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kaffeeelse
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psychologiebegeiste und Ethnographie liebende Vielleserin

Bewertungen

Insgesamt 86 Bewertungen
Bewertung vom 02.05.2025
Unterlehberg, Mascha

Wenn wir lächeln


ausgezeichnet

Jara und Anto

Jara und Anto. Zwei Freundinnen. Dies könnte ein Buch über eine einfache Mädchenfreundschaft sein. Mädchen, die älter und erwachsener werden. Ist es. Aber nicht nur!

Denn Mascha Unterlehberg zeigt in ihren Protagonistinnen Jara und Anto schon diese Freundschaft, zeigt Konflikte in dieser Freundschaft, zeigt das Spannungsfeld zwischen Jara und Anto. Sie entstammen unterschiedlichen Milieus, haben einen unterschiedlichen Background. Auch dies eröffnet sich den beiden nicht völlig offensichtlich. Denn in dieser Freundschaft gibt es natürlich auch Unausgesprochenes. Natürlich ist hier eben nicht alles sonnig und klar. Denn in welcher Frauenfreundschaft ist alles klar und einfach? Reibungspunkte gibt es wohl in jeder Beziehung und die Jugend der beiden Charaktere spielt hier ebenso hinein. Wer öffnet sich in diesem Alter vollkommen? Wer kennt sich vollkommen, in diesem Alter und auch später? Eigentlich lernt man sich ja immer wieder neu kennen. Denn das Erlebte verändert. Das positive Erleben und auch das negative Erleben. In der Jugend, aber auch später. Schon in dieser Blickrichtung ist „Wenn wir lächeln“ besonders und richtig gut aufgebaut und geschrieben. Das Buch ist nicht chronologisch geschrieben. Es beginnt an einer Ausnahmesituation und springt in das Geschehen zurück, um die Charaktere auszuleuchten, um Jara und Anto ihre wohlverdiente Bühne zu geben. Schon dabei ist das Buch wunderbar gelungen und lässt mich in Flammen aufgehen für Jara und für Anto.

Was mich hier in „Wenn wir lächeln“ aber am meisten begeistert hat, ist der Umstand dieses Lächelns. Dieses Lächeln, dieses Gefallen sollen, dieses Gefallen wollen. Etwas, was der weiblichen Welt eingetrichtert wird in der Erziehung. Nicht nur durch das familiäre Umfeld. Sondern innerhalb unserer patriarchalen Gesellschaft. „Wenn wir lächeln“ zeigt diese patriarchale Welt, der wir von klein auf ausgesetzt sind und „Wenn wir lächeln“ zeigt mögliche Folgen. Ebenso wie „Wenn wir lächeln“ auch eine neue Generation von Frauen zeigt. Denn diese Generation zeigt sich öfters auch in einem nicht mehr ganz so lächelnden Äußeren. Diese neue Generation zeigt eine gewisse Kampfbereitschaft. In der Jugend ist die Risikobereitschaft natürlich eine Andere als in späteren Jahren, frau fühlt sich unbesiegbar und frau zeigt dies auch. Und diese Risikobereitschaft zeigen Anto und Jara recht deutlich. Dies muss man natürlich nicht vollkommen in Ordnung finden. Aber es lohnt sich darüber nachzudenken!

Wie Simone de Beauvoir schon so treffend sagte „Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen. Sie bekommen auch nichts“ oder „Man wird nicht als Frau geboren, man wird es.“

Dieses Buch zeigt die Diskrepanz in unserer Kultur des Gefallens und der Wirklichkeit auf. Denn dieses uns eingeimpfte Lächeln, wir sollten es ablegen. Ob wir stattdessen den Baseballschläger herausholen sollten. Sicherlich nicht. Aber völlig handzahm kommen wir auch nicht weiter, auch wenn die Reaktionären uns gern handzahm lassen würden und sich immens wundern, dass das Geschöpf Frau nicht mehr nur lächeln und gefallen möchte.

