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Ryria

Bewertungen

Insgesamt 122 Bewertungen
Bewertung vom 21.04.2025
Harbison, Niall

Hope


ausgezeichnet

Niall Harbison hat sich der Rettung von Straßenhunden in Thailand verschrieben und teilt regelmäßig deren Schicksale auf Social Media.
Mir war er vor Lektüre dieses Buches jedoch noch unbekannt, was aber auch gar nicht schlimm war.
Im ersten Drittel erzählt er zunächst einen Teil seiner persönlichen Geschichte, sodass man ihn und seine Motivationen besser kennen- und verstehen lernt. Hierbei zeigt er sich verletzlich und lässt tiefe Einblicke zu, berichtet reflektiert über seine Suchterkrankungen und Mental Health Probleme. Die Länge fand ich dabei angemessen, es ist ausführlich genug, ohne den Fokus zu verlieren.
Auch hat mir gefallen, dass alles chronologisch erzählt wird. In Verbindung mit dem lockeren Schreibstil lässt sich das Buch so super lesen.

Der Rest des Buches ist den Straßenhunden gewidmet, wobei manche von ihnen auch eigene Kapitel bekommen, um ihre Geschichte ausführlich zu erzählen.
Leider gibt es kein Bildmaterial, was ich bei Büchern des Genres sonst immer schön finde, jedoch findet man von den vorgestellten Hunden viele Videos auf Youtube, die ich nach der Lektüre noch empfehlen kann.
Harbison berichtet von seinen ersten Schritten als Hunderetter, erklärt seinen Tagesablauf und kann schließlich immer größere Erfolge verzeichnen.
Aber auch die Schattenseiten werden hier beleuchtet, all das, was von den positiv gestimmten Kanälen ansonsten ferngehalten wird: Traumatisierte und sterbende Hunde, viel zu viele Welpen, Rückschläge und auch brutale Einheimische, für die ein Hundeleben nichts wert ist.
Von daher muss ich hier auch eine kleine Warnung aussprechen, falls man kein Tierleid ertragen kann, sollte man von diesem Buch eher Abstand halten. An vielen Stellen hat mich die Erzählung im positiven und negativen Sinne zu Tränen gerührt.
Dabei wird aber auch aufgezeigt, was wir alles von den Hunden lernen können, sie geben uns viele wichtige Lektionen für das Leben mit auf den Weg.
Darunter wohl die Wichtigste, die auch im Titel zu finden ist: Hoffnung.

Bewertung vom 20.04.2025
Tang, Jiaming

Cinema Love


sehr gut

Ein heruntergekommenes Kino in China ist für viele Männer ihr geheimes Paradies: Hier können sie in der Dunkelheit ihre Homosexualität ausleben, nur um danach zu ihren ahnungslosen Frauen zurückzukehren.
Als Leser begleitet man mehrere Charaktere, deren Schicksale durch dieses Kino verbunden sind, über Jahrzehnte hinweg. Hierbei springt die Geschichte öfters in der Zeit herum und wechselt auch schnell die Perspektive, was eventuell kurz verwirren kann, für mich war es jedoch noch im angenehmen Bereich und interessant zu lesen.

Auch die Themen waren spannend, während man zunächst einen Einblick in die chinesische Kultur bekommt, weitet es sich später noch auf die Probleme (chinesischer) Migranten in den USA aus. Die Darstellung der verbotenen Liebe wird zu einem Porträt der Liebe in all ihren Formen: Was zeichnet eine Ehe aus? Wie gehen die Charaktere mit Eifersucht, Enttäuschung, Sehnsucht und Verrat um?
Ich fand die Charaktere hierbei durchweg authentisch, auch oder gerade weil sie das Gegenteil von perfekt waren und teilweise zweifelhafte Entscheidungen getroffen haben. Dabei weiß ich nicht mal, ob ich überhaupt einen von ihnen wirklich mochte, aber ich habe irgendwie trotzdem gespannt ihre Geschichte verfolgt.
Hierbei muss ich jedoch kritisieren, dass so im letzten Drittel zwischenzeitlich für mich kurz die Luft raus war: Dies ist kein Roman, in dem wahnsinnig viel passiert, stattdessen erhält man einfach einen Einblick auf Ausschnitte des Lebens mehrerer Personen über die Jahre hinweg. Kurz vor Ende hat sich dies für mich dann aber doch ein wenig gezogen.

