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kaffeeelse
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psychologiebegeiste und Ethnographie liebende Vielleserin

Bewertungen

Insgesamt 72 Bewertungen
Bewertung vom 19.02.2025
Kanadische Jagd
Blunt, Giles

Kanadische Jagd


ausgezeichnet

Mörderhatz im kanadischen Frühling

Nachdem mich Giles Blunt schon mit den ersten beiden Krimis um den Detective John Cardinal begeistern konnte, bin ich nun beim dritten Krimi der Reihe. Wie schon bei den Vorgängern, ich bin bezaubert vom Erzählten. Wunderbare Ablenkung vom Hier bietet Giles Blunt in seinen spannenden Krimis. Ich reise wieder sehr gern gedanklich in die kanadische Welt und fühle mich sehr gut unterhalten. Die Ermittler John Cardinal und Lise Delorme sind absolut interessante Charaktere, die mich überzeugen. Dazu kommt dann noch diese wunderschöne Welt um das fiktive Algonquin Bay am Nipissing See in Ontario, welches sich am realen North Bay orientiert. Ein Traum. Ein kanadischer Traum. Dichte Wälder. Malerische Seen. Indigene und ihre so eigenen Sichten.

Aber nicht nur das Malerische hat in den Krimis eine Bedeutung. Klar, sagt ja schon das Genre. In „Kanadische Jagd“ geht es um eine junge rothaarige Frau, die allem Anschein nach ihr Gedächtnis verloren hat und Cardinal über den Weg läuft. Und sein Riecher täuscht ihn nicht. Der Gedächtnisverlust basiert auf einem erlittenen Trauma. Ein weiteres Opfer taucht in einer Höhle auf. Rätselhafte Felsmalereien befinden sich auch dort. Sind diese Malereien indigen? Und noch etwas beschäftigt Cardinal, die rothaarige Frau scheint nicht zu den fügsamen Charakteren zu gehören.

Auch der dritte Teil ist wieder ein spannendes Buch, wie eigentlich nicht anders zu erwarten bei den Romanen von Giles Blunt. Ich liebe diese Bücher! Und in dieser neuen Ausgabe bei Kampa erhalten sie ein hochwertiges Erscheinungsbild. Denn auch die Optik gefällt mir hier sehr!

Bewertung vom 19.02.2025
Tage einer Hexe
Dimova, Genoveva

Tage einer Hexe


ausgezeichnet

Yin und Yang

Kosara ist eine Hexe in Chernograd. Sie hat schon einiges erlebt und verfügt auch über eine gewisse Stärke. Dennoch hat sie Angst. Die schmutzigen Tage nahen, Tage, in denen die Monster über die Stadt herfallen. Und besonders eins dieser Wesen, der Zmey, der Zar dieser Monster, ängstigt Kosara. Denn sie hat das Gefühl, dass er sie jagt. Und dieses Gefühl trügt Kosara nicht, so dass sie kurzerhand die Chance wahrnimmt, ins benachbarte und durch eine Mauer vor den Monstern geschützte Belograd zu fliehen. Dies Flucht bezahlt sie mit ihrem Hexenschatten, mit ihrer Macht, mit einem sehr hohen Preis. Denn dieser Verlust bedeutet ihr langsamen Vergehen. Nicht nur das beschäftigt Kosara, ebenso verursacht das diese so vollkommen anders geartete Welt in Belograd und auch Gedanken zu ihrem Verhängnis in dieser ersten Nacht der schmutzigen Tage, schmutzigen Nächte, denn irgendetwas erscheint ihr hier komisch, so unwirklich und gestellt. Und so macht sie sich wieder auf die Suche, diesmal mit einem Begleiter aus Belograd.

Schwarz und Weiß. Cherno und Belo. Zwei gegensätzliche Welten, die miteinander verwoben sind. Die aufeinander herabschauen und sich dennoch brauchen. Nicht nur dies fällt hier auf. Auch andere geschickt platzierte Sätze zeigen, dass die Dimova hier mehr sagt als nur diese Fantasy-Geschichte. Gesellschaftskritik meets Fantasy! Was mir sehr gefällt!

Ebenso gefällt mir diese slawisch angehauchte, ja, slawisch richtig angeblasene Fantasy-Welt, die mich doch sehr an Heitz erinnert. Die Dimova erreicht nicht den Style der Heitz‘schen Welten, dennoch erinnert mich hier einiges daran.

