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Adelebooks
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Bremen

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Insgesamt 141 Bewertungen
Bewertung vom 02.03.2025
Novak, Genevieve

No Hard Feelings


sehr gut

Über die Herausforderungen der 20er im Tinderzeitalter

Penny ist 26 Jahre alt, arbeitet eher freudlos unter einer wenig sympathischen Chefin in einer Marketing-Agentur und führt eine lockere On-Off Beziehung mit ihrem Ex-Freund Max, die sie alles andere als glücklich macht, das jedoch ebensowenig wie ihre gehaltlosen Tinder-Dates. Ihre Freundin Annie ist zwar im Dating ebenso unglücklich wie Penny, doch beruflich geht es bei ihr steil bergauf. Freundin Bec vereint wiederum beruflichen Erfolg und eine glückliche Beziehung, in der sie jedoch ihre Freundschaften komplett verliert. In diesem Setting fühlt Penny sich zunehmend unwohl, hat Versagensängste und Selbstzweifel. Beruf, Beziehung und Freunde - überall sieht Penny Baustellen und wäre so gern viel weiter in ihrem Leben, doch weiß nicht, wie sie ihre destruktiven Muster ablegen kann.

No hard feelings thematisiert ein besonderes Alter, mit Mitte 20, wenn sich unser Leben in bestimmte Bahnen bewegt, in manchen Fällen neu ausrichtet, Job, Freunde und Beziehungen sich mit dieser Ausrichtung verändern und wir alle doch nur eines möchten: anerkannt, gesehen und geliebt werden.

Jede der drei Frauen versucht auf ihre Art das Richtige zu tun, und im Erwachsenenleben anzukommen. Und jede der drei Freundinnen hadert auf ihre Art mit den Herausforderungen, die das Leben für sie auf diesem Weg bereit hält.

Das alles verpackt Genevieve Novak in einen lockeren, mitnehmenden und unterhaltsamen Schreibstil der mitten ins Geschehen zieht und unmittelbar an Pennys Entwicklung, Leiden und Lachen, teilhaben lässt. Sensibel, authentisch, zuweilen komisch thematisiert der Roman anhand von Penny auch den Themenkomplex psychische Gesundheit, Depressionen und Ängste.

So gelungen und kurzweilig, wie ich weite Teile des Romans fand, war das Ende mir persönlich jedoch zu kitschig und klischeebeladen. Die Freundinnenschaft und ihre Herausforderungen und Probleme wurden für mich außerdem zu oberflächlich behandelt, und nur vermeintlich gelöst. Hier hätte ich mir mehr Mut für unkonventionelle, emanzipatorischere Modelle und mehr Tiefe in der Analyse gewünscht.

No hard feelings ist ein Buch über eine schwierige Selbstfindung und den Weg aus Depression und Ängsten, über sich verändernde Freundschaften und Sinnsuche im Job im besonderen Jahrzehnt zwischen 20 und 30 Jahren. Der authentische, zuweilen komische Stil macht den Roman zu einem kurzweiligen Leseerlebnis mit leichten Schwächen in der Tiefe.

Bewertung vom 24.02.2025
Kiss, Nikoletta

Rückkehr nach Budapest


ausgezeichnet

Eindringlich erzählter Vorwenderoman zwischen Balaton, Budapest und Ostberlin

Theresa ist tot. Ihrer Cousine Márta steht die Aufgabe bevor sich von ihr zu verabschieden. Wie schwer dies auch nach jahrzehntelangem Schweigen zwischen den ehemals besten Freundinnen ist, lassen bereits die ersten Seiten von Rückkehr nach Budapest erahnen. Etwas, viel mehr steckt hinter dieser Beziehung und erst recht ihrem Bruch, der auf Márta lastet. Eine zentrale Rolle dabei spielt Konstantin, ein junger Literat aus Ostberlin, den beide Frauen in einem Sommer vor über 20 Jahren in Berlin kennenlernen und der jede von ihnen auf eigene Art begeistert und für sich einnimmt. Und so nimmt diese komplexe Dreiecksbeziehung ihren Lauf, zwischen sich verschiebenden Loyalitäten, körperlicher und intellektueller Anziehung und all dies eingebettet in sensibel erzählte, zum Teil schwierige und schmerzhafte, Lebens- und Familiengeschichten in der DDR und Ungarn.

