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haberlei
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Wien
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Begeisterte Leserin von Krimis, Thrillern, Humorvollem, historischen (Frauen-)Romanen, Biografien

Bewertungen

Insgesamt 341 Bewertungen
Bewertung vom 25.07.2022
Kerwien, Bettina

Tiergarten Blues


ausgezeichnet

Ein verhängnisvolles Gutachten und seine Folgen

„Tiergarten Blues“ von Bettina Kerwien ist der mittlerweile 36. Band der Serie „Es geschah in Berlin“, wo beginnend im Jahr 1910 anhand von fiktiven Kriminalfällen die Geschichte der Stadt Berlin dokumentiert wird. Als Verfasser der Bücher agieren verschiedenen Autor*innen. Drei davon stammen von Bettina Kerwien; nach „Tot im Teufelssee“ war dies mein zweites Buch von ihr.

Worum geht es?
Rund um das historische Ereignis, den Einsturz des Daches der Kongresshalle im West-Berliner Tiergarten rankt sich diesmal der Mordfall, in dem Kommissar Kappe und sein Team zu ermitteln haben. Bei dem Opfer handelt es sich um einen amerikanischen Staatsbürger, weshalb sich Kappe mit dem Kommandanten des Amerikanischen Sektors arrangieren muss. Dabei spielen Blues und Kappes neue Kollegin eine nicht unwesentliche Rolle.

Der Schreibstil ist flüssig, manche Dialoge spritzig und humorvoll. Die zur Dokumentation der historischen Fakten und Hintergründe nötigen Passagen fand ich informativ und interessant, aber nie zu ausufernd. Der gut dosiert eingesetzte Dialekt vermittelt das Berliner Flair, die Isolation durch die Mauer ist ebenso spürbar wie die Präsenz und der Einfluss der dort stationierten Amerikaner, generell wird ein anschauliches Bild des gegensätzlichen Berliner Lebens in Ost und West gezeichnet. Natürlich schimmert neben der politischen Situation auch Typisches der 80er Jahre durch, wie der Modegeschmack.

Der fiktive Mordfall und die historischen Fakten sind sehr harmonisch ineinander verwoben. Dadurch dass das Buch im Präsens geschrieben ist, fühlt man sich mitten im Geschehen, mitten in den Ermittlungen. Der Fall ist komplexer als es anfangs scheint, weit in der Vergangenheit liegende Ereignisse spielen mit hinein. Verwirrende Spuren, rätselhafte Aktionen, unerwartete Wendungen – gestalten die Handlung spannend, da macht Miträtseln Spass, ebenso wie das überraschende Ende.

Die Charaktere fand ich gut vorstellbar beschrieben, insbesondere das sympathische polizeiliche Team ist vielseitig typisiert, die neue Kollegin bringt Schwung in die Männertruppe.

Diese Krimireihe erweitert meine Kenntnisse zur deutsche Geschichte, insbesondere der Stadt Berlin. Vieles ist für mich als Österreicherin nie wirklich präsent gewesen. Die Kombination Fakten, Wissensvermittlung und spannender Kriminalfall ist wieder ausgezeichnet gelungen. Eine interessante Reihe, ein lesenswertes Buch.

Bewertung vom 21.07.2022
Schneider, Siegfried

Der Banker


ausgezeichnet

Liebe, Geld und Macht

„Der Banker“ von Siegfried Schneider stellt einen gelungenen Auftakt zu einer neuen Krimiserie dar.

Worum geht es?
Chefinspektor Farner ist nach Meran zurückgekehrt, nachdem er längere Zeit im Ausland gearbeitet hatte. Kaum hat er seinen Dienst angetreten, ereignet sich nicht nur ein zweifelhafter Selbstmord, sondern auch ein namhafter Meraner Banker wird ermordet aufgefunden. Zu allem Überfluss muss er in diesen Fällen mit den Carabinieri zusammenarbeiten, insbesondere mit Terranostra, jenem Schulkollegen, mit dem ihn gegenseitige Abneigung verbindet.

