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Fee04
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Bayern

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Insgesamt 134 Bewertungen
Bewertung vom 02.10.2023
Geschwister im Gegenlicht
Bode, Sabine

Geschwister im Gegenlicht


sehr gut

“Geschwister im Gegenlicht” von Sabine Bode handelt von einer Familiengeschichte, die mich als Leser nachdenklich zurücklässt.
Sonja Sänkel, SS-Sonja wurde sie während der Jugend genannt, und ihr älterer Bruder Rolf hatten jahrelang nur sehr wenig Kontakt. Erst als Sonja nach dem Tod ihres Mannes eine kleine Ferienwohnung an der Ostsee anmietet, wird der Kontakt intensiver.
Rolf kommt mit seiner schwierigen Tochter Nina auf Besuch und die beiden Geschwister beginnen sich anzunähern und gleichzeitig mit der Aufarbeitung ihrer Kindheit. Einer Kindheit während der Nachkriegszeit mit stolzen Nazis als Eltern.
Rolf war der Liebling ihrer narzisstischeren Mutter und Sonja, das Vorzeigekind nach Außen, wurde bereits als Kleinkind von der Mutter geschlagen. Rolfs Schläge durch den Vater wurden von der Mutter wohlwollend gesehen und jeder laute Schrei zauberte ein Lächeln auf ihr Gesicht.
Das Trauma ihrer Kindheit musste Sonja durch Therapien auflösen; deshalb hat sie bereits in jungen Jahren den Kontakt zur Mutter abgebrochen,
Rolf beginnt erst nach seiner gescheiterten Ehe und seinem Burnout mit der Aufarbeitung. Er kümmert sich immer noch um die narzisstische Mutter und versucht die Hintergründe der Eltern während der Kriegsjahre zu erforschen.
Viele Missverständnisse und Unausgesprochenes haben die Geschwister entzweit und jeder musste sein Leid durch die Eltern alleine verarbeiten.
Die Sprecherin Hemma Michel passt perfekt und durch ihre angenehme, ruhige Stimme gibt sie den Emotionen der Geschwister Raum.
Sabine Bode zeichnet die Protagonisten sehr verletzlich, empathisch und die bildliche Sprache vertiefen die Geschehnisse.
Das Thema der Nachkriegszeit wird beleuchtet, die Aufarbeitung der Familiengeschichte wird einfühlsam geschildert. Die Tatsache, dass beide Elternteile stolze Nazis waren, muss erst verdaut werden. Die Suche nach Antworten wird von vielen schlimmen Ereignissen während der Kindheit gezeichnet und erst jetzt wird vieles offenbart.
Die Nichte Nina gewinnt ihre Tante Sonja für sich, eine Verbindung wird aufgebaut und das Mädchen vertraut sich ihrer Tante an. Auch durch diese Bindung werden die zarten Familienbande gefestigt.
Die Gespräche und Erfahrungen von Rolf und Sonja bauen auf Vertrauen und die Vergangenheit kann gemeinsam besser angenommen werden.
Eine feinfühlige Erzählung und Aufarbeitung einer grausamen und schrecklichen Kindheit.
Ein empfehlenswertes Hörbuch,

Bewertung vom 27.09.2023
Und wir tanzen, und wir fallen
Newman, Catherine

Und wir tanzen, und wir fallen


sehr gut

„Und wir tanzen und wir fallen“ von Catherine Newmann ist ein berührendes Buch über Sterbebegleitung, Liebe und das Leben.

Edi und Ash sind seit ihrer Kindheit beste Freundinnen und haben alle Gedanken, Geheimnisse und Lebensabschnitte miteinander geteilt. Ash steht gerne (un-)beabsichtigt im Mittelpunkt und doch versteht und liebt Edi sie von Herzen. Sie sieht über die chaotische Art das Leben zu leben hinweg und erblickt dafür die Liebe und das Warmherzige.