Mich hat der Roman bereits nach wenigen Seiten vollkommen eingenommen und auf ganz verschiedenen Ebenen überzeugt. Da ist zum einen die eindrücklich eingefangene Stimmung der Vorwendezeit in der DDR und in Ungarn - das Spannungsfeld zwischen alten Regeln, Überwachung und Repression gegenüber immer mehr Freiheitsdrang und Kritik in Kunst und Kultur, hier natürlich insbesondere der im Buch geschilderten Literaturszene. Auch die feinen Unterschiede des DDR-Systems im Vergleich zum ungarischen Sozialismus arbeitet die Autorin fast schon spielerisch in die Erzählung ein. Auf der Ebene der Figuren begeistert sowohl die zarte Studie der Dreiecksbeziehung zwischen Márta, Theresa und Konstantin im Spiel zwischen Loyalitäten, Verrat, Liebe und Freundschaft als auch Mártas Charakterstudie als zurückgenommene, sympathische junge Frau, die jedoch oft für andere lebt und sich im Laufe des Romans immer mehr selbst entdeckt, zu sich findet und dafür lernen muss sich von ihrer Vergangenheit nach langem Ringen zu entfernen und für sich selbst einzustehen. Kiss gelingt es sich sensibel in die diversen, oft schwierigen Lebensgeschichten einzufühlen und so ein authentisches, psychologisch komplexes Bild der Protagonistinnen zu zeichnen.

Für mich war Rückkehr nach Budapest ein echtes Überraschungshighlight in dem noch kurzen Lesejahr. Ich empfehle den Roman von Nicoletta Kiss allen, die gern über komplexe soziale Beziehungen und psychologische Motive lesen und in ein authentisches Bild und Milieu der unmittelbaren Vorwendezeit in der DDR und Ungarn eintauchen möchten!

Bewertung vom 20.02.2025
Gregor, Susanne

Halbe Leben


ausgezeichnet

Wie menschlich kann die 24h Betreuung durch osteuropäische Pflegekräfte für die Pflegenden sein?

Als Klaras Mutter nach einem Schlaganfall plötzlich pflegebedürftig wird und nicht mehr allein leben kann, stellt dies das Leben von Mutter und Tochter, aber auch der ganzen Familie auf den Kopf. Neue Routinen müssen entwickelt werden, soziale Beziehungen, auch die Mutter-Tochter-Beziehung, verändern sich. Für Klaras Tochter wiederum scheint die neue Nähe zur Großmutter, die fortan bei ihnen im Haus lebt, wiederum ein Geschenk und Ersatz, für die zu oft abwesende Mutter Klara, die mit ihrer Mutterrolle oft hadert. Allein dieses Beziehungsgeflecht und die Disruption von Familienverhältnissen birgt Potenzial für Enttäuschungen, Verletzungen und Überforderung.

Die Hilfe ausländischer Pflegekräfte als 24h-Hilfe für Mutter Irene scheint so zunächst als praktische Lösung im Interesse aller. Doch ist es das wirklich? Übersehen wird dabei, dass diese Hilfe, eben nicht nur eine Kraft ist, die zum Lösen der besonderen familialen und pflegerischen Herausforderungen da ist, sondern, dass es sich dabei um ein Individuum handelt, mit eigenen Wünschen, Träumen und Bedürfnissen, die eben kein Mensch 24h für 14 Tage abstellen kann. So auch nicht die Slowakin Paulina, im selben Alter wie Klara, die aufgrund der besseren Verdienstmöglichkeiten alle 14 Tage für 2 Wochen ihre Heimat und eigenen Kinder, letztlich ihr ganzes Leben, verlässt, um mit Klaras Familie zu leben und deren Mutter zu pflegen. Aus dieser Perspektive stellt sich die Frage, ob all das, was Gregor in diesem Roman anschaulich und eindringlich vor Augen führt, eben kein Einzelfall ist, sondern viel mehr als typischer Fall einem Konstrukt geschuldet ist, das unter Bedingungen, die das Menschsein und die Augenhöhe unter verschiedenen Parteien ernst nimmt, schlicht nicht zu realisieren ist.

