ihre Traditionen und alltäglichen kleinen Animositäten gibt. Sehr unterhaltsam sind auch die Seitenhiebe auf den aristokratischen Snobismus und abgehobenen Lebensstil des Landadels.
Ein besonderes Highlight sind die sehr plastisch und lebensnah gezeichneten Hauptfiguren, die absolut lebendig wirken und zum besonderen Flair dieses Krimis beitragen. Insbesondere die einfühlsame Darstellung der Queen hat mir außerordentlich gut gefallen und wirkt sehr überzeugend. Wir erleben sie als eine Monarchin mit britischer Selbstdisziplin und Entschlossenheit, die äußerst weise und besonnen agiert, stets die Fäden in der Hand behält und sich voller Empathie auch um die Belange ihrer Untergebenen kümmert. Doch auch die vielen Nebenfiguren sind mit ihren aufschlussreichen Hintergrundgeschichten gelungen ausgearbeitet.
Der neue Fall für die Queen hat mich wieder bestens unterhalten können, auch wenn der eigentliche Kriminalfall mich nicht vollkommen überzeugen konnte. Ich freue mich schon auf eine Fortsetzung dieser Cosy-Crime-Reihe und ein Wiedersehen mit vielen liebgewonnenen Charakteren!
ZUM HÖRBUCH
Für diesen kurzweiligen Cosy Crime wurde mit der Moderatorin und Hörbuchsprecherin Sandra Voss eine sehr gute Wahl getroffen. Ihr gelingt es mit ihrer angenehmen Stimmlage und variantenreichen Stimme hervorragend, uns in das geniale Setting hineinzuziehen und den verschiedenen Figuren Leben einzuhauchen. Sehr überzeugend erweckt sie die clevere, distinguierte und humorvolle Monarchin zum Leben, so dass ich sie gleich lebhaft vor Augen hatte. Abwechslungsreich und mitreißend hat sie den eher ruhigen, aber ziemlich verwickelten Fall umgesetzt.
Insgesamt eine gelungene vergnügliche Lesung, der man allerdings mit erhöhter Aufmerksamkeit zuhören sollte, um nicht den roten Faden zu verlieren!
FAZIT
Ein humorvoller Wohlfühlkrimi - mit einem komplexen Kriminalfall, lebendig gezeichneten Charakteren und tollem royalem Flair!

Bewertung vom 23.09.2023
Prophet (eBook, ePUB)
Blaché, Sin; Macdonald, Helen

Prophet (eBook, ePUB)