Edi liegt mit Krebs im Hospiz, kämpft die letzten Tage um ihr Leben und erhält jegliche Unterstützung von Ash. Sie ist sofort zur Stelle, versucht Wünsche zu erfüllen und versucht mit diesem Schmerz umzugehen. Tränen fließen, Erinnerungen werden geteilt, es wird gelacht und solange es möglich ist, das Leben genossen. Der Schmerz und das Versagen der Organe gehen jedoch kontinuierlich und ohne Umwege ihren Weg und Edi verlässt nach und nach ihren Körper.

Sehr emotional werden die Bedürfnisse der Sterbenden und auch von Ash als Sterbebegleitung beschrieben.
Ekel über Körperflüssigkeiten und Gestank stehen im Verhältnis zu der unendlichen Liebe. Das Hospiz wird zu einem Ausnahmezustand, einer Zwischenwelt; hier bleibt alles stehen und draußen dreht sich das Leben weiter.

Weinen, Schmerz, Trauer und Ekel überschneiden sich mit Mitgefühl, Musik, Lachen, Essen und Gesprächen im Hospiz.
Ash versucht sooft es geht bei Edi zu bleiben und als diese fragt:

„Also, könntest du es so machen, dass sich meine Trauerrede tatsächlich um mich dreht?“

denkt Ash:

„Nichts zu wissen, scheint alles zu sein, was ich gerade weiß.“ (S.139)


Ein Buch über das Sterben, den Weg und die Kraft der Sterbebegleitung, sowie die Liebe, Hoffnung und den Mut zum Leben. Die Autorin hat ergreifend, schlicht und eindrucksvoll diesen Weg beschrieben.

Die Schreibweise ist einfach, verständlich, klar und humorvoll. Die Gefühle der Protagonisten wurden sehr gut ausgearbeitet, bildlich wurde das Hospiz mit seinen Patienten beschrieben.
Humorvoll und intensiv, kräftezehrend und warmherzig wurde das Gehen und Begleiten beschrieben, aber auch der absolute Ausnahmezustand, die Aktionen und Reaktionen darauf und vor allem die unendliche Müdigkeit.
Nicht nur der Sterbenden sondern auch der Sterbebegleitungen.

Ein intensives Thema, welches hervorragend die letzten Schritte eines geliebten Menschen beschreiben.
Sehr bewegend geschrieben, jedoch wurde der Austausch betreffend die Erinnerungen der Freundinnen nur gering ausgearbeitet und Edi‘s Leben dem Leser nur ansatzweise wiedergegeben. Eine Leseempfehlung, leider nur mit 4 Sternen.

Bewertung vom 17.09.2023
Die Butterbrotbriefe (MP3-Download)
Henn, Carsten

Die Butterbrotbriefe (MP3-Download)


ausgezeichnet

“Die Butterbrotbriefe” von Carsten Henn wurden wundervoll von Steffen Groth gelesen.
Der Sprecher hat die Protagonisten mit seiner Stimm- und Tonlage perfekt gezeichnet.
Carsten Henn ist ein begnadeter Autor, der mit seinen Worten tief berührt und mich als Leser:in
mit seiner poetischen und tiefgründigen Art ins Herz getroffen hat.

Kati Waldstein, geschieden, tief verletzt von der Gefühlskälte ihrer Mutter während ihres ganzen Lebens und im Stich gelassen als 8jähriges Kind von ihrem Vater möchte endlich ein selbstbestimmtes Leben beginnen und alles Alte hinter sich lassen.

Sie verfasst Abschiedsbriefe an alle Menschen, die wichtig in ihrem Leben waren und sie auf positive oder auch negative Weise geprägt haben. Ihr Vater hat Butterbrotpapier für Kati gesammelt und auf diesem Papier schreibt sie ihre Abschiedsworte. Nicht jeder möchte ihr “Lebewohl” hören und doch liest Kati die Briefe unbeirrt der betreffenden Person vor. Oftmals ist dies für alle sehr emotional, vor allem bei den Menschen, denen Kati viel verdankt und der Abschied schwer fällt. In dieser Zeit erfährt sie einiges über ihre Eltern, ihr eigenes Leben und warum sich vieles, in die falsche Richtung entwickelt hat.