Es handelt sich um einen typischen Whodunit-Krimi, der mit zahlreichen Spuren und Verdächtigen aufzuwarten hat. Der Schreibstil ist nicht nur flüssig, sondern verfügt zudem über lockere, humorvolle Dialoge. Das Südtiroler Flair schimmert nicht nur durch diverse Meraner Lokalitäten durch, sondern auch durch italienische Sätze und Ausdrücke, wobei ich mir gewünscht hätte, im Glossar entsprechende Übersetzungen zu finden.

Die Ermittlungen der Polizei laufen sechs Tage, vom 24. bis 29. September 2009. Die Kapitel sind mit Tag und Monat übertitelt, allerdings ohne Jahreszahl. Letztere assoziierte ich aufgrund einiger im Text erwähnter Events (Maradonna in Meran, Sieger im Meraner Pferderennen).

Die beiden Fälle – Selbstmord und Mord – scheinen zunächst nichts miteinander zu tun zu haben, doch Stück für Stück wird in mühevoller polizeilicher Kleinarbeit Beweismaterial gefunden, entwirren sich die verworrenen Fäden. Überraschende Wendungen und unerwartete Erkenntnisse halten die Spannung ebenso aufrecht wie diverse gefährliche Situationen, in die die Ermittler geraten.

Chefinspektor Farner als zentrale Figur erscheint als sympathischer Mensch, der harmonisch mit seinem Team agiert. Das Privatleben wird vorerst nur gestreift. Die schwelende Aversion lösen Terranostra und er einigermaßen professionell. Da es sich um den ersten Band der Serie handelt, gehe ich davon aus, dass sich sämtliche Charaktere erst richtig entwickeln werden. Fürs erste sind alle vorstellbar, aber noch nicht sehr eingehend beschrieben.

Für mich war „Der Banker“ ein Krimi, wie ich ihn besonders gerne mag: spannend, aber ohne grausiges Blutvergießen und man konnte ausgezeichnet miträtseln. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung!

Bewertung vom 19.07.2022
Siemer, Nicole

Es frisst!


sehr gut

Dämonische Mächte
„Es frisst“ von Nicole Siemer, laut Cover ein Psycho-Horror-Roman – da hat es mich gereizt, mal etwas außerhalb meiner Komfortzone zu lesen, laut Klappentext wurde Grusel ohne viel Blutvergießen versprochen.

Worum geht es?
Um ein glückliches Ehepaar, Inka und Peter, und ihren Sohn Elian. Aus heiterem Himmel begeht Peter Selbstmord. Ein Schock und unbegreiflich für seine Familie. So nach und nach entdeckt Inka, dass Peter ihr so einiges verschwiegen hat. Als sie übernatürliche Erscheinungen hat, beginnt sie nachzuforschen, ob ihrem Mann Ähnliches widerfahren ist. Sie begibt sich auf eine auch für ihren Sohn gefährliche Recherche.

Der Schreibstil ist flüssig, anschaulich beschreibend. Das Buch gliedert sich in drei Teile – Die Frage nach dem Warum, Recherche und Kampf zweier Geister. Die Teile gliedern sich wiederum in mit Titeln versehene Kapitel. Die Handlung spielt in der nicht näher bestimmten Gegenwart in dem fiktiven Ort Grubingen.

Die Handlung bzw. der Spannungsbogen ist exzellent aufgebaut. Ich habe mit Inka nach Peters Tod mitgelitten und bei ihren Recherchen mitgefiebert, dass es ihr gelingen möge, alles zu einem guten Ende zu führen.
Im ersten Teil erlebt man die zunächst glückliche Familie, dann den Schock des Freitods des Ehemanns und die Trauer der Familie. Die Autorin schildert sehr einfühlsam und überzeugend die Emotionen, Ängste und die quälenden Fragen, die Inka und Elian bewegen. Die Charaktere sind lebendig gezeichnet, ihre Handlungen und Reaktionen sind nachvollziehbar. Das Übernatürliche schleicht sich erst langsam in den Text ein. Dieser Teil gefiel mir am besten. Da konnte ich mich mit Inka noch einigermaßen identifizieren.

Im zweiten Teil verdichtet sich der Gruseleffekt, das Irreale und Unheimliche greift um sich, um schließlich im dritten Teil in einem dramatischen Showdown zu eskalieren. Je weiter Inka sich in diese Dämonsuche verstieg, desto weniger konnte ich ihre Aktionen nachvollziehen, tendierte ich zu realistischeren Handlungen, wie Hilfe zu suchen bei Polizei oder Ärzten. Letztlich hatte ich auch das Ende nicht so erwartet, für mich blieb einiges ungeklärt.