Mir hat dieser Fantasy-Roman „Tage einer Hexe“ sehr gefallen, eine richtig schöne Fantasy-Geschichte, eine richtig schöne Fantasy-Welt, in die ich eintauchen konnte, in der ich mich verzaubern ließ.

Hervorzuheben ist hier auch noch die wunderschöne Gestaltung des Buches, Cover und Buchschnitt sind eine Augenweide und sehr gelungen.

Bewertung vom 16.02.2025
Auf eine Currywurst mit Gregor Gysi
Gysi, Gregor;Schütt, Hans-Dieter

Auf eine Currywurst mit Gregor Gysi


sehr gut

Kurze Blicke auf Gregor Gysi

Hans-Dieter Schütt, ein Journalist, begleitet Gregor Gysi seit einiger Zeit und so trafen sie sich immer mal auf eine Currywurst an einem Imbissstand. Bei diesen Treffen sprachen sie miteinander. Zu DDR-Zeiten war Hans-Dieter Schütt von 1984 bis 1989 Chefredakteur der Jungen Welt. Was schlussendlich Gründe hatte. Später von 1992 bis 2012 war Schütt Redakteur beim Neuen Deutschland. In seiner Autobiografie soll er mit seiner Rolle in der DDR abrechnen. Nun Denn.

Dieser Journalist trifft auf Gregor Gysi, den berühmten Rechtsanwalt und Politiker. Seit 1989 war er Vorsitzender der SED, bis 1993 ist er in dieser Position in der Partei, die sich mittlerweile in die PDS umbenannt hat. Bundestagsgruppenvorsitzender, Bundestagsfraktionsvorsitzender, Bürgermeister, Senator, Fraktionsvorsitzender, Oppositionsführer, Präsident der Europäischen Linken, Außenpolitischer Sprecher. Alles politische Funktionen von Gregor Gysi.

Nicht nur deswegen ein interessanter Mann.

Ich liebe schon sehr lange seine Art der Gesprächsführung, sein Wesen. Natürlich wird es da auch mal Zeit für Bücher über Gregor Gysi.

Und „Auf eine Currywurst mit Gregor Gysi“ ist sehr informativ, lässt Gregor Gysi greifbarer werden, macht unbedingt neugierig auf mehr von ihm. Denn zu viel sollte man von diesem Buch auch nicht erwarten. Es sind kurze Fragen und kurze Antworten zu Themengebieten, die gebündelt im Buch zu finden sind. Interessant und spannend gestaltet, ja. Doch für mehr Information und Informationen im Zusammenhang sollte man zu anderen Büchern greifen und dieses Buch hier als eine schöne Ergänzung betrachten. Die Biografie „Ein Leben ist zu wenig“ wird deswegen natürlich irgendwann zu mir wandern.

Denn Gysi wirkt so nah, so menschlich, so unverstellt, so sympathisch. Obwohl jedem klar ist, dass es bei Gysi noch viel mehr zu finden gibt. Denn seine ganzen Positionen zeigen auch andere Anteile seiner Persönlichkeit auf. Was mich sehr interessiert!

Bewertung vom 16.02.2025
Vom Zähmen, Ausbeuten und Bestaunen
Balàka, Bettina

Vom Zähmen, Ausbeuten und Bestaunen


sehr gut

Der Mensch, das höhergestellte Tier

Bettina Balàka blickt hier in ihrem Buch „Vom Zähmen, Ausbeuten und Bestaunen“ auf den Umgang des Menschen mit der Natur, mit der Tierwelt.

Der Mensch. Die Krone der Schöpfung. Das vernunftbegabte Tier. Der Mensch unterscheidet sich von den Tieren durch den Gebrauch des Werkzeugs, hatte ich noch in der Schule gelernt. Ist mittlerweile widerlegt. Vernunftbegabtes Tier. Auch dies scheint bei unserem Tun fragwürdig. Welches Tier zerstört seinen Lebensraum und ist dies wirklich vernunftbegabtes Tun? Mitnichten.

Wir haben Religionen, Gesellschaften und politische Ordnungen. Diese regeln unser Zusammenleben. Angeblich. Doch was regelt wirklich unser Tun? Hier sehe ich nur eins.

Die Gier!

Die Gier sitzt überall und diktiert unser Tun.

Und damit auch unser Tun mit unserer Umwelt, mit der Natur, mit der Tier- und Pflanzenwelt. Wir haben zwar nur diese Erde. Aber egal. Hauptsache der Profit stimmt.