Eines Tages trifft Kati den Obdachlosen Severin, der seine ganz eigene Geschichte mit auf die Reise genommen hatte. Die beiden empfinden eine Zuneigung zueinander, welche jedoch für Kati nicht tragbar ist. Sie verabschiedet sich gerade von ihrer Vergangenheit in ein neues, selbstbestimmtes Leben und Severin findet wieder in sein altes Leben zurück.

Ob die zwei unglücklichen Personen ein gemeinsames Glück finden können?

Kati muss jedoch erst ihren eigenen Weg finden, die Vergangenheit loslassen, um den Weg in die selbstbestimmte, liebevolle Zukunft zu finden. Wird ihr dies gelingen, nach alldem was sie durchgemacht hatte?

Der Autor hat einen flüssigen, berührenden Schreibstil, die Protagonisten werden authentisch beschrieben und die Charaktereigenschaften sehr intensiv herausgearbeitet. Emotional erzählt er eine Reise zu den tiefsten Gefühlen, erklärt das Loslassen und die verschiedenen Arten der Liebe.

Der Sprecher Steffen Groth hat mich als Hörer in diesen bezaubernden Roman gezogen, seine Stimme hat die Emotionen der Protagonisten sehr gefühlvoll wiedergegeben. Bildlich konnte man sich die verschiedenen Orte vorstellen und war an die Geschichte gefesselt.

Der Satz hat mich als Leser:in sehr bewegt und trifft genau den Kern der Geschichte:
“Das Schicksal bestimmt vielleicht wer in unser Leben kommt, aber das Herz, wer darin bleibt.”

Ein wundervoller Roman mit einer klaren Leseempfehlung.

Bewertung vom 15.09.2023
Das Mosaik meines Lebens
Wiebusch, Michaela

Das Mosaik meines Lebens


ausgezeichnet

Das Mosaik meines Lebens” von Michaela Wiebusch wurde wunderschön in verschiedenen Blautönen illustriert von Gisela Goopel.

Der Roman handelt von den 12 weiblichen Archetypen und den Weg der Selbstfindung.

Lisa entflieht dem Alltag, ihren Sorgen und ihrer Familie. Sie nimmt sich eine Auszeit in Griechenland, wo sie bereits als Kind oft ihre Urlaube verbracht hat. Dort trifft Lisa auf eine alte Bekannte und ein Mosaik mit zwölf weiblichen Archetypen oder auch zwölf Urbilder unseres Ichs, in welchem ein Geheimnis verborgen ist, welches seit Jahrhunderten gehütet wird. Lisa muss das Geheimnis selbst lüften, auch ihre alte Bekannte Judith wird ihr nicht helfen.

Im Griechischen Museum für Kunst und Geschichte tritt Lisa mit den Archetypen in Kontakt. Jede einzelne stellt sich vor und wird von Lisa gesehen, von der Herrscherin (Selbstkritik, Kontrolle) bis zur Liebenden (Liebe/Selbstliebe) und Schöpferin (Achtsamkeit/Vertrauen) werden alle vorgestellt und sehr bildlich erklärt. Lisa erkennt ihre Schwächen, Ängste und Glaubenssätze die sie fesseln und macht sich bewusst, dass sie selbst ihr Leben und somit ihre Gefühle und Gedanken steuern kann. Ein wunderschöner Weg zur Selbstfindung und Selbstliebe wird in diesem Buch aufgezeigt.

Auszug:
Wie kann ich die Liebe rufen, wenn sich mein Herz verschließt?

“Atme goldenes Sonnenlicht ein und lenke es in dein Herz, halte zwei, drei Sekunden den Atem an, um dann alles, was dich belastet und beschwert, mit dem Ausatmen fortzuschicken.”

Das klingt so einfach meint Lisa.