Wenn man sich aber in der Geschichte umsieht hat es immer schon den weiblichen Kampf gegeben, er wird nur von den patriarchalen Geschichtsschreibern gezielt minimiert. Denn was haben Hatschepsut, Zenobia, Elizabeth I, Katharina die Große, die Suffragetten, Mary Kingsley, Marie Curie, Simone de Beauvoir, Margaret Mead und viele viele mehr geleistet?

Uns kommt die Rolle zu nicht mehr ganz so zu lächeln und unsere Zähnchen zu zeigen. Dies sollte doch machbar sein, Mädels?

Mascha Unterlehbarg zeigt in Anto und Jara zwei moderne Charaktere, die nicht ganz so feminin rüberkommen, wie uns unsere bisher bekannte Sicht auf das Feminine das nahe legt. „Wenn wir lächeln“ ist ein Roman, der hart ist, aber gleichzeitig ist er auch zart, wenn man sich Antos und Jaras Interaktion betrachtet und sie irgendwie beschützen mag, vor sich selbst und/oder vor ihrer Umwelt. Übrigens die Umwelt von uns allen. Mascha Unterlehberg ist hier ein wunderbares Buch gelungen, dem ich sehr sehr viele Leser wünsche. Und noch mehr Leute, die über die Jaras und Antos unserer Welt nachdenken und ihnen helfen, uns helfen.

Bewertung vom 02.05.2025
Mesa, Sara

Die Familie


ausgezeichnet

Dysfunktionale Familie

Die Familie. Mutter, Vater, zwei Töchter, zwei Söhne. Eine vollkommen durchschnittliche Familie. Mitnichten. Sara Mesa durchleuchtet diese Familie, öffnet die Zimmer der Wohnung, erhellt die Dunkelheit darin, zeigt das, was niemand sehen soll, niemand sehen darf. Und dies passiert in einem grandiosen Ton, der von einem schwarzen Humor durchzogen ist, den ich feiere, den ich liebe. Denn diese äußerlich so perfekten Familien, sie haben dunkle Räume, in die niemand blicken sollte und die den perfekten Schein sofort zerstören.

Ein hehrer Familienvater mit recht hohen Ansprüchen an das Leben und an seine ach so geliebten Mitmenschen. Von Empathie scheint er wenig, bis gar nichts zu verstehen, dafür baut er einen Druck auf, der Folgen hat. Denn natürlich regt dieser Druck den Widerspruchsgeist der Umgebung an, wie dieser Druck natürlich auch zerstört. Und natürlich lassen sich seine geliebten Familienangehörigen Auswege einfallen.

Sara Mesa blickt auf die Familienangehörigen zu unterschiedlichen Zeiten, die in den verschiedenen Kapiteln chronologisch nicht geordnet erfolgen. Durch diese variablen Blicke und das zeitlich versetzt Geschilderte erfolgt ein intensiver und aussagekräftiger Blick auf die verschiedenen Familienmitglieder, auf das Gefüge innerhalb der Familie. Der Vater mit seiner Herrschsucht und seiner Manipulation beeinflusst das Geschehen massiv. Und die anderen Familienangehörigen reagieren.

Von Sara Mesa ist auf den 256 Seiten des Buches „Die Familie“ eine perfekte Sezierung des Geschehens in ihrer Romanfamilie erfolgt. Der bissige Ton lässt das Geschehen für mich besser klingen, besser ertragen, denn dieser Vater, nun, der reizt mich schon massiv.

Sara Mesa ist ein wunderbares Psychogramm der beteiligten Personen gelungen und das finde ich schon sehr bewundernswert, schließlich sind sechs Menschen in dieser Familie und das Buch hat „nur“ 256 Seiten. Dies muss man erst einmal schaffen.

Von Sara Mesa kenne ich schon den Vorgänger „Eine Liebe“, ebenso ein sehr gutes Buch. Aber hier triggerte mich der Hauptcharakter massiv, so dass ich nicht so in den Genuss des Gelesenen kam.

Das ist hier bei diesem Buch „Die Familie“ vollkommen anders. ich brannte lichterloh bei der Lektüre. Perfekt ausgeleuchtete Charaktere und ein dunkles Geschehen, was einerseits abstößt, andererseits aber auch ungeheuer fasziniert.