Absolut positiv hervorheben muss man jedoch auf jeden Fall den Schreibstil! Der Autor schafft schnell eine ganz besondere Atmosphäre, die einen direkt in ihren Bann zieht. Die Erzählung ist immer wieder schon fast poetisch geschrieben und überzeugt mit Wortgewalt und einer starken Symbolkraft. Immer wieder finden sich kleine Satzjuwelen, die man gerne nochmals liest.

Bewertung vom 18.04.2025

OKEN


ausgezeichnet

Dieser Comic schafft, was zunächst unheimlich schwierig erscheint: Er wandelt die Worte und die Geschichte des Dichters Yang Mu in wunderschöne Bilder um, die auch ohne viele Worte eindrucksvoll Emotionen vermitteln.
Dabei werden eine Vielzahl von Themen aufgegriffen, ohne den Leser jedoch zu überfordern. Man wächst zusammen mit dem jungen Yang Mu, genannt Oken, in der Zeit des 2. Weltkriegs in Taiwan auf und erlebt die anschließenden politischen Geschehnisse aus seinen kindlichen Augen.

Zunächst zu den Bildern: Der Comic ist durchgängig in Farbe und wirkt qualitativ hochwertig. An die Darstellung der Menschen musste ich mich kurz gewöhnen, jedoch fand ich es mit jeder Seite passender. Manche Seiten sind künstlerisch sehr beeindruckend, andere entwickeln ohne große Effekte im Kontext extreme Symbolkraft. Man fühlt die Bilder und wird schnell in ihren Bann gezogen, manchmal hatte ich richtig Gänsehaut. Tragische Erlebnisse werden gleichzeitig bedrückend, aber auch unheimlich poetisch dargestellt, man merkt die poetischen Züge des zugrunde liegenden Werkes.

Auch die erzählte Geschichte fand ich sehr interessant, vor allem, da mir die Geschichte Taiwans vorher noch komplett unbekannt war. Man bekommt wichtige Sachen kurz erklärt zur besseren Einordnung, was ich sehr hilfreich fand, auch weil sich die Anmerkungen auf die Kerninformationen beschränkt haben.
Es werden oft berührende Kontraste verwendet, man erlebt ein Land im Krieg und späteren kulturellen Wandel mit den dazugehörigen Schrecken, sieht dies alles aber auch aus der kindlichen Sicht von Oken. Die Flucht vor Bombenangriffen wird zur abenteuerlichen Reise, fremde Kulturen und Soldaten üben eine besondere Faszination aus, erste romantische Gefühle führen zu Verwirrung.
Auch gibt es ein ausführliches Nachwort des Autors und an der Entstehung beteiligter Personen, das ich ebenfalls sehr interessant fand, man bekommt noch mehr Kontext geliefert und einen Blick hinter die Kulissen.

Bewertung vom 18.04.2025
Engelmann, Gabriella

Der Gesang der Seeschwalben / Die Bücherfrauen von Listland Bd.1


gut

Die Grundidee des Romans fand ich super: Auf 2 Zeitebenen wird die Familiengeschichte der 85-jährigen Bücherfrau Fenja erzählt. Wir begleiten ihre Mutter Lene im Jahre 1937, aber auch die Journalistin Anna in der Gegenwart, die ein Buch über Fenja schreiben will.
Hierbei hat mir gut gefallen, dass wir die Insel Sylt und Nordfriesland im Wandel der Zeiten erleben und auch die Auswirkungen des Antisemitismus und Krieges dort miterleben können. Auch interessante Details zur Verlagsarbeit oder bekannten Schriftstellern finden sich immer wieder mal in der Geschichte.