“Alles wird einfach, denn die Liebe ist im Grunde ganz einfach. Vertraue auf deinen Atem.“

Lisa lernt, sich selbst anzunehmen und durch die Archetypen sich, ihre Ehe und ihre Beziehungen anders zu bewerten. Die Änderung beginnt bei ihr selbst, erst dann wird sich auch alles andere ändern. Die lähmende Angst gilt es zu erkennen und anzunehmen. Lisa nimmt ihre Archetypen an und dadurch ändert sich ihr ganzes Blickfeld.

S. 208 “Ich fühle mich wie eine Regisseurin, die ihr Ensemble betrachtet. Ich kenne jede Rolle und kann die Auftritte und Dialoge nach meinen Wünschen gestalten und so das Theaterstück meines Lebens inszenieren.”

Die Autorin hat einen Ratgeber mit einer berührenden Geschichte verwoben; die Protagonistin wird sehr authentisch beschrieben und die weiblichen Archetypen sind phantasievoll gezeichnet, ihre Eigenschaften wurden sehr gut ausgearbeitet und man kann sich als Leserin in den einzelnen Figuren wiederfinden.
Der Schreibstil ist flüssig , leicht und märchenhaft, die Erzählung ist sehr auf das Weibliche ausgerichtet.

Schön finde ich die Illustrationen im Buch und die Beschreibung der zwölf Archetypen im Anschluss an den Roman.

“Dankbarkeit in unserem Herzen ist wie ein Magnet für das Glück.”
S.224
Auch ich bin dankbar, dass ich dieses inspirierende Buch vorab lesen durfte. Eine Leseempfehlung von Herzen, vor allem für Menschen, die sich inspirieren lassen und neue Wege suchen.

Bewertung vom 11.09.2023
Muna oder Die Hälfte des Lebens
Mora, Terézia

Muna oder Die Hälfte des Lebens


ausgezeichnet

“Muna oder Die Hälfte des Lebens” von Terezia Mora.
Ein verstörendes, erschütterndes Highlight der Gegenwartsliteratur.

Muna wächst bei ihrer verwitweten, alkoholabhängigen Mutter, einer wunderschönen Theaterschauspielerin in der DDR auf.
Kurz vor ihrem Abitur lernt sie den älteren Französischlehrer, Fotografen und Bildredakteur Magnus kennen. Magnus ist verschlossen, schroff und für die junge Abiturientin Muna der schönste Mann. Sie bezirzt ihn und nach einer gemeinsamen Nacht verliebt sich das junge Mädchen in den barschen, undurchschaubaren Mann mit der Zornesfalte.
Zwei Tage danach verschwindet Magnus während einer Radtour in Rumänien oder Bulgarien kurz vor dem Mauerfall.
Muna kann ihn nicht vergessen und als sich ihr Leben nach sieben Jahren wieder kreuzt, ist sie nicht nur intelligent und sehr hübsch, sondern immer noch besessen von dem Lehrer.
Weder junge noch ältere Männer hatten eine Chance in all den Jahren, ihre Liebe gehörte ausschließlich Magnus. Sie schreibt Briefe an Magnus, welche ihn nie erreichen. Er kam nie wieder zurück in die alte Heimat.
Muna würde alles für Magnus geben und muss dies auch, als die beiden ein Paar werden. Sie stellt unglaublich viel in der ersten Hälfte ihres Lebens wegen ihm zurück, ihre Arbeit, ihre Dissertation, ihre Freunde und ihre Familie.

Magnus ist ein Mensch, der “eine Theateraufführung nicht verlässt, weil man das, was einen empört, zur Gänze kennenlernen muss, bevor man das Recht erworben hat, es abzulehnen.” Seine Emotionen sind wie eine Achterbahnfahrt, seine Gefühle nicht greifbar.

Muna will ihn nicht provozieren und doch macht sie genau dies…..!
Daraufhin kommt seine Zornesfalte hervor und Magnus wird ein anderer Mensch. Oder war er immer schon so?