Gregor gelingt es die Interessen, Bedürfnisse, Absurditäten und Widersprüche dieser Situation sowohl aus den verschiedenen personalen Perspektiven als auch auf gesellschaftlicher Ebene in allen Facetten eindringlich einzufangen. Dabei ist der Blick immer differenziert, nie anklagend. Auch Paulina wird in ihrer Zerrissenheit zwischen Welten porträtiert. Sie genießt zu Beginn durchaus auch die neue Familie, dort wird sie gebraucht, macht allen das Leben leichter, während sie sich in der Heimat mit ihren Schulgefühlen und den von der abwesenden Mutter enttäuschten eigenen Kindern konfrontiert sieht. Mit Klaras Tod, der zu Beginn einen dramaturgischen Rahmen setzt, arbeitet sie die Handlung geschickt im Rückblick auf dieses Ereignis hin aus. Man spürt förmlich wie jede kleine Verletzung, giftige Bitte und unreflektierte Handlung das Unglück heraufbeschwört. Dabei wird auch immer wieder die Frage von Schuld und Verantwortung, Autonomie und Fremdbestimmung in der Beziehung zwischen Eltern und Kindern, hier insbesondere auch Müttern und Töchtern, in verschiedenen Konstellationen thematisiert.

Die Sprache ist nüchtern und unprätentiös, und erfasst so auch in der Stimmung die Situation angemessen und präzise.

Halbe Leben von Susanne Gregor ist ein sehr gutes und schwieriges Buch zugleich. So präzise und differenziert wie die Autorin analysiert und formuliert, so bedrückend sind die Einschränkungen der Leben für alle Protagonistinnen und der gesellschaftliche Missstand, dass wir bisher keine wirklich gute Lösung für die letzte Lebensphase unserer Lieben gefunden haben. Um so wichtiger ist dieser auch dramaturgisch gelungen erzählte Roman, der zum Nachdenken über unbequeme Wahrheiten anregt! Unbedingt lesen!

Bewertung vom 03.02.2025
Min, Juli

Shanghai Story


sehr gut

Eine asiatisch-kosmopolitische Familiengeschichte in Episoden, rückwärts erzählt

Eko und Leo, ein japanisch-chinesisches Ehepaar lebt mit den Töchtern Yumi, Yoko und Kiko in Shanghai. Leo ist als Bauunternehmer ausgesprochen wohlhabend und kann seiner Familie ein kosmopolitisches Leben im Überfluss ermöglichen, Häuser auf der ganzen Welt, teuere Privatschulen und Universitäten in den USA, Geld spielt keine Rolle. Ausgehend vom Jahr 2040 blickt der Roman rückwärtsgewandt hinter die Fassade dieses Lebens und zeigt eine Familie in Selbstauflösung in der jedes Mitglied auf seine Art leidet, versucht dem zu entfliehen und zu oft dabei scheitert. Erzählt wird dies mit dem Fokus auf einzelne Familienmitglieder in den jeweiligen Kapiteln, bereichert durch die Perspektiven Außenstehender, die der Familie jedoch nahe stehen, wie etwa der Chauffeur.

