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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
LadyNinily
Wohnort: 
Nürnberg

Bewertungen

Insgesamt 76 Bewertungen
Bewertung vom 04.11.2019
Der Kastanienmann
Sveistrup, Søren

Der Kastanienmann


sehr gut

„Der Kastanienmann“ ist ein durchaus brutaler Thriller, der den Leser quasi mit verbundenen Augen an die Hand nimmt – ergo: das Buch weiß eindeutig, wohin es mit seiner Geschichte will und hat auch großen Spaß daran, dem ahnungslosen Leser Informationshäppchen zuzuwerfen, lässt ihn aber dennoch maximal etwas Licht im Dunkeln sehen.

Die Geschichte wird eigentlich hauptsächlich aus der Perspektive von Kommissarin Thulin und ihrem Kollegen erzählt. Allerdings hat es mich etwas gestört, dass des Öfteren Kapitel aus Perspektiven anderer Personen eingeschoben werden. Das ist nun per se erstmal nichts schlechtes, nur ist es für meinen Geschmack in diesem Buch auf eine sehr unglückliche Art und Weise geschehen. Denn diese Kapitel werden immer an den besonders spannenden Stellen eingeschoben, die die Geschichte ein gutes Stück weiterführen sollen. Bevor das dann aber passiert, muss man sich durch seitenweise Erzählungen kämpfen, wie das Leben von Person X bisher verlief und/oder was speziell Person X während den bisherigen Ereignissen eigentlich so gemacht hat. Das sind auch oft sehr interessante Informationen, nur möchte ich auch nicht wissen, was der Herr Polizist die letzte Woche über zum Frühstück gegessen hat, bevor er mir die schlechten Nachrichten überbringt. Mich haben diese Passagen teilweise fast in den Wahnsinn getrieben vor Ungeduld.

Ich muss auch anmerken, dass es mir erstaunlich lange schwerfiel, die Protagonisten auseinanderzuhalten (oder mir überhaupt die Namen zu merken). Teilweise konnte ich erst nach ein paar Sätzen wieder sagen: „ah, das war die weibliche Ermittlerin!“. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das dem Fakt geschuldet ist, dass ich das Buch in mehr Häppchen gelesen habe, als ich es normalerweise getan hätte, oder ob die Charaktere sich wirklich erst so spät in der Geschichte deutlich voneinander abgrenzen.

Fazit
„Der Kastanienmann“ hatte für mich persönlich zwar deutliche Schwächen, die aber doch nicht so schwer wiegen, als dass sie mir das Buch ruiniert hätten.
Im Großen und Ganzen war das Buch eine spannende und unterhaltsame Lektüre, die mich durchaus an der Nase herumgeführt hat und deren Auflösung zwar nicht alltäglich, aber dafür doch logisch erscheint.
Das Buch würde ich dabei am ehesten in die Kategorie „brutaler skandinavischer Thriller mit Familiendrama“ einordnen.

Bewertung vom 04.11.2019
The Black Coats - ... denn wir vergeben keine Schuld
Oakes, Colleen

The Black Coats - ... denn wir vergeben keine Schuld


ausgezeichnet

„Die Black Coats“ vergeben keine Schuld und nehmen es dabei gerne in die eigenen Hände, für Gerechtigkeit und Vergeltung zu sorgen. Auch die Protagonistin Thea träumt von ihrer ganz eigenen Rache und steigt alsbald zur Leiterin ihrer eigenen Kompanie Black Coats auf, nur um dann zu erkennen, dass ihre Rachefantasien vielleicht doch lieber Gedankenspiele bleiben sollten …

