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Alais

Bewertungen

Insgesamt 184 Bewertungen
Bewertung vom 02.06.2023
Schreibwelten
Johnson, Alex

Schreibwelten


ausgezeichnet

Ein wundervolles Buch zum Stöbern für Kunst- und Literaturfans, farbenfroh illustriert und mit vielen amüsanten Trivia!
Das ist ein Buch, das ich mir aufgrund seiner stimmungsvollen Farben und Zeichnungen von James Oses und der kurzen Kapitel zu den Arbeitsumgebungen verschiedener Schriftsteller:innen, die voller amüsanter Details sind und zum Zwischendurch-immer-wieder-ein-bisschen-darin-stöbern einladen, griffbereit ins Regal gestellt habe, um immer wieder passend zur jeweiligen Lektüre das eine oder andere Kapitel nachlesen zu können.
Ausgewählt wurden Schriftsteller:innen verschiedener Epochen, hauptsächlich aus englischsprachigen Ländern, aber auch aus Frankreich, Russland, Japan und Schweden. Eine solche Auswahl kann natürlich nur subjektiv und abhängig von den Erfahrungswelten des Verfassers sein, dennoch: Noch schöner wäre eine größere Vielfalt der Länder und Kulturen gewesen. Dafür scheinen Alex Johnson und ich ähnliche Leseerfahrungen zu haben und ich war sehr glücklich, darin erstaunlich viele meiner Lieblingsschriftsteller:innen wie Jane Austen, Agatha Christie und Astrid Lindgren (und auch einige von mir weniger geliebte, aber trotzdem für mich sehr interessante Persönlichkeiten wie Balzac oder Stephen King) wiederzufinden und einen ungewohnten Einblick in ihr Leben zu erhaschen. Kleine Exkurse zu verschiedenen Schwerpunktthemen, beispielsweise zu tierischen Hausgenossen und Kaffeehäusern, lockern die Kapitelordnung auf und zugleich schlagen sie Brücken zwischen verschiedenen Schreibwelten.
Der Ansatz dieses Buches hat etwas wohlig Voyeuristisches. Es sind zwar hauptsächlich Trivia, die man erfährt, aber ich fühlte mich gut unterhalten; es brachte mich den Autoren und Autorinnen näher, schenkte mir einen neuen Blick auf die Personen hinter vertrauten Werken und machte mich neugierig auf mir bisher unbekannte Werke. Der Schreibstil ist schnörkellos, zwischen den Zeilen ist manchmal ein kleines Augenzwinkern, immer aber auch Respekt für die schreibende Zunft zu spüren. Ich hatte das Gefühl, dass das Buch das Ergebnis einer mit viel Liebe und Sorgfalt durchgeführten gründlichen Recherchearbeit ist. Wer am Ende gerne höchstpersönlich in die vorgestellten Arbeitsumgebungen eintauchen möchte, findet auf den Seiten 186 und 187 hilfreiche "Besucherinformationen", wo es, beispielsweise im Rahmen eines Museums, heute noch möglich ist.
Ein rundum gelungenes Buch, das ich, obwohl es um Arbeitswelten geht, herrlich entspannend und unterhaltsam fand.

Bewertung vom 28.04.2023
Lebendige Nacht
Kimmig, Sophia

Lebendige Nacht


ausgezeichnet

Streifzüge durch die Dunkelwelt:
Mit spürbarer Begeisterung und viel Liebe zu den Tieren berichtet die Autorin in diesem Buch von dem Leben in der Nacht, stellt einzelne nachtaktive Lebewesen in der Stadt und auf dem Land vor und präsentiert im Plauderton immer wieder faszinierende Wissensperlen.
Dabei gewann ihr Erzählstil für mich, je tiefer ich mit dem Buch lesend in die Dunkelwelt vordringen konnte, immer mehr an Reiz. Kimmig schreibt klug und mit Bedacht, sie analysiert kritisch, bemüht sich, bei heiklen Themen wie dem Umgang mit Waschbären verschiedene Sichtweisen zu berücksichtigen, positioniert sich aber auch, philosophiert zuweilen und glänzt auch manchmal mit einem wunderbaren Humor. Dabei springt sie manchmal recht abenteuerlich von einem Thema zum anderen. Diese Fülle an faszinierenden Informationen und der sympathische Erzählstil sorgen dafür, dass dies alles andere als ein trockenes Sachbuch ist, sondern seine Leserschaft bestens unterhält.
Nie hätte ich es erwartet, aber tatsächlich waren, trotz all der geheimnisumwitterten Wesen, in deren (Nacht-)Leben dieses Buch spannende Einblicke bietet, die Betrachtungen zum Menschen, seinen Auswirkungen auf das tierliche Nachtleben und seinem eigenen Verhältnis zur Nacht für mich besonders spannend.
Auf mich macht das Buch den Eindruck, dass die Autorin sehr viel und in viele Richtungen recherchiert hat, um sorgfältig besonders Wissenswertes, Berührendes und Unterhaltsames auszuwählen. Ebenso sorgfältig und sehr liebevoll ist auch die Gestaltung mit einigen Fotos und Zeichnungen, die von der Autorin selbst stammen.
Ich bin rundum begeistert und habe mich sehr gefreut, von so viel Wunderbarem zu erfahren, das sich eigentlich ganz in unserer Nähe ereignet, für uns Menschen aber oft verborgen bleibt.