gut

*Faszinierender Genre-Mix*
Mit ihrem gemeinsam verfassten Roman „Prophet“ hat das Autorinnen-Duo Sin Blaché und Helen MacDonald einen fesselnden genreübergreifenden Thriller vorgelegt, der mit seiner ungewöhnlichen, aber faszinierenden Mischung aus Spannungsroman, Mystery, Science Fiktion-Elementen, Agententhriller und queerer Romance das Potential zu einem richtigen Page Turner hat. Zudem haben sich die beiden Autorinnen eine originelle Ausgangsidee einfallen lassen, die eine spannende und brisante Auseinandersetzung mit tiefgründigen Themen verspricht und mich auf Anhieb angesprochen hatte.
Angesiedelt ist die Handlung in einer nicht allzu fernen Zukunft und spielt zunächst im ländlichen England, bis der Handlungsort schließlich in die USA wechselt. Im Rahmen von militärischen Geheimforschungen wurde mit PROPHET eine Substanz entwickelt, die nostalgische Erinnerungen der Menschen real werden lässt und als eine gefährliche Waffe eingesetzt werden kann. Als das Projekt durch sich verändernde Eigenschaften von PROPHET außer Kontrolle zu geraten scheint, werden die beiden ungleichen Geheimagenten Adam Rubenstein und Sunil Rao eilig hinzugezogen, um eine Katastrophe mit unabsehbaren Folgen zu verhindern. Gefesselt von der düsteren, unheilvollen Atmosphäre und den mysteriösen Geschehnissen fiel mir der Einstieg in die Geschichte anfänglich nicht schwer. Doch schon bald hatte ich trotz des anschaulichen, lebendigen Erzählstils der Autorinnen Probleme richtig in die Geschehnisse einzutauchen und mir die von PROPHET hervorgerufenen Phänomene bildlich vorzustellen. Durch stark dialogbetonte und langatmige Passagen kommt die eigentliche Handlung nur sehr mühsam in Schwung, so dass die Spannung immer wieder abflaut und die zuvor so gelungen eingefangene bedrohliche Stimmung schließlich verloren geht. Die stark im Fokus stehende Liebesgeschichte und das ständige Geplänkel zwischen den beiden Protagonisten drängen die tiefergehenden Themen des Romans leider immer wieder in den Hintergrund. Zum Ende hin nimmt die Geschichte dann aber doch deutlich an Fahrt auf und gipfelt schließlich in einem sehr fesselnden Finale mit einem unerwarteten, aber sehr schlüssigen Ende.
Im Mittelpunkt der Handlung stehen die beiden exzentrischen Protogonisten, die charakterlich kaum gegensätzlicher sein könnten und von den Autorinnen äußerst lebendig und vielschichtig ausgearbeitet wurden. In eingeschobenen Rückblenden erfahren wir allmählich mehr über ihre familiären Hintergründe und ihre gemeinsame, problembehaftete Vorgeschichte, so dass man sich gut in ihre Persönlichkeit hineinversetzen und ihr Verhalten nachvollziehen kann. Das ungleiche Ermittler-Duo mit dem stoischen, mysteriösen Geheimagenten Colonel Adam Rubenstein und dem chaotischen, übersensiblen Genie Sunil Rao als wandelndem Lügendetektor, die den Hintergründen von PROPHET auf die Spur kommen sollen und letztlich Teil des Forschungsprojekts werden, hat mir gut gefallen und die Dynamik ihrer komplizierten Beziehung sorgt für Abwechslung und viele humorvolle Momente. Obwohl sich das überschaubare Figurenensemble gut in die Gesamthandlung einfügt und vielseitig ausgearbeitet wurde, bleiben allerdings einige Charaktere insbesondere die Gegenspieler recht blass und ihre Intentionen ziemlich vage.
Nicht nur einen aufschlussreichen futuristischen Blick auf zukünftige, beängstigende Entwicklungen und deren Auswirkungen auf die Gesellschaft hatte ich mir von diesem Roman versprochen, sondern auch eine eingehende Auseinandersetzung mit aktuellen gesellschaftsrelevanten Themen wie der Macht von nostalgischen Verklärungen, dem hohen Stellenwert von Identität, Emotionen, Erinnerungen und potentiellen Gefahren durch deren Manipulation in einer rein profitorientierten Welt versprochen. Die Ausarbeitung dieser viel versprechenden Themen konnte mich allerdings nicht völlig überzeugen, da mir die Umsetzung zu einem packenden, temporeichen und vielschichtigen Plot weitgehend fehlte und eine tiefgründige thematische Auseinandersetzung leider viel zu kurz kam.
FAZIT
Ein ungewöhnlicher, nachdenklich stimmender Roman mit einem faszinierenden Genre-Mix und thematisch sehr viel versprechendem Ausgangskonzept - der mich in der Umsetzung allerdings nicht ganz überzeugen konnte.

Bewertung vom 18.09.2023
Die Lügnerin
Karig, Friedemann

Die Lügnerin


sehr gut

*Ungewöhnlicher Roman*
In seinem neuen Roman „Die Lügnerin" erzählt der deutsche Bestseller-Autor Friedemann Karig eine ungewöhnliche und höchst mysteriöse Geschichte über eine pathologische Lügenerzählerin, die sich mit Wahrsagerei, Betrügereien, Schwindeleien und Täuschungen durchs Leben bringt und behauptet, dass sich ihre Geschichten stets irgendwann bewahrheiten. Ein wahrhaft fesselndes, aber auch anstrengendes Verwirr- und Gedankenspiel rund um Scharlatanerie, glückliche Fügungen und verhängnisvolle Prophezeiungen entfaltet sich, das uns mit reichlich Stoff zum Nachdenken zurücklässt!

