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haberlei
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Begeisterte Leserin von Krimis, Thrillern, Humorvollem, historischen (Frauen-)Romanen, Biografien

Bewertungen

Insgesamt 373 Bewertungen
Bewertung vom 12.10.2022
Izquierdo-Hänni, Daniel

Mörderische Hitze


sehr gut

Ein fraglicher Selbstmord

„Mörderische Hitze“ von Daniel Izquierdo-Hänni ist ein Wohlfühlkrimi, der dem Leser vor allem Spanien und insbesondere Valencia näherbringt, mit einem Mord und einer Prise Spannung garniert.

Worum geht es?
Der Taxifahrer Vicente Alaponte, ehemals Inspektor bei der Mordkommission, glaubt nicht, dass der freundliche Hotelgast, den er kürzlich chauffiert hat, Selbstmord beging, und beginnt mit Hilfe seiner Ex-Kollegen zu recherchieren. Insbesondere die Familie des ums Leben gekommenen Mannes wirkt suspekt.

Der Autor verfasste zuvor Spanien-Reportagen und Reiseführer, was sich in seinem Debut-Krimi niederschlägt. Der Schreibstil ist flüssig, selbst die ausführlichen Schilderungen von Land und Leuten lesen sich flott und leicht. Die Kapitel sind kurz, lediglich nummeriert, ohne Zeit- oder Ortsangaben. Der 2022 erschienene Roman spielt in der nicht näher bezeichneten Gegenwart, Covid19 wird nicht erwähnt. Das Cover assoziiert spanisches Flair und unterstreicht mit dem strahlendblauen Himmel die sommerliche Hitze.

Für mich war bislang Valencia lediglich ein Städtename. Die vom Autor geschickt mit der Ermittlungstätigkeit des taxifahrenden Protagonisten Alapont verwobenen Hinweise auf die Schönheiten der Stadt, auf Besonderes, abseits vom Touristenstrom Liegendes machen Lust, sich diese Stadt einmal anzusehen und mit dem Buch in der Hand Alaponts Wegen zu folgen. Es sind aber nicht nur die baulichen oder landschaftlichen Beschreibungen, die mir das spanische Ambiente vermittelten, sondern neben zahlreichen spanischen Ausdrücken und Floskeln, spezielles Insiderwissen, kulinarischer Natur ebenso wie die Lebensart der Spanier betreffend – welche Bedeutung die Familie und Tradition für sie einnimmt, sowie manche Dinge aus dem Alltag. So wusste ich bislang nicht, dass man in Spanien Dienstag, dem 13. das zuschreibt, was wir mit Freitag, dem 13. verbinden, oder dass Spanier beim Fotografieren statt „cheese“ „patata“ sagen. Gerade diese Kleinigkeiten werden mir sicher noch lange im Gedächtnis haften bleiben.

So interessant diese breitgefächerten Informationen auch sind, letztlich geriet die Krimihandlung dadurch etwas ins Hintertreffen. Zwar löst sich der Fall überraschender als erwartet, doch fehlte es zuvor an Spannungselementen, an verwirrenden Spuren, der Möglichkeit des Miträtselns.

Im Mittelpunkt der Handlung steht Vicente Alapont. Aus seiner Sicht verfolgt man die Geschehnisse, erfährt seine Gedanken und seine Eindrücke. Da der Roman im Präsens verfasst ist, wirkt es, als sei man mit dabei, schaue ihm über die Schulter – von einigen wenigen Perspektivenwechsel zu anderen handelnden Personen bzw. Tätern abgesehen. Alaponts Wesenszüge sind somit am ausführlichsten dargestellt. Er ist sympathisch charakterisiert, aufrichtig, ehrlich, nicht überheblich, anerkannt und geschätzt bei seinen ehemaligen Kollegen, gutes Essen schätzend, verantwortungsbewusst und bescheiden wirkend. Er ist ein Familienmensch, der sich nun als Taxifahrer wesentlich glücklicher und ausgeglichener fühlt, u.a. weil er nun mehr Zeit für seine Familie findet und hofft, die Beziehung zu seiner Ex-Frau wieder erneuern zu können.