Generell ist dies als Wohlfühlroman angelegt, was teilweise gut gelingt, teilweise jedoch auch etwas zu wünschen übrig lässt.
So sind die Beschreibungen der Landschaften, Tiere und generell des Insellebens wirklich schön und lassen Urlaubsstimmung aufkommen, manchmal fand ich die Menge jedoch etwas übertrieben. Es kam zwischendurch der Eindruck auf, als sollte der Text gestreckt werden mit zusätzlichen Beschreibungen, hier wäre weniger mehr gewesen.
Dafür ging es mir bei den Liebesgeschichten wiederum etwas zu schnell, ich konnte die plötzlichen starken Gefühle nicht so ganz nachvollziehen oder in dieser Sache mitfühlen.
Gut gelungen waren dagegen die familiären Gefühle und das Verhältnis von Eltern und Kindern, auch wenn ich manche Reaktionen nicht ganz einordnen konnte.

Ich hätte es besser gefunden, wenn man keine Dilogie aus der Geschichte gemacht hätte, so zieht sich die Erzählgeschwindigkeit doch immer wieder etwas. Auf interessante Abschnitte folgen Wiederholungen, vieles ist vorhersehbar und wirklich überrascht wird man dann auch nicht mehr. Auch gab es für meinen Geschmack zu viele Zufälle, die mit "Schicksal" erklärt wurden.
Die relevanten Teile fand ich grundsätzlich nicht schlecht, besonders die Erzählungen der Vergangenheit habe ich gerne gelesen, nur der Rest war mir dann doch etwas zu sehr in die Länge gezogen.

Bewertung vom 07.04.2025
Schünemann, Christian

Bis die Sonne scheint


sehr gut

Der Roman ist in zwei Erzählstränge unterteilt, die sich durchgehend abwechseln: In der Gegenwart im Jahre 1983 entdeckt Daniel, dass seine Eltern so ziemlich pleite sind, obwohl er mit seinen drei Geschwistern bisher ein recht angenehmes Leben geführt hat - und das wollen sie trotz Gerichtsvollzieher eigentlich auch jetzt nicht aufgeben. Während diese Verdrängung der Realität immer weiter fortschreitet und immer mehr nicht vorhandenes Geld ausgegeben wird, erfährt man in den Begleitkapiteln die Familiengeschichte der Großeltern und Eltern. Wie sind sie aufgewachsen, was hat sie zu den Menschen gemacht, denen wir in der Gegenwart begegnen?
Diese Kapitel haben mir noch besser gefallen als die Handlung rund um Daniel, jeder Charakter hat hier viel Kontext bekommen und man konnte ihr Verhalten besser einordnen, auch wenn ich oft darüber den Kopf geschüttelt habe.

Generell haben mich die Charaktere auch öfters mal ein wenig aufgeregt, quasi nach dem Motto "Warum machen die das, das ist doch unverantwortlich!". In diesem Sinne fand ich sie aber auch wieder recht authentisch dann, Menschen die dumme Entscheidungen treffen oder sonstige Fehler haben sind im Grunde ja oft realistischer als diejenigen, die perfekt jede Krise managen.
Auch gut gelungen war die Darstellung der 80er Jahre: Alltag, Musik, Kleidung, Spekulationen über die DDR, all dies wirkte auf mich sehr authentisch, auch wenn ich es selber nicht miterlebt habe (ältere Teilnehmer einer Leserunde haben diesen Eindruck jedoch bestätigt).

Schade fand ich, dass ich trotz der vielen Hintergrundgeschichten keine richtige emotionale Beziehung zu den Charakteren aufbauen konnte. Ich habe ihre Geschichte als distanzierte Betrachterin gerne verfolgt, aber nie wirklich mitgefiebert.
Stilistisch gesehen war es angenehm zu lesen mit ein paar schönen Spielereien, so passiert z.B. etwas in der Gegenwart und in der folgenden Rückblende werden die Anfänge davon dargestellt. Auch die Verwendung von französischen Vokabeln zur Beobachtung der Gesellschaft und den eigenen Erlebnissen fand ich eine coole Idee.

Bewertung vom 06.04.2025
Große, Lara

If We Were Gods


ausgezeichnet

Olivia und fünf ihrer Klassenkameraden der Arcane Academy erkunden zusammen die verschiedenen Ebenen der Realität und fragen sich schon bald: Was verbirgt sich auf den verbotenen Ebenen?
Zunächst betonen möchte ich die wunderschöne Gestaltung des Buches, die auch thematisch extrem passend ist und auch noch mit zusätzlichen Illustrationen und einer Karte die Welt und Charaktere veranschaulicht.
Aber auch der Text selbst trägt super hierzu bei, in Kombination konnte ich mir sowohl die Academy als auch unsere 6 Studenten immer richtig gut vorstellen.