Ein wunderbares Buch, ein 5 Sterne Kandidat, ein Lese-Muss. Also Leute, holt euch dieses Buch hier und bitte unbedingt Lesen. Ich habs geliebt, habs geliebt, habs geliebt!

Bewertung vom 02.05.2025
Tóibín, Colm

Brooklyn (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Eilis Laceys Reise

Eilis Lacey lebt mit ihrer Mutter und ihrer etwas älteren Schwester in Enniscorthy, einer Kleinstadt im Südosten von Irland. Wir sind in den 50er Jahren, das Leben ist nicht einfach, die Laceys sind arm, Arbeit gibt es nicht und so verlässt Eilis auf Drängen der Familie Irland und geht nach Amerika, in die USA nach Brooklyn.

Dort angekommen vermittelt ihr ein irischer Priester, ein Bekannter der Familie ein Unterkommen in einer Pension, die von einer Irin geleitet wird und einen Job in einem Kaufhaus. Eilis lebt sich langsam ein, doch sie fühlt sich allein, bekommt den Geschmack der Dunkelheit zu spüren. Auch hier hilft wieder der Priester, er vermittelt ihr einen Platz am Brooklyn College, da er ihr Potenzial erkennt und so besucht sie fortan Kurse in Buchführung am College. Tóibín zeichnet ein stimmiges Bild einer vergangenen Zeit, in der Frauen nicht die Möglichkeiten hatten, die sich uns heute so mannigfaltig bieten. Dies ist recht bestürzend zu lesen, denn eins sollte man sich hier klar machen, so lange ist das noch nicht her.

Eilis lebt sich langsam ein, obwohl ihr dennoch die irische Heimat fehlt, denn diese doch buntere amerikanische Welt verblüfft sie, man merkt ihr die Enge an, unter der sie in Enniscorthy gelebt hat. Doch man ist woher man stammt, und dies passt auf den Charakter der Eilis perfekt.

Dann lernt sie den italienischstämmigen Tony kennen, sie verspürt eine Faszination, bis sie schließlich zu fliegen beginnt. Auch hier merkt man wieder die Enge der damaligen Zeit. Doch dann kommt ein Brief aus der Heimat mit einer schlimmen Nachricht, der sie zu einer Rückkehr nach Irland zwingt. Und hier in Irland trifft sie wieder auf Jim, die Vergangenheit wummert an ihre Tür. Zwei Leben, zwei Männer, eine Entscheidung.

Von Colm Tóibín ist dieses Buch wunderbar geschrieben worden, die Rolle der Eilis fand ich wunderbar gezeichnet. Ihre Entscheidungen, ihre Sichten ecken manchmal mit meinen eigenen Sichten an, aber es ist eine andere Zeit. „Brooklyn“ ist ein exzellenter Blick und auch ein spannender Blick in die Vergangenheit, „Brooklyn“ ist ein Buch, das ich sehr gern gelesen habe und „Brooklyn“ ist ein Buch, welches ich völlig überzeugt empfehle.

Bewertung vom 02.05.2025
Tóibín, Colm

Brooklyn (Ungekürzt) (MP3-Download)


ausgezeichnet

Eilis Laceys Reise

Eilis Lacey lebt mit ihrer Mutter und ihrer etwas älteren Schwester in Enniscorthy, einer Kleinstadt im Südosten von Irland. Wir sind in den 50er Jahren, das Leben ist nicht einfach, die Laceys sind arm, Arbeit gibt es nicht und so verlässt Eilis auf Drängen der Familie Irland und geht nach Amerika, in die USA nach Brooklyn.

Dort angekommen vermittelt ihr ein irischer Priester, ein Bekannter der Familie ein Unterkommen in einer Pension, die von einer Irin geleitet wird und einen Job in einem Kaufhaus. Eilis lebt sich langsam ein, doch sie fühlt sich allein, bekommt den Geschmack der Dunkelheit zu spüren. Auch hier hilft wieder der Priester, er vermittelt ihr einen Platz am Brooklyn College, da er ihr Potenzial erkennt und so besucht sie fortan Kurse in Buchführung am College. Tóibín zeichnet ein stimmiges Bild einer vergangenen Zeit, in der Frauen nicht die Möglichkeiten hatten, die sich uns heute so mannigfaltig bieten. Dies ist recht bestürzend zu lesen, denn eins sollte man sich hier klar machen, so lange ist das noch nicht her.