Unserer Jugend fällt dies auf, sie protestiert. Zu Recht. Doch was passiert. Sie wird politisch verfolgt. Obwohl sie Recht hat. Gut die Methoden waren vielleicht etwas fragwürdig. Ja. Dies ändert aber dennoch nichts daran, dass sie Recht hat. Wir haben keine zweite Erde.

Aber die Mächtigen wollen das nicht hören. Daher die Reaktion.

Bettina Balàka blickt auf unser Tun.

Antidepressiva. Selbst die Tiere in den Zoos bekommen diese. Warum nur? Ist das Vegetieren in den Gefängnissen etwa nicht schön? Nein?! Ja wieso nur?! Was mich auf die Antidepressiva bei uns bringt. Ist unser Leben etwa auch nicht schön. Warum nur?!

Was machen wir nur?

Doch das Meckern geht schnell! Möchte man wirklich anders leben? Denn mal ehrlich, wir alle sind ein Teil davon. Wir machen mit, wir ermöglichen das!

Bettina Balàka betrachtet in ihrem Buch unser Zähmen, Ausbeuten und Bestaunen. Beim Lesen habe ich an meine Katze gedacht und mich gefragt, bist du glücklich? Und ehrlich gesagt, ich weiß die Antwort nicht. Denn sie redet nicht so, dass ich diese Antwort heraushöre. Sie zeigt mir, dass ich etwas richtig mache. Sie zeigt mir, dass sie sich wohlfühlt. Oder rede ich mir dies nur ein?

Tolles Buch! Lesen!

Bewertung vom 16.02.2025
Die kleine Sache Widerstand
Klawitter, Nils

Die kleine Sache Widerstand


ausgezeichnet

Melanie Berger

Nils Klawitter schaut hier in seinem Buch „Die kleine Sache Widerstand“ auf Melanie Berger, auf ihr Leben, auf ihren Widerstand, der mitnichten eine kleine Sache war.

Melanie Berger wurde 1921 geboren, wuchs in einer jüdischen Familie in Wien auf, politisierte sich schon relativ früh, zu ihrem eigenen Glück. Denn dieser wache Geist lies sie zur Einvernahme des österreichischen Staates durch die Deutschen schnell reagieren und rettete ihr damit wahrscheinlich das Leben. Auch wenn das kommende Leben in den nächsten Jahren kein Zuckerschlecken war. Sie lebt.

Nils Klawitter recherchierte zu Melanie Berger, weil sie ihn beeindruckte. Nun klar, wenn man bedenkt, wozu diese Frau fähig war. Schon das beeindruckt vollkommen. Doch nicht nur diese Stärke wohnt Melanie Berger inne.

Um zu tun, was sie in diesen schlimmen Jahren 1938 bis 1945 nun einmal tat, brauchte man auch ein Netz, welches einen auffängt und charismatische Menschen erschaffen sich solche Netze nun einmal leichter. Und auch dieses Charisma der Melanie Berger wird Nils Klawitter erreicht haben.

Nils Klawitter recherchiert zu Melanie Berger und verfasst diese wunderbare Biografie „Die kleine Sache Widerstand“. Man liest dieses Buch und ist tief beeindruckt vor dem Mut und der Leistung dieser Frau. Denn Melanie Bergers Tun war nie eine kleine Sache und genau dies erfährt man in diesem Buch. Und auch wenn der Autor dieses Buch recht nüchtern verfasst, beindruckt und berührt er damit um so mehr.

„Die kleine Sache Widerstand“ kommt genau zur richtigen Zeit heraus. Gerade jetzt sind wache und aufmerksame Geister gefragt, denn bei uns passiert gerade nichts Gutes. Ich hoffe sehr, dass diese klugen und wachen Geister genauso tätig und agil sind, wie Melanie Berger es damals war. Denn bei dieser Lektüre tun sich erschreckende Gleichnisse auf, die das Heute intensiver werden lassen.

Eine wichtige Biografie einer so mutigen Frau, die von vielen Menschen gelesen werden sollte!

Denn nie wieder ist Jetzt!

Bewertung vom 16.02.2025
Nachbarn
Oliver, Diane

Nachbarn


sehr gut

Die Südstaaten

Diane Oliver ist eine 1943 in North Carolina geborene Schriftstellerin, die schon 1966 starb. 4 Kurzgeschichten veröffentlichte sie zu Lebzeiten.