Das Buch konfrontiert einen als Leser mit Fragen, die so heutzutage überall sehr vehement diskutiert werden und die Gesellschaft allzu oft zu spalten scheinen.
Ist es wirklich richtig, Gewalt mit Gewalt zu vergelten? Richtet sich Gewalt tatsächlich immer nur gegen Frauen? Können auch Männer Opfer sein? Gibt es jemals wirklich Gerechtigkeit? Und ja – was für ein Mensch ist der Täter gewesen – und was für ein Mensch ist er heute? Darf ich mit „so jemandem“ Mitleid haben – geht das überhaupt?
Das alles sind (moralische) Grundsatzfragen, die die Gemüter ungemein erhitzen. Vor allem auch einem Täter seine Menschlichkeit nicht abzusprechen und sich mit den Auswirkungen der Situation auf eben diesen auseinanderzusetzen, scheint für viele heutzutage ein Ding der Unmöglichkeit.
Gerade deswegen finde ich das Buch wahnsinnig gelungen. Man ist als Leser zu Beginn natürlich auf der Seite der Opfer und möchte, dass diese Gerechtigkeit erfahren – aber wie weit darf man dabei gehen? Darf „man“ überhaupt eigenhändig agieren?

Denn irgendwann werden die Einsätze der Gruppe immer brutaler und nicht nur die Mädchen beginnen zu zweifeln, sondern auch der Leser. War man anfangs noch auf Seite der Black Coats und möchte Gerechtigkeit für den Mord an Theas Cousine, wird man plötzlich mit seinem eigenen Moralverständnis konfrontiert und schlagartig hat diese „harmlose“ Geschichte über Rache einen bitteren Beigeschmack.

Fazit
Einerseits ein Buch für alle erwachsenen Leser, die den Wunsch nach Rache und einer Zahn um Zahn Politik zwar begrenz und in einzelnen Fällen nachvollziehen können, sich aber klar von dem Bedürfnis nach einer Mittelalterjustiz distanzieren können.
Andererseits ein Buch für alle heranwachsenden, deren moralisches Verständnis eventuell noch nicht so stark ausgeprägt ist, die sich noch nicht entschieden haben, was Gerechtigkeit für sie bedeutet, oder die vielleicht ganz einfach noch nie darüber nachgedacht haben, was in Extremsituationen richtig und was falsch wäre.

Bewertung vom 04.11.2019
Wisting und der Tag der Vermissten / William Wisting - Cold Cases Bd.1
Horst, Jørn Lier

Wisting und der Tag der Vermissten / William Wisting - Cold Cases Bd.1


sehr gut

„Wisting“ hat mich beim Lesen stark an Serien wie Cold Case und diverse gerichtsmedizinische Sendungen (solche, über die man typischerweise nachts stolpert) erinnert. Auch dort werden sogenannte „Cold Cases“ behandelt, die viel mit dem Fall in diesem Buch gemeinsam haben: es sind Fälle, in denen es schon früher einen Verdächtigen gab, der aber einfach mit den damaligen Mitteln nicht dingfest gemacht werden konnte. Oder eine heiße Spur, für die es aber keine Beweise gab.
Dem sollte man sich unbedingt bewusst sein, wenn man dieses Buch liest: Es ist keine aberwitzige Geschichte, die einen vollkommen abstrusen und so nie von der Polizei bedachten Tathergang zeichnet und plötzlich einen vollkommen unbekannten Täter aus der Westentasche zaubert.

„Wisting“ erzählt vielmehr die Geschichte einer Ermittlung, die sehr realitätsnah und vor allem realistisch wirkt. Das hat mir persönlich um Welten besser gefallen, als ein Buch, dass gerade noch so logische Verknüpfungen herbeizaubert und plausible Täter scheinbar im Nirvana findet.

Erstaunlich bleibt dabei aber, dass das ganze Buch eine ziemlich hohe und konstante Spannung erzeugt, obwohl man ja einen Fall verfolgt, der schon Jahre zurückliegt (und dessen Ende, seien wir ehrlich, schon nach dem Lesen des Klappentexts erahnbar ist).
Ein großer Teil dieser Spannung stammt aber auch von der Neugier des Lesers. Man möchte wissen, warum der Ehemann verschwunden ist, was er zu verheimlichen hat, was die Verschwundene zu verbergen hatte und am Ende doch ganz simpel: einfach nur, was damals wirklich geschehen ist.

