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Pergamentfalter
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Insgesamt 35 Bewertungen
Bewertung vom 22.03.2018
Das Böse, es bleibt
D'Andrea, Luca

Das Böse, es bleibt


gut

Kalt und prägnant – das ist Luca D‘Andreas neuer Thriller „Das Böse, es bleibt“. Prägnant, das ist zum einen sein Schreibstil, der durch kurze Sätze und eine klare Wortwahl besticht. Zum anderen ist es die klare Gestaltung der Charaktere – alle mit Stärken, Schwächen und persönlichen Schicksalen. Die Kälte zieht sich allein ob des Settings, einem Winter in den südtiroler Bergen, durch das Buch und taucht dann auch noch bei manchem Charakter als emotionale Kälte auf.

Das Buch gliedert sich in eine Vielzahl v.a. kurzer Szenen aus wechselnden Perspektiven – ein Kunstgriff, der in meinen Augen sonst die Spannung steigert. Hier konnte mich die Geschichte jedoch nicht richtig packen. Sie ist spannend, keine Frage, aber nicht so fesselnd, wie ich es von einem Thriller erwartet habe.

Zum einen lag das an den Figuren, die zwar interessant gestaltet waren, mich aber einfach nicht mitreißen konnten. Als Beispiel seien nur einmal der namenlose Mörder und der Eremit Simon herausgegriffen, die beide stark polarisieren können. Bei Charakteren wie ihnen will ich Gänsehaut, Kälte oder einen Hauch des Wahnsinns spüren, der sie umgibt. Doch nichts dergleichen. Es blieb bei einem einfachen „Okay“.

Zum anderen lag es an der Atmosphäre, die mir einfach nicht das passende "Feeling" vermittelte. Ich hatte mit einer düster-kalten Bergwelt gerechnet, doch hinter den im Fokus stehenden Handlungen und Gedanken der Figuren trat die Umwelt zurück. Was blieb, waren kurze Erwähnungen, wie etwas aussieht oder sich anfühlt. Zu kurz, um eine fesselnde Atmosphäre zu erzeugen. Darüber hinaus konnte der prägnante Schreibstil zwar sehr gut die Kälte widerspiegeln, für eine richtige Atmosphäre fehlten mir allerdings längere, weniger prägnant-kurze Beschreibungen. Auch hier blieb es wieder nur beim „Okay“.

FAZIT
Interessante Idee, interessantes Setting, interessante Figuren. Kurz: gute Ansätze. Mir haperte es letztlich jedoch an der Umsetzung, die mir einfach nicht spannend und atmosphärisch genug war. „Das Böse, es bleibt“ war eine gute Unterhaltung, aber nichts Herausragendes, das mir länger in Erinnerung bleiben wird.

Bewertung vom 22.12.2017
Angstmörder / Nicholas Meller Bd.1
Stassen, Lorenz

Angstmörder / Nicholas Meller Bd.1


weniger gut

Zu Beginn ein Wort zum Genre: „Angstmörder“ ist für mich eher ein Krimi, denn für einen Thriller habe ich die typische Hochspannung vermisst.

Die Handlung wird einerseits aus der Ich-Perspektive von Nicholas Meller und andererseits von einem personalen Erzähler geschildert, der von dem Geschehen rund um den Mörder und seine Opfer berichtet.
Spannung konnte dabei nur gegen Ende ein wenig aufkommen. Abgesehen davon plätscherte die Geschichte eher dahin und ich war mehrfach versucht, das Buch abzubrechen. Das lag zum Einen daran, dass für mich zu wenig passierte. Ein bisschen Ermittlungsarbeit, ein paar Streitereien, ein paar Einblicke in die Leben der Figuren. Viel mehr nicht.
Zum anderen lag es für mich am sachlichen Schreibstil des Autor. Er gibt der gesamten Geschichte den Charakter einer Berichterstattung denn eines Buches, das zum Eintauchen einlädt.
Insgesamt war mir diese Geschichte zu offensichtlich konstruiert. Normalerweise kann ich zwischendurch vergessen, dass eine Handlung konstruiert ist, weil sie einfach überzeugt. Hier gelang das leider nicht.