Es war mein erstes Buch dieser Autorin. Einer meiner seltenen Ausflüge ins Horror-Genre. Offensichtlich bin ich für Gruseleffekte und Übersinnliches nicht wirklich empfänglich. Nichtsdestotrotz sei dieses Buch all jenen empfohlen, die solche Horrorszenarien lieben. Denn vom Schriftstellerischen her ist das Buch ausgezeichnet verfasst, sowohl sprachlich, als auch vom Aufbau der Geschichte her und es war spannend.

Bewertung vom 15.07.2022
Lemark, Joseph

In der Fremde


ausgezeichnet

Einmal Polizist, immer Polizist - Vierziger kann's nicht lassen

„In der Fremde“ von Joseph Lemark ist der vierte Band der Kriminalroman-Reihe mit dem ehemaligen Kriminalbeamten Major Josef Vierziger, den es im Ruhestand nach Italien verschlagen hat.

Worum geht es?
Vierziger hat sich in Apulien, in der Nähe von Bari, niedergelassen, in einem kleinen Häuschen, lebt zurückgezogen, genießt das italienische Leben, die kulinarischen Köstlichkeiten des Landes, die Ruhe und Beschaulichkeit. Bis sich eines Tages ein schwer verletzter Afrikaner zu ihm flüchtet. Je mehr sich Vierziger mit dem Flüchtlingslager, aus dem dieser kommt, befasst, desto mehr wird er als Störfaktor seitens der dortigen Mafia empfunden. Und die ist ein gefährlicher und mächtiger Gegner.

Mir war Vierziger schon vertraut - aus Band 3 „Kollateralschaden“, seinem letzten Fall vor seiner Pensionierung. Der Roman ist problemlos ohne Kenntnis der Vorgeschichten verständlich; soweit es erforderlich erscheint, gibt es kurze erklärende Hinweise auf frühere Ereignisse.

Der Schreibstil ist flüssig. Die detaillierten Landschaftsbeschreibungen, Stimmungsbilder sowie das Miterleben von Vierzigers Alltag vermitteln das italienische Ambiente sehr anschaulich, auch das Einstreuen italienischer Wortbrocken trägt hierzu maßgeblich bei. Letzteres schätze ich an und für sich sehr, doch war es mir des Guten fast zu viel. Das häufige Blättern zum Glossar störte meinen Lesefluss schon etwas. Die Kapitel sind angenehm kurz, lediglich durchnummeriert, ohne Orts- oder Zeitangaben. Die Handlung des 2021 erschienen Romans spielt in der Gegenwart, Corona bleibt unerwähnt.

Auf den ersten Blick scheint alles klar umrissen, Vierzigers Alltag ist überschaubar, Routine. Doch je mehr er nachforscht, desto komplexer entpuppt sich die Handlung, offenbart sich das weit gefächerte Spektrum an Kriminalität in Italien, das Netzwerk der Mafia, deren Machenschaften Drogen- und Menschenhandel, Schutzgelderpressung u.v.a.m. umfassen. Die Spannung steigert sich von Kapitel zu Kapitel, Perspektivenwechsel zu den Tätern, zu den brutalen Verbrechen, beleben die Handlung, bieten Stoff zum Miträtseln. Vierziger bewegt sich auf gefährlichem Terrain. Seine Recherchen sind riskant, Zwischenfälle mit drastischen Folgen sind unausweichlich, aber sie führen auch zum Ziel, zur Lösung aller letztlich irgendwie zusammenhängenden Fälle. Mit Überraschungseffekt.

Es ist der Charakter von Josef Vierziger, der für mich diese Reihe so sympathisch macht. Er wirkt so menschlich, geerdet, hilfsbereit und vom Drang, das Böse, wenn schon nicht auszurotten, so wenigstens einzubremsen, beseelt. Ohne Rücksicht auf sich selbst. Einmal Polizist, immer Polizist. Er kann über Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Illegales nicht hinwegsehen, als ging es ihn das nichts an. Er ist kein Superheld, aber ein routinierter Ermittler. Vielleicht ein wenig zu risikobereit, fast leichtsinnig in seinen Aktionen. Er verfügt über eine gewissen Anziehungskraft auf Frauen, ist aber kein Draufgänger, eher ein Romantiker. Noch dazu kann er ausgezeichnet kochen, da würde man gerne mit am Tisch sitzen. Auf jeden Fall macht das Lesen dieses Buches Appetit. Die übrigen Personen sind ebenfalls gut vorstellbar gezeichnet.