Im Mittelpunkt des Romans steht die charismatische Ich-Erzählerin und Protagonistin mit ihrem Alisa-Namen Clara Konrad, die uns in immer neuen Ansätzen und mit nebulösen Andeutungen ihre Biografie und Lebensbeichte nahebringt und doch mit ihrer wahren Identität stets vage und rätselhaft bleibt. Da wir über sie keine zusätzlichen Informationen zu ihrem Innenleben, ihren Gedanken oder Emotionen erfahren, müssen wir uns mit dem zufrieden geben, was sie über sich preisgeben möchte. Geschickt spielt der Autor mit uns, denn schon bald kommen Zweifel an ihren Geschichten auf und hält ein ums andere Mal erstaunt inne, um zu ergründen was hinter ihrem eigenartigen Spiel stecken mag. Je mehr man den Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen hinterfragt, desto unberechenbarer und bizarrer erscheint die Protagonistin.
Angelegt ist der Roman in unchronologisch erzählten, miteinander verwobenen Handlungssträngen, die mich mit ihrem eigentümlichen Schreibstil auf Anhieb fesseln konnten. In einem Haupthandlungsstrang, der ausschließlich aus kursiv geschriebenen Dialogen in prägnanter, nüchterner Sprache besteht, erzählt die Protagonistin, die mit ihrer multiplen Persönlichkeit einen psychisch labilen Eindruck hinterlässt, ihrer Therapeutin in unterschiedlichen Sitzungen ihre Geschichten und Episoden aus ihrem Leben. Äußerst spannend ist es, die Interaktion zwischen den beiden mitzuerleben und ihre allmähliche Annäherung zu verfolgen. Am Beispiel der Therapeutin erlebt man hautnah mit, wie leicht man sich als Zuhörende einfangen lässt und einer halbwegs plausiblen Erzählung Glauben schenkt. Dank ihrer manipulativen Suggestionskraft gelingt es der faszinierenden Protagonistin, letztlich jeden für sich einzunehmen und Vertrauen aufzubauen, so dass schließlich auch erfundene Geschehnisse als Wahrheiten durchgehen. Sie versteht es mit ihrer großen Empathie hervorragend, Ängste, heimliche Wünsche und Hoffnungen der Menschen aufzugreifen und ihr Gegenüber geschickt zu lenken. Nach und nach fließen Fakt und Fiktion, Wahrheiten, Lügen und sich selbsterfüllende Prophezeiungen ineinander. Irgendwann ist nicht nur die Therapeutin in einem schillernden Lügengebäude gefangen und dem Sog der alternativen Realitäten erlegen. Doch auch ihr dämmert es allmählich, dass es wichtig ist, die Hintergründe der Manipulationen zu ergründen und sich als Teil einer größeren Inszenierung zu begreifen.

Am Ende des Romans sieht man sich etwas ratlos dem gesamten Handlungsverlauf gegenüber und hinterfragt so manche mutmaßliche Gewissheiten, zu denen man gelangt ist. Vieles bleibt wenig greifbar bei dem gewählten recht offenen Ausklang und lässt mich doch sehr verwirrt und nachdenklich in Bezug auf die Intentionen des Autors zurück.

FAZIT
Ein ungewöhnlicher und höchst mysteriöser Roman über eine pathologische Lügenerzählerin und die Macht von Lüge, Täuschung und alternativen Realitäten!