Die Hauptfiguren sind insgesamt schlüssig dargestellt und haben mir weitestgehend gut gefallen. Positiv hervorheben will ich, dass hier endlich mal eine Person mit einer Behinderung zur Hauptfigur eines Krimis wird. Kann es gern öfter geben!
Schade, dass Meller seine anfängliche Ablehnung später nicht weiter reflektiert. Dabei hätte das bsp. im Kontext der Ansichten seiner russischen Bekannten zu Menschen mit Behinderungen gut gepasst. Ansonsten haben mir der entspannte Umgang mit Ninas Behinderung und die Darstellung der Irritationen, die sie mitunter hervorruft, gut gefallen.

[SPOILER!]

Ganz ohne Spoiler geht es dieses Mal nicht, denn um zu beschreiben, warum mich das Buch nicht wirklich überzeugen konnte, fehlen noch drei Punkte.
So tauscht sich eine der Nebenfiguren, Christine Thalbach, mehrfach und dabei z.T. sehr persönlich mit einem Polizisten aus. Ich weiß nicht, ob ich durch meine bisher gelesenen Krimis und Thriller einfach schon sensibilisiert bin, aber ich fand diesen Polizisten und sein Verhalten einfach unglaubwürdig und konnte überhaupt nicht verstehen, warum Christine ihm vertraut.
Mein zweiter Punkt ist die Liebesgeschichte zwischen Meller und Nina, zu der ich einfach nur eine Frage habe: Warum?! Sie war so plötzlich da, dass sie auf mich nur konstruiert wirkte. Zudem hinterließ sie am Ende den faden Nachgeschmack, nur da gewesen zu sein, um einen Aufhänger für das Finale bzw. Mellers Erpressung zu haben.
Zu guter Letzt die Szene nach der Schießerei am Ende: Meller hat keinen Waffenschein. Trotzdem taucht er mit einer Waffe zu dem Gespräch auf. Punkt eins: Das schreit nach Konstruktion! Meller hatte nie eine Waffe, hat auch nie den Wunsch danach geäußert und nun in der Szene hat er doch rein zufällig eine dabei, wo er ohne sie aufgeschmissen gewesen wäre. Ist klar.
Punkt zwei: Nachdem er geschossen hat, springt er sofort wieder als Anwalt ein. Bin nur ich der Meinung, dass das nicht funktionieren wird? Er bringt ohne Waffenschein eine Pistole mit zu einem Treffen und erschießt jemanden. Für mich kann diese Szene nur schwer als Notwehr abgehandelt werden und wird wohl juristische Folgen haben. Sicher, das tangiert dann nicht mehr die Handlung des Buches, aber diese Szene war für mich einfach nur unsinnig.

[SPOILER ENDE.]

FAZIT
"Angstmörder" ist mehr ein Krimi als ein Thriller und selbst dafür beinahe zu unaufgeregt. Spannung kommt kaum auf und mehrfach ist die Handlung zu offensichtlich konstruiert. Da kann auch die gute Darstellung der Charaktere nicht mehr viel retten.

Bewertung vom 23.08.2017
Die Moortochter (Restexemplar)
Dionne, Karen

Die Moortochter (Restexemplar)


gut

"Die Moortochter" wird aus der Ich-Perspektive der Protagonistin Helena Pelletier erzählt. Die Handlung ist zweigeteilt: Ein Handlungsstrang beschäftigt sich mit den Ereignissen der Gegenwart vom ruhigen Familienleben hin zur Verfolgungsjagd. Letztere ist dabei nicht so adrenalingeladen und rasant, wie man vermuten könnte. Vielmehr lag der Fokus auf Helenas Gedanken, die immer wieder zu ihrer Vergangenheit und der ambivalenten Beziehung zu ihrem Vater abschweiften.
Der zweite Handlungsstrang ist ein Blick in die Vergangenheit selbst und in Helenas Entwicklung. Sie schildern eindrücklich, wie Helena im Moor aufwuchs und wie sich die Beziehung zu ihrem Vater entwickelte. Dieser Teil half mir erheblich dabei, Helenas Gedanken und Handlungen in der Gegenwart besser zu verstehen.
Die Rückblicke sind insgesamt wie persönliche Berichte gestaltet und richten sich direkt an den Leser, was mir die Protagonistin noch einmal näher brachte. Mit dem Wissen um den eigentlichen Adressaten dieser Rückblicke, der am Ende genannt wird, macht diese Ansprache jedoch für mich keinen wirklichen Sinn.
So richtig packen konnte mich dieser Psychothriller leider nicht. Statt den Fokus auf den Gefängnisausbruch und die Verfolgung zu legen, liegt er auf Helenas Entwicklung und der Beziehung zu ihrem Vater. Das ist zwar an sich interessant, provozierte letztlich aber auch die eine oder andere Länge. Zudem kamen dadurch die Nebenfiguren recht kurz und blieben eher farblos.
Stilistisch konnte "Die Moortochter" mit einem lebendigen, angenehmen Sprachstil aufwarten. Insbesondere in den Rückblicken findet sich eine Fülle an detailreichen Beschreibungen der Moorlandschaft, die mir ein genaues Bild der überraschend vielfältigen Umgebung ermöglichten. Ein bisschen weniger Natur und mehr Handlung wäre an einigen Stellen jedoch wünschenswert gewesen.