Eilis lebt sich langsam ein, obwohl ihr dennoch die irische Heimat fehlt, denn diese doch buntere amerikanische Welt verblüfft sie, man merkt ihr die Enge an, unter der sie in Enniscorthy gelebt hat. Doch man ist woher man stammt, und dies passt auf den Charakter der Eilis perfekt.

Dann lernt sie den italienischstämmigen Tony kennen, sie verspürt eine Faszination, bis sie schließlich zu fliegen beginnt. Auch hier merkt man wieder die Enge der damaligen Zeit. Doch dann kommt ein Brief aus der Heimat mit einer schlimmen Nachricht, der sie zu einer Rückkehr nach Irland zwingt. Und hier in Irland trifft sie wieder auf Jim, die Vergangenheit wummert an ihre Tür. Zwei Leben, zwei Männer, eine Entscheidung.

Von Colm Tóibín ist dieses Buch wunderbar geschrieben worden, die Rolle der Eilis fand ich wunderbar gezeichnet. Ihre Entscheidungen, ihre Sichten ecken manchmal mit meinen eigenen Sichten an, aber es ist eine andere Zeit. „Brooklyn“ ist ein exzellenter Blick und auch ein spannender Blick in die Vergangenheit, „Brooklyn“ ist ein Buch, das ich sehr gern gelesen habe und „Brooklyn“ ist ein Buch, welches ich völlig überzeugt empfehle.

Wunderbar intoniert von Katja Danowski.

Bewertung vom 23.03.2025
Russ, Rebecca

Die Influencerin


gut

Rehlein meets Instagramerin

Die Influencerin Sarah Rode verliert mit einem Male alles, was ihr Leben bisher ausgemacht hat. Eine Followerin der Lifestyle Influencerin ist gestorben und die Social Media Welt gibt Sarah Rode die Schuld. Ein Shitstorm überrollt sie. Daraufhin zieht sie sich aus der Social Media Welt zurück. Doch der Hass verfolgt sie aus dem Netz ins reale Leben. Und ihre Welt wird damit noch kleiner, noch bedrohlicher.

Das klingt doch nach einem interessanten Plot. Dachte ich mir so.

Doch dieser Charakter Sarah Rode stellt mich auf eine harte Geduldsprobe. Denn dieser Charakter hat wirklich ein hohes Nervpotenzial. Unter einer Influencerin mit Fotostrecken auf Instagram, die für Livestyleprodukte wirbt und auch sich selbst ins Rampenlicht stellt, stelle ich mir schon ein gestandenes Frauenzimmer mit einer gehörigen Menge Power vor. Denn ein kleines huscheliges Mäuschen wird dies meiner Meinung nach nicht unbedingt schaffen. Gerade in unserer Welt, die vor Gehässigkeit und Häme nur so strotzt. Da brauchst du ein dickes Fell. Finde ich zumindest.

Hier bei dieser Instagramerin Sarah Rode findet man wenig Power, sie wirkt wie ein kleines Rehlein. Ein pubertierendes Mädchen hat sie auch, sie ist Mutter und sie ist verheiratet, die Familie lebt in einem Haus am Stadtrand. Ich habe mich gefragt, wie die kleine Sarah das alles so schafft.

Mich hat Sarah sehr genervt und auch wütend gemacht, ein furchtbarer Mensch. Brrr.

Auch die Handlung hat mich anfangs nicht mitgenommen, wirkt überzeichnet, arg konstruiert, bis ins Unglaubwürdige hinein. Erst im Letzten Drittel kommt dann aber doch etwas Spannung auf und die Handlung wird rasanter, deutlich besser. Dieses letzte Drittel bringt dann dem Buch schlussendlich den dritten Stern.

Empfehlen mag ich es dennoch eher nicht. War leider nicht mein Fall!