Bewertung vom 04.09.2023
Marschlande (eBook, ePUB)
Kubsova, Jarka

Marschlande (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

*Bewegende Frauenschicksale*
In ihrem neuen bewegenden Roman „Marschlande“ widmet sich die in Deutschland lebende Bestseller-Autorin Karla Kubsova zweier interessanter Frauenschicksale, die trotz der vielen dazwischenliegenden Jahrhunderte erstaunlich viele Parallelen aufweisen und von Ungerechtigkeit und Ungleichheit geprägt sind. In ihrem Roman erzählt die Autorin über zwei Frauen, die in den Fallstricken ihrer Zeit gefangen sind und jede auf ihre Art versucht sich von diesen zu befreien.
Heute wie damals, so führt uns die Autorin anschaulich und ernüchternd vor Augen, erfahren Frauen alltäglich Ausgrenzung, Unterdrückung, Willkür und Ungerechtigkeiten, die nachhaltige Auswirkungen auf ihre Lebensgeschichten und ein selbstbestimmtes Leben haben.
Der lebendige, eindringliche Schreibstil der Autorin ist sehr ansprechend und lässt sich angenehm lesen. Die Verwendung des Marschländer Platts in vielen Dialogen vermittelt zudem ein tolles authentisches Flair
Angesiedelt ist der Roman in den titelgebenden Marschlande, einer im Südosten Hamburgs gelegenen, überaus fruchtbaren Landschaft. Hervorragend haben mir insbesondere die eindrucksvollen, atmosphärisch dichten Natur- und Landschaftsbeschreibungen der einzigartigen Marschlande und der unterschiedlichen Handlungsorte gefallen, die mich hautnah den Zauber und die Unerbittlichkeit der Natur haben spüren lassen
Der Roman ist auf zwei unterschiedlichen, einander abwechselnden Zeitebenen angelegt, die fast 500 Jahre Abstand zueinander haben. Gekonnt verwebt die Autorin die im Mittelalter angesiedelte Handlung rund um die beklemmende Lebensgeschichte der historisch verbürgten Persönlichkeit Abelke Bleken mit den fiktiven Geschehnissen rund um die Protagonistin Dr. Britta Stoever in der Gegenwart zu einer mitreißenden und bewegenden Geschichte. Durch einen Wechsel der Handlungsstränge und den verschiedenen Schauplätzen wird der Spannungsbogen allmählich gesteigert. Sehr informativ und fesselnd war für mich insbesondere der sorgsam recherchierte historische Handlungsstrang, der uns in eine längst vergangene Welt eintauchen lässt, und mich mit seiner Intensität zunehmend in den Bann gezogen hat. Hierin erzählt die Autorin die ergreifende und auf Tatsachen basierende Geschichte der einfachen, alleinstehenden Bäuerin Abelke Bleken, die Mitte des 16. Jahrhunderts in den Hamburger Marschlanden nach dem Tod der Eltern allein einen großen Hof geführt hatte, durch die Allerheiligenflut im Jahr 1570 in Not geriet und enteignet, als Hexe wegen Schadenszauber verklagt und im Jahr 1583 verbrannt wurde.
Im Erzählstrang der Gegenwart haben wir Anteil am Leben von Britta, einer Geografin und Mutter, die kürzlich mit ihrer Familie von Hamburg in die Marschlande gezogen ist und sich dort einzuleben versucht. Eher zufällig stößt sie auf die jahrhundertealte Sage über die sonderbare Einzelgängerin und „Hexe“ Abelke Bleken und entdeckt schon bald Unstimmigkeiten in den tradierten Erzählungen. So beschließt sie schließlich eingehendere Recherchen zu Abelkes tragischer Biografie anzustellen. Sehr anschaulich hat die Autorin Brittas eindrucksvolle Suche nach den Hintergründen für Abelkes trauriges Schicksal herausgearbeitet, der als alleinstehende, unabhängige Bäuerin mit einem stattlichen Hof von den Obrigkeiten und missliebigen Nachbarn übel mitgespielt wurde. Je mehr Britta bei ihren Nachforschungen übe diese „vergessene Frau“ und die damaligen Machtstrukturen herausfindet, desto mehr wird sie sich auch über ihr eigenes Leben und die Gründe für ihre zunehmende Unzufriedenheit mit ihrer privaten Situation im Klaren.
Hervorragend ist der Autorin die einfühlsame, vielschichtige Figurenzeichung ihrer Protagonistinnen gelungen, die lebendig und glaubhaft wirken. Ein besonderes Highlight war für mich die liebevoll und authentisch ausgearbeitete Figur von Abelke Bleken, eine bemerkenswerte, charakterstarke Frau, die ihrer Zeit um einiges voraus war. Auch die aufschlussreichen Einblicke in das historische Umfeld sind sehr lebendig und stimmig veranschaulicht und hielten etliche lehrreiche Episoden sowie neue Erkenntnisse zum damaligen Leben in den Hamburger Marschlanden und den vielfältigen Regeln der ständischen Gesellschaft für mich bereit. Nicht ganz erreichen und durchgängig fesseln konnte mich allerdings der Handlungsstrang in der Gegenwart mit Britta und ihrer Familie, deren Verlauf bisweilen etwas ereignislos glatt und zu konstruiert wirkte.
Abgerundet wird der Roman durch ein interessantes Nachwort, in dem die Autorin ausführlich auf den historischen Kontext und die zu Abelke Bleken überlieferten historischen Fakten ein, die sie im Rahmen ihrer fundierten Recherchen zusammenstellen konnte.
So ist diese beklemmende, nachdenklich stimmende Geschichte auch eine Hommage an Abelke Bleken und die unzähligen Menschen, die Opfer von Verfolgung, Enteignung, Willkürakten der Obrigkeiten oder der Hexenverfolgung wurden.
FAZIT
Ein eindrucksvoll erzählter, bewegender Roman, der zum Nachdenken anregt und noch länger nachwirkt!