Wirklich bereichernd und interessant war für mich die Darstellung der Vergangenheit und Familiengeschichte von Eko und Leo, die so auch Einblicke in die bewegte Geschichte der Bevölkerung Chinas und Japans liefert. Auch der gesellschaftskritische Blick der Autorin, insbesondere in Bezug auf die Rolle der Frau in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hat mir sehr gut gefallen. An verschiedenen Figuren zeigt Min wie Frauen in allen kulturellen Gesellschaften im Roman, und über alle Dekaden, diskriminiert werden, ihnen Gewalt angetan wird und noch immer Schönheitsidealen unterworfen werden.

Insgesamt will der Roman für mich jedoch etwas zu viel. Jede der Schwestern und auch das Elternpaar hadert auf ihre Art mit dem Leben, die ganze Familie ist von dysfunktionalen Mustern durchzogen. Dies ist natürlich nicht völlig unrealistisch, trotzdem wirkt es stellenweise überladen. Die lange Rückwärtserzählung mit einzelnen Schlaglichtern der Geschichte aus verschiedenen Perspektiven ist grundsätzlich gelungen. Echte Tiefe, die die Dysfunktionalität näher ergründet zeigt sich für mich dadurch jedoch etwas zu selten. Wenn auch die Konstruktion des Romans Stück für Stück Erklärungen liefert und wie ein Puzzle das Bild und die Ursprünge der dysfunktionalen Familie zusammensetzt, bleiben einige weiße Flecken.

Sprachlich ist der Roman flüssig geschrieben, die Autorin findet stellenweise sehr starke, eingängige Bilder. Die Perspektivwechsel der Erzählstimme innerhalb eines Kapitels waren für mich jedoch nicht immer stimmig.

Für mich war Shanghai Story ein unterhaltsamer, kurzweiliger Roman, der mich nach Shanghai und das Leben dort entführt hat und Einblicke in Lebenswege in dieser Region vermittelt. Die Rückwärtserzählung in Episoden ist für mich nicht vollständig gelungen, da insgesamt zu viele Leerstellen verbleiben. Insgesamt sehe ich in der Autorin jedoch einiges an Potential und freue mich auf ihren nächsten Roman!

Bewertung vom 01.02.2025
Glattauer, Daniel

In einem Zug


ausgezeichnet

Ein Kammerspiel über die Liebe im 4er Abteil von Wien nach München

Eduard Brünhofer ist ein bekannter Autor von Liebesromanen, sein letzter Erfolg liegt jedoch schon mehrere Jahre zurück, so wie für den alternden Autor auch die Zeit vergangen scheint, in der er die Aufmerksamkeit jüngerer Frauen erregt. Umso mehr wundert er sich auf der Zugfahrt von Wien nach München über die interessierten Blicke seiner Sitznachbarin schräg gegenüber. Catrin Meyr heißt die junge Frau, die Brünhofer schließlich anspricht und so ein (Frage)Spiel zwischen den beiden entspinnt, dem sich Brünhofer nach anfänglichen Vorbehalten nur schwer entziehen kann. Zu klug, nachforschend, zuweilen übergriffig und trotzdem interessant sind die Fragen der Frau, die mit dem Autor unbedingt über die Liebe sprechen möchte.

Pointiert, amüsant, mit scharfer Beobachtung und viel Wortwitz unterhält dieses Kammerspiel zwischen zwei Fremden mit einem temporeichen Wortwechsel. Darin finden sich neben dem eigentlichen Gespräch über die Liebe, Beziehungen und deren Herausforderungen, auch zahlreiche Gedanken über das Zugfahren, ältere Männer und nicht weniger als das Leben.

Das Ende hält noch eine echte Überraschung bereit, auch wenn die Zugfahrt nach meinem Geschmack noch etwas länger hätte dauern können! In einem Zug ist ein kurzweiliger, typischer Glattauer-Roman, der viel zu schnell vorbei ist!