„Mörderische Hitze“ ist zwar kein packender Krimi, besticht aber durch das Urlaubsfeeling, das er erzeugt, durch die lockere Art und Weise, wie das spanische Ambiente vermittelt wird. Mir hat das Buch angenehme Lesestunden beschert, die darin beschriebene Hitze hat mich zwar nicht körperlich erwärmt, aber mich ein bisschen träumen lassen von Sonne, Meer und Strand. Mir gefiel Stil und Erzählweise und der Protagonist. Ich empfehle das Buch gerne weiter, vor allem Lesern, die ruhige, unblutige Krimis mögen, mit viel Lokalkolorit.

Bewertung vom 10.10.2022
Hartung, Alexander

Auf der Spur des Jägers


ausgezeichnet

Brutale Morde - eine Herausforderung für Jan Tommens Team

„Auf der Spur des Jägers“ von Alexander Hartung ist spannend und actionreich, ein Buch, das man kaum aus der Hand legen mag.

Worum geht es?
Eine Frau und ein Mann werden brutal erschlagen auf verschiedenen Tatorten aufgefunden. Es liegt die Vermutung nahe, dass es zwischen den beiden Fällen eine Verbindung gibt, die Jan Tommen und sein Team möglichst rasch finden müssen, bevor der Täter noch weitere Morde begeht.

Der Schreibstil ist flüssig, dialogreich, humorvolle Szenen, wie z.B. jene des Fußballspiels der sportlich total unbegabten ITler, lockern das brutale Mordgeschehen auf. Die Handlung spielt in Berlin, interessanterweise fließt kein Berliner Dialekt ein. Die Kapitel sind angenehm kurz, lediglich nummeriert, ohne Zeit- oder Ortsangaben. Das Buch erschien 2022. Die Mordermittlungen finden (nicht näher bestimmt) in der Gegenwart statt, Covid19 bleibt unerwähnt.

Obwohl es sich bereits um den neunten Band der Reihe mit Jan Tommen handelt, hatte ich als Neueinsteiger kein Problem, in das Geschehen hineinzufinden. Auch den relevanten Personenkreis überblickte ich relativ rasch. Dennoch, ich fragte mich bis zum Schluss, wie Jan, Max, Zoe und Chandu einander fanden und wie dieses Team zustande kam. Daher meine Empfehlung, die Reihe mit Band 1 zu starten.

Die Spannung hält sich kontinuierlich. Einerseits durch stetig neue Erkenntnisse, Wendungen, zusätzliche Verdächtige, gefährliche Situationen, unerwartete Ereignisse und riskante Action, andererseits durch im spannendsten Moment eingesetzte Orts- und Perspektivenwechsel, die teils wie Cliff-Hanger wirken. Als Leser verfolgt man somit nicht nur die Ermittlerseite, sondern auch die Aktionen der Täter, tappt aber trotz manchem Wissensvorsprung gegenüber Jans Team bzw. der Polizei bis zuletzt im Dunkeln, wer die Morde aus welchem Grund begangen hat. Nach einem packenden Showdown, einem Wettlauf gegen die Zeit, klären sich Ablauf und Motivation der Taten, die ineinander verwobenen Handlungsfäden entwirren sich schlüssig.

Im Mittelpunkt stehen Jan und sein ungewöhnliches Team, Menschen mit speziellen Fähigkeiten, besondere, sehr sympathische Charaktere. Dadurch dass sie im legal-illegalen Graubereich agieren, stehen ihnen Recherche- und Handlungsmöglichkeiten zur Verfügung, über die der normale Polizeiapparat nicht verfügt. Diese spektakulären Aktionen machen den Reiz des Buches aus, man darf es nur nicht zu realistisch betrachten. Zudem gefiel mir der freundschaftliche Umgangston des Teams, sowie Jans Rückendeckung durch seinen Vorgesetzten.

Die Charaktere waren im Großen und Ganzen gut vorstellbar. Lediglich sprachlich fand ich die Akteure aus dem Rotlicht-Milieu nicht authentisch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie tatsächlich Hochdeutsch sprechen.