Im Laufe der Jahre wird die lose Beziehung mit Magnus immer wieder von unkontrollierten Gewaltakten durchzogen. Seine unberechenbare Art macht Muna die Leichtigkeit unmöglich. Er erniedrig und zeigt ihr immer wieder seine Verachtung. Sie lernt, in der toxischen Beziehung zu manipulieren, zu bezirzen, ihre körperlichen Reize einzusetzen, sowie Rücksichtnahme auf seine Bedürfnisse und Stimmungen zu nehmen. Solidarität ihm gegenüber war ihr immer sehr wichtig.
Und natürlich immer Sex - danach ist es wieder eine zeitlang “normal” zwischen dem Paar.
Muno ist in einer Abhängigkeit, die will es nicht bemerken und erlebt einen Zusammenbruch, als Magnus sich von ihr trennt.
Und doch hat Muna statistisch gesehen noch eine Hälfte Leben vor sich.
Ist sie in der Lage, diese Hälfte ohne Magnus zu überstehen? Ihr Leben in den Griff zu bekommen? Ihre Dissertation fertigzustellen und eine vernünftige Arbeit anzunehmen?

Die Autorin hat einen unglaublich fesselnden Schreibstil, der mich als Leser:in in den Bann gezogen hat.
Die Geschichte einer klugen, attraktiven Frau, die alles zurücklässt nur um einem Mann zu gefallen, seine Liebe und sein Begehren zu spüren und extremes Leid an Geist und Körper zulässt.
Ein Buch voller Emotionen, die so intensiv und berührend sind, dass man den Roman nicht mehr zu Seite legen kann.
Die Unterhaltungskunst wird durch die wechselnden Orte und Protagonisten erhöht.
Die Charaktere wurden sehr gut ausgearbeitet und nicht nur die Protagonisten wurden authentisch beschrieben, auch die Nebendarsteller:innen wurden treffend gezeichnet.
Die Autorin hat einen fesselnden Roman der Gegenwartsliteratur geschrieben.
Eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 04.09.2023
Sieben Tage Mo
Scherz, Oliver

Sieben Tage Mo


ausgezeichnet

Oliver Scherz hat mit seinem Roman „ Sieben Tage Mo“ ein berührendes Buch über Zwillinge geschrieben, die unterschiedlicher nicht sein können.
Der geistig behinderte Mo, unberechenbar und fordernd geht er durch sein Leben und Karl, sein Bruder der sich aufopfernd um ihn kümmert, mit ihm verrückte Sachen erlebt und Mo kompromisslos liebt.
Und doch ist es ihm oft zuviel, er möchte unbeschwert sein, mit seinen Freunden spielen und ein Mädchen treffen-ohne Mo.
Er möchte für seine Eltern wichtig sein, genau wie Mo.
Zwischen den Gefühlen hin- und hergerissen ist Karl, als er ein Date mit der wunderschönen Nida hat. Seine Mutter muss schon wieder arbeiten und er hat Mo an der Backe. Und es gibt keine Alternative.
Soll er das Date mit Nida einfach verstreichen lassen? Sicherlich nicht!
Mo kann kurz alleine zu Hause bleiben. Meint Karl - er wird sich auch beeilen.
Bis Karl einen Anruf bekommt und sein Herz in die Hose rutscht. Was ist passiert? Was hat Mo angestellt?
Es ist allein seine Schuld, was auch immer passiert ist. Mo ist geistig behindert und er hat nicht aufgepasst…., resümiert Karl.
Die Geschichte ist kurzweilig und doch sehr nachhaltig. Gerne für Jugendliche und Erwachsene geeignet. Der Autor hat einen unglaublich mitreißenden Schreibstil, man kann die Empfindungen von Karl sehr gut nachempfinden und versteht seine Gedankengänge.
Überforderung, Liebe und Mitgefühl spielen in dem Roman eine große Rolle und zeigen auch, trotz unfassbarer Liebe, wie Bedürfnisse und das eigene Ego in den Vordergrund drängen.
Die Eltern sind berufstätig und drücken dem pflichtbewussten Karl mit der Verantwortung für seinen behinderten Bruder eine zu große Bürde auf. Karl möchte auch gehört werden, frei sein und seine Interessen verfolgen.
Ein Balanceakt beginnt für Karl: Balancieren zwischen der Liebe zu seinem Bruder, der Erschöpfung und dem Verlust der eigenen Lebensfreude ist für einen 12jährigen ein Päckchen zu viel und Karl handelt nicht mehr vernünftig und erliegt seinen unterschiedlichen Gefühlen.
Die beiden Charaktere werden sehr authentisch und intensiv beschrieben, die Emotionen gleichen einer Achterbahnfahrt und obgleich der Roman kurz gehalten wird, ist er für den Leser mitreißend und nachhaltig.
Ein wahres Highlight für Jung und Alt.