Bewertung vom 14.01.2025
Lunz, Kristina

Empathie und Widerstand


sehr gut

Ein inspirierender, feministischer Blick auf die Weltpolitik

In Empathie und Widerstand wird Kristina Lunz persönlich! Im Einleitungskapitel gibt die Autorin informative Einblicke in ihre Herkunft, Prägung und damit auch ihren Antrieb für eine feministische Außenpolitik und gerechtere Gesellschaft und damit letztlich auch für ihr Verständnis von Empathie und Widerstand als Weg dorthin. Versiert, informiert und leicht verständlich analysiert Lunz die Begriffe Empathie und Widerstand und macht diese für den Weg zu ihrer Utopie - einer gerechten Welt und Weltordnung - fruchtbar. Bereichert wird dieser Blick und die Analyse Lunz‘ durch die Porträts empathischer und widerständiger Frauen am Ende des Buchs, sowie immer wieder Einblicke in ihre berufliche Tätigkeit und Erfahrung weltweit.

Empathie und Widerstand ist gut recherchiert, doch kein klassisches Sachbuch. Es ist eher ein sehr persönliches Essay, in dem die Autorin ihre Haltung herleitet, erläutert und daraus ein inspirierendes Plädoyer ableitet.

Der Stil war für mich stets ausgewogen, zugänglich, abwägend ohne dabei zu relativieren und die innere Haltung zu verlieren. Man könnte sagen, auch im Verfassen des Buchs bleibt die Autorin dem Geschriebenen treu.

Etwas irritierend waren für mich die eigenen Lobpreisungen im Einleitungskapitel. Ich kann mir vorstellen, dass dies fast ein Reflex ist, wenn man sich als junge Frau in Lunzs Position tagtäglich in einer noch immer männlich-ego-dominierten Welt durchsetzen, seinen Platz in diesen Reihen trotz der unstreitbaren Kompetenz rechtfertigen muss. Einige Ausführungen waren für mich zudem etwas zu repetitiv. Dies schmälert den Wert dieser Publikation und insbesondere ihren inspirierenden Charakter jedoch kaum! Ein inspirierendes Buch von einer inspirierenden Frau!

Bewertung vom 07.01.2025
Besser, Jen;Feste, Shana

Das Erwachen / Dirty Diana Bd.1


weniger gut

Einblicke in ein amerikanisches Vorstadt-Ehefrauen-Dasein - leider ohne echte Tiefe

Diana ist 41 und lebt ein fast schon klischeehaftes Vorstadtfrauen-Dasein in Texas: Künstlerin, verheiratet mit dem erfolgreichen, liebenswerten und gut aussehenden Oliver, glückliche Mutter der kleinen Amy, zwei Mal wöchentlich Tennisstunden, Frauen und Kinder auf Playgrounds am Wochenende… Und recht klischeehaft ist leider auch die Story des Romans. Diana ist unglücklich in ihrer Ehe, den Sex mit ihrem Mann lässt sie über sich ergehen und versucht ihn so gut wie möglich zu vermeiden. Selbst ihren Freundinnen vertraut sie sich nicht an. Ihre Sehnsucht nach mehr zeigt sich in ihrem heimlichen sexuellen Verlangen, das sie aus Erinnerungen an leidenschaftlichen Sex und Träumen davon speist. Genährt wird diese Sehnsucht durch ein altes Kunstprojekt Dianas: Tapes mit Interviews in denen Frauen von leidenschaftlichen sexuellen Erfahrungen berichten. Diese Interviews dienten Diana einst als Vorlage und Inspiration für ihre Bilder. In der Gegenwart entfachen diese Tapes erneut etwas in ihr und sind im Roman eine zentrale Quelle der zahlreichen, ausführlich geschilderten Erotikszenen.

Für mich war das Buch nur schwer auszuhalten, so interessant wie der Einblick in ein solches Leben sein mag, so sehr habe ich mich zunehmend gefragt, warum reden die Figuren nicht miteinander? Und warum geht es die ganze Zeit nur um Sex?