Bewertung vom 15.08.2023
Porträt auf grüner Wandfarbe (MP3-Download)
Sandmann, Elisabeth

Porträt auf grüner Wandfarbe (MP3-Download)


ausgezeichnet

*Mitreißender Generationenroman*
Mit ihrem bemerkenswerten Romandebüt „Portrait auf grüner Wandfarbe“ ist der deutschen Autorin, Verlagsbuchhändlerin und Verlegerin Elisabeth Sandmann ein bewegender und unterhaltsamer Generationenroman gelungen, in dessen Mittelpunkt drei Generationen von außergewöhnlichen, starken Frauen und ihre faszinierenden Lebensgeschichten vor dem Panorama des 20. Jahrhunderts stehen.
Das vielschichtige und mitreißend erzählte Familienepos nimmt uns nicht nur mit auf eine spannende Reise quer durch Europa sondern die ereignisreiche Spurensuche der Protagonistin Gwen führt uns auch zurück in die bewegte Vergangenheit des letzten Jahrhunderts.
Es ist eine hochkomplexe und nachdenklich stimmende Familiengeschichte, die von Hoffnungen, Sehnsüchten und Träumen erzählt, von turbulenten Verwicklungen, folgenschweren Entscheidungen, sorgsam gehüteten, dunklen Geheimnissen, unbewältigten Traumata, traurigen Verlusten und hinterhältigen Intrigen, die bis in die Gegenwart nachwirken – kurzum ein fesselnder Roman, der bestens unterhält und ganz nebenbei ein wichtiges Stück Zeitgeschichte vermittelt.
Die sich abwechselnden, auf unterschiedlichen Zeitebenen angesiedelten Erzählstränge haben mich bald in ihren Bann gezogen. Einfühlsam und mit angenehmer Leichtigkeit zeichnet die Autorin in den Rückblicken bedeutsame Lebensstationen ihrer Figuren aus der Vergangenheit nach und nimmt uns mit auf eine faszinierende Zeitreise, in der sie geschickt die politischen Verwerfungen im 20. Jahrhundert aufzeigt, die durch zwei Weltkriege, Judenverfolgung, Enteignung, Flucht und Vertreibung deutlich Spuren im Leben der Menschen hinterlassen haben. Atmosphärisch dicht und anschaulich sind die unterschiedlichen Schauplätze beschrieben, die uns nach Berlin, London, Köslin in Polen, Salzburg, Bad Tölz und schließlich zum elitären Schloss Elmau in Oberbayern führen. Sehr eindrücklich sind auch die spannenden Einblicke in das Alltagsleben, die uns die Zwänge der damaligen gesellschaftlichen Realität im Wandel der Zeiten vermitteln zu denen neben Armut und Not, Verlusten und Neuanfängen auch der Kampf um Gleichberechtigung und Selbstverwirklichung gehörten.
Elisabeth Sandmann hat mit ihrer Familiengeschichte sehr beeindruckende, vielschichtige Frauenfiguren geschaffen, die mit ihren Leidenschaften und Träumen, Stärken und Verletzlichkeiten lebensnah und lebendig wirken. Sie versteht es, uns im Laufe der Handlung deren schillernde Persönlichkeiten, ihr Innenleben und Wunsch nach Selbstbestimmung näherzubringen, so dass man sich recht gut in sie hineinversetzen kann. Ob nun die lebenskluge und ehrgeizige Bauerntochter aus Bad Tölz als eine der zentralen Charakter, der es gelungen ist, die damaligen Standesschranken zu überwinden, oder die mondäne, bis ins hohe Alter exzentrische Ilsabé, die sich als Tochter aus großbürgerlichem Haus stets alles Freiheiten herausgenommen hat, oder schließlich Ilsabés Enkeltochter Gwen, die sich aufmacht die vielen Leerstellen in ihrer verworrenen Familiengeschichte mit Wahrheiten zu füllen, Geheimnisse aus der Vergangenheit aufzudecken und ihr eigenes Leben zu ordnen – sie alle sind äußerst liebevoll gezeichnete Heldinnen und faszinierende Charaktere, die sich nicht unterkriegen lassen und die man gerne durch die bewegende Geschichte begleitet.
Einige Episoden, in denen schließlich bislang verschwiegene Familiengeheimnisse, Lügen und Verrat aufgedeckt werden, wurden für meinen Geschmack etwas zu rasch und oberflächlich abgehandelt, auch kamen etwaige Reaktionen auf ungeheuerliche Enthüllungen deutlich zu kurz.
Zum Hörbuch
Die Schauspielerin und Sprecherin Elisabeth Günther liest den Roman sehr eindrucksvoll und abwechslungsreich, dass man schnell ins Geschehen hineingezogen wird. Aufgrund der Fülle der Personen und der Beziehungen zueinander ist der Einstieg nicht ganz einfach und erfordert zunächst erhöhte Aufmerksamkeit. Mit ihrer ausdrucksstarken sowie einfühlsamen Stimme nimmt uns Elisabeth Günther mit auf eine mitreißende und ergreifende Reise. Überzeugend schlüpft sie in die einzelnen Rollen und versteht es mit ihrer variantenreichen Stimme den verschiedenen Charakteren Leben einzuhauchen.
Ein rundum gelungenes Hörbuch, das einfach für gute Unterhaltung sorgt.
FAZIT
Ein bewegender und unterhaltsamer Generationenroman mit einer fesselnden, vielschichtigen Familiengeschichte, vielen Geheimnissen und starken Frauenpersönlichkeiten.