Da absolute Highlight der Geschichte war das Magiesystem in Verbindung mit den verschiedenen Ebenen, was ich so auch noch nie gelesen hatte. Um Zauber zu wirken benötigt man Zirkel, die man mit speziellen Runen füllt. Hierbei sind unendlich viele kreative Möglichkeiten vorhanden, die auch immer wieder Verwendung finden und dabei logischen Vorschriften folgen. Statt einfach nur zu zaubern, sind es schon fast mathematische Berechnungen, aber auf eine dem Leser noch gut verständliche Art.
Auch die Ebenen habe ich richtig gerne mit den Protagonisten zusammen erkundet, voller Neugier, gespannt und in freudiger Erwartung, was uns auf der nächsten Ebene erwarten wird. Ein wenig hat es sich auch wie ein Videospiel angefühlt, man benutzt die Magie um Hindernisse und Gefahren zu überwinden, dabei neue Runen zu finden und das nächste "Level" zu erreichen.
Ich hätte noch gerne ein wenig mehr über die arkane Gesellschaft erfahren und vielleicht auch noch mehr Vorlesungen "besucht", da ich vor allem diese Hogwarts-ähnliche Akademie sehr cool fand, jedoch hätte dies vermutlich den Rahmen gesprengt.
Dafür gab es zumindest interessante Fakten und Zitate über diese Welt an jedem Kapitelanfang, was ich auch sehr spannend fand.

Was mich jedoch vor allem in der ersten Hälfte des Buches gestört hat: Ich fand die Welt so gut, dass die Charaktere dagegen eher blass wirkten und mich nicht so sehr interessiert haben. Die meisten von ihnen waren hauptsächlich privilegierte Sprößlinge und mit der Ich-Erzählerin bin ich auch nicht sofort warm geworden.
Je mehr Zeit ich mit ihnen verbracht habe, desto mehr sind sie mir jedoch auch ans Herz gewachsen, vor allem nachdem es auch deutliche Charakterentwicklungen gab. Emotional haben sie mich zwar auch gegen Ende nicht komplett abgeholt, aber doch schon zu großen Stücken.
Bei der Handlung fand ich es ein wenig ungünstig, dass der Prolog quasi ein Spoiler ist. Trotzdem kann man sich noch von so einigen Plottwists überraschen lassen und langweilig wurde es eigentlich nie so wirklich.
Insgesamt ein toller Einzelband mit einer absolut faszinierenden Welt!

Bewertung vom 01.04.2025
Ferraro, Nicolás

Ámbar


sehr gut

Ámbar ist erst 15 und doch lebt sie an der Seite ihres Vaters das Leben eines Gangsters in Südamerika, zwischen Drogendeals, Schusswechseln und falschen Identitäten. Abwechselnd auf der Flucht oder auf der Jagd, nie lange am gleichen Ort und ohne richtige Freundschaften - ist das wirklich das Leben, das sie sich wünscht?
Die Kontraste in diesem Thriller haben mir besonders gut gefallen, auf der einen Seite die grausame Realität eines Gangsterlebens, auf der anderen die normalen Gefühle und Wünsche einer Jugendlichen. Gespräche mit Gleichaltrigen werden abgelöst von brutalen Verhören, Videospiele unterbrochen von der ersten Hilfe bei Schussverletzungen.
Dies zieht sich als Motiv quer durchs Buch und wird immer wieder beeindruckend dargestellt.