Bewertung vom 01.04.2023
Die Bibliothek der Hoffnung
Thompson, Kate

Die Bibliothek der Hoffnung


ausgezeichnet

Über Zusammenhalt und Hoffnung in schweren Zeiten
Während der Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg bietet die stillgelegte Londoner U-Bahn-Station Bethnal Green vielen Menschen ein Zuhause. Auch eine kleine unterirdische Bibliothek findet dort Zuflucht …
Was bereits für sich genommen wie ein spannender Roman klingt, ist die reale, historische Grundlage dieses wunderbaren Romans, der von Zusammenhalt und Resilienz in schweren Zeiten handelt - Themen, die gerade wieder sehr aktuell sind. Und sicher geht es nicht nur mir so, dass ich dieses Buch jetzt, 2023, mit anderen Augen las, als ich es vor all den Krisen der aktuellen Zeit getan hätte. Und natürlich schweifen die Gedanken automatisch auch zu den Menschen in den Kellern der Ukraine ...
Erstaunlich viele Details rund die Geschichte der realen unterirdischen Bibliothek hat die Autorin Kate Thompson übernommen (im hinteren Teil des Buches berichtet sie darüber), dazu aber auch eine Reihe beeindruckender fiktiver Charaktere erschaffen, vor allem: Clara und Ruby, zwei junge Bibliothekarinnen, die im Zentrum dieses Romans stehen. Wie viele ihrer Zeitgenossen und Zeitgenossinnen kämpfen auch sie mit den Traumata jener Zeiten. Die Dramatik des Krieges und die bedrohliche Lage in der Stadt, der Schmerz, wenn Zukunftspläne ein vorzeitiges Ende nehmen, auseinandergerissene Familien, die Gewalt, der sich Frauen damals in noch stärkerem Maße ganz kriegsunabhängig ausgesetzt sahen - all dies wird beim Lesen fühlbar. Die Autorin beschönigt die Kriegszeiten und die körperlichen und seelischen Verwundungen in keiner Weise und dennoch gelingt es ihr, eine beschwingte Leichtigkeit in ihren Roman einfließen zu lassen, all der Finsternis auch sehr viel Licht, sehr viel Liebe (und natürlich viele Bücher) entgegenzustellen. Manches wirkt ein wenig konstruiert, aber Kriegszeiten sind eben genau jene Zeiten, in denen es von verrückten Zufällen und Wendungen nur so wimmelt.
Ich empfand das Lesen dieses Buches als sehr wohltuend und freute mich besonders auch über die kleinen Zitate von Bibliothekarinnen und Bibliothekaren, Lesern und Leserinnen, die den einzelnen Kapiteln vorangestellt sind. Eine schöne Liebeserklärung an das Lesen und an Bibliotheken, die zu allen Zeiten einen positiven Beitrag zur Gesellschaft leisten.