Obwohl dies Kurzgeschichten schon vor einiger Zeit geschrieben wurden, was man ihnen auch in Teilen anmerkt. Dennoch besitzen sie auch sehr moderne und feministische Sichten, wo man sich automatisch fragt, wo wäre diese Autorin, hätte dieser Autounfall sie nicht aus dem Leben gerissen.

Hätte und Wäre. Ich weiß. Dennoch. Diane Oliver hätte sich einen Namen gemacht, hätte sich einen machen können. Sie entstammte der schwarzen Mittelschicht. Vielleicht wäre es ihr gelungen.

So erschienen ihre Kurzgeschichten posthum 2024 in den USA und auch 2024 in Deutschland.

Diane Oliver schreibt über den Rassismus der Südstaaten, aber hier schreibt auch eine Frau, die auf das weibliche Leben schaut und in ihren Kurzgeschichten sehr interessante und vor allem sehr moderne Ansichten vertritt, der Mief der 50er und 60er wird hier seziert. Wobei man den Kurzgeschichten genau diesen Mief gar nicht so richtig anmerkt.

Und man darf nicht vergessen, dass hier ein junger Geist schreibt, Diane Oliver ist mit 25 Jahren gestorben. Wenn man dann dies hier liest und sich fragt, was wäre wohl aus dieser Frau, aus dieser Feder in ihren 50ern und 60ern gekommen.

Ein tragischer Verlust!

Aber sehr interessante und lesenswerte Kurzgeschichten, die einen Hauch Vergangenheit mit einem großen Anteil modernem Denken verknüpfen.

Bewertung vom 16.02.2025
Wild nach einem wilden Traum / Biographie einer Frau Bd.3
Schoch, Julia

Wild nach einem wilden Traum / Biographie einer Frau Bd.3


ausgezeichnet

Kreuzungen

Die Trilogie Biographie einer Frau von Julia Schoch. Mit „Wild nach einem wilden Traum“ gibt es den langersehnten Abschluss dieser Trilogie. Ein absolut gelungenes Ende.

„Das Vorkommnis“ und „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ waren die Vorgänger, in ihnen schaute die Autorin auf die familiären Bedingungen im Leben der Frau und ihren Ursprung, sowie auf ihr Eheleben. Jetzt in diesem Buch hier geht es um das Schreiben und um weitere Menschen/Männer, die Eindruck auf die Frau gemacht haben, die sie berührt haben. Wobei beide erwähnten Männer auch im Bezug zum Schreiben zu sehen sind.

Wieder gelingt Julia Schoch ein Buch, welches mich tief berührt, nicht ausschließlich, weil ich Berührungspunkte finde. Sondern eher, weil mich die Denke der Schoch inspiriert.

Menschen begegnen uns, berühren uns und inspirieren uns. Wer wären wir ohne diese Kontakte? Andere Menschen. Denn gerade diese Begegnungen, die uns einen Input geben, ermöglichen Veränderung. Der Soldat, der der erzählenden Stimme in jungen Jahren begegnet, weist ihr den Weg, bestärkt sie. So sehr, dass sie sich noch viele Jahre danach erinnert. Der Katalane, ein erfahrener Schriftsteller, der eine Ausstrahlung besitzt, die der erzählenden Stimme ein „Das möchte ich auch“ vermittelt. Mit dem sie Momente der Hingabe und des Rausches erlebt. Doch was war hier wichtiger, der Rausch oder die Begegnung? In der Entscheidung der erzählenden Stimme beim Verlassen des Autorencamps liegt die Antwort auf diese Frage. In der Rückbetrachtung des Geschehens schwingt die Frage nach der richtigen Entscheidung dazu mit, die der erzählenden Stimme dann durch die erneute Begegnung vermittelt wird. Absolut interessante Gedanken. Ihre Betrachtungen zum Jetzt, zur Liebe, zur Familie. Ich liebe das. Ich lese das Buch und bin auch bei meinen Wegkreuzungen, sinniere, denke, zerfließe. Und weiß, es war alles richtig so. Denn das Damals ermöglicht das Heute. Und die eine oder andere Träne?!?! Ja, was solls. Das zeigt, dass man lebendig ist, dass man fühlt und lebt. Letztendlich darf man nie vergessen, man ist immer involviert, entscheidet über das eigene Tun, im Moment und im Danach. Und dies lässt einfacher auf die Vergangenheit schauen.