Abgerundet wird das Ganze dann noch mit Wisting selbst, der einem zu Anfang irgendwie nicht ganz koscher ist, sich aber schnell zu dem kauzigen und hochintelligenten Ermittler entwickelt, den man einfach mögen muss. Dessen Perspektive wechselt sich aber noch mit der seiner Tochter – einer jungen Mutter und überaus neugierigen Journalistin – und der eines weiteren Ermittlers – der nicht immer ganz mit offenen Karten spielt – ab.
Eine Romanze und intime Begegnungen findet man hier übrigens keine.

Fazit
Im Großen und Ganzen ist die Kriminalgeschichte in diesem Buch kein Bombeneinschlag, denn man merkt auch als Leser schnell, worauf das Ende hinausläuft (das sollte bei diesem Klappentext aber wahrlich kein Wunder sein). Gleichzeitig war das Buch für mich dennoch spannend, da das etwas vorhersehbare Ende in ein sehr logisches und homogenes Story-Konstrukt verbaut wurde.
Leser, die aber immer etwas Neues und immer diesen „Wow“-Effekt brauchen, sollten sich mit Vorsicht und vor allem nicht allzu großen Erwartungen an dieses Buch wagen.

Bewertung vom 04.10.2019
Die letzte Frau / Eve of Man Bd.1
Fletcher, Tom;Fletcher, Giovanna

Die letzte Frau / Eve of Man Bd.1


sehr gut

Man erlebt die Geschichte in Eve of Man aus zwei unregelmäßig wechselnden Perspektiven: Eve und Bram.
Obwohl Eve quasi seit ihrer Geburt auf ihre Aufgabe, die „Mutter“ einer neuen Generation zu werden, vorbereitet wird, verbringt sie ihr Leben im Dom nicht ganz unbedacht. Aber auch, wenn ihr einige Ungereimtheiten und komische Eigenheiten ihres abgeschotteten Lebens bewusst sind, ist ihr Vertrauen in die Mütter zu groß, um am System zu zweifeln.

Das hat Eve für mich zu einer überraschend zugänglichen Protagonistin gemacht, trotz ihrer schwierigen Startposition, ein eigentlich indoktriniertes und naives junges Mädchen zu sein.
Denn erstaunlicherweise ist Bram derjenige, der dem System gegenüber gefühlt noch ein ganzes Stück blinder ist - trotz seiner Position als Pilot, die es ihm ermöglicht, sich fast frei durch den kompletten Turm zu bewegen. Außerdem ist er ein etwas klischeehafter Charakter. Der Vater des eiskalten Bosses, mit allerlei Privilegien ausgestattet und natürlich der, dem Eve am meisten vertraut.
Leider konnte ich aber bis auf Eve, Bram und zwei Nebencharaktere, mit den anderen nicht wirklich warm werden. Das hat in manchen Szenen dazu geführt, dass ich nicht so stark involviert war, wie es vielleicht angebracht gewesen wäre. Demnach haben auch einige Stellen leider nicht so viel Spannung erzeugt, wie es ihnen möglich gewesen wäre.

Da die Geschichte aber nicht allzu sehr in diese allgemein eher kitschige Liebesgeschichte abdriftet, ist das für mich nur ein kleines Manko. Denn die eigentliche Grundfrage, die diese Geschichte stellt, wird dadurch zum Glück nicht vernachlässigt: Was geschieht, wenn es nur noch eine zeugungsfähige Frau auf dieser Welt gibt? Welche Macht hat derjenige, der sie in seiner Obhut weiß? Welche Macht hat SIE? Und was löst das in der restlichen Bevölkerung aus?

Fazit
Eine spannende Ya-Fantasy, die leichte Sci-Fi Züge aufweist, aber deren Kern doch eine Liebesgeschichte ist. Da diese jedoch nicht überhandnimmt, könnten auch Leser an diesem Buch gefallen finden, die gegen ein bisschen Romantik und Liebe nichts einzuwenden haben. Wer sich allerdings eine hochtrabende Sci-Fi Geschichte erhofft, sollte das Buch eher mit Vorsicht genießen.

Bewertung vom 04.10.2019
Finsterglanz
Scheumer, Sarah

Finsterglanz


ausgezeichnet

!Rezension enthält Spoiler zum ersten Band!