Bewertung vom 20.08.2023
Das Glück der Geschichtensammlerin
Page, Sally

Das Glück der Geschichtensammlerin


sehr gut

“Das Glück der Geschichtensammlerin” von Sally Page hat mich auf eine schöne Reise in die Leben verschiedener - lieber, freundlicher, herzlicher, aber auch unpässlicher, eingebildeter, unsympathischer - Personen mitgenommen.
Das Hörbuch wurde sehr schön, flüssig und angenehm gesprochen von Sandra Voss.
Die Putzfrau Janice ist die Beste sagt man und wartet gerne auch lange auf einen Termin. Janice sammelt gerne Geschichten, auch die ihrer Auftraggeber:innen. Es fasziniert sie unglaublich und Janice kann gut zuhören. Die Menschen erzâhlen gerne und freuen sich, ihre Geschichte zu erzählen, jedoch fühlt es sich so an, als würde sich niemand für die Putzfrau interessieren. Nicht mal ihr Mann, der sie immer wieder daran erinnert, dass sie ja NUR eine Putzfrau ist. Als Janice die etwas seltsame Mrs.B als Auftraggeberin annimmt, erfährt ihr Leben eine Wende. Diese mürrische und doch liebenswerte Dame interessiert sich für Janice und auch deren Geschichte.
Die Story entwickelt sich sehr langsam, plätschert dahin. Janice ist eine sehr sympathische, angenehme Protagonistin. Ihr wird klar, dass ihr Leben eine Wende nehmen muss. Mrs.B.bleibt unbeirrt an Janice Geschichte und verhilft ihr somit ein Stück zum Glück.
Auch der kleine Terrier Decius trägt zum Glück bei, zwischen Janice und ihm herrscht eine wundervolle, innige Beziehung und der kleine Hund bringt immer wieder Überraschungen in die Story und die Leser:innen zum Schmunzeln.
Eine sehr schöne, unterhaltsame Geschichte.

Bewertung vom 19.08.2023
Der Trip - Du hast dich frei gefühlt. Bis er dich fand.
Strobel, Arno

Der Trip - Du hast dich frei gefühlt. Bis er dich fand.


sehr gut

“Der Trip - Du hast dich frei gefühlt. Bis er dich fand” von Arno Strobel ist ein Psychothriller, der Ängste schürt und in die Psyche eindringt.
Der Prolog lässt mich als Leser bereits den Atem anhalten. Ein kleiner Junge erzählt seine qualvolle, grauenhafte Geschichte. Er versucht nicht zu weinen, trotz Schmerz , Scham und seiner furchtbaren Angst ist er ganz leise. Sonst wird seinen Eltern der Bauch aufgeschlitzt- sein Bauch ist ihm egal. Was hat dies mit der Story zu tun, rätselt man bis zuletzt und doch muss es einen Bezug haben.
Fabian Jancke und seine Frau Isabel verschwinden auf mysteriöse Weise auf dem Weg in den Urlaub. Unterwegs mit dem Wohnmobil verliert sich in der Nähe der französischen A31 kurz hinter Dijon ihre Spur. Evelyn, Fabians Schwester kann den Verlust nicht verarbeiten und ertränkt diesen nachts mit Alkohol und Sexabenteuern. Tagsüber unterstützt sie mit ihrem Fachwissen als forensische Psychologin die Polizei. Ein aktueller Fall, bei dem bereits fünf Menschen auf Camping- oder Wohnmobilstellplätzen getötet wurden, hat eine Sonderkommission hervorgerufen. Hauptkommissar Tillmann ermittelt in dieser Angelegenheit und Evelyn ist bestens mit ihm bekannt, die beiden hatten bereits ein Verhältnis. Und Tillmann ist ihr engster Vertrauter, beruflich und privat.
Als es endlich einen Zeugen und somit ein Phantombild von dem Serienmörder gibt, fällt Evelyns zerbrochene Psyche komplett auseinander.
Der Psychothriller ist sehr raffiniert geschrieben, bis zuletzt bleibt es sehr spannend. Der Leser:in wird in einen Sog hineingezogen, die Angst und das Grauen werden geschürt und doch kommt das Ende zu sprunghaft. Zwar wurden alle Fragen beantwortet, jedoch war es für mich als Leser:in nicht befriedigend.
Die Protagonisten bleiben unnahbar und Evelyn wirkt sehr unsympathisch, unnahbar und oberflächlich. Der Autor versteht es mit seinem Schreibstil zu fesseln und der Spannungsbogen ist perfekt. Die unterschiedlichen Perspektiven sind perfekt und die in kursiv geschriebenen Gedanken des Täters sind sehr intensiv.