Mir hat dieser kriminelle Ausflug ins Bella Italia sehr gut gefallen. Joseph Lemark zeigt Italien von einer Seite, mit der man als bloßer Urlauber nicht konfrontiert wird. Auch wenn die dunkle Seite im Roman vorzuherrschen scheint, spürt man – betrachtet man Land und Leute mit den Augen Josef Vierzigers - die Schönheit Italiens und eine gewisse Leichtigkeit des Seins. Man bekommt Sehnsucht nach Sonne, Sand und Meer. Ich fand das gut ausgewogen. Ich freue mich schon auf Vierzigers nächsten Fall: Band 5 „Vermisst“.

Bewertung vom 11.07.2022
Gungl, Petra K.

Diabolischer Engel


ausgezeichnet

Ein Wolf im Schafspelz

„Diabolischer Engel“ von Petra K. Gungl ist ein Spannungsroman, trotz Tötungsdelikt kein typischer Kriminalroman; Mystik und historisches Ambiente spielen mit hinein.

Worum geht es?
Agnes nimmt an einem Meditationsseminar in Reichenau an der Rax teil. Starke Unwetter führen zu Murenabgängen, sodass der Ort für Tage von der Außenwelt abgeschnitten ist. Als ein Mitglied der Gruppe stirbt, wird bald klar, dass ein Mörder unter ihnen weilt. Agnes‘ Gefühlswelt wird noch zusätzlich durch die unerwartete Anwesenheit ihres Ex-Freunds, ihrer großen Liebe, durcheinander gerüttelt. Hat ihre Liebe doch noch eine Chance?

Obwohl es sich bei „Diabolischer Engel“ um den dritten Band einer Trilogie handelt, hatte ich kein Problem, in die Geschichte hineinzufinden. Die Andeutungen auf die Vorgängerbände haben mich aber neugierig gemacht. Ich will „Diabolische List“ und „Diabolisches Spiel“ unbedingt nachlesen. Am optimalsten ist, die drei Bände in der richtigen Reihenfolge zu lesen.

Der Schreibstil der Autorin ist flüssig, besticht insbesondere durch sehr anschauliche, eindrucksvolle Stimmungsbilder und eingehende Beschreibungen, sowohl von Naturerscheinungen als auch des Seminarablaufes, der verschiedenen Charaktere und Spannungen zwischen den Teilnehmern, sowie der Atmosphäre im historischen Part. Die Kapitel sind kurz gehalten, geben auch einen chronologischen Überblick.

Dadurch, dass Agnes über eine besondere Gabe verfügt, Visionen hat, ergibt sich neben den Ereignissen während des Seminars noch eine zweite Handlungsebene. Nämlich Agnes‘ Albträume, in denen sie einen ähnlich gelagerten Mordfall, der sich im 19. Jahrhundert im nahen Schloss Hinterleiten ereignet hat, durchlebt. Daraus ergeben sich auch Parallelen zur Gegenwart. Der Wechsel zwischen historischer und aktueller Mördersuche belebt den Handlungsablauf und gibt zudem doppelt die Möglichkeit des Miträtselns. Verdächtige Personen gibt es da und dort reichlich.

Vom Prolog bis zum dramatischen Showdown wird die Spannung ständig am Köcheln gehalten - durch unerwartete Ereignisse, Zwischenfälle, unheimliche Momente und gefährliche Situationen, in die die Protagonisten geraten.

Es ist eine bunt gewürfelte Teilnehmerschar. Ihre grundverschiedenen Charaktere sind exzellent dargestellt. Stärken und Schwächen sind erkennbar, sowie die gesamte Skala der menschlichen Gefühle: Sympathien, Abneigungen, Divergenzen, Ängste, Neidgefühle und Eifersucht, aber auch Zuneigung, Vertrauen, Empathie und aufheiternder Humor.