„Finsterglanz“ ist der zweite Teil der Starship-Trilogie und steht seinem Vorgänger in nichts nach.
Während sich das Starship nämlich noch von den Ereignissen des ersten Bandes erholt, gibt es für die Crew kein Aufatmen – wortwörtlich. Ein Anschlag gefährdet die Sauerstoffversorgung des Raumschiffs und so sehr sich der Rat auch bemüht, die tatsächliche Bedrohlichkeit der Situation unter Verschluss zu halten, ist auch bald dem letzten Bewohner klar, dass das Leben auf dem Starship so nicht mehr lange möglich sein wird ….

Schon nach den ersten 20 bis 30 Seiten ist man als Leser wieder vollkommen in die Welt des Starship abgetaucht und endlich wieder auf Maya zu treffen, fühlt sich dabei an, als würde man einer alten Freundin begegnen. Egal ob es die Sorge um ihre Schwester, die Wut wegen Mitchells Sticheleien oder das Unwohlsein nach Konfrontationen mit anderen Bewohnern ist – man fühlt ihre Emotionen als Leser so gut nach, als wäre man selbst nie weggewesen.
Dabei lässt sich die Entwicklung von Maya auch in diesem Teil wunderbar verfolgen. Hatte sie in Dunkelglühen noch Schwierigkeiten, sich überhaupt auf andere Menschen einzulassen, lernt sie nun so langsam, dass man auch guten Freunden Kontra geben kann, ohne die sorgsam erbaute Vertrautheit zu zerstören. Denn genau die ist eine der großen Stärken dieser Reihe. Jedes Zusammentreffen von Maya und ihren Freunden fühlt sich an wie das sichere Rettungsschiff, dass das Starship nicht mehr ist. Man möchte als Leser am liebsten selbst stundenlang mit ihnen am Tisch sitzen, sich necken und Gerüchte austauschen.

Aber auch in Finsterglanz wird man wieder mit sehr vielen technischen Details konfrontiert, was für mich persönlich ebenfalls eine große Stärke der Reihe ist. Denn dadurch wird die ganze Geschichte von einem oberflächlichen „ich lebe auf einem Raumschiff, aber eigentlich läuft hier alles genauso wie auf der Erde“ zu einem unglaublich authentischen und tiefgehenden Erlebnis für den Leser. Das Raumschiff wird fast zu einer Art Organismus, dessen Fehlfunktionen erst durch diese extra Portion Wissen, die man erhält, so richtig bedrohlich werden. Allerdings kann ich auch gut verstehen, wenn man damit gar nichts anfangen kann.

Fazit
Fans von Dunkelglühen werden auch Finsterglanz sehr schnell in ihr Leserherz schließen. Die Beziehungen von Maya und ihren Freunden werden noch inniger und komplexer, während die Bedrohungen immer realer und die Situation auf dem Starship immer angespannter wird. Dabei wird der Fortlauf der Geschichte weiterhin von vielen technischen Details begleitet und gewinnt dadurch sehr viel an Tiefe, die anderen Ya-Fantasy-Sci-Fi Titeln fehlt.

Bewertung vom 22.09.2019
Die Verschwörung von Brigant / Kingdoms of Smoke Bd.1
Green, Sally

Die Verschwörung von Brigant / Kingdoms of Smoke Bd.1


ausgezeichnet

„Kingdoms of Smoke“ wird abwechselnd aus der Sicht von vier verschiedenen Protagonisten erzählt.
Dazu gehören: die brigantische Königstochter Catherine, ihr Leibgardist Ambrose, der Diener March und der Dieb Edyon.
Wie das leider so oft der Fall ist, sind gerade zu Beginn bei weitem nicht alle Perspektiven gleichermaßen spannend und interessant. Doch spätestens ab Mitte des Buches, wenn sich so langsam zeigt, wie diese vier Schicksale miteinander verflochten sind, verfolgt man alle vier Personen und ihre Erlebnisse sehr gebannt.

