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Benutzername: 
graphida
Wohnort: 
Allgäu

Bewertungen

Insgesamt 23 Bewertungen
Bewertung vom 18.09.2020
Tage mit Ida
Baier, Hiltrud

Tage mit Ida


ausgezeichnet

'Tage mit Ida' von Hiltrud Baier

Der Roman spielt in Süddeutschland und beschreibt die Geschichte von Susanne, die mit ihrem wenig aufregenden Leben als Hausfrau und Mutter mehr und mehr unzufrieden wird. Sie kompensiert ihre Unzufriedenheit einerseits mit Alkohol, andererseits nutzt sie ihre kreativen Fähigkeiten und schreibt Geschichten. Spannend wird es, als sie eine bis dahin unbekannte Halbschwester ihrer Mutter kennenlernt, Ida. Ihre Mutter kann zur Familiengeschichte nichts mehr vermitteln, da sie dement im Seniorenheim lebt. Susannes Neugier ist geweckt und sie beginnt nachzuforschen und stösst auf Ungereimtheiten.
Warum wurde die Halbschwester nie erwähnt ?
Warum wird der Tod des Großvaters anders geschildert als er tatsächlich war ?
Welche Folgen hat ein kindlicher Verrat ?
Susanne sucht und findet Erklärungen. Hilfreich ist ihr dabei Ida, die nach vielen Jahren wieder in ihre Heimat reist. Sie lebt in Lappland und hat keine guten Erinnerungen an Deutschland, das Land das ihr die liebsten Menschen genommen hat. Auch sie möchte Ungereimtheiten auflösen und endlich Frieden schließen.

Hiltrud Baier ist es gelungen, zahlreiche Fäden zu verbinden, dabei den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten und die Leserin mitzunehmen auf eine Reise zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Es wird deutlich, dass wir alle nur entspannt in der Gegenwart leben können, wenn wir unsere Vergangenheit kennen und bewusst mit ihr umgehen.
Immer wieder hat die Autorin die Schönheit der schwedischen Landschaft, die Naturverbundenheit und Lebenseinstellung einfließen lassen. Sicher kamen viele persönliche Eindrücke zum Tragen, da die Autorin tatsächlich in Lappland lebt.

Das Buch war gut und flüssig zu lesen und durch die Rückblicke in vergangene Zeiten wurden die Personen zu Vertrauten, die persönlichen Schicksale und Handlungen nachvollziehbar, kurzum eine Familiengeschichte wie aus dem Leben gegriffen.
Der Schluss war mir ein wenig zu 'glatt', was leider im wahren Leben nicht so läuft, aber es war ja auch kein Sachbuch sondern ein Roman.
Fazit: gut zu lesen, angenehmer Schreibstil und ich werde mir in jedem Fall auch 'Helle Tage, helle Nächte' von der Autorin kaufen und lesen.

Bewertung vom 17.08.2020
Jahresringe
Wagner, Andreas

Jahresringe


ausgezeichnet

Eine Geschichte um Heimatsuche und Wertevorstellungen.
Jahresringe, das Erstlingswerk von Andreas Wagner hat mich vom ersten Moment an gefesselt. Ein Buch, das mehr ist als ein Roman über die Suche nach einer Heimat. Andreas Wagner ist es gelungen einen generationsübergreifenden Roman zu schreiben, der die persönlichen Schicksale mit einem stets aktuellem Thema verknüpft: Umweltschutz.

Die Geschichte:
Leonore Klimkeit muss ihre Heimat Ostpreußen verlassen. Sie macht sich allein auf den Weg, eine 13jährige, die ankommen möchte, aber das wird ihr nur sehr bedingt gelingen. Sie findet Unterschlupf und später eine Heimat in einem kleinen Dorf, sie findet zwei Freunde, Hannes und Anton, die sie verstehen. Für alle anderen Dorfbewohner bleibt sie auch noch Jahre später 'die Evangelische aus dem Osten'. Der Harbinger Anton ist ebenso ein Aussenseiter wie Leonore und dem Autor ist eine liebevolle Schilderung einer besonderen Persönlichkeit gelungen, ebenso wie bei Hannes, der Leonore unvoreingenommen begegnet.

Leonore bleibt unabhängig von der Meinung der Anderen, findet sich zurecht, lebt ihr Leben, bringt einen Sohn zur Welt und findet immer wieder Ruhe und Trost bei den Bäumen im umliegenden Wald, dem später so genannten Hambacher Forst.
Ihr Sohn fühlt sich ebenso wie sie immer wieder zu den Bäumen hingezogen, aber es sind ebendiese Bäume die gerodet werden sollen, die dem einem überdimensionalen Schaufelradbagger zum Opfer fallen sollen. Nach anfänglicher Gegenwehr, zunächst von Leonore, dann von Paul, schließlich von seiner Tochter Sarah, entwickelt sich eine spannende Geschichte die deutlich macht, dass wir alle kleine, aber wichtige Zahnräder in einem grossen Räderwerk sind. Wir sind aufgefordert uns zu entscheiden ob wir uns einfach drehen ohne zu hinterfragen oder uns bewusst entscheiden ob unser Einsatz Gegenwehr bedeutet.