Als Leser konnte ich das Buch nicht aus der Hand legen, die gestreuten Hinweise auf den Täter sind irreführend und fieberhaft versucht man die Fäden zu verknüpfen. Wer der Täter ist, ist jedoch bis zuletzt unklar.
Der solide, packende Thriller sorgt für gute Unterhaltung.

Bewertung vom 15.08.2023
Meine langen Nächte (eBook, ePUB)
Fabiani, Ilva

Meine langen Nächte (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

“Meine langen Nächte” von Ilva Fabiani.

Anna Alrutz, Dienstnummer 271207 lebt in einer Art Halbschatten ohne Raum und Zeit.
Der Wind hebt das Schattenwesen Anna hoch und der Leser wird in die verschiedenen Kapitel ihres kurzen Lebens getragen.

Anna wächst mit ihrer kranken Schwester und ihrem fettleibigen Bruder in einer wohlhabenden Familie auf.
Der Vater ist Arzt und die Familie verbringt ihre Sommer nicht in Luxusorten, sondern in Salzgitter.
Dort lebt der Pastor Heinrich Rudinski, ein guter Freund der Familie und Annas erste Liebe.
Ihre Liebe für Rudinski empfindet Anna, wie eine Hand, die sich im Magen zu einer Faust ballt, Warmes und Schmerzhaftes wird zugleich empfunden. Und erst in einer anderen Welt wird ihr einiges klar …

Helene, Anjas beste Freundin, kommt auch jedes Jahr in den Ferien nach Salzgitter zu ihrer Großmutter und die Mädchen führen ein unbeschwertes Leben.

Um so schwieriger ist Annas Begeisterung für den Nationalsozialimus zu verstehen, aber ihre Eltern können es nicht verhindern.

Anna wird immer mehr in den Sog von Hitlers Worten gezogen.
“Wir brauchen neue Horizonte, neue Hoffnungen”, mit diesen und weiteren Worten werden die Kameraden in eine neue Partei gelockt.

Männer und Frauen folgen den Worten, ersehen sich eine Bewegung, die dem deutschen Volke den Glauben wiedergibt.

Die wirtschaftliche Krise hat Deutschland in den Abgrund getrieben und der junge, entschlossene und mutige Hitler zeigt den jungen Leuten auf, dass die Deutschen wieder emporsteigen werden.

Seine Worte waren wie Peitschenhiebe und die Menge jubelte vor Begeisterung.

Auch in Anna wurde die Hoffnung genährt und erst mit ihrer Existenz als Schattenwesen wurde ihr bewusst, was für einem Irrglauben oder Wahnsinn sie nachgerannt ist.

Ihr Weg ist steinig und doch klar in seinen Linien, Anna liebt Ordnung. Sie hat dem Führer ihre Treue geschworen und erst mit ihrer Liebe zu Therence Picard, kurz Thierry genannt, ein Halbjude aus Frankreich und Medizinstudent beginnt ihr Idealismus zu bröckeln.