Allerdings muss man auch zugeben, wird hier keine neue Geschichte erzählt.
Eine Königstochter, die als Schachfigur und gegen ihren Willen verheiratet wird, die aber eigentlich ihren eigenen Leibwächter liebt. Ein Bastard, der der letzte lebende Sohn des Königs und damit Thronfolger ist. Zwei rivalisierende Königreiche, die durch eine Ehe einen fragilen Frieden aufrechterhalten wollen und etwas überaus dunkles und gefährliches, das sich als Geheimwaffe entpuppen könnte.
All das kennt man so oder so ähnlich schon. Dennoch liest man – oder ich – es immer wieder sehr gerne, wenn es denn gekonnt und überzeugend geschrieben ist und seine speziellen Eigenheiten besitzt – was hier der Fall ist.
Ein Beispiel wäre Catherines zukünftiger Ehemann - wahrscheinlich mein absoluter Lieblingscharakter im ganzen Buch -, der entgegen der eigentlichen Erwartung überhaupt kein grausamer und gemeiner Prinz ist. Er ist ein eher freundlicher, zugegeben, etwas eigener, aber intelligenter junger Mann, dessen freches Mundwerk die Leute mehr in ihre Schranken weisen kann, als Gewalt es jemals könnte. Und mir beim Lesen immer und immer wieder ein Grinsen ins Gesicht gezaubert hat.

„Kingdoms of Smoke“ ist allerdings auch ein Buch, das sich nicht scheut, dem Leser in Windeseile zu nehmen, was es ihm im Verlaufe der Geschichte hat lieb und teuer werden lassen.
Auch wenn der Beginn schleichend langsam vonstatten geht und – zugegeben – stellenweise etwas langatmig ist, lässt einen das fulminante Finale mit bittersüßer Begeisterung zurück. Durchhalten lohnt sich also auf jeden Fall.

Fazit
Eine Geschichte, die sich aufbaut wie eine Welle: zu Beginn klein und unscheinbar, bricht sie am Ende mit rasanter Geschwindigkeit und geradezu vernichtender Gewalt über den ahnungslosen Leser herein.
Wer hier ein unschuldiges, rosarotes YA Liebesdrama sucht, sucht vergebens. Kingdoms of Smoke ist eine unglaublich spannende Geschichte, in der niederträchtige Intrigen gesponnen und noch blutigere Schlachten geschlagen werden. Eine absolute Leseempfehlung von mir und trotz der Schwächen klare 5 Sterne.

Bewertung vom 22.09.2019
Zimmer 19 / Tom Babylon Bd.2
Raabe, Marc

Zimmer 19 / Tom Babylon Bd.2


sehr gut

„Zimmer 19“ ist für mich der erste - in chronologischer Reihenfolge allerdings schon der zweite - Band rund um den LKA-Ermittler Tom Babylon.
Insofern war ich natürlich besonders gespannt, ob ich einen Einstieg in Toms Universum finden, Beziehungen entsprechend deuten und Charaktere korrekt einordnen kann, oder ob der vorherige Band eine derart große Rolle spielt, dass ich als Neuling komplett abgehängt werde. Gleich vorweg: dem war zum Glück nicht so.

Der Zugang zu den beiden Protagonisten – Tom und Sita – klappte für mich auf Anhieb. Spätestens nach 50 Seiten war ich mit den familiären Verhältnissen, der Beziehung zueinander und charakterlichen Grundzügen - sowie Eigenheiten - sehr gut vertraut.
Manchmal fiel es mir aber doch schwer, mir alle Charaktere und deren Namen zu merken. Da diese dann aber immer nur eine mehr oder minder große Nebenrolle im weiteren Verlauf der Geschehnisse spielten, war das weder störend für mich noch hatte ich das Gefühl, es gäbe für mich blinde Flecken in der Geschichte. Auch die Einbindung der Ereignisse aus dem vorherigen Band ist dabei so homogen geworden, dass sich dieser Band super als alleinstehende Geschichte lesen lässt – was man aber spätestens nach diesem Teil nicht mehr möchte, da sich ein äußerst interessanter roter Faden durch Toms vergangenes und offenbar auch zukünftiges Leben zieht.