Bewertung vom 23.03.2025
Balle, Solvej

Über die Berechnung des Rauminhalts I


sehr gut

Und täglich grüßt das …

Tara Selter kommt von einer Geschäftsreise aus Bordeaux und beginnt immer wieder den 18. November neu zu erleben. Täglich grüßt das Murmeltier oder eben dieser 18. November. Für Tara Selter ein Grauen. Sicher für jeden von uns nachvollziehbar. Sie versucht aus diesem Drama zu entkommen, lernt die Funktion der Zeitschleife nach und nach besser kennen. Dieses Trauma beschäftigt sie, deprimiert sie, noch dazu, wo sie herausfindet, dass sie selbst altert, ihre Umgebung aber nicht. Einfach eine Horrorvorstellung. Tara lebt mit ihrem Mann Thomas in einem Haus in Nordfrankreich, dies ist ihr sicherer Hort, der mit einem Mal gefährdet ist. Der Blick der Leser wird auf das Fragile im Leben gerichtet. Man bekommt ein Eindruck von den Wichtigkeiten im Leben, die man manchmal so achtlos ansieht, für gegeben hält. Doch dem ist nicht so. Für Tara ist dies nicht so und für die Leserschaft eigentlich auch nicht. Und das Buch richtet den Blick genau darauf. Aber nicht nur dahin schaut dieses Buch. Auch auf die Dinge, die uns umgeben, die wir um uns aufhäufen, richtet sich dieser Blick. Damit kratzt das Buch am System, an unseren Wertvorstellungen und macht damit nachdenklich. Denn was brauchen wir wirklich? Alles, was Tara am 18. November anhäuft, ist am nächsten Tag weg. Sie kann nichts mitnehmen, nichts ins Zurück mitnehmen. Manches verschwindet allerdings auch unwiederbringlich. Dies betrifft Verbrauchsgüter. Und richtet damit den Blick der Leserschaft auch auf schwindende Ressourcen unserer Erde. „Über die Berechnung des Rauminhalts 1“ kann man damit auch als eine berechtigte Kritik an unserer bunten Warenwelt sehen, natürlich nur wenn man das möchte. Das Buch von Solvej Balle ist damit ein wunderbares Buch zum Sinnieren, gerade in dieser Erweiterung des Blickwinkels liegt auch der Reiz des Buches. Denn allein die Handlung des Buches, Taras Suche nach dem Ausweg aus ihrer Zeitschleife, ist etwas eintönig. Denn Taras Erkennen ihrer Situation, ihre Suche nach dem Ausgang, das Herausfinden einiger Verbesserungsmöglichkeiten ist alleinstehend nicht allzu sehr reizvoll. Die Verbindung von Taras Geschichte mit einer Gesellschaftskritik macht das Buch deutlich gehaltvoller.

Ich bin neugierig, wie diese Geschichte fortgeführt wird. Sehr neugierig!

Bewertung vom 23.03.2025
Györke, Stefan

Tizianas Rosen


ausgezeichnet

Eindringliche Rosen

Tiziana Mara ist die Hauptprotagonistin in dem Buch von Stefan Györke. Und sie stellt sich. Sie stellt sich der Polizei und gesteht einen Mord. Den Mord an dem Züricher Anwalt Ulrich Vanderhoff. Gleich zu Beginn des Buches. Wo man sich als geneigte Leserin schon fragt, hä, wat soll das?

Doch der Autor Stefan Györke hatte mich schon mit dem Vorgänger „Die Mütter“ sehr begeistert und deshalb weiter im Buch. Denn wo geht hier die Reise nun hin.

Tiziana Mara erzählt der Polizei ihre Geschichte. Doch erzählt sie der Polizei wirklich alles? Das darf der geneigte Leser selbst herausfinden.

Tiziana Mara ist jung. Und Tiziana Mara ist flügge. Der elterlichen Enge ist sie entkommen. Eine kleine Wohnung ist ihr Reich. Sie ist glücklich. Sie arbeitet. Mal hier und mal da. Wobei die zweite Arbeitsstelle sie in eine renommierte Anwaltskanzlei befördert. Und hier begegnet sie dem schillernden Anwalt Ulrich Vanderhoff und verfällt als junge und unerfahrene Frau sichtlich seinem hochkarätigen Charme. Nachdem er sich erjagt hat, was er wollte, zeigt er sein wahres Gesicht und lässt Tiziana fallen, erniedrigt sie und genießt das. Tiziana wird ein Opfer ihrer Liebe. Wie so viele von uns!?!?