Doch nicht nur die Gedankenwelt der Schoch fasziniert mich. Ich denke auch unsere ähnliche Sozialisation verbindet. Dieses DDR-Ding. Uns trennt nur ein Jahr. Wir sind in der DDR aufgewachsen, sind von ihr geprägt worden, hatten aber das große Glück das Negative noch nicht völlig zu kennen. Dann kam die Wende, das Bekannte verschwand, das Neue tauchte auf und man musste sich einen neuen Platz suchen. Was uns gelungen ist. Die ein, zwei Jahre nach uns Kommenden waren zu jung für die DDR, wuchsen gleich in den Westen hinein und die ein, zwei Jahre Älteren lernten den Ernst des Lebens in der DDR und wurden dadurch geprägt, fanden ihre Nische, ihren Platz, bevor sie den wieder abgeben mussten und ein neues Plätzchen für sich finden durften. Was vollkommen andere Sichten und Stellungen ergeben kann.

Hier finde ich für mich Berührungspunkte bei Julia Schoch und bei ihrem Sinnieren, was sie in ihren Romanen betreibt. Was wäre wenn? Wo wäre ich wenn? Wichtige Gedanken. Gedanken, die helfen können. Wenn man ihre Gewichtung genau überdenkt.

In der Trilogie Biographie einer Frau, in „Das Vorkommnis“, in „Das Liebespaar des Jahrhunderts“ und in „Wild nach einem wilden Traum“ entführt Julia Schoch in die Welt ihrer Denke, in die Welt ihres Fühlens und ich muss gestehen, ich habe diese Reise geliebt!

Bewertung vom 14.02.2025
Love Me Tender
Debré, Constance

Love Me Tender


ausgezeichnet

Krieg

Ein bewegendes Buch. Ein intensives Buch! Ein trauriges Buch!

„Love me tender“ ist ein ungemein berührender Blick auf eine Mutter-Sohn-Beziehung, die vom Vater seit dem Coming-Out der Mutter torpediert wird. Und so etwas passiert heute, in unserer ach so fortschrittlichen Zeit. Tja, das Patriarchat möchte nicht die Macht verlieren, möchte nicht, dass es Neuerungen gibt und die Gesellschaft sich öffnet. Denn das würde ein Verlust für diese kleingeistigen Männer bedeuten. Und so was geht ja nun mal gar nicht.

Constance Debré hat alles, ist renommierte Anwältin, stammt aus einer angesehenen Familie, hat Mann und Kind. Sie schwimmt oben im Patriarchat, hat Geld und Macht. Doch etwas in ihr lässt sie handeln. Sie lässt sich scheiden, möchte nur noch schriftstellerisch arbeiten, denkt an sich, hat viele Affären mit Frauen. Das ist etwas, was viele tun. Vor allem Männer. Nur möchte Constance Debré nicht den Kontakt zum Kind abbrechen. Was viele Männer ja tun und im Patriarchat auch damit durchkommen. Doch eine Frau, die die ultimative Freiheit für sich verlangt, das geht natürlich zu weit. Homosexualität und die Ablehnung des Mammons, der uns alle beherrscht! Also nein. Never. Nada. Njet. Denn Debré hat keine feste Arbeit und dadurch auch keine Wohnung, tingelt einfach durchs Leben von Frau zu Frau und hat nach Versuchen in kleinen Wohnungen nun ein WG-Zimmer. Dies geht nun wirklich nicht.

Der Ehemann klagt und bekommt in unserem Patriarchat Recht. Der Mutter wird das Kind entzogen! Sie bekommt Besuchsrecht und muss sich allerdings auch dieses erstreiten. Denn der Ehemann stellt sich quer, kann nicht verkraften, dass seine Männlichkeit abgelehnt wird von Debré, seine so gepriesene Männlichkeit abgelehnt wird und dagegen Frauen von Debré bevorzugt werden. Unerhört!

Streitereien von Erwachsenen, die auf dem Rücken von Kindern ausgetragen werden. Schrecklich. Ich habe mich schon gefragt, wie Debrés Sohn dies wohl verkraften wird, was dies aus ihm macht.

Und Debrés Ehemann. Den verachte ich abgrundtief! Wie ich auch diejenigen verachte, die so etwas ermöglichen.