Es war für mich reinstes Lesevergnügen, gab es doch alles, was ich an spannender Literatur so schätze: einen lebendigen Erzählstil, eine abwechslungsreiche fesselnde Handlung, Action und Gefahrenmomente, sympathische Protagonisten mit spürbaren Gefühlen und das Ganze garniert mit Liebe und einem Schuss Humor. Last but not least habe ich auch mein Wissen erweitert. Denn mit Meditation habe ich mich bislang noch nie beschäftigt, ich gewann etwas Einblick in die Atmosphäre solcher Veranstaltungen und habe allerlei Fachausdrücke aufgeschnappt.

Bewertung vom 27.06.2022
Neuwirth, Günter

Caffè in Triest


ausgezeichnet

Historisches Ambiente mit kriminellen Liebesturbulenzen

„Caffè in Triest“ von Günter Neuwirth ist ein exzellent recherchierter historischer Roman, der Spannung und Action mit allerlei Wissenswertem über die damalige Zeit, u.a. über den Kaffeehandel, technische Fortschritte sowie gesellschaftspolitische Tendenzen, zu einem harmonischen Ganzen verbindet. Liebesglück und Liebesleid mit eingeschlossen.

Kurz zum Inhalt:
Triest im Jahre 1907. Der Slowene Jure konnte sich aus einfachen Verhältnissen zum Kaffeeimporteur hinaufarbeiten. Er wirbt um die Tochter eines Triester Großhändlers, wodurch er sich den Hass eines Rivalen, des gebürtigen Italieners Dario zuzieht. Daraus entwickelt sich ein slowenisch-italienischer Bandenkrieg, dem Inspector Bruno Zabini rasch ein Ende setzen muss. Immerhin wird Erzherzog Franz Ferdinand in Triest erwartet. Doch Bruno beschäftigen nicht nur berufliche Turbulenzen.

Da ich bereits „Dampfer ab Triest“, den ersten Teil dieser Trilogie, gelesen hatte, tauchte ich nach wenigen Zeilen wieder ins Triester Leben zu jener Zeit ein, in die Stimmung am Hafen, in das geschäftige Treiben. Ich fand mich ohne weiteres wieder in Brunos beruflichem und privatem Umfeld zurecht. Ich denke, dass auch Neueinsteiger problemlos in die Story hineinfinden, wobei das umfangreiche Personenverzeichnis sich bestimmt als sehr hilfreich erweist.

Wieder begeisterte mich in erster Linie, wie anschaulich es dem Autor gelingt, das historische Ambiente hervorzuzaubern. Von den Beschreibungen der Stadt, des Hafens angefangen über die Erwähnung von neu aufkommenden Dingen, wie z.B. Armbanduhren für Herren, technische Errungenschaften wie Serienfertigung im Schiffsbau oder der Einsatz von Schreibmaschinen, über damalige Gepflogenheiten, wie z.B. dass es ungewöhnlich war, wenn eine Frau alleine in ein Kaffeehaus ging, bis zur Erwähnung von tatsächlich zu jener Zeit in Triest lebenden historischen Persönlichkeiten wie James Joyce oder Ettore Schmitz und Hinweis auf politische Strömungen.

Der Schreibstil ist flüssig, durch Austriazismen, italienische und antiquierte Ausdrücke sprachlich der damaligen Zeit angepasst. Die Kapitel haben eine angenehme Länge und sind datiert. Sehr gelungen finde ich das Cover mit einer historischen Ansicht des Triester Hafens.

Teils werden die Geschehnisse aus Brunos Sicht berichtet, teils aus Sicht der Täter, teils aus Sicht des Opfers oder anderer Personen. Auf diese Art und Weise ist man als Leser einerseits Zeuge des Tathergangs, andererseits aber Beobachter der polizeilichen Ermittlungen, wobei man stets über einen Wissensvorsprung gegenüber Bruno und seinem Team verfügt. Durch die Perspektivenwechsel gestaltet sich die Handlung sehr abwechslungs- und aufschlussreich. Es offenbaren sich die Gedankengänge aller und deren Motivation, das soziale Umfeld und letztlich der Charakter der handelnden Personen, wodurch sie lebendig und authentisch wirken. In gewissem Sinn steht eigentlich nicht der Mordfall im Mittelpunkt des Romans, sondern die Schilderung des Gesellschaftsbildes dieser Zeit und die agierenden Persönlichkeiten.