„Auf der Spur des Jägers“ hat mich begeistert. Das Buch war nicht nur ein fesselnder Page turner, sondern vermittelte - trotz der doch recht brutalen Morde und der leider realen Hintergrundthematik - durch die harmonisch-sympathische Stimmung in Jans Team eine Wohlfühl-Atmosphäre. Ich möchte nun unbedingt weitere Fälle dieses Teams nachlesen.

Bewertung vom 09.10.2022
Brun, Georg

Gewissenlose Wege


sehr gut

Das Gute im Bösen, das Böse im Guten

„Gewissenlose Wege“ von Georg Brun ist ein unblutiger Krimi mit pressanter Thematik und Wohlfühlkomponenten.

Worum geht es?
Ein namhafter Arzt ist verschwunden. Die Ehefrau ist besorgt und beauftragt den Privatdetektiv Alex mit der Suche. Zu seinem Team zählen die Rechtsanwältin Olga und die Computerspezialistin Sonja. Relativ schnell ist klar, dass der Arzt in illegale Organtransplantationen verwickelt ist.

Der Schreibstil ist teils flüssig, teils liebt der Autor auch lange, verschachtelte Sätze. Die Kapitel sind kurz, lediglich nummeriert, ohne Zeit- oder Ortsangaben. Das Buch erschien 2022. Die Handlung spielt in der nicht näher beschriebenen Gegenwart, vermutlich vor Ausbruch von Covid19, da es offensichtlich keinerlei Reisebeschränkungen gibt.

Die ersten Kapitel machen zunächst eher nur mit den Protagonisten bekannt, erklärt ihre Beziehungen zueinander. Gewisse Hinweise auf die Vorgeschichte erzeugen den Eindruck, man hätte ein Wissensmanko gegenüber Lesern, die auch Band 1 kennen. Es ist dies zwar nichts Fallrelevantes, dennoch würde ich empfehlen, mit dem ersten Band „Bodenloser Fall“ zu beginnen.

München und Istanbul sind die Orte der Handlung, das Flair beider Städte ist anschaulich, gut dosiert eingewoben, inklusive etwas Münchner Dialekt und türkischer Floskeln.

Die Ermittlungen gehen langsam voran, mit vielen Fragezeichen und mangelnder Kooperation aus dem Umfeld des Arztes. Selbst die Perspektivenwechsel von der Ermittler- zur Täterseite (einem von Zweifeln, Ängsten und negativen Vorahnungen geplagten Täter) lassen den Aufenthalt des vermissten Arztes und die Beweggründe seines Verschwindens lange im Dunkeln. Geschickt finden sich die Handlungsfäden der gegnerischen Seiten. Als sie aneinander geraten, nimmt die Handlung Fahrt auf und die Spannung – sogar mit etwas Action - zu.
Nichtsdestotrotz hat das Buch etwas. Nämlich von der Thematik her. Man wird mit den Facetten des illegalen Organhandels konfrontiert, aus der Sicht der leidenden Patienten, ebenso aus Sicht jener Menschen, die das organisieren, jener Ärzte, die sich darauf einlassen und operieren. Auch wenn Geldgier ein treibender Faktor ist und arme Menschen ausgenützt werden, so spielen dennoch auch hehre Motiv mit. Es ist eben nicht alles eindeutig gut oder böse. Die Charaktere der „Bösen“ sind in ihrer Zwiespältigkeit ausgezeichnet dargestellt – so kann ein musisch begabter, kulturell interessierter, Gewalt verabscheuender Mensch durchwegs über kriminelle Energie, über eine Art von Gewissenlosigkeit verfügen, nicht zuletzt durch seine Herkunft und Umwelt geprägt.

Die zweite Thematik, die mit hineinspielt, ist die Divergenz von Recht und Gerechtigkeit. Sogar eine gesetzestreue Anwältin kann u.U. nicht verhindern, dass jemand ungestraft davonkommt, sozusagen seine gerechte Strafe nicht erhält. Dass selbst eine Juristin moralisch fragliche Methoden gutheisst, damit der Gerechtigkeit Genüge getan wird, mag befremden, ist menschlich aber verständlich. Und zeigt auch in Olgas Charakter Ecken und Kanten. In diesem Sinne befriedigt auch das Ende des Buches nicht, entspricht aber eher der Realität. Recht und Gerechtigkeit sind eben nicht dasselbe.