Bewertung vom 15.08.2023
Vom Ende der Nacht
Daverley, Claire

Vom Ende der Nacht


ausgezeichnet

*Etwas enttäuschende Liebesgeschichte*
Die britische Autorin Claire Daverley erzählt in ihrem Debütroman „Vom Ende der Nacht“ die bewegende Liebesgeschichte zwischen Rosie und Will – zwei Menschen, die unterschiedlich kaum sein könnten und doch füreinander bestimmt zu sein scheinen. Als Teenager verlieben sie sich ineinander, werden aber durch ein tragisches Unglück getrennt – finden immer wieder zueinanderfinden und doch können sie ihre große Liebe nicht leben, da ihnen das Leben dazwischen funkt.
Keine klassische zuckersüße Liebesromanze also, sondern eine typische Coming-of-age Geschichte mit viel Dramatik, Romantik, Herzschmerz und auch tiefgründigen, emotional aufwühlenden Momenten.

Die Autorin hat für ihren mitreißenden Roman eine viel versprechende Ausgangssituation gewählt und verwebt in ihre Liebesgeschichte geschickt zahlreiche problembehaftete Themen, um ihr mehr Tiefgang zu verleihen. So dreht sich Geschichte von Rosie & Will auch um die vielen Hochs und Tiefs in ihrem Leben - insbesondere um verpasste Chancen, Schuld, Verluste, Einsamkeit und Trauer, toxische Beziehungen insbesondere problematische Eltern-Kind-Prägungen, Erwartungshaltungen, Selbstbetrug und Zwangsstörungen. Für meinen Geschmack war dies in Summe leider etwas zu viel an Dämonen und unbewältigten Altlasten, wodurch viel an Leichtigkeit verloren geht und sich eine drückende melancholische Grundstimmung über alles legt.
Daverleys lebendiger, abwechslungsreicher Schreibstil liest sich angenehm, so dass man rasch in Story hineinkommt. Die Beschreibungen sind sehr anschaulich, sodass man sowohl von den Charakteren als auch von den Schauplätzen sehr schnell ein klares Bild vor Augen hat. Erzählt wird abwechselnd aus Rosies oder Wills Perspektive, so dass wir die Gefühls- und Gedankenwelt der beiden Hauptfiguren sehr gut mitverfolgen können.
Insgesamt wird die etwas vor sich hin plätschernde Handlung durch die Perspektivwechsel zwar angenehm aufgelockert, doch richtig mitreißen konnte mich diese dennoch nicht, denn eine wirklich neue Geschichte mit dem gewissen Etwas erzählt die Autorin leider nicht. Die tragische Wendung und die daraus entstehenden Missverständnisse und widrigen Umstände auf dem Weg zum Happy End waren doch wenig originell und sehr vorhersehbar angelegt. Schade, denn eigentlich hatte die Geschichte schon großes Potential!
Recht gut sind der Autorin ihre sympathischen Charaktere gelungen, die sie mit ihren Eigenheiten vielschichtig aber leider auch etwas klischeebehaftet gezeichnet hat. Insbesondere die charakterliche Entwicklung von Rosie und Will im Laufe der Zeit konnte ich oftmals nicht nachvollziehen, da mir der Zugang zu ihren Emotionen und Beweggründen fehlte und mir die beiden Hauptfiguren seltsam fremd blieben. So war für meinen Geschmack auch die besondere Chemie zwischen Rosie und Will und die tiefe Verbindung zwischen ihnen als Seelenverwandte bei all ihren oberflächlichen Dialogen einfach nicht spürbar.
Sehr gut hat mir die Message der Geschichte gefallen, die dazu aufruft, sich von den Erwartungshaltungen seiner Mitmenschen zu emanzipieren, stets nur auf sich und seine Talente zu hören und sich zu bemühen, seine eigenen Wünsche und Träume zu verwirklichen! Dies ist ein schöner stimmiger Ausklang für diese leider etwas zu überladene und melodramatisch angehauchte Liebesgeschichte!
FAZIT
Eine bewegende Liebesgeschichte mit viel Dramatik, Romantik, Herzschmerz und auch tiefgründigen, emotional aufwühlenden Momenten, die mich leider nicht wirklich mitreißen konnte.