FAZIT
"Die Moortochter" ist kein typischer Psychothriller mit rasanter, packender Handlung. Vielmehr hatte ich hier das Gefühl, eine Charakterstudie vor mir zu haben, die sich mehr mit der Person "Helena Pelletier" und ihrer Geschichte auseinandersetzte und weniger mit dem Gefängnisausbruch und der Jagd nach ihrem Vater. Diesem Zwiespalt sind dann auch einige Schwächen geschuldet, die dem Buch letztlich drei Pergamentfalter einbringen.

Bewertung vom 11.06.2017
Murder Park
Winner, Jonas

Murder Park


ausgezeichnet

Spannend - Fesselnd - Überraschend

1997 markierten drei Morde des Serienkillers Jeff Bohner das Ende des Freizeitparks "Zodiac Island" vor der Ostküste der USA. 2017 soll die Insel zu einem neuen Vergnügungspark werden: Murder Park. Ein Park im Stil von Krimidinnern oder Krimireisen, an einem echten Tatort, mit echten Kriminalfällen als historischem Hintergrund. Noch vor der offziellen Eröffnung des Parks gelangt Paul Greenblatt im Rahmen einer Pressereise für drei Tage auf die Insel. Mit elf weiteren Personen soll er als einer der ersten das Konzept kennenlernen. Dann beginnen die Morde und mit einem Mal ist niemand auf der Insel mehr sicher. Ist der Mörder einer von ihnen?

Schon auf dem Cover könnte Zodiac Island so friedlich wirken: umgeben von ruhigem Wasser, eine kleine Insel, typische Freizeitpark-Fahrgeschäfte ... Aber schon der erste Eindruck rief in mir die Skepsis wach. Die invertierten Farben verleihen der Szenerie etwas Düsteres, Unheimliches ... Geisterhaftes. Wie eine Nachtszene, die kurzzeitig von einem Blitz erhellt wird - bevor das eben noch unsichtbare Monster zuschlägt.
Das Cover ist definitiv bereits ein Blickfang, aber wird das Buch dem ersten Eindruck gerecht?
Die Handlung beginnt mit einer etwas fragwürdigen Interview-Sequenz. Sie ist eine von mehreren, die immer wieder die Handlung ergänzen und ihren Verlauf unterbrechen. Jeder Teilnehmer der Pressereise musste sich im Vorfeld mit dem Psychiater Sheldon Lazarus unterhalten, der das Projekt begleitet und sich bereits 1997 so intensiv mit Jeff Bohner befasste wie kaum ein anderer. Diese Sequenzen sind es, die nach und nach die unterschiedlichen Persönlichkeiten der Teilnehmer beleuchten und es mir ermöglichten zu hinterfragen, wie viel professionelles Interesse und wie viel dahinter versteckter Eigennutz für jeden Teilnehmer im Besuch der Insel liegen.
Im ersten Kapitel lernte ich dann den 24-jährigen Kriminalblogger Paul Greenblatt kennen, den Protagonisten der Handlung. 1997, als der Serienkiller Jeff Bohner auf Zodiac Island sein Unwesen trieb, war auch Paul zuletzt auf der Insel und kam dem Mörder dabei so nah wie sonst fast nur die Opfer. Die Begegnung hat sein Leben verändert, aber trotzdem versucht er möglichst objektiv, aber mit einer gewissen Grundskepsis, den neuen "Murder Park" kennenzulernen.
Nachdem ich die erste Skepsis, hauptsächlich wegen des Parkkonzepts, überwunden hatte, wurde Paul für mich ein überzeugender, sympathischer "Reisebegleiter", der immer wieder meine Gedanken zu teilen schien. Seine Parts sind größtenteils in dritter Person, Vergangenheit, geschrieben, wechseln stellenweise jedoch auch spontan ins Präsens und wirken damit wie eine Art verlangsamte, besonders intensive Momentaufnahme.
In der Mischung zwischen Reisegeschehen, ersten Morden und Interview-Ausschnitten steigt sehr schnell die Spannung. Die wachsende Anspannung zwischen den Figuren und die omnipräsente Frage nach der Identität des Mörders sind regelrecht greifbar und forderten mich zum Miträtseln und Mitfiebern auf. Vermutungen erwiesen sich immer wieder als Sackgassen. Zwischenzeitlich zweifelte ich an allem, selbst an Paul, den ich doch eigentlich die ganze Zeit über begleitet hatte. Im Verlauf der Handlung schien irgendwann nichts mehr sicher, niemand mehr vertrauenerweckend - und als ich endlich (!) glaubte, der Wahrheit auf der Spur zu sein, ließ Jonas Winner eine regelrechte Bombe platzen, die noch einmal alles veränderte, alles von Neuem in Frage stellte und klar machte: Hier, auf Zodiac Island, im Murder Park, ist nichts, wie es scheint. Die Gefahr kann überall lauern.

