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B. S.

Bewertungen

Insgesamt 175 Bewertungen
Bewertung vom 23.04.2025
Schmidt, Dirk

Die Kurve


gut

Wenig Schwung in der Kurve

Carl, ist nicht der Mann für gewisse Stunden, sondern für verschiedene Dienstleistungen krimineller Art. Immer, wenn seine Dienste mal wieder gebraucht werden, sei es von der italienischen Mafia oder einem amerikanischen Großindustriellen, telefoniert er mit einem oder eine seiner abgebrühten Mitarbeiter, um sie zu beauftragen, sich um die Angelegenheit zu kümmern. Dass sie dabei nicht gerade zimperlich vorgehen, ist bei der Art von Calrls Gewerbe wenig überraschend.

Erzählt aus verschiedenen Perspektiven, taucht man in die kriminelle Unterwelt von Carl und seinen Mitarbeitern, wie z.B. Ridley, Betty oder Schneider, ein und lernt so die Figuren und vor allem ihre Abgründe näher kennen.
Bedingt durch den eher dialogorientierten Aufbau der Kapitel und den knappen Schreibstil, findet dabei jedoch keine tiefergehende Introspektion statt. Die Charakterzeichnung verbleibt so eher oberflächlich und besonders Carl behält so eine mysteriöse Aura, was wiederum für seine Art von Geschäft von Vorteil ist.

Die Geschichte wird drehbuchartig und sprunghaft erzählt. Es gibt einen regen Wechsel zwischen den Charakteren, sowie Rückblicke in vergangene Lebensereignisse derer.

Für mich plätscherte das alles so hin, richtig Spannung kam für mich zu keinem Zeitpunkt auf.
Der sich auf das Wesentliche fokussierte Schreibstil sorgt zwar für schnelles Lesen, ein vielschichtiges Bild von Carls Universum entsteht dabei nicht. Das Spannung verheißende Potenzial der kriminellen Unterwelt wird so leider nicht wirklich genutzt.

Insgesamt hinterlässt "Die Kurve" einen gemischten Eindruck.
Ein vielversprechender Mix aus Thrillerelementen und interessanten Charakteren verbindet sich enttäuschenderweise nicht zu einem fesselnden Thriller. Da wäre mehr drin gewesen, auch was das KI-generierte Cover angeht.

Bewertung vom 23.04.2025
Mittelmeier, Martin

Heimweh im Paradies


gut

Thomas Manns Zeit im Exil wird nicht greifbar

Vorneweg Interesse an Thomas Mann und am besten schon Kenntnisse in Bezug auf sein Werk und sein Leben sollte man für "Heimweh im Paradies" auf jeden Fall mitbringen, ansonsten könnte es schwierig werden, bei der Stange zu bleiben.

Es ist Thomas Mann Jahr und "Heimweh im Paradies" ist ein weiterer literarischer Beitrag dazu.
"Der Zauberberg", "Die Buddenbrooks" oder "Doktor Faustus", um nur ein paar zu nennen, sind bekannte Werke Manns. Aber nicht nur literarisch ist Mann interessant, auch als Person fasziniert er. Thomas Mann lebte zur Zeit Hitlers und als dieser an die Macht gelangte, begab er sich ins Exil nach Kalifornien und schrieb dort gegen die Herrschaft der Nationalsozialisten an und machte sich Gedanken, wie ein Deutschland nach Hitler aussehen könnte. Ebenso hielt er Reden und war dort im Kontakt und im Austausch mit anderen Exilanten, wie z. B. Theodor W. Adorno, Bertolt Brecht oder Lion Feuchtwanger. Dabei schlägt ihm Neid, aber auch Bewunderung entgegen.
Einblicke in die Zeit seines Exils von 1938 bis 1952 versucht Martin Mittelmaier in seinem Roman "Heimweh im Paradies" zu geben.