Die Protagonisten Olga, Sonja, Alex und Dorothee sind sympathisch gezeichnet, mit problembehafteten Vorleben, erlittenen Verlusten. Nachdem es sich um frisch verliebte Pärchen handelt, lockern die romantischen Szenen nicht nur die doch bedrückende Organ-Thematik auf, sondern läuten quasi für sie auch neue Lebensabschnitte ein. Mag mancher Leser auch finden, es wäre zu viel Liebesgeflüster für einen Krimi vorhanden, so empfand ich es als Weiterentwicklung der Protagonisten. Noch besser, glaube ich, versteht man die tiefen Glücksgefühle, wenn man auch den ersten Band gelesen hat.

„Gewissenlose Wege“ ist ein etwas anderer Krimi, sehr vielschichtig, mit facettenreichen Charakteren, wo man durchwegs auch den Bösewicht sympathisch finden kann, mit viel kulturellen Nuancen, informativ, was die Organthematik anbelangt, und letztlich nachdenklich stimmend. Es ist vielleicht kein Buch, das einen von der ersten Seite her gefangen nimmt, doch im Zuge der Lektüre, wenn man die Aussage des Romans erkannt hat, spätestens dann wird man es – wie ich – gerne weiterempfehlen.

Bewertung vom 02.10.2022
Kaiser, Maria Regina

Enid Blyton. Geheimnis hinter grünen Hecken


ausgezeichnet

Enid Blyton - eine facettenreiche Persönlichkeit

„Enid Blyton. Geheimnis hinter grünen Hecken“ von Maria Regina Kaiser ist eine exzellent recherchierte Romanbiografie jener Kinder- und Jugendbuchschriftstellerin, die – wie mich - Millionen Kinder mit ihren zahlreichen Büchern, wie „Hanni und Nanni“ oder die „Fünf Freunde-Reihe“ in den 50er und 60er Jahren begeistert hat.

Bereits durch das Portrait am Cover bekommt diese Autorin, von der man eigentlich kaum etwas weiß hierzulande, ein Gesicht, und mit der Lektüre dieses Buches erhält man einen umfassenden Eindruck von ihrer Lebensgeschichte, den wichtigsten Ereignissen, die sie geprägt haben, wie aus anfänglichen Misserfolgen durch Hartnäckigkeit, Fleiß und reichlich Fantasie eine beeindruckende Laufbahn wurde und natürlich von ihren positiven und negativen Charakterzügen.

Der Schreibstil ist flüssig, die Kapitel sind eher kurz gehalten, mit Orts- und Zeitangaben versehen und schildern stets einen besonderen Lebensabschnitt, ein wichtiges Ereignis. Der Erzählstil ist sehr einfühlsam und lebendig, die Personen erscheinen authentisch, gut vorstellbar, es erscheint stets glaubhaft, dass es sich tatsächlich so abgespielt hat bzw. abgespielt haben könnte. Diesen Eindruck findet man bestätigt, wenn man das Nachwort gelesen hat und anhand der genannten Quellen den beeindruckenden Umfang der Recherchen erkennt.

Enid Blyton verfügte von Kind auf über eine schriftstellerische Begabung, doch forcierten die Eltern zunächst ihr musikalisches Talent. Sie sollte Pianistin werden wie eine ihrer Tanten. Gegen den Widerstand der Eltern, insbesondere der Mutter, die kein Verständnis für ihre fantasiebegabte Tochter aufbringt, setzt sie sich trotz vieler Absagen von Verlagen durch, ergreift zunächst den Lehrberuf und schreibt nebenbei Gedichte und Geschichten für Kinder, die immer öfter auch veröffentlicht werden.