Bewertung vom 01.04.2023
Der Geheimnishüter von Jaipur / Jaipur Bd.2
Joshi, Alka

Der Geheimnishüter von Jaipur / Jaipur Bd.2


ausgezeichnet

Ein in vielen Farben schillernder Indienroman:
Ein berührender Roman über Familien, biologische und solche, die das Leben zusammenführt. Und über die Suche junger Menschen nach ihrem Platz in der Gesellschaft und nach dem besten Weg im Leben. Und etwas Krimispannung wird auch geboten ...
Dieser Roman unterscheidet sich deutlich von den meisten Indienromanen, die ich bisher gelesen habe und die in der Regel grausame Armut und schreckliche Schicksale mit einer Intensität zeigen, die ich für angebracht hielt, aber zugleich schier unerträglich fand. Er handelt allerdings auch nicht in der Gegenwart, sondern in den 1960er Jahren (wobei ich aus irgendeinem Grund jedes Mal, wenn ich mich wieder in die Geschichte verlor, das Gefühl hatte, über eine weiter zurück liegende Zeit zu lesen, und deshalb immer wieder erstaunt war, wenn plötzlich moderne Geräte erwähnt werden). Das hier vermittelte Bild von Indien ist farbenfroher, hoffnungsvoller - und spannt einen weiten Bogen von der rauen Wildnis einer gefährlichen Bergwelt bis hin zu den prunkvollen Gebäuden der Reichen und Mächtigen in der Stadt.
Neben der Vielschichtigkeit der verschiedenen Charaktere gefiel mir, wie es der Autorin gelang, verschiedene Blickwinkel und die Schwierigkeiten, andere zu verstehen, darzustellen.
Erwähnenswert ist im Übrigen auch die großzügige Ausstattung mit Extras im hinteren Teil des Buches: mit einer Nachricht der Autorin, einem Glossar, Rezepten und landeskundlichen Infos.
Was mir fehlte, um mich restlos in dieses Buch zu verlieben, kann ich selbst nicht ganz verstehen, vielleicht fühlte ich mich der Protagonistin Lakshmi nicht nahe genug. Vielleicht wäre es hierfür doch wichtig gewesen, den ersten Roman der Autorin, "Die Hennakünstlerin", gelesen zu haben, auch wenn ich nicht das Gefühl gehabt habe, dass mir zum Verständnis dieser Erzählung Wissen aus dem ersten Roman fehlt. Dennoch war es für mich ein schönes Leseerlebnis!

Bewertung vom 03.03.2023
Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel / Die Mordclub-Serie Bd.3
Osman, Richard

Der Donnerstagsmordclub und die verirrte Kugel / Die Mordclub-Serie Bd.3


sehr gut

Ein schöner Wohlfühlkrimi mit britischem Charme und Biss:
Für mich war dies der erste Band aus der Donnerstagsmordclub-Reihe und ich fühlte mich sofort zuhause. Wie das Cover hat die Erzählung sehr viel Charme, der nur auf den ersten Blick altmodisch wirkt, und ist auch ein klein wenig verrückt. Man gewinnt sie einfach lieb, die so unterschiedlichen Mitglieder dieses außergewöhnlichen Senioren-Clubs und ihren Freundeskreis mit all ihren Besonderheiten, Schrullen und einander ergänzenden Talenten. Wenn verschiedene Menschen zusammenkommen, einander so akzeptieren, wie sie sind, entsteht manchmal aus ihrer Vielfalt heraus etwas Kraftvolles, Magisches und genau von dieser Kraft und Energie lebt der Donnerstagsmordclub, das gefiel mir sehr.
Ermittelt wird in einem lange zurückliegenden Mordfall, doch bald kommt es auch zu einer hochaktuellen Bedrohungslage ... Allgemein empfand ich die Geschichte, obwohl sehr viel passiert, als eher gemütlich, dabei aber stets unterhaltsam und bisweilen sogar zum Brüllen komisch. Der Autor Osman hat ein Talent für Situationskomik und Wortwitz. Nur einige der Teile mit den jüngeren Handlungsfiguren empfand ich als Längen, was vielleicht daran lag, dass mir die Figuren nicht aus den bisherigen Bänden vertraut sind.
Besonders gefiel mir, dass es kein verbissenes Verharren in diversen Schubladen gibt, sondern sowohl die Erzählung als auch die Figuren mit einigen erstaunlichen Entwicklungen verblüffen. Eine schöne Lektüre und sie wird sicher nicht meine einzige Begegnung mit dem Donnerstagsmordclub bleiben!