Die Kapitel wechseln zwar – neben den beiden Hauptpersonen - immer wieder zwischen einer doch großen Anzahl an Perspektiven, durch die kurze Kapitelstruktur hält sich hier aber ein hohes Maß an Tempo und Spannung aufrecht.
Auch wenn sich die einzelnen Elemente erst sehr spät zu einem großen Ganzen fügen und den Leser damit gebannt Seite um Seite blättern lassen, musste ich mir leider nicht geschockt die Hand vor den Mund halten. Das meine ich zwar in diesem Fall nicht zwingend negativ, ist aber dennoch der Grund für 4 statt 5 Sterne.
Für mich als Vielleser überzeugt eine Krimi- oder Thriller-Reihe gerade durch ihre Charaktere. Die Geschichte muss zwar auch überzeugend und spannend sein, ist aber erstmal zweit-, wenn nicht sogar drittrangig. Denn ein Buch einer solchen Serie werde ich selten noch einmal lesen, nur weil die Geschehnisse mich dermaßen vom Hocker gerissen haben, sondern nur, wenn ich ihre Charaktere überaus lieb gewonnen habe. Beides ist hier (leider) der Fall. Die Story war gut, aber sie hat mich nicht vor Empörung das Buch in die Ecke werfen und „oh nein!“ murmeln lassen. Die Charaktere allerdings, die sind mehr sehr ans Herz gewachsen und machen dieses Buch definitiv würdig, auch noch ein zweites oder drittes Mal gelesen zu werden.

Fazit
Rundum ein gelungener Thriller, der durch ein rasantes Tempo, spannende Wendungen und unübliche Protagonisten überzeugen kann. Auch wenn mich die Geschichte leider nicht ganz in eine begeisterte Schockstarre versetzen konnte, wird Zimmer 19 sowohl Neulinge als auch Veteranen der Reihe rund um Tom Babylon überzeugen können.

Bewertung vom 13.09.2019
Dunkelsommer
Jackson, Stina

Dunkelsommer


ausgezeichnet

„Dunkelsommer“ ist bei weitem keine Geschichte, die man so noch nie gelesen hat.
Ein glückliches Paar, dessen 17-jährige Tochter eines Tages spurlos verschwindet. Eine Ehe, die schließlich an gegenseitigen Vorwürfen zerbricht. Eine Mutter, die Trost bei einem neuen Partner sucht. Und ein Vater, der die Hoffnung nicht aufgeben kann und Nacht für Nacht die dichten Wälder Schwedens durchkämmt.

Ich sage oft, dass es mich nicht stört, schon häufig erzählte Geschichten zu lesen, wenn sie sich durch kleine Eigenheiten abheben können und gut umgesetzt sind. Zum Glück ist „Dunkelsommer“ eines dieser Bücher.
Man verfolgt die Geschichte zum einen durch die Augen von Lelle, dem suchenden Vater. Dieser schaut gerne mal zu tief ins Glas und ist reizbarer als ein tollwütiger Grizzly. Seine Verzweiflung trägt aber viel zur Atmosphäre und zur Spannung des Buches bei, ohne dabei jemals erdrückend zu werden.
Denn es ist nicht so, dass Lelle seit 3 Jahren auf der Suche ist und plötzlich, wenn der Leser in die Geschichte einsteigt, eine heiße Spur findet – zum Glück, denn solche „zufälligen“ Entwicklungen kann ich nicht wirklich leiden. Man begleitet ihn vielmehr jede Nacht, schwelgt in Erinnerungen, lernt über ihn sowohl Lina kennen, als auch andere hoffnungslose Seelen, die offenbar des Nachts in schwedischen Wäldern anzutreffen sind. Darum ist es auch überhaupt nicht langweilig, dass seine verzweifelte Jagd zunächst einmal keine Früchte trägt.
Andererseits erzählt dieses Buch aber auch die Geschichte von Meja, einer dieser ruhelosen Seelen. Sie ist ein junges Mädchen, das im Schlepptau ihrer psychisch labilen Mutter durch Schweden reist und überall und nirgendwo zuhause zu sein scheint – bis sich ihr Weg mit dem von Lelle kreuzt.