Klingt vielversprechend, doch insgesamt hinterlässt der Roman bei mir gemischte Gefühle. Stellenweise konnte der Autor mich mit seiner Erzählung fesseln, häufig jedoch aber nicht wirklich.
Die Erzählung ist teils zu stark verdichtet, teils zu ausführlich in seiner Beschreibung, dann wieder zu oberflächlich und obendrauf die Verwendung von unterschiedlichen stilistischen Mitteln - all das führt dazu, dass Thomas Manns als Person und seine Zeit im Exil wenig greifbar bleibt.

Infolgedessen lässt sich der Roman schwer einordnen, mit mehr Hintergrundwissen zu Manns Wirken fällt es vielleicht leichter.

Leider wurde das vorhandene Potenzial nicht genutzt, etwas mehr Seiten hätten dem Roman sicherlich gutgetan, um eine vielschichtige, differenzierte und lesenswerte Erzählung über Thomas Manns Zeit im Exil zu schaffen.

Trotz oben genannter Schwächen sind jedoch auch interessante Passagen und Diskussionen enthalten, die die Gedanken, Ansichten und das Leben von Mann lebendig werden lassen.

Eher für Liebhaber von Thomas Mann zu empfehlen.

Bewertung vom 23.04.2025
Schwiecker, Florian;Tsokos, Michael

Der zweite Verdächtige / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.5


sehr gut

Spannende Suche nach der Wahrheit

Sagt mein Mandant die Wahrheit und er ist unschuldig, wie er behauptet, und ist nicht für den Tod von jungen Männern in Nachtclubs in Berlin verantwortlich?
Diese Frage stellt sich der Strafverteidiger Rocco Eberhardt im 4. Band der Justiz-Krimi-Reihe um Eberhardt und Jarmer. Anfangs noch von der Unschuld seines Mandanten Jan Staiger überzeugt, kommen ihm mit der Zeit immer mehr Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit. Staiger behauptet, er kann sich an die fraglichen Tatnächte nicht erinnern, doch die Beweise sprechen gegen ihn. Rocco bemerkt jedoch bei seinen Nachforschungen, dass sich bei den Ermittlungen vonseiten der Polizei Ungereimtheiten auftun.

Erzählt anhand verschiedener Charakterperspektiven und dank kurzer Kapitel wird die Spannung konstant hochgehalten. Es macht Spaß, Rocco dabei zu folgen, wie er versucht, Licht ins Dunkle zu bringen und der Wahrheit auf der Spur zu kommen und dabei auf Machtmissbrauch und Vorurteile im polizeilichen und strafrechtlichen Umfeld trifft.

Wer schon die vorherigen Bände der Reihe gelesen hat, ist mit dem Aufbau und den wichtigsten Personen vertraut. Ohne sich in unwichtigen Nebenhandlungen und Beschreibungen zu verlieren, wird die Handlung vorangetrieben. Die Charaktere sind überzeugend und realistisch gezeichnet.
Bevor es zur Gerichtsverhandlung kommt, verliert zwar die Geschichte etwas an Schwung, nimmt dann aber mit Beginn des Strafprozesses wieder an Fahrt auf, um dann in einem packenden Finale zu enden, das regelrecht nach einem weiteren Band schreit.

Kurz, die Reihe von Tsokos und Schwieker ist einfach ein glaubwürdig konstruierter und fachlich interessanter, fesselnd erzählter Mix aus Justiz- und Rechtsmedizinkrimi in einem. "Der 2. Verdächtige" enttäuscht in dieser Hinsicht kein bisschen.
Lesenswert für alle, die schon immer hinter die Kulissen des Justizwesens, polizeilichen Ermittlungen und der Rechtsmedizin blicken wollten, die sich mit aktuellen Themen beschäftigen!
Nicht nur für Fans von Tsokos interessant!