Die Turbulenzen im Privatleben von Inspector Bruno Zabini könnte man fast als zweiten Handlungsstrang bezeichnen. Bruno ist ein vorbildlicher, blitzgescheiter, der neusten Technik gegenüber aufgeschlossener Ermittler, ein sympathischer Mensch, aber er hat einen Schwachpunkt: sein nicht ganz untadeliges Liebesleben. Als seine Affäre mit einer der beiden verheirateten Frauen auffliegt, zeigt er sich charakterfest und verantwortungsbewusst, ohne Rücksicht auf seine eigene Karriere.

„Caffè in Triest“ hat mich ebenso begeistert wie „Dampfer ab Triest“. Ich freue mich schon auf den dritten Teil. Ich bin nicht nur gespannt auf den nächsten Kriminalfall, sondern auch neugierig, wie sich Bruno Zabinis weiterer Lebensweg gestalten wird.
Eine wirklich empfehlenswerte Lektüre!

Bewertung vom 25.06.2022
Winger, Luc

Mord bei Anruf


ausgezeichnet

Der Kalte Krieg - Lucies Familie in Gefahr

„Mord bei Anruf – Aude et Sophie“ von Luc Winger ist bereits der 15. Band der Krimiserie mit der sympathischen und cleveren Kommissarin Lucie Girard. Es ist dies eine meiner Lieblingsserien – Wohlfühlkrimis mit französischem Flair und 70er Jahre Ambiente.

Worum geht es?
Vor drei Jahren haben Lucie und Patric zu ihrer eigenen Tochter Aude die gleichaltrige Sophie als Pflegekind bei sich aufgenommen, da deren Mutter sich in ihrer Tätigkeit als Agentin für den israelischen Geheimdienst nicht um ihr Kind kümmern konnte. Überraschend taucht sie nun auf und fordert Kontakt zu ihrer Tochter und wird kurz darauf ermordet. Commissaire Lucie Girard und ihre Familie werden zur Zielscheibe von feindlichen Agenten.

Als Fan dieser Serie fühlte ich mich natürlich sofort wieder heimisch in Lucies Umfeld, ich bin jedoch überzeugt, dass man auch als Quereinsteiger kein Problem damit hat, in die Story hineinzufinden. Die wesentlichsten Fakten aus früheren Bänden finden sich hier wieder. Im Prinzip steht jeder Band für sich alleine. Will man jedoch den roten Faden, die Entwicklung der Protagonisten, nachvollziehen, empfiehlt es sich, von Anfang an zu beginnen.

Das Besondere an dieser Reihe ist die harmonische Verbindung von spannenden Kriminalfällen, die sich jeweils in einem anderen Umfeld (Models, Rennfahrer, Literatur- oder Kunstszene, am Tenniscourt oder im Casino, usw.) ereignen, und dem teils recht turbulenten Familienleben der Kommissarin. Reizvoll für mich ist auch die Zeitepoche der Handlung: die 70er Jahre, wo Internet, Handys und Technik generell keine Rolle spielen, sondern alleine die Kombinationsgabe, der Einfallsreichtum und die Aktionen der Ermittlerin zur Lösung des Falles führen.

Der Schreibstil ist flüssig, da fliegen die Seiten nur so dahin. Das französische Flair ergibt sich aus gut dosierten (und stets übersetzten) französischen Dialogen und Beschreibungen des Umfelds. Die Kapitel sind kurz, mit Orts- oder Zeitangaben versehen.

Bereits im Prolog wird man auf das Leben eines Agenten eingestimmt, der sich stets beobachtet fühlt, immer in Gefahr schwebt, entlarvt zu werden. Ab dem Auftauchen von Sophies Mutter läuft die Agentenstory auf vollen Touren, ereignisreich reißt die Spannung nicht ab, steigert sich von Kapitel zu Kapitel bis zum dramatischen, actionreichen Showdown. Frappierend an der Handlung aus den 70er Jahren, zur Zeit des Kalten Krieges, empfand ich die Aktualität, die sich durch den Ausbruch des Krieges in der Ukraine ergibt – das Buch wurde aber bereits einige Zeit davor geschrieben.