„Dunkelsommer“ lebt dabei ganz klar von einer ruhigen, aber konstanten Spannung und der bedrückenden Atmosphäre. Man bangt und leidet mit Lelle, während man gemeinsam mit Meja auf ein besseres Leben und ein bisschen Perspektive hofft. Dabei wird schönerweise nicht verzweifelt versucht, den Leser an der Nase herumzuführen. Nein, es werden vielmehr ein paar zwielichtige Figuren vorgestellt und geschickt immer mal wieder ein Hinweis eingestreut, der den Leser mal in diese und dann wieder in die andere Richtung lenkt, bis man wie Lelle an jeder Ecken einen Verdächtigen vermutet und die Geschichte bis zur letzten Seite gebannt verfolgt.

Fazit
Auch wenn „Dunkelsommer“ ein Buch ist, das Vielleser so oder so ähnlich sicher schon gelesen haben, würde ich es nicht gleich von meiner Wunschliste streichen. Allein die Entwicklung und Geschichte der beiden Hauptcharaktere Lelle und Meja garantieren ein paar spannende Lesestunden. Dass das Ganze noch von einer bedrückenden Atmosphäre und einem gekonnten Verwirren des Lesers abgerundet wird, macht „Dunkelsommer“ für mich zu einem rundum gelungenen Roman.

Bewertung vom 13.09.2019
Relentless
Lynch, Karen

Relentless


ausgezeichnet

Ich habe selten ein Buch gelesen, das mich so in seinen Bann gezogen hat. Schon nach den ersten zwei Kapiteln blieb die Spannung so konstant hoch, dass ich am liebsten die ganze Nacht durchgelesen hätte.
Zugegeben, das Grundgerüst der Geschichte ist zwar nicht wirklich innovativ, fügt sich dabei aber einfach zu einem derart stimmigen Gesamtpaket zusammen, dass man da wohlwollend ein Auge zudrücken kann.

Die Protagonistin Sara ist ein junges Mädchen, welches ihren Vater durch einen brutalen Mord verlor und seitdem bei ihrem gutmütigen, aber eigenbrötlerischen Onkel wohnt. Beide sind so liebenswürdig unbeholfen, wenn es darum geht, ihre Gefühle füreinander zum Ausdruck zu bringen, dass man sie einfach sofort ins Herz schließen muss.
Mir gefiel dabei besonders gut, dass Sara während all der Geschehnisse bedacht hat, dass ihr Onkel ein gutes Druckmittel wäre, um sie aus der Reserve zu locken und darum dafür sorgen will, dass er sich in Sicherheit befindet. Ich mag es gar nicht, wenn ein Protagonist verfolgt wird und seine Familie quasi komplett vergisst, nur um dann überrascht zu sein, wenn ebendiese entführt oder ermordet wird. Da kann ich nur noch genervt die Augen verdrehen.
Außerdem ist Sara eine sehr schlagfertige und eigenständige Person, sodass sie selbst dann, als ihr der Krieger Nikolas zur Seite steht, nicht zu einer Jungfrau in Nöten mutiert. Und obwohl sie alle ihre Kämpfe ganz ohne Probleme selbst austragen kann, ist sie mit eine der gutherzigsten Protagonistinnen, die man sich vorstellen kann.

Lobenswert ist außerdem, dass sich die Beziehung zu Nikolas nicht in einen rosaroten (Alb-)traum verwandelt, der die ganze Geschichte dominiert. Es gibt zwar hier und da ein paar romantische Momente, in denen sich beide näherkommen, die sind aber zum Glück weit davon entfernt, das ganze zu einer kitschigen Schnulze mutieren zu lassen.

Das ist für mich – neben der Spannung – auch die große Stärke dieser Geschichte: die Charaktere und die Ausarbeitung ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen. Das sind aber nicht nur Sara, ihr Onkel und Nikolas, sondern vor allem auch die zwischen Sara und ihren drei besten Freunden. Dort herrscht ein derart liebevolles Vertrauen, dass man am liebsten selbst ein Teil dieser Truppe wäre.

Fazit
Ein unglaublich spannender Fantasyroman, der durch seine durchdachte und stimmige Charakter- und Beziehungsentwicklung auch durchaus für erwachsene Leser geeignet ist. Rosaroten Liebeskitsch sucht man hier zum Glück vergebens.