Bewertung vom 23.04.2025
Johnsrud, Ingar

Echokammer / Ein Fall für Benjamin & Tong Bd.1


sehr gut

Spannungsgeladener Wahlkampf in Norwegen

Es ist Wahlkampf in Norwegen und die Lage ist angespannt, bei der Arbeiterpartei und der norwegischen Terrorabwehr gleichermaßen. Eine Gruppe von Rechtsextremen plant nämlich einen Terroranschlag mit Rizin während des Wahlkampfs. Liselott Benjamin arbeitet unter Zeitdruck mit ihrem neuen Kollegen Martin Tong zusammen, um den Anschlag zu verhindern. In den Ermittlungen findet sich auch der juristische Polizeiberater Jens Meidell wieder, der immer stärker in die Intrigen und Machtspiele der von ihm unterstützten Arbeiterpartei mitsamt ihrer aussichtsreichen Spitzenkandidaten hineingezogen wird.

Mit Rechtsextremismus, KI, politische Machtspiele und Terror kann "Echokammer" mit aktuellen und Spannung verheißenden Themen für einen packenden Thriller aufwarten, der besonders zum Ende hin auch durchaus gerecht wird.
Nach einem fesselnden Anfang verliert, die Handlung zunächst etwas an Schwungkraft und verliert sich in der ein oder anderen Nebensächlichkeit. Auch ist der Schreibstil manchmal etwas zu beschreibend.
Aber nach dem anfänglichen Durchhänger nimmt die Geschichte dann wieder an Fahrt auf und wie!
Kurze Kapitel, wechselnde Erzählperspektiven, eine actionreiche Handlung und tolle Wendungen sorgen für ein thrillermäßiges Ende, das dank mancher Cliffhanger Lust auf den Folgeband macht.

Neben der gut durchdachten und durchaus realistischen Handlung, kann auch die Personenzeichnung überzeugen. Nach und nach lernt man vor allem Liselott und Martin näher kennen und kann sich ein gutes Bild von ihnen machen. Einzig Jens Charakter bleibt im Vergleich zu den anderen Hauptcharakteren etwas im Dunklen, vieles in Bezug auf sein bisheriges Leben und seine Person an sich wird nur angedeutet. Hier ist durchaus noch Entwicklungspotenzial in den weiteren beiden Bänden.

Alles in allem ist "Echokammer" ein fesselnder Politthriller, der durch eine aktuelle und teils erschreckend realistische Handlung sowie interessanten Charakteren überzeugen kann. Gerne mehr davon!

Bewertung vom 03.04.2025
Kramer, Christoph

Das Leben fing im Sommer an


gut

Jugendliche Leichtigkeit - Debüt mit Potenzial

Wenn ehemalige bekannte Fußballspieler unter die Autoren geht, kann das gutgehen?

Mit "Das Leben fing im Sommer an" zeigt Christoph Kramer, dass er nicht nur auf dem Rasen eine gute Figur gemacht hat, sondern auch, dass er einen kurzweiligen und unterhaltsamen jugendlichen Sommerroman schreiben kann. Zu viel sollte man jetzt aber auch nicht erwarten.

Protagonist des leichten (Jugend)romans ist der 15-jährige Chris, der es im heißen WM-Sommer 2006 zunächst kaum glauben kann, dass die begehrte Debbie sich für ihn zu interessieren scheint. Er wähnt sich schon im 7. Liebeshimmel, als Chris jedoch Zweifel an den Gefühlen von Debbie ihm gegenüber kommen. Jugendliches Gefühlschaos pur und dann bittet ein Freund ihm noch um einen Gefallen und ein abenteuerlicher Roadtrip beginnt.

Von Beginn an, schafft es Kramer gut, die Stimmung eines heißen Sommers und die Gedanken- und Gefühlswelt des 15-jährigen Chris einzufangen, sodass man nah an den Personen und dem Geschehen dran ist.
Der anfängliche Schwung kommt jedoch mit der Zeit etwas abhanden. Mit Beginn des Roadtrips nimmt der Roman dann zwar wieder an Fahrt auf, will dann aber gleich zu viel auf einmal. Der rote Faden der ansonsten geradlinig erzählten Geschichte geht hierbei leider verloren. Besonders am Ende wird vieles nur angedeutet und schnell abgehandelt, was im Gegensatz zu der emotionalen Tiefe besonders am Anfang des Romans steht.