Hier trägt die Sprache auch einen großen Teil zu bei, der fast poetische Schreibstil und zahlreiche tolle Formulierungen vermitteln die Stimmung und Ámbars Gefühle sehr eindringlich. Ein wunderschöner Satz hat eine grausame Bedeutung, ein unschuldiger Gedanke nimmt eine traurige Wendung.
Probleme hatte ich nur zwischendurch und besonders zu Beginn öfters mal mit der Beschreibung der Handlung und manchen Dialogen. Teilweise dachte ich, ich hätte etwas überlesen, vor allem wenn sich Personen unterhalten, ohne dass dem Leser Kontext geliefert wird. Es werden viele Namen genannt, doch nicht alle sind dann auch relevant.
Dies hat sich in der zweiten Hälfte jedoch gebessert und ich konnte das Buch kaum noch aus der Hand legen.
Dieses Buch ist nicht nur ein Thriller, sondern auch eine berührende Coming of Age Geschichte, ein Einblick in das Leben südamerikanischer Gangster und die Erzählung einer schwierigen Familie.

Bewertung vom 01.04.2025
Uketsu

HEN NA E - Seltsame Bilder


ausgezeichnet

Manch einer mag sich noch an die damals recht bekannten Alternate Reality Games erinnern - dieser Krimi ist besonders im ersten Teil quasi deren Verkörperung in Buchform und macht einfach unglaublich Spaß!
Zusammen mit einem japanischen Studenten erkunden wir alte Blog-Einträge und dort ebenfalls hochgeladene Zeichnungen. Was verbirgt sich zwischen den Zeilen, was verraten die Bilder?
Das Buch nimmt den Leser an die Hand und gemeinsam löst man ein Rätsel nach dem anderen, sammelt immer mehr Puzzlestücke und wird mit einer spannenden Kriminalgeschichte belohnt.
Viel Bildmaterial veranschaulicht hier sowohl die Rätsel als auch deren Lösungen, wodurch man sich alles super vorstellen und die Lösung mitverfolgen kann.

Unterteilt ist der Roman in drei Abschnitte, die sich auf unterschiedliche Charaktere fokussieren und auch stilistisch recht verschieden sind. Dies erscheint zunächst seltsam, ergibt später aber Sinn.
Von Beginn an kann man miträtseln und versteckte Hinweise suchen und auch wenn man denkt, man hat das Buch durchschaut, gibt es immer wieder neue Überraschungen und Plottwists.
Hierbei gab es auch mal ein paar Kleinigkeiten, die übertrieben oder unwahrscheinlich erschienen, jedoch hat dies meinen Lesespaß nur geringfügig beeinträchtigt.

Auch für Japan-Fans ist dieses Buch super: Das dortige Leben und die Kultur halten immer wieder Einzug in die Geschichte und ermöglichen ein paar schöne Eindrücke.
Die Übersetzung erscheint durchaus gelungen und erfasst das Wesentliche, lässt aber auch Teile des japanischen Originals im Text und den Bildern, was ich als sehr angenehm empfand. Wortspielereien und dergleichen werden gut erklärt, ohne dass man Sprachkenntnisse benötigt.
Diese neue Krimi-Art hat mich total überzeugt und ich freue mich schon auf die nächste Geschichte des Autors!

Bewertung vom 31.03.2025
Fuchs, Katharina

Vor hundert Sommern


sehr gut

Die Autorin nimmt uns mit auf zwei Zeitebenen: Im Jahre 2024 verfolgen wir das Leben der jungen Studentin Lena, ihrer Mutter Anja und der Großmutter, die sich an das neue Leben im Heim gewöhnen muss. Ihre Erzählungen der Vergangenheit zentrieren sich auf Clara, die sich 1924 durchschlägt.
Besonders gut gefallen haben mir die zahlreichen Parallelen: Lena und Clara trennen genau 100 Jahre und ähneln sich in gewisser Weise sehr, während gleichzeitig aber auch die Unterschiede deutlich werden, vor allem bedingt durch die Probleme der damaligen Zeit.
Dass unsere Gesellschaft jedoch noch längst nicht frei davon ist, wird im Verlauf der Geschichte auch immer wieder deutlich, so wiederholt sich beispielsweise der Antisemitismus. Die Botschaft ist klar und eindrücklich: Es sind 100 Jahre vergangen und die Menschheit hat teilweise nichts dazugelernt.