Doch dann wird er ermordet aufgefunden, mit einem Strauß Rosen tief in seinem Hals, wobei die Dornen die Arbeit erledigten. Kein schönes Ende! Ein brutales Ende! Ein typischer Ritualmord der Mafia. Tizianas Eltern stammen aus Sizilien. Doch Tiziana gesteht ja selbst. Und sie ist keine Mafiosi. Die Polizei hat nun zu tun. Denn was ist hier geschehen? War das mafiöses Tun?!

Scharfzüngig schafft es Stefan Györke, obwohl Tiziana am Anfang schon den Mord gesteht, eine spannende und auch etwas schwarzhumorige Geschichte zu erzählen. Ich als Leserin bin vollkommen dabei. In dieser Geschichte über die Liebe, über eine manipulative Beziehung, über eine kleine und unerfahrene italienische Eva. Jede Leserin wird wissen, was dies bedeutet, was es bedeutet, so jemandem zu verfallen. Und auch mancher Leser wird Ulrichs Handlungen in den Taten von jemand anderem wiedererkennen.

Gerade dieses Wissen, dieses Wiedererkennen lässt dieses Buch so spannend sein. Obwohl der Mord zugegeben wurde.

Und so kann ich nur vollkommen zufrieden rufen. Leute, lest dieses Buch von Stefan Györke, seine Hommage an Tiziana, an die kleine italienische Eva.

Bewertung vom 23.03.2025
Benedict, Marie

Die einzige Frau im Raum / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.4


sehr gut

Hedy Lamarr

Hedy Lamarr. Leinwandgöttin. Weltweit bekannt. Strahlend schön und voller Kraft und Ausstrahlung. Doch Hedy Lamarr hat noch viel mehr zu bieten.

Diese Biografie hier in Romangestalt zeigt dies. Hedy Lamarr wurde als Hedwig Eva Maria Kiesler am 9. November 1914 als Tochter jüdischer Eltern in Wien geboren. Ihre Familie lebte nicht offen jüdisch und so gestaltet sich das Wissen zu den Menschen zu gehören, die vielleicht bald verfolgt werden, zu einer Krise der Lamarr. Schon in Österreich begann sie sich eine Karriere als Schauspielerin auf der Leinwand und der Bühne aufzubauen. Dadurch fiel sie dem Wiener Industriellen Fritz Mandl auf, der schon damals mit den Faschisten kokettierte, aber schon so viel Macht besaß, dass es der Familie Kiesler geschadet hätte, wenn Hedwig ihm einen Laufpass gegeben hätte. Und so heiratet Hedwig frisch katholisch getauft 1933 Mandl. Die Liebe verschwindet schnell und Hedwig fühlt sich gefangen und beherrscht von Mandl. Aber nicht nur das beschäftigt Hedwig, sie muss auch mit ansehen, wie der mächtige Ehemann mit den Faschisten liebäugelt (Na, wem kommt das noch bekannt vor?). Ihr gelingt es 1937 schließlich nach Paris zu fliehen, keine Sekunde zu früh. 1938 wird Österreich an Deutschland angeschlossen und auch in Österreich kommen die Nationalsozialisten an die Macht. Von Paris geht sie nach London, dann nach Hollywood, wo sie sich gut zu verkaufen weiß, endlich zu der Berühmtheit wird, die wir heute kennen. Ihr Grauen vor dem Tun der Nationalsozialisten verschwindet aber nicht, sondern wird nachvollziehbar immer größer und so ersinnt der schlaue Kopf Hedy Lamarr eine Funkfernsteuerung für Torpedos, die auf einem Frequenzsprungverfahren beruht. Dies lässt sie sich 1942 patentieren. Von der Army wird es nicht angenommen, obwohl es Leben gerettet hätte. Aber was will man auch von dem allseits bekannten Patriarchat erwarten? Eine Filmschauspielerin erfindet für die Army etwas. Nein!?!? Es kann ja nicht sein, was nicht sein darf. Heute wird dieses Verfahren zum Beispiel bei Bluetooth verwendet. Heute, aber nicht damals.