Enid Blyton hatte ein sehr gutes Verhältnis zu ihrem Vater, der ihr in der Kindheit viel Zeit widmete und Liebe entgegenbrachte. Sie litt sehr unter der Trennung ihrer Eltern, als sie bei der strengen, sie nicht verstehenden Mutter bleiben musste. Ähnlich wie ihr Vater sie förderte und forderte, agiert später auch Enids erster, wesentlich älterer Ehemann, wohl ein Vaterersatz für sie. Mit ihm hat sie zwei Töchter, die aber eher von Nannys und im Internat erzogen werden, weil Enid sich mehr Zeit nimmt, um die Briefe fremder Kinder zu beantworten, als für ihre eigenen Kinder. Sie lebt für ihre Bücher, ihre Karriere, sie scheint ununterbrochen Geschichten im Kopf zu haben, eher in einer Fantasiewelt zu leben als in der Realität. Bis zu einem gewissen Punkt wirkt sie, als wäre sie nie erwachsen geworden. Mit Problemen will sie sich nicht konfrontieren. Sie schiebt alles von sich, was belastend ist oder sein könnte – den Tod und das Begräbnis ihres Vaters, den Tod ihres geliebten Hundes, die Probleme ihres Mannes, der deprimiert und alkoholsüchtig ist, Steuererklärungen.

Ich fand Enid Blytons Lebensgeschichte faszinierend, was ihr alles widerfahren ist, sie beeinflusst hat und zu dem Menschen gemacht hat, der sie letztlich wurde, mit liebenswerten, ebenso mit vielleicht unverständlichen Wesenszügen, fortschrittlich in manchen Gedanken und doch auch von den Konventionen der Zeit geprägt. Enid Blyton war für mich bis dato nur ein Name, ein Name, der auf Kinderbüchern stand. Nun wurde sie zu einer Persönlichkeit mit Ecken und Kanten, mit einem ganz besonderen Talent, mit Schicksalsschlägen und einem wechselvollen Leben.

Das Buch ist nicht nur für jene lesenswert, die sich vielleicht aus nostalgischen Empfindungen angesprochen fühlen, weil sie einst ihre Bücher lasen, sondern es wird rund um den Menschen Enid Blyton ein ausgezeichnetes Bild vom Leben in Großbritannien jener Zeit vermittelt.

Bewertung vom 29.09.2022
Fusco, Antonio

Schatten der Vergangenheit


sehr gut

Unschuldig unter Mordverdacht

Der Krimi „Schatten der Vergangenheit“ von Antonio Fusco ist dahingehend ungewöhnlich, als der unschuldig in Mordverdacht stehende Kommissar in eigener Sache ermittelt.

Worum geht es?
Commissario Casabona wird des Mordes am Liebhaber seiner Frau beschuldigt. Es gelingt ihm, sich der Festnahme zu entziehen und taucht unter. Bald stellt sich heraus, dass die Camorra ihre Hände im Spiel hat.

Das 230 Seiten umfassende Buch kann man locker in einem Sitz auslesen. Der Schreibstil ist flüssig, die Kapitel sind kurz gehalten. Lediglich die Vielzahl der italienischen Namen und Dienstgrade, ebenso wie die verschiedenen Mafia-Clans sind schwierig zu merken bzw. zu unterscheiden. Da wäre eine Personenliste sehr hilfreich.

Das Buch erschien 2020, spielt in der Gegenwart, vermutlich noch vor Covid19.
Das Cover mit einer typisch italienischen Ansicht stimmt auf die Lektüre ein, wobei sich der Autor in seinen Beschreibungen der Menschen und der italienischen Lebensart sehr massiv diverser Klischees bedient.

Die Geschichte beginnt wie mit einem Paukenschlag, kann aber die Spannung nicht in dieser Intensität halten. Die Perspektivenwechsel halten das Interesse aufrecht – einerseits erlebt man die Geschehnisse aus Sicht des auf der Flucht befindlichen Commissario Casabona (Ich-Erzählform), andererseits verfolgt man die Ermittlungen der Polizei (kursiv gedruckt und dadurch optisch gut unterscheidbar). Besondere Spannungsmomente oder Action gibt es nicht. Die Darstellung des italienischen Justizwesens dürfte authentisch sein, immerhin ist der Autor bei der Staatspolizei beschäftigt. Commissario Casabona wird schließlich rehabilitiert, der wahre Täter gefasst, dennoch war mir das Ende zu rasch und zu wenig detailliert abgefertigt.