Fazit: Der erste Eindruck bestätigt sich. "Murder Park" ist ein gelungener Thriller, der seine Bezeichnung mehr als verdient. Überzeugende Charaktere, ein packender Erzählstil und eine Handlung, bei der man einfach mitfiebern muss, machen dieses Buch für mich zu einem neuen Highlight im Thriller-Bereich!

Bewertung vom 02.06.2017
Sie sind da / Die Brut Bd.1
Boone, Ezekiel

Sie sind da / Die Brut Bd.1


sehr gut

In Peru verschwindet eine Wandergruppe. In China explodiert eine Atombombe. In Washington erhält die Biologin Melanie Guyer einen uralten Kokon. In Indien reagieren die Seismographen, aber das Erdbeben bleibt aus. Und ein Flugzeugabsturz in Minneapolis ruft die höchsten Behörden und sogar die Präsidentin auf den Plan. Die Ereignisse scheinen zufällig zur gleichen Zeit zu passieren, doch sie hängen alle zusammen. Mit etwas schier Unglaublichem. Denn die "Brut" lässt sich nicht mehr aufhalten.

Mit "Die Brut - Sie sind da" legt Ezekiel Boone den ersten Band seiner neuen Thriller-Trilogie mit Hang zum Horror vor. Optisch ist das Buch schon mal ein echter Hingucker: Neben dem genretypisch dunklen Cover punktet es mit einem leuchtend roten ("blutigen") Buchschnitt.
Dass es sich hierbei nicht um einen Einzelband handelt, sollte man von vornherein im Hinterkopf behalten, um nicht enttäuscht zu werden. Schnell wird deutlich, dass die Handlung nicht auf eine rasche Lösung ausgerichtet ist. Vielmehr nimmt sich Boone in diesem ersten Band viel Zeit, um die Ankunft der "Brut" und ihre Auswirkungen zu beschreiben. Dabei beschränkt er sich keineswegs auf einen Ort und eine Handvoll Figuren. Die Handlung gliedert sich in zahlreiche Handlungsstränge - für meinen Geschmack fast zu viele. Jeder einzelne widmet sich den unterschiedlichen Charakteren an unterschiedlichsten Orten auf der ganzen Welt. Nur wenige sind dabei tatsächlich auserwählt, das Ende des ersten Bandes lebend zu erreichen. Welche das sind, verschleiert Boone sehr gut, sodass ich mir als Leser nie sicher sein konnte, was als nächstes passiert und wen die "Brut" erwischt. Auch die Hauptcharaktere kristallisier(t)en sich dadurch nur langsam
Die Geschichte wird in überwiegend kurzen Kapiteln erzählt, die häufig mit einem Cliffhanger enden, bevor an einen anderen Handlungsort gesprungen wird. Dadurch wird sehr schnell Spannung aufgebaut, die sich im Verlauf der Handlung langsam steigert. Häufig funktionieren die Kapitel frei nach dem Prinzip "Fressen oder gefressen werden" - was theoretisch mit der Zeit nervig wird und mich bei einem Einzelband garantiert genervt hätte. In "Die Brut - Sie sind da" schärft sich auf diese Weise allerdings der Blick für die Gefahr, die die "Brut" weltweit darstellt.
Dennoch kam ich mir manches Mal vor wie in einem klischeehaften amerikanischen Actionfilm: Viel Geballer (auch auf Insekten), regelmäßige Flüche und meist eher flache Charaktere. Stellenweise (insbesondere zu Beginn) wurde ich das Gefühl nicht los, die Charaktere würden sich nur über ihr Sexleben definieren. Mit der Zeit kamen dann zwar auch ein paar andere Aspekte hinzu, aber insgesamt blieben mir die Charaktere (insbesondere die Hauptfiguren) zu blass. Einen Zugang zu ihnen konnte ich, wenn überhaupt, nur ansatzweise finden.