Bewertung vom 14.08.2023
Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe
Knecht, Doris

Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe


sehr gut

*Nachdenklich stimmender Roman*
In ihrem jüngsten Roman mit dem vieldeutigen Titel „Eine vollständige Liste aller Dinge, die ich vergessen habe“ erzählt die österreichische Autorin Doris Knecht über eine Frau, die sich an einem Wendepunkt in ihrem Leben befindet - in einer Zeit der Umbrüche, des Erinnerns, des Abschiednehmens und des hoffnungsvollen Neubeginns.
Ein Prozess der inneren Bestandsaufnahme, des Loslassens und der Selbstfindung setzt ein, den wohl viele Frauen er- und durchleben, deren Kinder flügge werden, auf dem Weg hin zu einem neuen Lebensabschnitt mit neuen Herausforderungen, unendlichen Möglichkeiten und vor allem auch neuer Freiheiten und echter Unabhängigkeit.
In unterschiedlichen, nicht chronologisch erzählten Episoden tauchen wir ein in das faszinierende Leben der alleinerziehenden, geschiedenen Protagonistin und Ich-Erzählerin (möglicherweise auch Alter Ego der Autorin?). Durch den baldigen Auszug ihrer beiden Kinder kann sie sich ihre geliebte, aber zu groß gewordene Wohnung nicht mehr leisten und sieht sich mit vielen existenziellen Fragen zu ihrer Zukunft konfrontiert. Wir begleiten sie auf ihrer Erkundungsreise in ihre bewegte Vergangenheit und folgen ihren bisweilen ungeordneten Gedankenkarussell. So haben wir ungefiltert Anteil an ihrer selbstkritischen und facettenreichen Auseinandersetzung mit ihren Lebensentscheidungen, Verletzlichkeiten, unverzeihlichen Fehlern und ungelösten Widersprüchen sowie den verschiedenen Rollen, die sie in ihrem Leben innehatte. Gewürzt ist das Ganze mit überraschenden Enthüllungen, humorvollen Passagen und feiner Selbstironie. Auf ihrer Suche nach Wahrheiten und Klarheiten, gewinnt sie immerhin einige wesentliche Erkenntnisse über sich, ihre Persönlichkeit und das Älterwerden, und kann ihren neuen Lebensabschnitt schließlich als glückliche #emptynesters zuversichtlich, voller Vorfreude und Tatkraft in Angriff nehmen.
So liest sich dieser faszinierende Roman auch als eine einfühlsam erzählte, nachdenklich stimmende und zutiefst menschliche Geschichte über ein Frauenleben in all seinen schillernden Facetten, die uns die Komplexität unserer Psyche auf höchst anschauliche Weise offenbart.

FAZIT
Ein warmherziger, episodenhaft erzählter Roman über eine Frau am Wendepunkt ihres Lebens. Ein zutiefst menschlicher Roman, der zum Nachdenken anregt!