Interessanterweise handelt es sich bei „Schatten der Vergangenheit“ bereits um den sechsten Band dieser in Italien sehr erfolgreichen Krimiserie, dieser wurde jedoch als erstes übersetzt. Es ist anzunehmen, dass in den Vorgängerbänden Commissario Casabona, sein Team und seine Familie ausführlicher charakterisiert wurden. In diesem Band vermisst man weitgehend Beschreibungen, Charakterzüge, auch einprägsame Äußerlichkeiten. Lediglich Casabona gewinnt an Struktur, er zeigt Gefühle und gibt so manche seiner philosophischen Gedanken preis.

Auch den Hinweis im Klappentext: „… Aber warum? Um Antworten zu erhalten, muss Casabona tief in die eigene Vergangenheit hinabsteigen. Alte Freunde entpuppen sich als Feinde, und er darf nur noch sich selbst vertrauen, wenn er den wahren Täter überführen will.“ empfand ich als irreführend, konnte ein „Hinabsteigen in die Vergangenheit“ nicht nachvollziehen. Möglicherweise müsste man auch hier die Reihe von Beginn an kennen, als Casabona noch in Neapel stationiert war.

Generell gefiel mir die Grundidee des Krimis, wie leicht es passieren kann, dass ein Mensch mit gutem Ruf, hier sogar ein anerkannter Kriminalkommissar, zum Schuldigen mutieren kann, und wie schwierig es ist, die eigene Unschuld zu beweisen. Im Nachwort erklärt auch der Autor, dass dieses Buch allen Justizopfern gewidmet sei. Der Zusammenhalt der Familie Casabonas und die Loyalität seines Teams, sowie die sympathische, aufrechte und ehrliche Ausstrahlung von Casabona waren für mich die positiven Parameter dieses Krimis.

Obwohl dieser Krimi kein Page Turner ist, fand ich den Fall interessant, den Protagonisten sympathisch und das Italien-Flair trotz aller Klischeehaftigkeit gut spürbar. Gerne würde ich Casabonas Werdegang von Anfang an bzw. auch wie es weitergeht erfahren.

Bewertung vom 28.09.2022
Panizza, Kaspar

Fischkatz


ausgezeichnet

Frau Merkel entdeckt die Ostsee

„Fischkatz“ von Kaspar Panizza ist ein humorvoller Wohlfühlkrimi, der aber im Zuge des Kriminalfalles auch ernste Themen streift.

Klappentext:
Äußerst makaber, wenn ein Toter im Englischen Garten auf Münchens Top-Attraktion, der Eisbachwelle, surft. Vor allem, wenn er mit einem Strick um den Hals am Brückengeländer hängt und wie ein Hüpfball auf der Welle reitet. Ein Highlight für Schaulustige und Touristen, ein verzwickter Fall für Kommissar Steinböck und sein Team. Die Spuren führen sowohl zu einer dubiosen Sekte als auch zu einem ungelösten Mord. Und zu all dem kommt die nervige Katze Frau Merkel, die ihre Vorliebe fürs Angeln entdeckt hat.

Der Schreibstil ist flott und flüssig, die wochentagweise Einteilung der Kapitel sehr übersichtlich. Es ist dies bereits der 7. Band dieser Reihe, für mich nach Band 6 „Gourmetkatz“ der zweite, d.h. wie Kommissar und Katze einander fanden, hat sich mir auch noch nicht erschlossen. Obwohl jeder Fall für sich abgeschlossen ist, würde ich dennoch empfehlen, mit Band 1 zu beginnen. Der Roman verfügt über eine Personenliste, die ich, auch wenn es für mich ein Wiedersehen mit bereits bekannten Protagonisten war, wiederum sehr geschätzt habe. Die Handlung spielt, abgesehen vom 30 Jahre zurückliegenden Prolog, in der Gegenwart. Das Buch erschien 2022, Corona bleibt unerwähnt.