Fazit: Spannend-schauriger, zum Teil fast schon klischeehaft-amerikanischer Horror-Thriller. Leider blieben die Charaktere zu farblos - vielleicht, weil es einfach zu viele waren. Damit und mit dem finalen Cliffhanger hat "Die Brut" Potential nach oben und für Band 2.

Bewertung vom 09.04.2017
Dark Matter. Der Zeitenläufer
Crouch, Blake

Dark Matter. Der Zeitenläufer


ausgezeichnet

"Bist du glücklich in deinem Leben?" - Seite 42
Diese eine Frage ist es, die das Leben von Jason Dessen auf den Kopf stellt. Diese und ein maskierter Mann - sein Entführer, der ihn unter Drogen setzt. Als Jason wieder zu sich kommt, wird er von einem Fremden wie ein alter Freund begrüßt und hat ein Leben, das so gar nicht mehr an seines erinnert: Statt ein einfacher Physik-Professor ist er ein gefeierter Wissenschaftler. Seine Frau hat er nie geheiratet. Seinen Sohn gibt es nicht.
Ist das die echte Realität? Steht er immer noch unter Drogen? Was ist passiert?
Kann er möglicherweise das perfekte Leben haben?

Im Grunde befasst sich Blake Crouch in seinem neuesten Werk mit einem alten Hut: Die Frage danach, wie unsere täglichen Entscheidungen unser Leben beeinflussen. Was geschehen wäre, wenn wir dies oder jenes anders entschieden hätten. Wie wir sein könnten, wenn wir einen anderen Weg eingeschlagen hätten.
Normalerweise bleiben die Antworten darauf immer Hirngespinste. In "Dark Matter. Der Zeitenläufer" erhält Jason Dessen jedoch die Chance, genau das herauszufinden.
Die Handlung basiert auf einer real existierenden Theorie der Quantenphysik - und ist keineswegs so trocken, wie es im ersten Moment klingt. Blake Crouch gelingt es, die Komplexität der Theorie so weit herunterzubrechen und verständlich zu machen, dass selbst ich als absoluter Physik-Laie es gut verstehen konnte und fasziniert immer tiefer in die Handlung eingetaucht bin.
Der Weg des Protagonisten ist dabei so spannend wie irrwitzig: Da kann er nicht nur herausfinden, was andere Entscheidungen aus seinem Leben und der Welt, in der er lebt, gemacht hätten, sondern begegnet sich mal eben auch noch selbst. Auch wenn er feststellen muss, dass "selbst" nicht immer mit "genau derselbe" gleichzusetzen ist.
Die zahlreichen Szenarios sind dabei keineswegs "Einheitsbrei", sondern beinahe so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Möglicherweise wirken einige Szenarios dabei etwas übertrieben, schärfen aber gleichzeitig den Blick dafür, was tatsächlich sein könnte. Damit wird "Dark Matter" nicht nur zu einem Versuch, alternative Leben zu entwerfen, sondern zeigt gleichzeitig, welcher Glücksgriff das Leben, das wir führen, sein kann. Und dass "perfekt" kein Maß ist, an dem das Leben gemessen werden sollte.
In jedem Fall tragen die vielen unterschiedlichen Szenarios dazu bei, Jason Dessens Charakter zu schärfen, indem sie ihm die Möglichkeit geben - ihn beinahe dazu zwingen - über sich und sein Leben nachzudenken. Was will er? Was kann er haben? Zu welchem Preis? Ist er bereit, den zu zahlen?
Seine einzige Konstante auf diesem verrückten Weg ist die Liebe zu seiner Familie, die ihn wunderbar menschlich und greifbar macht. Jason Dessen ist ein lebensnaher Charakter, der mir von Beginn an sympathisch war. Durch die verwendete Ich-Perspektive erhielt ich tiefen Einblick in seine Gedanken- und Gefühlswelt, konnte mich mit ihm wundern, fasziniert und erschrocken sein, mich freuen und auch mal am Rande der Verzweiflung stehen. Spätestens in den letzten Kapiteln wusste ich diese Perspektive dann auch noch einen Tick mehr zu schätzen, denn das Finale ist für diese Geschichte der Gipfel der Irrwitzigkeit - und wäre ohne Ich-Perspektive vermutlich reichlich verwirrend geworden.
Trotz dieser Verwirrung ist das Ende eines, das einfach passt. Es macht die Geschichte rund. Für meinen Geschmack hätte die Geschichte vielleicht noch ein kleines bisschen weitergeführt werden können, aber wer weiß: Vielleicht zeigt genau dieses Ende - passend zum Tenor des Buches - wie offen unser Leben doch eigentlich ist. Und wie viel wir mit einer einzigen Entscheidung bewegen können.