Alle in allem ist "Das Leben fing im Sommer an" von Christoph Kramer auf jeden Fall ein Debüt, dass trotz Schwächen durchaus zu überzeugen weiß. Kramers Schreibstil ist flüssig, bildreich und stimmungsvoll. Alles gute Voraussetzungen für weitere Romane und wie auch im Fußball gilt, Übung macht den Meister.

Bewertung vom 03.04.2025
Gröschner, Annett

Schwebende Lasten


sehr gut

Ein Leben voller Lasten - schwebend erzählt

"Schwebende Lasten" ist ein Roman, durch den dank des stimmungsvollen Schreibstils der Autorin nur so schwebt, auch wenn sich das Schweben mehr auf den Beruf der Hanna Krause als Kranführerin in der DDR bezieht.
Bevor sie jedoch Kranführerin wurde, war sie Blumenbinderin und passend dazu sind am Anfang jedes Kapitels kurze Beschreibungen von verschiedenen Blumensorten zu finden, die den Ton für den folgenden Abschnitt setzen.

Ebenso wie man durch die Seiten schwebt, schwebt man durch Jahrzehnte ereignisreicher deutscher Geschichte sowie das Leben voller Höhen und Tiefen von Hanna Krause. Besonders die Kriegsjahre bleiben hier in Erinnerung.
Auf den knapp 280 Seiten entsteht so nach und nach ein vielschichtiges Bild von Hanna Krause, als eine Frau, die unbeirrt ihren Weg geht und sich unter Männern behaupten weiß.

Zum Ende hin verliert der Roman zwar leider etwas an Tiefe und verweilt mehr an der Oberfläche als in das Innenleben und ihre Zeit in der DDR einzutauchen, seine Ausdrucksstärke behält er aber bei.

"Schwebende Lasten" ist somit alles in allem ein unaufgeregt erzählter Roman, der ein starkes Porträt über eine Frau, die ihren Weg finden musste, mit Lasten unterschiedlicher Art in ihrem Leben klarzukommen vor dem Panorama gesellschaftlicher und zeitgeschichtlicher Veränderungen, entwirft.
Die Autorin schafft es hierbei, nah an ihrer Protagonistin zu sein und so den Lesenden das Gefühl zu vermitteln, direkt vor Ort zu sein.

Bewertung vom 04.02.2025
Kirakosian, Racha

Berauscht der Sinne beraubt


gut

Nicht berauscht - informativ, aber zu einseitig und detailliert

Unter Ekstase wird häufig ein Sinneszustand verstanden, der durch bewusstseinserweiternde Substanzen hervorgerufen wird und mit Halluzinationen, Glücksgefühlen sowie anderen sinnlichen und spirituellen Erfahrungen einhergeht.
Dass Ekstase jedoch noch viel mehr sein kann, beweist Racha Kirakosian, Professorin für Mediävistik, in ihrem sachlich fundierten und vielschichtigen Buch "Berauscht der Sinne beraubt".

Vorwiegend aus kulturhistorischer, religiöser und feministischer Sicht beleuchtet die Autorin in ihrem inhaltlich gut strukturierten Sachbuch die verschiedenen Facetten von Ekstase.
Ausführlich werden unterschiedliche Aspekte wie die Interpretation von Prophezeiungen und Visionen, Schmerz und Freude im Zusammenhang mit Ekstase behandelt, sowohl im individuellen als auch im gesellschaftlichen Kontext. Mittels Diskursen, Exkursen, Quellenzitaten und teils kommentierten Anmerkungen wird hierbei auch das ein oder andere noch tiefgehender beleuchtet. Auch werden auf die guten und schlechten Seiten der Ekstase, wie z.B. Massenhysterie, eingegangen.