Das alte deutsche Sprichwort ‚Wer einen Bauern betrügen will, muss einen Bauern mitbringen.‘ bekommt vor dem Hintergrund des Chefoberhändlers eine sinnige Bedeutung. Geld gegen Heimat – die Rechnung scheint bei entsprechenden Beträgen aufzugehen. Die Macht der Braunkohleindustrie ist trotz beschlossenem Kohleausstieg auch heute noch ungebrochen und es ist mehr als überfällig, dass wir erkennen, was diese Form der Energiegewinnung aus Land und Menschen macht.

Andreas Wagner ist ein lesenswerter Roman gelungen, der eine Familiengeschichte über mehrere Genrationen erzählt und gleichzeitig auf das Thema Hambacher Forst aufmerksam macht. Eine Geschichte um Heimatsuche und Wertevorstellungen.

Bewertung vom 04.08.2020
Alles, was das Herz begehrt / Wunderfrauen-Trilogie Bd.1
Schuster, Stephanie

Alles, was das Herz begehrt / Wunderfrauen-Trilogie Bd.1


ausgezeichnet

Stephanie Schusters Wunderfrauen beginnen im Jahr 1953 mit einem Prolog, der neugierig auf die Handlung macht.
Das Buch beschreibt den Lebensweg von 4 Frauen die sich in den Nachkriegsjahren neu orientieren müssen. Annabel, Marie, Helga und Luise scheint zunächst einmal nicht viel miteinander zu verbinden, die private und berufliche Situation ist sehr unterschiedlich. Im Laufe der Erzählung kreuzen sich die Wege, es entstehen Freundschaften und Feindschaften, letztere aus Missverständnissen geboren.

Die Personen wurden gut miteinander verflochten und jeder Frau wird auch immer wieder ein längerer Abschnitt gewidmet, in der man tiefer in die individuelle Geschichte einsteigen kann.
Die Notizbucheinträge von Luises sind interessant und mit Humor findet sich dort manche Anekdote aus dem Berufsalltag des Tante Emma Ladens.

Die Wunderfrauen haben mir gut gefallen, das Buch war flüssig zu lesen, hat die Zeit gut wieder gegeben, die Protagonisten waren gut charakterisiert. Die eingestreuten Detailinfos, die zur damaligen Zeit 'eben so waren' und für uns heute unvorstellbar sind, machen den Zeitgeist deutlich. Unsere Mütter und Großmütter haben all dies noch genauso erlebt und wir dürfen dankbar sein, dass sie sich für die Gleichberechtigung eingesetzt haben.
Angesprochen werden z.B. die Themen Sorgerecht, die Macht der Ehemänner und der Einfluss von Erziehungsberechtigten und Vorgesetzten.

Die Erlebnisse während des Nazi-Regimes werden in geringem und erträglichen Maß angesprochen, hier aber nicht nur im Hinblick auf die russischen Soldaten, deren Verhalten wohl allgemein bekannt ist. Auch die amerikanischen Soldaten werden nicht nur als Schokoladeverschenkende Befreier dargestellt.

Es ist deutlich zu spüren, dass die Autorin eine umfassende Recherche betrieben hat, deren Ergebnisse das Buch zu mehr machen als nur einen Roman über Aufbruch und Neubeginn. Es ist ein Zeitzeugnis mit vielen Details, die für uns heute nicht mehr vorstellbar sind.

Die Entwicklung einer jeden der vier Wunderfrauen war spannend zu verfolgen, wie eine jede ihren Weg geht und ihr Ziel verfolgt, wie sie nach den Kriegsjahren zu sich und zu einer neuen Aufgabe finden, wie sie sich langsam emanzipieren, im Rahmen ihrer Möglichkeiten.

Ich bin gespannt darauf zu erfahren, welchen Weg Annabel, Marie, Helga und Luise gehen werden, was aus Martin und Manni wurde und welche Rolle Noah noch spielen wird.

Fazit: ein lesenswertes Buch, bei einem Wein würde man sagen 'süffig', es war gut zu lesen, flüssiger Handlungsablauf. Es bleiben ausreichend offene Enden, die mich als Leserin neugierig machen auf Band zwei, den ich mit Sicherheit lesen werde und der im Februar 2021 erscheint. ‚Darf’s ein bisschen mehr sein ?‘ lautet die Frage auf dem Buchrücken. Antwort: Ja, unbedingt liebe Stephanie Schuster !

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