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Buchstabenpoesie
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Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 24 Bewertungen
Bewertung vom 15.09.2023
Henn, Carsten Sebastian

Die Butterbrotbriefe


sehr gut

Mein erstes Buch des Autors Carsten Henns hat mich unterhalten und zugleich zum Nachdenken anregen können. Zwischen emotionalen und tieferrührenden Aspekten traten immer wieder humorvolle Szenen in den Vordergrund und führten mit etwas Leichtigkeit durch die Seiten.
Kati hält auf Butterbrotpapier geschriebene Worte an Menschen fest, denen sie noch etwas mitgeben möchte. Dabei kann es sich einerseits um positive Erlebnisse handeln und andererseits um negatives. Gleichzeitig kommt sie zunehmend ihrer Familiengeschichte auf die Schliche und erfährt Dinge, die ihr lange Zeit verheimlicht wurden. Durch eine Fügung des Schckisals lernt sie zu diesem Zeitpunkt Severin kennen, der seine ganz eigenen Familiengeschichte mit sich bringt. Beide lernen wir m. E. nur oberflächlich kennen. Ich konnte wenig mitschwingen und eine Bindung zu ihnen aufbauen. Vor allem von Severin hatte ich mir großes versprochen und insgesamt etwas mehr Pathos. Die Beziehung der beiden konnte ich wenig nachvollziehen. Ich hätte mir etwas mehr Empathie vonseiten Katis gegenüber Severins Vergangenheit gewünscht, zumal ich keinerlei Überlappungen mit ihrer Vergangenheit erkennen konnte. Die Emotionalität kam mir an einigen Stellen zur kurz und auch die Handlung an sich wirkte zu konstruiert.
Der Schreibstil des Autors war dennoch angenehm und schön zu lesen. Ebenjener ist leicht, kreativ und warmherzig.
Ein schönes Buch mit viel Potential, welches mit ein paar Seiten mehr weiter ausgeschöpft hätte werden können.

Ein warmherziges und kurzweiliges Buch, das zwischen einigen für mich zu stark konstruierten Handlungen dennoch zum Nachdenken anregt.

Bewertung vom 01.09.2023
Pollatschek, Nele

Kleine Probleme


ausgezeichnet

„Wenn es hart auf hart kommt, kann man alles schaffen, aber meistens kommt es weich auf weich, und da bleibt man besser liegen" (S. 63).
Dieses Buch hingegen sollte nicht liegen bleiben, es sollte gelesen und gefühlt werden und vor allem die Lesenden in ihrem Alltag abholen.
Nele Pollatschek nimmt uns mit zu 31. Dezember in den Alltag von Lars und schildert dabei, wie erfüllt das Leben ist und dies von uns oftmals doch nicht erkannt wird. Immer unter Druck zu stehen, etwas machen zu müssen, sich den Erwartungen der Gesellschaft anzupassen, das Leben sukzessive aufzuschieben und es nur noch in To-Do Listen zu verpacken - aus kleinen Problemen entstehen stetig größere.
Dabei ist das Datum dieser Handlung nicht zufällig gewählt. Wer kennt ihn nicht, den nieseligen 31. Dezember - ein Tag voller Abschied und Neuanfang, von großen Erwartungen und der Hoffnung, dass ab 24:00 Uhr mit einem Mal alles besser sein soll, dass sich von einer Sekunde auf die andere alles ändert, man ein besserer Mensch ist, der ohne Altlasten das neue Jahr beschreiten kann.
Das Cover steht meines Erachtens sinnbildlich für den Spagat im Leben. Immerzu mit einem Bein auf dem Boden bleiben, nicht abheben dürfen, seine Träume aufgrund zu vieler Erwartungen nicht erfüllen können, aber gedanklich schon deutlich weiter weg. Das schwarze Cover mit dem grauen Nieselregen, welches den tristen Alltag darstellt, von dem man viel zu häufig eingeholt wird. Dabei sollte aus dem grauen Fischreiher doch endlich ein rosa Flamingo werden.
Der Schreibstil ist genau so witzig, klug und einfallsreich wie der Protagonist selbst. Philosophische Gedankengänge tragen durch das Buch und Gegenstände wie Schrauben, Ordnung und Regen bekommen neben gesellschaftskritischen Aspekten eine ganz neue Bedeutung. Auf fast jeder Seite befinden sich herrliche Zitate, Post It’s sollten also bereitliegen. Dieses Buch lädt ein, den Protagonisten mit Mitgefühl zu betrachten, mit ihm in Resonanz zu treten und das Leben selber etwas mehr mit einem Lächeln zu beschreiten.

Ein Buch voller Klugheit, Witz und philosophischen Textpassagen. Ein Hommage an die Ordnung, die vielen kleinen (Neu)Anfänge und den Alltag, der häufig viel zu grau erscheint. Dieses Buch ist ein wahrer Goldschatz. Danke, Nele Pollatschek, für diese wundervollen Sätze!
„Ein paar Tage später sah es natürlich wieder ganz genauso aus, und Johanna sagte du solltest echt mal lernen, Ordnung zu halten, und ich sagte, dass ich nicht mal im Ansatz wüsste, was das überhaupt bedeuten solle, Ordnung halten, einen schweren Stapel Bücher könne man halten, einen Hund oder meinetwegen ein Fahrzeug, manchmal besser den Mund, aber Ordnung, die rinnt einem doch sofort durch die Finger" (S. 49).