Fazit: "Dark Matter. Der Zeitenläufer" ist nicht nur ein kurzweiliges, spannendes Lesevergnügen mit einem sympathischen Protagonisten und einer konstanten Handlung. Es ist auch ein Buch, das zum Nachdenken anregt und es erlaubt, aus mindestens einer neuen Perspektive auf das Leben zu blicken.

Bewertung vom 31.01.2017
The Dry
Harper, Jane

The Dry


sehr gut

Drückende Hitze, starke Charaktere und die Suche nach der Wahrheit

Die Erde staubig-hart, die Luft brennend heiß. Wasser verdunstet viel zu schnell. Regen existiert nur noch in der Erinnerung. Das Vieh verendet. Die Farmer im australischen Kiewarra fürchten um ihre Existenz. Und Besserung ist weit und breit nicht in Sicht.
Ganz ohne große, ausschweifende Beschreibungen gelingt es Jane Harper, eine beeindruckende, atmosphärisch dichte Szenerie zu schaffen, die mitfühlen lässt. Immer wieder hatte ich während des Lesens das Gefühl, die trockene Hitze spüren und die weite verdorrte Landschaft sehen zu können, wenn ich gedanklich noch ein wenig mehr in die Geschichte eintauche. Auch die von Anfang an angespannte Stimmung hat die Autorin mit Gesten und Worten ihrer Figuren gut eingefangen.
Die Handlung wird aus der Sicht von Aaron Falk erzählt. Der Steuerfahnder kommt nach zwanzig Jahren zurück nach Kiewarra - zur Beerdigung seines Jugendfreundes Luke Hadler, der sich selbst und seine Familie umbrachte. Seine Begrüßung fällt jedoch alles andere als herzlich aus. Noch immer hängt ihm ein Unglück aus der Vergangenheit an und schürt Misstrauen und Ablehnung unter den Bewohnern Kiewarras. Auf Drängen von Lukes Eltern und gemeinsam mit dem Sergeant Raco beschäftigt sich Falk ein wenig mehr mit dem Todesfall - was die Anspannung in Kiewarra nochmal deutlich steigert und alte Wunden aufreißen lässt.
Die Geschichte ist flüssig erzählt. Dabei folgt sie weniger den typischen Stilmerkmalen eines Thrillers, sondern sie ist vielmehr ein Puzzlespiel aus neuen Erkenntnissen und Fährten, wie man es aus Krimis kennt. Hauptträger der gesamten Handlung sind die klar und detailliert gezeichneten Charaktere, ohne die die Geschichte kaum funktionieren würde. Ausgerechnet bei dem Protagonisten Aaron Falk schwächelt die lebendige Darstellung jedoch: Während nahezu alle auftretenden Figuren ihre Ecken und Kanten und Fehler haben, erscheint Falk nahezu unpassend "rund geschliffen" und perfekt. Sein einziger Fehler scheint einer aus der Vergangenheit zu sein, der ihm noch immer nachhängt. Seitdem scheint er die gesamten letzten 20 Jahre wie ein Engel gelebt zu haben, was rein nach logischem Denken recht unwahrscheinlich ist.
Die Spannung - eines der wichtigsten Elemente in einem guten Krimi oder Thriller - wird durchweg aufrechterhalten. Allerdings sollte "Spannung" hier eher als die Spannung eines Krimis gewertet werden. Für einen echten Thriller fehlte mir noch der letzte Kick, der die Nerven zum Zerreißen spannt.
Der Mix aus inoffiziellen Ermittlungen, Rückblicken in die und Folgen der Vergangenheit, persönlichen Differenzen und der alles umfassenden klimabedingten Anspannung ermöglicht immer neue Blickwinkel auf die Geschichte und verleiht der Handlung neue Facetten. Die gesamte Handlung gipfelt in ein überraschendes Finale, das mich persönlich allerdings nicht vollständig zufrieden stellen konnte.