Bewertung vom 25.02.2023
Das Haus an der Herengracht / Die Magie der kleinen Dinge Bd.2
Burton, Jessie

Das Haus an der Herengracht / Die Magie der kleinen Dinge Bd.2


ausgezeichnet

Ein wunderbares Leseerlebnis
Schon das originelle Cover zog mich magisch an und ich freute mich beim Lesen sehr, viele seiner hübschen Details in der Erzählung wiederzuentdecken (so die Ananas, vor allem aber die Katze!). Wie das Cover gleicht der Inhalt dieses Buches einem Kaleidoskop, voller bunter Details, die liebevoll zusammengesetzt wurden. Die Erzählung entführt in die Stadt Amsterdam einer vergangenen Zeit und erscheint zugleich frisch und modern im Umgang mit den Handlungsfiguren. Die Autorin schreibt ganz wunderbare Sätze, die im Kopf lebendige Bilder entstehen lassen, und sie erschafft eine gefühlvolle Atmosphäre, die einen leichten Zugang zu den Handlungsfiguren bietet.
Alles wirkt beschaulich und dabei auch etwas wundersam. Man erhält Einblick in drei kleine Welten: in die der durch das Schicksal zusammengewürfelten, aber innig miteinander verbundenen Familie der jungen Thea, in die unterkühlte Welt der feinen Gesellschaft Amsterdams und schließlich in die Künstlerwelt des Theaters, aber auch die einer mysteriösen Person, die Thea winzige Geschenke voller Symbolik hinterlässt. Theas Familie in ihrem großen, schönen Haus, das sie sich eigentlich nicht mehr leisten kann, bildet eine bedrohte Idylle, wie eine kleine Insel, die es eigentlich gar nicht geben dürfte. Aus Sorge um Theas Zukunft werden Hochzeitspläne geschmiedet, doch sowohl ihre finanzielle Situation als auch ihre Hautfarbe erschweren diese Aufgabe.
Dass dieser Roman der zweite Band einer zweiteiligen Reihe ist (und zwar der Nachfolger von "Die Magie der kleinen Dinge"), merkte ich tatsächlich erst, als ich nach dem Lesen nach Informationen über die Autorin im Internet suchte. Ich habe nicht das Gefühl, dass mir beim Lesen Hintergrundinformationen aus dem ersten Band gefehlt hätten. Nur vermute ich, dass ich Nelly etwas schneller liebgewonnen hätte, wenn ich sie bereits als junges Mädchen, unüberschattet von den Sorgen um Theas Zukunft, kennengelernt hätte - und ich möchte auf jeden Fall noch den ersten Band lesen, um die Vorgeschichte zu erfahren.
Verlauf und Entwicklung der verschiedenen Charaktere haben mich im Übrigen (größtenteils, nicht jeder Figur gelingt es, über sich hinauszuwachsen) angenehm überrascht. Ein wunderbares Buch, das ohne große Dramatik und Klischees, aber mit sehr viel Liebe zu den Menschen und der Schönheit der Welt eine Geschichte erzählt, die Hoffnung und Mut schenkt.

Bewertung vom 18.12.2022
Malen macht glücklich
Runyan, Terry

Malen macht glücklich


ausgezeichnet

Ein Mutmacher-Malbuch mit vielen inspirierenden Malprojekten (und jeder Menge Katzen)

Dieses Buch ist ein kleiner Schatz: ein Malkurs im Buchformat oder eigentlich eher ein freundliches Mutmacher-Buch, das zum Mitmalen einlädt. Und es ist so herrlich farbenfroh, voller Lebensfreude und prallgefüllt mit Katzen, dass ich mich gleich beim ersten Blättern in dieses Buch verliebte und es immer wieder gerne in die Hand nehme.
Neben wertvollen Tipps zur Technik und Ausstattung laden verschiedene Malprojekte zu einer kreativen Reise ein, die einen hervorragenden Rahmen bietet, aber der eigenen Fantasie dabei noch viel Raum zur Entfaltung lässt. Die Autorin erklärt überzeugend, warum sie ein tägliches Üben für wichtig hält, und legt ihre Gedanken und Theorien zum Malen, zur Kreativität im Allgemeinen, zu dem oft wenig hilfreichen inneren Kritiker und zur Perfektion dar. Ihre Meinung zu Letzterer fand ich besonders bemerkenswert:

"Die Vollkommenheit der Unvollkommenheit können wir [...] in der Explosion unserer Kreativität erfahren." (S. 36)

Und tatsächlich wirken viele der Malereien, die sich fröhlich und wild über die Seiten verteilen und dabei mehr Platz beanspruchen als der Text, auf den ersten Blick nicht perfekt und zugleich doch auch wunderhübsch, einzigartig oder einfach nur lustig - das macht natürlich Mut, den inneren Kritiker zum Schweigen zu bringen und sich selbst einfach mal malend auszutoben. Mit den von der Autorin gegebenen Tipps können auch, davon bin ich überzeugt, alle Menschen kreativ etwas Schönes erschaffen.
Mein Fazit: ein Buch, das auf freundschaftliche Weise lehrt, vor allem aber große Freude bereitet und Mut schenkt! Bunte Farben und Katzen sollte man allerdings schon mögen.