"Berauscht der Sinne beraubt" ist sicherlich kein Buch für zwischendurch, wer ein kurzweiliges und leicht zu lesendes Sachbuch sich erhofft, wird enttäuscht.
Besonders zu Anfang wird man regelrecht von Fachwörtern, religiösen Bezügen und Quellenzitaten erschlagen. Vor allem die vielen religiösen Bezüge waren mir teils zu viel. Auch fehlte mir die Bedeutung von Ekstase in der heutigen Zeit. So war es inhaltlich doch etwas einseitig, wenn auch detailliert in seiner Darstellung.
Zwar ist es wissenschaftlich gut aufgearbeitet und man merkt, dass die Autorin weiß, wovon sie spricht; hat man als Lesende*r jedoch bis jetzt nur wenige Berührungspunkte mit der Materie gehabt, kann es teils zu Verständnisschwierigkeiten kommen.

Alles in allem hinterlässt "Berauscht der Sinne beraubt" bei mir einen gemischten Eindruck.
Wissenschaftlich fundiert und erkenntnisreich einerseits, einseitig und zu detailliert andererseits.
Für Lesende, die mehr an der Theorie von Ekstase als an erlebbaren Rauschzuständen während des Lesens interessiert sind.

Bewertung vom 28.01.2025
Zons, Achim

Von Schafen und Wölfen


gut

Aktueller Politthriller, dem es an Schwung fehlt

"Von Schafen und Wölfen" bringt alles mit für einen spannenden und komplexen Politthriller, der aktueller nicht sein könnte.
Leider kann er dem Anspruch nicht gerecht werden.

An der Handlung liegt es nicht, die ist gut konstruiert und teilweise erschreckend realistisch dargestellt.
Erzählt aus verschiedenen Perspektiven und zu verschiedenen Zeitpunkten, erfordert der Spannungsroman besonders am Anfang viel Aufmerksamkeit, um nicht den Überblick über die verschiedenen Handlungsstränge und die handelnden Personen zu verlieren. Nach und nach werden die Zusammenhänge jedoch klarer und die Verwirrung legt sich. Man taucht in die Welt von Journalisten ein, die bei ihren Recherchen zu einer brisanten Krankenakte des Ex-US-Präsidenten es mit Geheimdiensten und rücksichtslosen Hintermännern zu tun bekommen, die über Leichen gehen, um ihre Ziele zu erreichen.

Man merkt dem Autor an, dass er viel Hintergrundwissen im Bereich Journalismus hat. Die Einblicke in die Redaktionsräume einer fiktiven deutschen Zeitung in München tragen auch zum Reiz des Buches bei.

Dank der verschiedenen Erzählperspektiven und der kurzen Kapitelabschnitte, schafft der Autor es zu Beginn noch Spannung aufzubauen. Doch nach und nach lässt diese nach.
Zum einen liegt es am zu beschreibenden Schreibstil. Die ein oder andere ausführliche Beschreibung weniger hätte dem Spannungsbogen sicherlich gutgetan. Auch wirkten manche Nebenschauplätze zu erzwungen und nahmen zu viel Platz in der Haupthandlung ein. Zudem löste sich zum Ende hin alles etwas zu schnell auf.
Zum anderen fehlten mir es an Schockmomenten. Vielleicht ist die Realität in den USA schon zu abgedreht.

Alles in allem, ist "Von Schafen und Wölfen" ein Politthriller, der seinen Ansprüchen nicht ganz gerecht wird. Kurzweilig und gut konstruiert, mehr aber auch nicht.

Bewertung vom 28.01.2025
Abboud, Aline;Heymann, Nana

Barfuß in Tetas Garten


sehr gut

Persönliche Liebeserklärung an den Libanon

Mit "Barfuß in Tetas Garten" ist Aline Abboud ein kurzweiliges und persönliches Porträt des Libanons und seiner Bevölkerung sowie auch ihrer Familie gelungen, das gleichzeitig auch ein Plädoyer für mehr Offenheit und Toleranz gegenüber unterschiedlichen Kulturen und Lebensweisen ist.