Bis dahin hat sie jedoch mit ihrem nicht-arischen Professor Hartmann unglaublich viele Zwangssterilisationen durchgeführt.
Der Führer hat angeordnet, dass Frauen mit vermeintlichen Erb-und Geisteskrankheiten Zwangssterilisiert werden müssen und der Professor hat mit Annas Hilfe die Anordnungen des Führers systematisch umgesetzt.

Anna beginnt eine Beziehung mit dem Halbjuden Thierry und beschreibt diese wie folgt:

“Ich hieß Anna Alrutz, Dienstnummer 271207. Ich war eine braune Schwester und hatte eine unvernünftige Beziehung mit einem Blatt. Im Herbst.”

Sachlich, klar und prägnant erzählt die Autorin aus Annas Leben, ihre Sichtweise aus der Schattenwelt und erklärt ihr handeln zu Lebzeiten.
Anna weckt verschiedene Emotionen und die Autorin lässt den Leser tief in die Handlungen während fer Nazizeit eintauchen.
In das Leid, das Elend, die unglaublichen Machenschaften gegenüber vermeintlich andersartigen Menschen, die geplante Ausmerzung aller Menschen, die keine Arier sind, aber auch das Glück, die Hoffnung, das Mitgefühl und die Liebe werden hervorgehoben.

Die Autorin hat sehr intensiv recherchiert und real sind in Göttingen 787 Frauen sterilisiert worden. Ein intensiver, sehr eindrucksvoller und lesenswerter Roman, der nachhallt.
Eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 09.08.2023
Die Einladung
Cline, Emma

Die Einladung


gut

„Die Einladung“ von Emma Cline handelt von Manipulation, Macht und Zerstörung.
Die junge Alex, wohl eine Prostituierte, dies wurde nicht klargestellt, folgt einer Einladung in die Hamptons, in die Welt der Reichen und Mächtigen.
Sie muss raus aus der Stadt, ihren Problemen und Schulden entfliehen; Simon, ihr Gastgeber und Gönner ist wesentlich älter, aber reich und er ist nett, wenn sie sich seinen Regeln fügt.
Aber Alex steht unter Medikamenteneinfluss und Drogen, sie ist egoistisch, zerstörerisch und macht Fehler.
Auch bei Simon, der sie zurück in die Stadt schicken möchte; nur dorthin kann das Mädchen auf keinen Fall.
Ihr Lichtblick auf Versöhnung ist Simons Party in einer Woche. Bis dahin muss Alex in den Hamptons bleiben, sie manipuliert Kinder und Nannys, erkauft sich die Gunst junger Erwachsener mit Sex und hinterlässt bei allen Bekanntschaften ein Gefühl der Leere, Trauer und Zerstörung.
Warum die 22jährige Alex dieses Leben außerhalb der Gesellschaft und Norm wählte oder gar dazu gezwungen wurde, bleibt offen.
Der Schreibstil der Autorin ist flüssig und die Thematik sehr interessant; jedoch nicht optimal ausgereizt. Zu viele offene Fragen bleiben unbeantwortet. Warum ist Alex so kalt und berechnend; was passiert mit den Bekanntschaften nach ihrem Besuch?
Die Protagonisten sind nicht greifbar, zu oberflächlich die Beschreibung der Charaktere und Emotionen.
Die Häuser und Strände in den Hamptons wurden sehr bildlich beschrieben. Man konnte den Weg der Zerstörung des Mädchens sehr gut nachvollziehen.
Anfangs wurde die Spannung gekonnt aufgebaut und man wusste nicht, in welche Richtung der Roman tendiert.
Im Laufe der Story passierte jedoch nichts Neues und der Spannungsbogen wurde nicht aufrecht erhalten. In Erwartung eines Höhepunkts, fiebert man auf das Ende hin, welches offen bleibt.

Durch den leichten Schreibstil der Autorin war der Roman kurzweilig und unterhaltsam.