Bewertung vom 27.11.2022
Die Bürde der Freiheit
Bergsma, Elke

Die Bürde der Freiheit


sehr gut

Selten hat mich ein historischer Roman so gefesselt wie dieser. Man verfolgt die unterschiedlichen Wege, die die Kinder einer Bauernfamilie in einer Welt einschlagen, die noch unter dem Schock des (wie man heute weiß "Ersten") Weltkriegs steht. Konflikte zwischen älteren mächtigen Männern, die bar jeder Fähigkeit zur Selbstkritik zerstörerische Entscheidungen über andere treffen, und den jüngeren Generationen, die die fatalen Konsequenzen dieser Entscheidungen mitansehen oder selbst tragen müssen; Menschenmassen, die unter dem Deckmantel der "Meinungsfreiheit" das Leben anderer Menschen bedrohen - all dies erinnert nur allzu sehr an unsere Zeit und vielleicht sind es diese Parallelen, die für mich diese Lektüre so spannend machten.
Elke Bergsma gelingt es exzellent, die verschiedenen Charaktere ihren Leserinnen und Lesern nahezubringen, ich fieberte mit, verliebte mich, empfand Abscheu oder Bewunderung, fühlte mit. Manchmal waren mir einzelne Figuren ein wenig zu einseitig dargestellt, ihr Charakter allzu gut oder allzu schlecht. Im Großen und Ganzen aber wird ein differenziertes Bild einer Zeit voller Veränderungen präsentiert. Ich wünschte, ich hätte dieses Buch schon in meiner Schulzeit entdeckt, dann hätte ich mich im Unterricht mehr für diese folgenreiche Phase der deutschen Geschichte interessiert. Und trotz unseres heutigen Wissens, wie diese so hoffnungsvoll begonnene Weimarer Republik endete, ist es kein deprimierender Roman, sondern erinnert daran, dass es auch in finsteren Zeiten stets zarte Pflänzchen der Hoffnung gibt.

Bewertung vom 14.11.2022
The Dark
Haughton, Emma

The Dark


ausgezeichnet

Hochspannender Thriller mit einem genial gewählten Setting:
So ungewöhnlich wie das Cover, das einen tollen haptischen Effekt bietet, ist auch das Setting dieses Thrillers: eine Forschungsstation in der Antarktis, in der die britische Ärztin Kate North ihren Dienst antritt. Für Kate, der ich mich gleich sehr nahe fühlte, ist diese Umgebung ganz offensichtlich genauso spannend neu wie für mich als Leserin. In diesem Thriller wird sehr anschaulich beschrieben, wie das Leben und die Gefühlswelt der Mitarbeitenden in dieser eiseskalten, unwirtlichen Umgebung im Winter aussieht – fast ständig in einem Gebäude, das rund um die Uhr von tiefster Finsternis umgeben ist … Vielleicht hat mich das auch deshalb so fasziniert, weil es meine im Vergleich dazu kleineren Sorgen bezüglich Dunkelheit und Kälte des vor uns liegenden Energiesparwinters deutlich relativiert, vor allem aber ist dies der perfekte Ort für gruselig-spannende Geschichten ...
Das Team der Forschungsstation stammt aus verschiedenen Ländern und umfasst eine Reihe ziemlich unterschiedlicher, starker Persönlichkeiten - und schnell stellt sich heraus, dass nicht nur Kate etwas zu verbergen hat ... Leider entfremdete ich mich gerade ihr über viele Seiten hinweg aufgrund ihrer haarsträubenden Naivität und ihres manchmal sehr nervigen und nicht nachvollziehbaren Verhaltens anderen gegenüber - was sich dann jedoch, als sie ihre Stärke fand und sogar über sich hinauswuchs, zum Glück wieder änderte.
Neben dem sich schnell und immer stärker herauskristallisierenden Gefühl eines Bedrohungsszenarios, in dem scheinbar jeder zum Opfer werden, aber auch jeder der Täter sein kann, erzählt der Thriller auch von großen Gefühlen, von Neuanfängen, von Teamgeist in Notsituationen und von einer trotz all der Lebensfeindlichkeit faszinierenden Region - dies alles verfasst in einem sehr ansprechenden Schreibstil.
Atemberaubend spannend und sehr lesenswert!