Auf etwas mehr als 200 Seiten und abgerundet mit persönlichen Fotos taucht man in die Kindheits- und Urlaubserinnerungen von Aline im Libanon ein, erfährt wie sich ihr aus dem Libanon stammender Vater und ihre deutsche Mutter kennen und lieben gelernt haben und auch Erinnerungen an das Aufwachsen in der DDR kommen nicht zu kurz.
All dies wird auf spritzige und auch berührende Art und Weise, besonders wenn es um ihre Sorge um ihre Familienangehörigen im Libanon nach der Explosion im Hafen von Beirut im Jahre 2020 geht, beschrieben.

Es macht Spaß, gemeinsam mit Aline eine Seite des Libanons kennenzulernen, die man so aus den Nachrichten nicht kennt.
Die Autorin zeichnet hierbei ein herzliches und warmes Bild einer Gesellschaft, die von Gastfreundschaft und der Liebe zum Essen geprägt ist.
Aber nicht nur die schönen Seiten werden von ihr erwähnt, auch negative Entwicklungen werden angesprochen.

Es finden viele Erinnerungen aus ihrem Leben, sei es privat und beruflich, Eingang in "Barfuß in Tetas Garten", sodass nicht auf alles tiefer eingegangen wird. Manchmal hätte ich mir deshalb eine etwas längere Verweildauer bei der ein oder anderen Thema bzw. einer Erinnerung gewünscht.
Das ändert jedoch nichts am positiven Gesamteindruck des Buches!

Für alle, die gerne in andere Kulturen eintauchen und mehr über Land und Leute im Libanon erfahren wollen, versehen mit einer persönlichen und ehrlichen Note, kommen mit "Barfuß in Tetas Garten" auf ihre Kosten.

Bewertung vom 28.01.2025
Wiesböck, Laura

Digitale Diagnosen


sehr gut

Gefährliche Diagnosen auf Social Media

Psychische Erkrankungen als neuer Trend auf Social-Media, befeuert durch Influencer*innen und selbst ernannten Experten*innen und Therapeuten*innen im Bereich psychischer Gesundheit und der Markt, der dahinter steckt, genau diese Entwicklung nimmt Laura Wiesböck in ihrem Sachbuch "Digitale Diagnosen" genauer unter die Lupe. Mit Fokus auf die feministische Seite.

Zunächst ist es nichts Schlechtes, dass psychische Erkrankungen enttabuisiert werden, die Zurschaustellung von ebendiesen und der Umgang mit Themen wie z.B. Achtsamkeit und teilweise auch deren Vermarktung, ist durchaus kritisch zu hinterfragen.
Die Autorin zeigt hierbei schlüssig und durchaus überzeugend auf, welche (Markt)mechanismen und Interessen dahinter stecken und dass manches rassistisch konnotiert ist. Sie geht dabei auch auf gesellschaftliche Ursachen ein, die Ansätze für die Erklärung des Phänomens der überhandnehmenden psychischen Diagnosen, liefern können.
Ebenso erklärt sie, was mit Begriffen, wie z.B. "toxic" gemeint ist und was dieser so gefährlich macht.

Wichtig ist, dass man dem Sachbuch mit Offenheit begegnet, sich auf die Argumentationslinie der Autorin einlässt und keine Angst vor Fremd- bzw. Fachwörtern hat. Man wird vielleicht nicht mit allen ihren Schlüssen und Argumenten übereinstimmen, interessant und zum Nachdenken anregend ist es allemal.

Was ihrer Argumentation jedoch etwas fehlt, sind die positiven Aspekte und mögliche Chancen, die das Sichtbarmachen von psychischen Erkrankungen auf Social-Media haben kann.