Nun habe ich wirklich einiges vom Buch hier erzählt. Aber die Lamarr entzündet mich. Ich habe Hochachtung vor dieser Frau. In der damaligen Zeit. Wow!!! Eine Filmdiva und eine wunderschöne Frau. Und auch noch ein schlauer Kopf. In einer Thematik, die, nun ja, nicht zu meinen Hochtalenten gehört. Einfach nur wow!!!

Und dieses Buch hier kann ich sehr empfehlen. Man lernt die Lamarr kennen und bewundern. Eine sehr starke Frau! Schön und interessant geschrieben. Ich hatte etwas Kopfschmerzen, bevor ich zu dem Buch gegriffen habe, denn ich kenne Marie Benedict noch von der Biografie zu „Frau Einstein“. Und diese war nun nicht gar so dolle. Aber dieses Buch hier hat deutlich mehr Feuer. Also unbedingt lesen!

Bewertung vom 23.03.2025
Stephan, Felix

Die frühen Jahre


gut

Erwachsenwerden

Die Nachwendejahre. Die Nachwendejahre in einer Familie der dem System Angepassten. Schon für alle anderen waren diese Jahre prägend. Zerfetzten diese Jahre doch die Lebensläufe. Ein großer Teil der Industrie verschwand und damit verschwanden Arbeitsplätze und Einnahmen. Die Systemhörigen hatten da noch ein paar Probleme mehr.

Dies kleidet der Autor in eine Coming of age Geschichte, die eigentlich glaubhaft und fesselnd daherkommen müsste. Der Autor ist selbst 1983 geboren, war also 1989 6/7 Jahre alt. Ein Alter, in dem das Verständnis für das momentane Geschehen nicht vorhanden ist. Dies findet sich in der Geschichte wieder.

Nur tut diese Geschichte dies nicht. Also fesselnd und interessant gestaltet sein und mich als Leserin in ihren Zauber aufnehmen. Denn dies ist sie für mich nicht. Dies mag an meiner Ostsozialisation hängen. Vielleicht empfindet dies jemand aus den alten Bundesländern anders. Aber die Geschichte der Familie flackert seltsam emotionslos an mir vorbei. Und dies bei diesem Thema. Normalerweise gehen bei diesem Thema bei mir alle Lampen an und ich bin Feuer und Flamme. Nur eben hier nicht. Und sorry. Aber dies ärgert mich etwas!

In mir entwickelt diese Geschichte um eine angepasste Familie der DDR und der kleine Junge, der das Geschehen in der Welt erst etwas staunend betrachtet und später auch mit deutlich mehr Verständnis keinen allzu großen Sog. Ich fühle mich nicht angezündet. Ich lese dies und denke mir so. Nun denn. Was sehr schade ist!

Denn gerade wir Osttanten und Ostonkel haben doch die Pflicht den Menschen in den alten Bundesländern zu vermitteln was diese Übernahme unserer Welt, diese so krasse Abwicklung und Vernichtung unserer Welt und diese Abwertung unserer Lebensleistung, diese Abwertung von uns selbst mit uns gemacht hat. Denn das sollten sie verstehen. Dann passiert es vielleicht nicht, dass man, wenn man mit einem Autokennzeichen der östlichen Welt in der westlichen Welt unterwegs ist, von vermeintlich höhergestellten Menschen als dummer Ossi beschimpft wird. Wobei diese plärrenden Menschen jung waren und den Osten gar nicht kennen konnten, aber dieses Bild sicher von irgendwoher vermittelt bekamen. Zum Fremdschämen und Blutdruck erhöhen.