Eine schlimme Geschichte aus unserer Welt. Auch wenn immer gepredigt wird, dass es den Frauen woanders so schlecht geht. Nun. Manch einer unter uns geht es im Patriarchat auch nicht gut, wie Debrés Schicksal eindrucksvoll und beklemmend zeigt. Ich finde es sehr gut, dass die ehemalige Anwältin mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gegangen ist. Denn das sollte gelesen werden, damit wir wissen, was wir wert sind. Also diejenigen unter uns, die das noch nicht mitbekommen haben!

Lesen!

Bewertung vom 14.02.2025
Die Nacht des Blutadlers
Voltenauer, Marc

Die Nacht des Blutadlers


ausgezeichnet

Blick in die Vergangenheit

Der dritte Fall für den Kommissar Andreas Auer. Er reist in seine ursprüngliche Heimat, vom schweizerischen Gryon nach Gotland und stößt dort auf einen Ritualmord an einer sechsköpfigen Familie in den Siebzigern, nach einem alten Wikingerritual zelebriert. Nach Gotland bringt ihn die Enthüllung eines Familiengeheimnisses, welches seine bisher gekannte Welt einstürzen lässt. Er möchte nachforschen und stößt dabei auf den grausamen Ritualmord. Es folgen weitere Morde im Jetzt und die Mörderhatz beginnt.

„Die Nacht des Blutadlers“ ist ein toller und komplexer Krimi, der absolut spannend daherkommt. Ich flog förmlich durch die Zeilen. 480 Seiten ist ja auch eine Ansage. Der Ritualmord ist geschickt in Szene gesetzt, es folgen daraus resultierende interessante Aspekte, die den Blick auf die alten Germanen richten.

Dazu kommt das wunderschöne Gotland, eine Insel, die mir bisher wenig begegnete und von daher das Buch durch die Informationen zu Gotland noch einmal immens aufwertet.

Mit dem Kommissar Andreas Auer ist Marc Voltenauer auch ein interessanter Charakter gelungen, der mir bisher noch nicht begegnete, der mir aber diesen Krimi hier ungemein versüßte, soweit man vom Versüßen reden kann bei grausamen Ritualmorden.

Eine Empfehlung geht raus an die Krimifans unter uns. Hab dieses Buch hier wirklich geliebt! Lesen!

Bewertung vom 14.02.2025
Nightbitch
Yoder, Rachel

Nightbitch


sehr gut

Verwandlung

Rachel Yoder betrachtet in „Nightbitch“ Mutterschaft und Weiblichkeit einmal völlig anders, das Buch ist absolut skurril und im letzten Drittel kommt dann noch eine recht kritische Denke zum Vorschein, die das Buch sehr aufwertet. Denn mit dieser skurrilen Geschichte kam ich nicht so gut klar, als aber dann dieser kritische Blick auf das weibliche Tun dazu stieß, war ich wieder mit dem Buch ausgesöhnt und der vierte Stern tauchte wieder im Spiel auf.

Eine Künstlerin wird Mutter, versucht erst Job und Mutterschaft zu vereinen, scheitert aber darüber. Daraus resultiert, der Ehemann geht natürlich weiter arbeiten, während die ehemalige Künstlerin nun in der Mutterrolle verschwindet. Wie oft es das wohl gibt. … ?!?!

In diese Gemengelage lässt Rachel Yoder nun eine recht kafkaesk wirkende Thematik einfließen, die Figur Nightbitch entstand und nahm in dem Roman viel Platz ein. Ich kam mit dieser Nightbitch nicht so recht klar. Was wird das hier nur, waren meine Gedanken, einerseits fand ich das Geschilderte interessant, andererseits war ich auch irgendwie angewidert und abgestoßen.

Wo frau sich natürlich fragen kann, warum sie so empfindet. Denn was hat dieses Empfinden wohl mit gewissen Rollenmustern zu tun, die in uns wohnen, die in uns fest verankert wurden?!?!

Als dann die Kritik an der weiblichen Rolle bei der Kindererziehung immer lauter im Buch wurde, war ich wieder ganz bei Rachel Yoder und dieses anfänglich Angewiderte verschwand, denn der Sinn, der Grund hinter dieser Art der Gestaltung tauchte auf und damit wurde das Geschilderte wieder für mich greifbarer.

Was macht es wohl mit einer Frau, wenn sie das verliert, wofür sie brennt. Könnte man da nicht zur Nightbitch werden?!?!

Ein wirklich interessanter Blick auf weibliches Tun. Dennoch sollte man auch offen für kafkaeske Geschichten sein, denn sonst steht man vielleicht vor einer Geschichte für die man einfach (noch) nicht bereit ist.