Lucie Girard zeigt wiederum Charakterstärke, Zielstrebigkeit, Mut und kreative Strategie. Auch die übrigen Akteure sind anschaulich charakterisiert, sie zeigen Gefühle, wirken lebendig, agieren wie im echten Leben manchmal auch unlogisch und unvernünftig. Selbst die hartgesottenen Agenten zeigen menschliche Züge – passend zu einem Cosy-Krimi.

Mit „Mord bei Anruf“ ist dem Autor ein fesselnder Krimi mit Agentenatmosphäre gelungen, in dem die Ermittlerin nicht nur von Berufs wegen, sondern vor allem persönlich emotional gefordert im Mittelpunkt steht und wiederum alle ihre Fans begeistert. Mit Vorfreude sehe ich weiteren Abenteuern von Lucie entgegen.

Bewertung vom 13.06.2022
Ewald, karina

Bitterwasser


ausgezeichnet

Bibliothekarin auf Mördersuche

„Bitterwasser“ von Karina Ewald ist ein Wohlfühlkrimi par excellence. Unblutig, liebenswert und eine Hommage an Bad Gastein.

Worum geht es?
Die deutsche Literaturwissenschaftlerin Carolin Halbach übernimmt in Bad Gastein die Stelle der Bibliotheksleiterin im neu gegründeten Kulturhaus. Nicht nur, dass sie bald feststellen muss, dass es auch Gegner dieses Kulturzentrums gibt und dass ihr nicht alle wohlwollend gesinnt sind, stören auch noch diverse Sabotageakte die Fertigstellung des Bauprojekts. Zu allem Überfluss stirbt während der Eröffnungsfeier der Bibliothek ein Gast an einer Vergiftung. Als begeisterter Krimi-Fan kann Carolin nicht der Versuchung widerstehen, sich in die polizeilichen Ermittlungen einzumischen – wie Miss Marple eben.

Der Schreibstil ist nicht nur locker und flüssig, sondern besticht sprachlich durch die gekonnte Differenzierung – die Deutsche Carolin spricht bzw. denkt auf Hochdeutsch, die Gasteiner sprechen Salzburger Dialekt. Dadurch entsteht Lebendigkeit und es wirkt authentisch. Der Krimi ist in kurze Kapitel untergliedert, mit Überschriften, die an Titel von Agatha Christie-Romanen erinnern. Die Handlung spielt in der Gegenwart; Corona wird ganz dezent erwähnt.

Das Cover zeigt ein typisches Motiv von Bad Gastein mit dem Wasserfall im Vordergrund. Auf der Innenseite des Umschlags befindet sich eine Skizze jener Wegstrecken, die Carolin bei ihren Erkundigungen zurücklegt. Der Ort, die Landschaft und die Atmosphäre von Bad Gastein wird so eingehend und anschaulich beschrieben, dass man den Eindruck bekommt, anhand des Buches könnte man sich problemlos dort zurechtfinden. Nicht nur die beeindruckenden Naturschönheiten machen Lust, dorthin zu fahren, auch die Bewohner wirken gastfreundlich und die kulinarischen Köstlichkeiten verlockend. Die Protagonisten sind durchwegs sympathisch dargestellt, lebendig und echt.

Bereits der kryptische Prolog macht neugierig – wer plant hier, wen zu ermorden? Die Spannung wird mit diversen Vorkommnissen am Köcheln gehalten. Nicht nur Carolin gerät in gefährliche Situationen. So mancher verhält sich verdächtig, die Polizei verfolgt zunächst auch eine falsche Spur. Bis sich letztlich alles doch einigermaßen überraschend klärt, gibt es genug Stoff zum Miträtseln.

„Bitterwasser“ hat mir spannend-vergnügliche Lesestunden beschert, mich in Urlaubsstimmung versetzt und Reiselust geweckt – und Lust auf mehr Fälle mit Carolin à la Miss Marple gemacht.

Bewertung vom 11.06.2022
Pukowski, Kerstin

Inch Beach - Der vergessene Ort


sehr gut

„Inch Beach – Der vergessene Ort“ war mein erstes Buch von Kerstin Pukowski. Als Irland-Fan hat mich das Buch gereizt.