Was das einen Regionalkrimi auszeichnende Lokalkolorit anbelangt, so ergibt sich diesmal durch Kommissar Steinböcks Abstecher an die Ostsee ein eklatanter und so manch humorvolle Szene verursachender Gegensatz. Butterbrezen versus Krabbenbrötchen, bayrischer versus sächsischer Dialekt, BMW versus Trabi, Münchner Ambiente versus stürmische Ostsee.

Die Splittung der Handlung bringt Abwechslung ins Geschehen. Einerseits beschäftigt die Ermittler der aktuelle Mordfall, andererseits steht mit diesem ein Cold Case in Verbindung. Außerdem ermittelt Kommissar Steinböck an der Ostsee, während sein Team in München den Fall weiterverfolgt. Zudem vermehren sich die Spuren und die Verdächtigen, verdichten sich die Informationen. Als Leser hat man reichlich Gelegenheit zum Miträtseln und tappt trotz so manchem Wissensvorteil gegenüber den Ermittlern bis zuletzt im Dunkeln. Die Spannung hält sich kontinuierlich, bis in einem spektakulären Showdown Motiv und Täter entlarvt werden.

Die Stamm-Protagonisten sind durchwegs sympathisch gezeichnet, mit liebenswürdigen Vorlieben und Eigenheiten; vor allem im Team Steinböck herrscht Harmonie und eine familiäre Arbeitsatmosphäre. Als besondere Menschen stechen Kommissar Emil Mayer junior als Farbiger und Rollstuhlfahrer sowie die illegal in Deutschland lebende Vietnamesin Huong hervor. Nebenfiguren sind ebenfalls gut vorstellbar beschrieben. Aber Mittelpunkt und der Star dieser Reihe ist unbestritten die Katze Frau Merkel mit ihren vorlauten, besserwisserischen, lästernden und amüsanten Kommentaren. ebenso wie ihre unverfrorene Art, sich immer in den Vordergrund zu spielen, die besten Häppchen zu ergattern.

„Fischkatz“ hat mir wieder gleichermaßen spannende und unterhaltsame Lesestunden beschert. Ich freue mich auf weitere Fälle, ich bin ein begeisterter Fan der Katze Frau Merkel.
Ein Leseempfehlung für jeden, der amüsante Krimis liebt.

Bewertung vom 26.09.2022
Anders, Marie

DIE FINNISCHE SOCKE (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Seltsame Todesursache, rätselhafte Socken

„Die finnische Socke“ von Marie Anders ist ein typischer Whodunit-Krimi, der die Leserschaft bis zum Ende im Ungewissen lässt.

Worum geht es?
Bei einem in Salzburg stattfindenden Ärztekongress werden Teilnehmer auf rätselhafte Weise ermordet. Zudem drapiert der Täter eine handgestrickte Socke auf jeweils einem der Füße des Opfers. Was bezweckt er damit? Was verbindet die Ermordeten? Wo liegt das Motiv?

Der Schreibstil ist flüssig. Die Kapitel sind angenehm kurz, lediglich nummeriert. Das Buch erschien bereits 2018, wurde überarbeitet und 2021 neu herausgebracht. Die Handlung spielt somit vor Ausbruch von Covid19. Es handelt sich um den zweiten Band der Reihe mit Inspektor Neuner als Ermittler, man kommt aber ohne Vorkenntnisse problemlos zurecht. Allerdings hätte mir ein Personenregister wegen der Vielzahl der involvierten Personen und teilweise schwer zu merkenden Namen sehr gefallen.

Der Roman lässt sich eindeutig als Regionalkrimi einordnen. Unaufdringlich, aber doch merkbar sind die Besonderheiten der Stadt Salzburg, gewisse Sehenswürdigkeiten, aber auch Kulinarisches und die gemütlichen Kaffeehäuser, ebenso wie Naturschönheiten der Umgebung mit eingebaut, inklusive etwas landesüblicher Dialekt.