Aktuelle politische und gesellschaftliche Themen miteinzubeziehen finde ich grundsätzlich super und ich mochte auch die Idee hier sehr, jedoch kam es mir teilweise doch etwas zu überladen vor, als ob möglichst viele Themen untergebracht werden sollen, anstatt sich auf ein paar zu konzentrieren. Manches wirkte zwischendurch auch schon fast ein wenig klischeehaft und übertrieben, wie die Influencer-Karriere von Lenas Schwester oder Lenas Obsession mit dem Veganismus.
Das Spiel mit den Parallelen zu Clara führte auch dazu, dass es sehr viele "Zufälle" gab, die manchmal dann doch arg konstruiert gewirkt haben.

Der Schreibstil hat mir dafür gut gefallen, die Geschichte war durchweg angenehm zu lesen. Meine Favoriten waren hierbei die Clara-Kapitel, ich fand den Einblick in das damalige Leben und die Rolle der Frau sehr spannend und interessant. Als Kontrast dazu wurde ich nie so richtig warm mit Lena, was ich aber nicht als negativ empfunden habe - wir lernen viele Frauen kennen und manche davon findet man natürlich auch sympathischer als andere, hier wurde eine gute Mischung gefunden.
Durch Infos am Kapitelanfang weiß man auch immer, um wen es gerade geht und wann bzw. wo die Handlung spielt.

Ein paar Sachen sind mir unlogisch erschienen, wie kleinere Logikfehler oder nicht nachvollziehbare Entscheidungen bzw. Verhalten mancher Charaktere, jedoch hielt sich dies in Grenzen.
Dafür fand ich es schön, dass die Geschichte der Vergangenheit auf wahren Verwandten der Autorin beruht und man deren Zuneigung auch durch die Seiten hinweg spüren kann, ohne dass es unangenehm auffällt.
Insgesamt eine gelungene Familiengeschichte mit kleinen Mängeln, die das Lesevergnügen aber nicht stark beeinträchtigen.

Bewertung vom 30.03.2025
Smith, Sally

Der Tote in der Crown Row / Sir Gabriel Ward ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Sir Gabriel Ward mag seinen geordneten Alltag, in dem alles nach seinen eigenen Vorgaben verläuft. Ein toter Richter vor seiner Tür ist da natürlich äußerst störend, vor allem, als er dann auch noch in dieser Angelegenheit ermitteln soll, während er gleichzeitig an einem großen Rechtstreit arbeitet.
Die Autorin ist selbst Anwältin und arbeitet schon viele Jahre im ungewöhnlichen Londoner Temple-Bezirk, der auch hier Schauplatz der Handlung ist.
Dies merkt man auf jeder Seite, angefangen mit einer Karte bis hin zu zahlreichen interessanten Hintergrundinfos über das Leben, die Traditionen und die dortigen Bewohner. Als Leser bekommt man so nicht nur einen spannenden historischen Krimi im Jahre 1901 geboten, sondern auch eine Zeitreise und einen Einblick in diesen Mini-Staat des Rechts.

Die Sprache passt hierbei perfekt zu den Charakteren und der damaligen Zeit, immer begleitet von einer schönen Prise britischem Humors.
Passend zum Hauptcharakter verfolgt man sowohl einen Mord als auch einen Fall vor Gericht, ein Grundinteresse am Rechtswesen sollte beim Leser also vorhanden sein.
Die Geschichte selbst wird aus vielen Perspektiven erzählt, was ich aber durchaus angenehm empfand, da man so auch die vielen Nebencharaktere und Verdächtigen besser kennenlernt und Interesse an ihren Schicksalen entwickelt.
Gefühlt hat eigentlich jeder irgendein kleineres oder größeres Geheimnis, diese werden jedoch nach und nach alle zufriedenstellend aufgeklärt und dienen zuvor herrlich der Verwirrung.
Gabriel selbst war ein sympathischer Hauptcharakter, der mir mit jeder Seite mehr ans Herz gewachsen ist. Ihm zur Seite steht der junge Constable Wright, der einen schönen Gegenpol bildet. Ich mochte dieses ungewöhnliche Team sehr, auch wenn ich mir noch mehr gemeinsame Szenen gewünscht hätte.
Vielleicht im zweiten Band? Ich freue mich auf jeden Fall auf ein baldiges Wiedersehen!