Bewertung vom 14.08.2023
Newman, Catherine

Und wir tanzen, und wir fallen


sehr gut

„Ich kann auf niemanden verzichten, das denke ich immer. Aber irgendwann muss man dann auf Menschen verzichten. Das ist die Voraussetzung des Lebens, der Zeit, die wir miteinander haben“ (S. 250)

„Und wir tanzen und wir fallen“ - ein Buch, welches auch beim Zuschlagen noch lange nachhallt. Wer einen geliebten Menschen hat loslassen müssen, der weiß, wie sich Trauer anfühlt und kann bestätigen, dass die Welt danach nicht mehr dieselbe ist. Auch für Ash und ihren Bekanntenkreis wird es das bald nicht mehr sein, denn ihre beste Freundin Edi liegt im Hospiz und hinterlässt nicht nur Familie und Freunde, sondern auch zahlreiche Erinnerungen. Doch bevor Edi stirbt, zehrt sie von den Besuchen ihrer Freunde und Familie, dem Pflegeperson des Hospizes und dem leckeren Kuchen, den sie schon so lange wieder einmal essen wollte.
Dieses Buch ist warm und gefühlvoll wie eine kuschelige Decke und gleichzeitig so humorvoll und leicht geschrieben, dass wir hier zwei wunderbare Parallelen haben, die sich ergänzen und beinahe rhythmisch ablaufen. Catherine Newmann ist es gelungen, einen Roman zu schreiben, der sowohl aus humoristischen Aspekten als auch aus traurigen Momenten immer wieder im positiven Sinne auf die Tränendrüsen drück. Dabei vermittelt sie eine Message, die sie nicht besser hätte ausdrücken können: Das Leben bejahen, es so nehmen und leben wie es ist und die Zeit, die einem bleibt, genießen. Hierbei nimmt sie vor allem Bezug auf die Handlung um Ash und ihren noch Ehemann Honey. Ash findet mit jeder Seite vermehrt zu sich selber und muss dafür Edi etwas weiter loslassen. Daneben findet die Autorin die richtigen Worte und stellt die Ambivalenz zwischen Leben und Tod gefühlvoll dar. Alles wirkt so lebendig in einer Welt, die eigentlich grau und trist sein müsste.
So zart und berührend wie die Handlung sich darstellt, ist auch das Cover. Es spiegelt die Zerbrechlichkeit und Einsamkeit wieder, die mit der Trauer einhergeht. Dies spiegelt auch die Getränkedose wider, die so hart und robust wirkt und in ebenjener befindet sich eine Blume, die Fröhlichkeit, Lebendigkeit und Sanftmut darstellt. Damit steht sie sinnbildlich für die Freundschaft der beiden Frauen, die ihre Freundschaft immer wieder durchleben. Stets mit dem Gedanken daran, dass es das letzte gesprochen Wort gewesen sein könnte, die letzte Berührung, die letzte Erinnerung.

„Ist es wirklich besser, jemanden geliebt und verloren zu haben? Fragt man jemanden, der trauert, wird er es verneinen. Und trotzdem. Da sind wir, stürzen uns Halb über Kopf in die Liebe, wie Lemminge von einer Klippe in ein tosendes Meer der Trauer. Für eine Erweiterung unserer Herzens gehen wir jedes Risiko ein, auch dann, wenn dieses erweiterte Herz droht, uns zu erdrücken und dann zu brechen“ (S. 300).

Bewertung vom 07.08.2023
Strobel, Arno

Der Trip - Du hast dich frei gefühlt. Bis er dich fand.


sehr gut

*Beschreibung*
Bei Arno Strobel bekommen Lesende von Psychothrillern genau das, was sie sich wünschen: Eine sukzessiv zunehmende Spannung, interessante Nebenhandlungen mit etwas Ermittlungsarbeiten und einem kleinen Einblick in die Polizeiarbeit, sympathische Protagonisten und vor allem eine Handlung die „realitätsnah" und weitestgehend logisch erscheint.
Auch in „Der Trip“ schreibt der Autor wieder flüssig und voller Spannung. Es fließen tolle Schilderungen zu den Szenerien ein, wir werden Teil der Ermittlungsarbeiten und der Gedanken unserer Protagonistin Evelyn Jancke. Daneben werden wir Zeugen ihrer Gefühlswelt und können nachempfinden, wie ausgebrannt die Hauptcharakterin aufgrund des Verlustes ihres Bruders ist und wie sehr sie sich dadurch an jeden Strohhalm klammert, der sie näher an ihren vermissten Bruder heran führt. Daneben treten weitere Charaktere auf, die alle etwas eigenartig erscheinen und immer wieder kommt das Empfinden auf, dass vielleicht einer von ihnen etwas mit den Morden von Urlaubern zu tun hat und damit für zusätzlichen Nervenkitzel sorgt.
Parallel dazu verfolgen wir in kurzen Kapiteln und knapp geschildert die Gedanken und Taten unseres Täters. Wann werden die beiden aufeinander treffen, wird es überhaupt passieren, wer steckt hinter dem Täter? Viele Fragen auf die wir am Ende des Buches und nach zahlreichen geschickt eingebundenen red herrings Antworten erhalten.
Vielleicht nicht das stärkste Buch des Autoren und diesmal komplett frei von jeglichen digitalen Medien, aber dennoch wieder ein toller Psychothriller, den man gelesen haben muss und dennoch eine Thematik enthält, bei der man am Ende schlucken muss!

*Fazit*
Arno Strobel hat es auch mit seinem neusten Psychothriller wieder geschafft, einen Pageturner zu schreiben, der sich aufgrund seiner Vielzahl von red herrings in null Komma nichts weglesen ließ. Bis zum Ende bleiben die Lesenden über den Ausgang der Handlung im Unklaren und die Spannungskurve steigt in die Höhe.