Bewertung vom 14.01.2017
Good as Gone
Gentry, Amy

Good as Gone


sehr gut

Mit dreizehn Jahren wurde Julie Whitaker nachts aus ihrem Zimmer entführt. Obwohl ihre Schwester Jane alles beobachtet hat, kann die Polizei den Täter nicht finden und stellt die Ermittlungen schließlich ein. Acht Jahre später steht plötzlich eine junge Frau vor der Tür der Whitakers: Julie ist zurück. Die Familie kann ihr Glück kaum fassen. Doch nach und nach bemerkt Julies Mutter Anna erste Ungereimtheiten in der Geschichte ihrer Tochter. Als sich ein Privatdetektiv an sie wendet, scheinen ihre schlimmsten Befürchtungen wahr zu werden: Ist die junge Frau wirklich Julie?

In ihrem Debütroman nimmt Amy Gentry die Leser mit in eine Geschichte, die verworrener kaum sein könnte. Kurze Kapitel aus den Perspektiven unterschiedlichster Leute lassen zwar einerseits ein vielfältiges Bild entstehen, stürzten mich jedoch gleichzeitig mehr und mehr in Verwirrung. Dabei stellte sich die Autorin als Meisterin der falschen Fährten heraus.
Erzählt wird in zwei Strängen: Der eine folgt Anna, wie sie sich zunächst über die Rückkehr ihrer Tochter Julie freut, dann aber mehr und mehr zu zweifeln beginnt - an Julie, an ihrer Geschichte und an sich selbst.
Der andere Erzählstrang erzählt die Geschichte unterschiedlichster Mädchen, die sich regelmäßig in ihrer Grausamkeit zu überbieten scheinen. Gleichzeitig werden schwache Verbindungen zwischen den Mädchen deutlich. Ein Salat aus Namen, der Mal Sinn ergibt, ehe er wieder jeglichen Sinn verliert.
Zwischen beiden Erzählsträngen gibt es immer mal wieder Überschneidungen, die mich jedoch mehr verwirrten als Licht ins Dunkel zu bringen. Wann immer ich glaubte, das Geheimnis um Julie und ihre Entführung gelöst zu haben, tauchten neue Ungereimtheiten auf. Bis zur letzten Seite.
Die Charaktere haben mir gut gefallen, auch wenn ihre Persönlichkeiten in der Kürze des Buches nicht allzu tief ausgestaltet wurden: Tom und Anna Whitaker sind von dem Verlust ihrer Tochter gezeichnet und versuchen, wenigstens ihre verbliebene Familie zusammenzuhalten. Ihre zweite Tochter Jane ist zwar rebellisch, sucht im Grunde aber einfach nur nach Aufmerksamkeit, die sie nach Julies Verschwinden nicht bekommen hat. Bei jedem der drei zeichnet Amy Gentry ein Bild einer in ihrer eigenen Trauer gefangenen Person, die versucht, irgendwie weiterzumachen, wenn schon das richtige Leben nicht mehr funktioniert.
Julie als Person war für mich lange nicht greifbar. Sie scheint wie ein Phantom, das man zwar sieht, aber nicht wirklich begreift. Ihre Geschichte taumelt ständig über dem Abgrund zwischen Unglaubwürdigkeit und Verworrenheit, ohne sich für eine Seite zu entscheiden. Erst auf den letzten Seiten begriff ich wirklich, welche Geschichte Anna, Julie und die ganzen zu Wort gekommenen anderen Mädchen mir wirklich erzählt haben - und was tatsächlich mit der dreizehnjährigen Julie passiert ist.
Der Erzählstil der Autorin passte sich an die Persönlichkeit der Figuren an: Bei Anna emotional, von Trauer, Verzweiflung und Selbstzweifeln geprägt. Bei Julie und den anderen Mädchen dagegen eher rational, wie ein äußerer Beobachter, der alles, was er erzählt, nur gesehen, aber nicht oder nur kaum gefühlt hat. Eine Rationalität, die mich angesichts so mancher Grausamkeit manchmal fast wahnsinnig machte - aber sehr gut ins Gesamtbild passte.