Klappentext:
Als eine gute Freundin bei einem tödlichen Autounfall verstirbt, reist Ella zur Beerdigung nach Deutschland. Der traurige Anlass führt sie nicht nur in ihre alte Heimat zurück, sondern zu alten Freunden. Ein Wiedersehen, bei dem der Wunsch entsteht, Ella auf der grünen Insel zu besuchen. Sie ahnt nicht, dass dieses Treffen sie in längst vergessene Zeiten zurückführen wird. Erst als am Inch Beach ein Toter gefunden wird, erkennt sie zu spät, dass die Schatten der Vergangenheit Irland bereits erreicht haben und sie einzuholen scheinen.

Aufgrund des Klappentextes erwartete ich einen Krimi mit Irland-Flair. Überraschenderweise beginnt das Buch nicht nur mit einem stimmungsvollen irischen Landschaftsbild, sondern man taucht zunächst in die Beziehungskrise zwischen Ella und Ryan ein, sodass man sich anfangs in einer, wenn auch sehr gefühlvoll beschriebenen Liebesgeschichte wähnt – wohl etwas irritierend für manchen Krimifan. Bis es zu einem fatalen Unfall kommt. Oder ist es Mord?

Besonders schockierend liest sich (nach ca. 100 Seiten) der zweite Handlungsstrang, der ins Jahr 1988 zurück führt. Aus Sicht des Täters. Zu Missbrauch einer Jugendlichen.

Durch den stetigen Wechsel zwischen den Geschehnissen in der Gegenwart, Ellas Nachforschungen, und jenen folgenschweren Taten vor zwei Jahrzehnten lässt die Spannung nie nach. Im Gegenteil, je mehr rätselhafte Aspekte zutage kommen, desto interessanter wird die Handlung, desto verwirrender wird es - bis es letztlich Ella und Ryan gelingt, nicht nur das aktuelle Verbrechen, sondern auch den Cold Case aufzuklären.

Der Schreibstil ist flüssig, passt sich facettenreich der jeweiligen Situation an. Gefühlvoll, romantisch und liebevoll ist der Umgang der beiden Protagonisten miteinander (wobei die ständigen Anreden „mein Herz“ bzw. „mein Engel“ speziell für einen Krimi etwas zu übertrieben wirken), die irische Landschaft wird anschaulich beschrieben, in ihrer rauen Schönheit, und die verstörenden Szenen aus Tätersicht sind zwar bedrückend und erschreckend, aber relativ dezent beschrieben, arten also nicht zu detailliert ins Perverse aus.

Die Wesenszüge von Ella und Ryan, dem sympathischen Ehepaar, sind gut herausgearbeitet, ihre tiefe Zuneigung zueinander, aber auch ihre gegensätzlichen Eigenschaften – Ella, die impulsiv, unbedacht handelt, Ryan, der ruhende und vernünftigere Pol. Im Handlungsstrang der Gegenwart steht Ella im Mittelpunkt, aus ihrer Sicht werden die Vorkommnisse geschildert. Daher kann man ihre Gefühle, ihre Gedanken und Überlegungen nachvollziehen. Die weiteren handelnden Personen sind ausreichend beschrieben, um sie sich annähernd vorstellen zu können.

Die Landschaftsbeschreibungen erzeugen lebendige Bilder von Irland, ob von malerischen Häusern, weitläufigen Wiesen und Feldern, Sandstränden oder dem stürmischen Atlantik. Ich konnte mir allerdings die Entfernungen der genannten Orte (Inch Beach, Killarney; Kilkenny und Dublin), die Strecken, die Ella per Auto zurücklegt, nicht gut vorstellen. Eine Landkarte wäre da sehr hilfreich gewesen.

Mir gefiel „Inch Beach – Der vergessene Ort“ im Großen und Ganzen recht gut. Insbesondere mochte ich das Ermittler-Duo und bin durchaus an weiteren Fällen der beiden interessiert. Da aber manche Menschen die Thematik des Kindermissbrauchs grundsätzlich abschreckt, würde ich anregen, am Klappentext (ohne zu spoilern) einen Warnhinweis zu geben. Im Übrigen hat das mangelhafte Lektorat bzw. Korrektorat mein Lesevergnügen etwas getrübt. Daher vergebe ich nur 4 von 5 Sternen.