Dieses Buch hier plätschert aber im Fortlauf der Geschichte, die Charaktere verbleiben für mich farblos. Warum? Ist das die Herkunft der Familie. Denn die dem System der DDR angepassten Menschen erzeugen in mir wenig Mitleid. Dennoch kann ich mich doch auch in solche Charaktere hineinversetzen, versuchen sie empathisch auszuleuchten. Doch dies passiert hier nur ansatzweise. Und ich verbleibe etwas ratlos. Was wollte mir das Buch „Die frühen Jahre“ eigentlich sagen? Wie es einer Familie von dem System der DDR angepassten Menschen nach der Wende erging und wie das Kind der Familie sich entwickelt, der Sohn erwachsen wird und sich vom Althergebrachten distanzieren kann. Ganz nett. Aber kein Feuer und keine Flamme. Was schade ist!

Bewertung vom 09.03.2025
Vogt, Laura

Die liegende Frau


ausgezeichnet

Das Gestern, das Jetzt und das Morgen

3 Frauen. Romina, Szibilla und Nora. 3 Freundinnen. 3 Lebenswelten. Ein wunderbares Konzept. Schon in „Was wir sind“ von Anna Hope und in „Katzenzungen“ von Borger & Straub hat mich dieses Konzept begeistert. Und dieses Begeistern schafft auch Laura Vogt in „Die liegende Frau“.
Freundinnen. Ein immerwährendes Thema denke ich. Frau braucht sie genauso, wie sie sich daran reibt. Ein Ritt auf einem Pulverfass. Manchmal. Oft. Dennoch ist die Freundinnenschaft auch etwas Essentielles.
Und auch hier ist das so. Romina, Szibilla und Nora stehen in ihren Leben. Sie sind erwachsen. Autark. Konventionell und auch unkonventioneller. Sie kommen zusammen. Doch anders als geplant. Nora reist mit ihrer Tochter zur Mutter ins schweizerische Rheintal, verfällt dort in ein neuordnendes Schweigen, zieht sich in sich selbst zurück. Ihre Freundinnen Romina und Szibilla kommen nach und müssen warten, bis Nora wieder da ist, wieder in der Aktion ist und haben in der Zwischenzeit sich selbst. Ihre doch recht unterschiedlichen Welten und Sichten prallen aufeinander. Dann wird aus der Welt zu zweit wieder eine Welt zu dritt. Und das Annähern der Frauen geht weiter. Ihre Sichten. Ihre Welten. Ihr Wollen. Ihr Miteinander. Ihre Schwesternschaft.
Ein wunderbares Buch! „Die liegende Frau“. Ein Buchtitel. Doch eigentlich noch viel mehr. Dieses ach so tolle Patriarchat, welches sich fügsame und steuerbare Frauen wünscht und die heutige Welt, in der die Frauen aufwachen und diese altbekannten Lebensentwürfe zu hinterfragen beginnen. Das ist das Thema des Buches. Und wer meine Lesegewohnheiten kennt, wird wissen, ja, für dieses Buch brennt sie. Und genau so war es. 3 unterschiedliche Frauen, die sich begegneten, die sich anfreundeten. Ob das hier real ist? Warum nicht? Man lernt sich in einem bestimmten Moment kennen und dann kommt die Zeit, sie verändert, man wächst, bzw. man sollte wachsen. Und später kommt man dann an den Punkt altbekanntes zu überdenken. An diesem Punkt sind auch Nora und Szibilla und auch Romina.
Die Leserschaft darf daran teilhaben, darf mitfiebern. Und noch etwas darf die Leserschaft. Die eigenen Sichten hinterfragen. Und dabei wünsche ich besonders viel Spaß!
Ein richtig gutes Buch, dem ich eine große Zahl an Lesenden wünsche. Gestern war der 8. März, der feministische Kampftag. Und Simone de Beauvoir sagte: „Frauen, die nichts fordern, werden beim Wort genommen. Sie bekommen Nichts!“
„Die liegende Frau“ ist ein Roman über 3 Freundinnen, über ihre Sichten, über ihr Wollen. Und das ist etwas über das wir alle einmal nachdenken sollten! Ein Bundestag mit nicht mal 33 % Frauenanteil, was kann so ein Bundestag für uns Frauen, für unsere Sichten, für unsere Freiheit bewirken. Und wollen wir das? Wollen wir liegen oder wollen wir schreien? Mädels, wacht endlich auf!