Der Schwerpunkt der Handlung liegt in der mühevollen Polizeiarbeit: Befragungen, Recherchen, Besprechungen. Man ist von Anfang an im Detail involviert, verfolgt die Gedankengänge der Ermittler, rätselt mit ihnen und tappt wie diese lange im Dunkeln. Die außergewöhnliche Tötungsart fand ich sehr interessant und wissenserweiternd. Zwar mangelt es nicht an Verdächtigen, doch haben diese entweder scheinbar kein Motiv oder ein hieb- und stichfestes Alibi. So nach und nach zeichnen sich die Zusammenhänge heraus, offenbaren sich Geheimnisse, werden anfängliche Lügen und last but not least auch der Täter entlarvt. Das hält die Spannung bis zuletzt am Köcheln.

Neben dem sympathischen Inspektor und seiner Kollegenschaft agieren auch einige originelle Figuren wie das Mannweib Freja oder die schrill gekleidete Eliina. Generell sind die handelnden Personen gut vorstellbar beschrieben, wirken authentisch und lebendig. Zudem gefiel mir die harmonische Atmosphäre innerhalb des Ermittler-Teams, wo sich sogar gewisse Anzeichen von Verliebtheit ausmachen lassen.

Mir hat dieser Cosy-Krimi spannende und unterhaltsame Lesestunden beschert und Lust auf weitere Bände aus der Feder dieser Autorin gemacht.

Bewertung vom 22.09.2022
Hansen, Leo

Alsternacht


ausgezeichnet

Rätselhafte Männermorde

„Alsternacht“, der Debutroman von Autor Leo Hansen ist ein spannender Krimi mit einer komplexen Handlung.

Worum geht es?
Eine Mordserie erschüttert Hamburg. An besonderen Plätzen der Stadt deponiert der Täter die Leichen der getöteten Männer, nackt und entmannt. Der Profiler Zille engagiert zur Unterstützung der Polizei den Privatermittler Dr. Elias Hoppe und dessen Mitarbeiterin Janne Bakken. Bei den Ermordeten handelt es sich um hoch angesehene Geschäftsleute. Allerdings stellt sich bei den Ermittlungen allzu bald heraus, dass sie in zweifelhafte Geschäfte verwickelt waren.

Der Schreibstil ist flüssig, die stets nur wenige Seiten langen Kapitel sind datiert, was den chronologischen Ablauf und insbesondere die eingeschobenen Rückblicke auf das Jahr 2018 gut verdeutlicht. Das Cover ist ein gelungener Eyecatcher, eine ungewöhnliche Fotomontage des Hamburger Rathauses.

Im Mittelpunkt der Handlung stehen die Ermittlungen der Polizei, insbesondere des Trios Zille, Elias und Janne, wobei sich als zweiter Handlungsstrang ergibt, dass ein persönlicher Feind aus der Vergangenheit Janne nach dem Leben trachtet. Die Szenen- und Ortswechsel sowie die Rückblenden, offensichtlich aus Sicht des Täters, gestalten die Handlung abwechslungsreich.

Die Spannung hält sich kontinuierlich, die Handlung ist ereignis- und actionreich, zahlreiche Verdächtige und Spuren sowie das lange im Dunkeln liegende Motiv geben reichlich Gelegenheit zum Miträtseln. Es löst sich zwar alles schlüssig, die Serienmorde sind geklärt – und doch hält das Ende eine Überraschung bereit.

Die Protagonisten sind lebendig charakterisiert, mit Ecken und Kanten, mit leichtem Einblick ins Privatleben, man bekommt Einblick in Gedanken und Gefühle, ob dies eine frische Liebesbeziehung ist oder die Trauer um die sterbenskranke Großmutter; aber auch Nebenfiguren sind authentisch gezeichnet, wie z.B. eine autistische Haushälterin.

„Alsternacht“ hat mir packende Lesestunden beschert. Ich bin schon sehr neugierig, welchen interessanten Fall das Team im nächsten Band lösen muss und wie es privat mit den Protagonisten weitergeht. Ich empfehle das Buch gerne weiter!