Fazit

Amy Gentry entpuppte sich unerwartet als neue Meisterin der falschen Spuren und undurchsichtigen Geschichten. "Good As Gone" ist verwirrend, erschütternd und so klar geschrieben, dass es einem Angst vor den Grausamkeiten machen kann, die draußen in dunklen Ecken lauern. In all der Verwirrung - und immer mit den Ungereimtheiten im Hinterkopf - ging mir jedoch etwas die Spannung verloren.
Insgesamt vier Sterne mit klarer Leseempfehlung - und Hang zum fünften.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.09.2016
Asphaltseele
Weber, Gregor

Asphaltseele


weniger gut

Ruben Rubeck ist alles andere als ein Vorzeigepolizist: Er ist faul und macht nur, was er machen muss. Er gilt als nicht wirklich sozial - weswegen niemand ein Büro mit ihm teilen will, was Rubeck jedoch nur recht ist. Regeln hält er zwar ein, hat jedoch auch keine Skrupel, sie zu brechen. Er raucht viel. Und er trinkt - regelmäßig und zu viel.
Sein Revier ist das Frankfurter Bahnhofsviertel. Als er eines Abends betrunken aus seiner Stammkneipe kommt, gerät er in eine Schießerei zwischen vier Männern, während der er einen davon anschießt. Was er als einmaliges Erlebnis abstempelt, katapultiert ihn ungewohnt in einen brisanten Fall, der unschöne Erinnerungen an seine Zeit beim Militär im Kosovo weckt ...
Nachdem ich den Rückentext gelesen hatte, war ich eigentlich recht gespannt auf das Buch und freute mich auf das Lesen. Die Euphorie hielt leider nur die ersten paar Kapitel an, ehe sie sich langsam aber sicher auflöste. Als Thriller betitelt handelt es sich hierbei eher um einen Krimi. Die Grundidee der Handlung hatte durchaus Potenzial und an einigen Stellen gelang es dem Autor, Spannung aufzubauen und mich als Leser zu überraschen. Überwiegend plätscherte die Geschichte allerdings eher dahin, ohne zu fesseln.
Insgesamt war die Handlung jedoch trotz vorhandenen Möglichkeiten zu dünn gestrickt. Die eingebrachten Erinnerungen Rubecks an seine Zeit im Kosovo, die immer mal zwischen die Kapitel gestreut sind, waren noch das Spannendste an der Handlung, obgleich ich nicht so richtig verstanden habe, warum dieser Part seines Lebens zwingend so ausgestaltet werden musste und nicht nur in seine Gedanken einfloss. Eine stärkere Verbindung zwischen diesen Rückblicken und der eigentlichen Handlung hätte ich definitiv erwartet.
Ruben Rubeck selbst ist, wie schon der Rückentext durchblicken lässt, nicht unbedingt ein Charakter zum liebhaben. An der einen oder anderen Stelle konnte er zwar Sympathiepunkte sammeln, war mir aber über weite Strecken des Buches zu unsympathisch. Dass die Geschichte, abgesehen von den Rückblicken, in der Ich-Form aus seiner Perspektive geschrieben war, machte es in diesem Zusammenhang nicht einfacher. Die ellenlangen Monologe nahmen mir die Lust am Lesen, zumal sich ihr Inhalt immer mal wieder wiederholte oder sich in nervende Beschreibungen seiner Sauftouren verlor.

Fazit
Man mag ihn oder man mag ihn nicht - ich zähle definitiv zu Letzteren. Er zählt mit zu den unsympathischsten Protagonisten, von denen ich bisher gelesen habe. Wenn ich die Bezeichnung "Thriller" außen vor lasse, ist die Handlung noch akzeptabel. Eine nicht sonderlich anspruchsvolle, kurzweilige Geschichte für Zwischendurch, von der man nicht zu viel erwarten sollte.