Genug Potential für einen ernsthaften Roman hätte es sicher gegeben. Probleme in langen Beziehungen, wenn Alltag und Routine echte Intimität und Nähe zersetzen, das Tabu oder wahlweise die Fetischisierung weiblicher Lust in unserer Gesellschaft, das Überschreiten persönlicher Grenzen von Frauen, um Männern (und auch Ehemännern) zu gefallen, etc. Doch Dirty Diana geht Themen nicht nach, wagt sich nicht in die Tiefe partnerschaftlicher Dynamiken und der persönlichen Entwicklung. Stattdessen werden die tieferliegenden Konflikte und Probleme der Figuren und Partnerschaft im Roman auf Sex reduziert. Sex als Problem der Beziehung und Sex als Lösung. Mir war das leider zu wenig.

Der Roman ist flüssig geschrieben und findet sicher seine Fans irgendwo zwischen Desperate Housewives und 50 Shades of Grey. Mich konnte er leider überhaupt nicht erreichen.

Bewertung vom 18.12.2024
Bertrand, Jolan C.

Die Winterschwestern


sehr gut

Auf den Spuren der großen Kinderbuch-Autor*innen - Atmosphärisch erzählt und wunderschön illustriert

Der kleine Alfred ist 10 Jahre alt und lebt im Wikingerdorf Nebeldorf hoch im Norden. Alfred fühlt sich wohl im Kreise seiner Gemeinschaft und Familie und ist für seine Streiche bekannt. Obwohl er ein aufgeweckter, glücklicher Junge ist, wird er manchmal von einer unerklärlichen Traurigkeit heimgesucht. Was für ein Glück, dass sein geliebter Onkel Ragnar und seine Großmutter Brunhilda ihm auch in solchen Phasen Mut und Trost spenden. Als sein Onkel Ragnar auf eine gefährliche Mission geschickt wird, ist es Alfred, der ihn nach einer Warnung der Seherin des Dorfes zunächst heimlich begleitet. Was als eine Suche nach den geheimen Trollen beginnt, verwandelt sich schnell in eine ereignisreiche, ungleich gefährlichere Reise und Konfrontation mit der großen Winterschwester, die seit Jahren, aus Wut und Traurigkeit über das Verschwinden ihrer geliebten kleinen Winterschwester, Kälte und Sturm über die Region bringt. Wie wird Alfred, der doch nur ein kleiner Junge ist, die ungeahnten, schwierigen Herausforderungen meistern?

Der Erzählstil ist sehr angenehm, zugänglich und erinnert mich an große Erzähler*innen von Astrid Lindgren bis Erich Kästner. Die Charaktere sind so wundervoll und liebevoll gezeichnet, die Geschichte mit Liebe und angemessener Spannung und Fantasie erzählt. Man taucht tatsächlich ab und ein in die magische Welt der Wikinger und der nordischen Mythologie. Gelungen finde ich auch wie natürlich und kindgerecht die Themen von Transidentität und Depressionen in die Erzählung integriert werden.

Ein bisschen Spielraum sehe ich noch angesichts kleinerer Logikfehler in der Erzählung, die dem Leseerlebnis jedoch keinen entscheidenden Abbruch tun.

Wirklich wunderschön und unbedingt erwähnenswert sind die Zeichnungen, die nicht nur den Umschlag zieren, sondern auch lose in die Erzählung zur Illustration eingefügt sind. Die Atmosphäre der Erzählung spiegelt sich darin eindrücklich wider, wird ergänzt und zusätzlich bereichert.

Ein wunderschönes Buch mit einer magischen und lehrreichen Erzählung für große und kleine Fans märchenhafter, magischer Erzählungen!

Bewertung vom 17.12.2024
O'Farrell, Maggie

Lina und der Schnee-Engel


ausgezeichnet

Über das Wunder der Schneeengel, die über uns wachen…

Als die kleine Lina eines Nachts erwacht, traut sie ihren Augen kaum: da ist jemand oder etwas in ihrem Zimmer. Sollte sie Angst haben? Doch schnell erkennt sie in dem Geschöpf mit großen Engelsflügeln, das sich da vor ihr ausbreitet etwas ganz und gar Liebenswürdiges, Vertrauenerweckendes. Er sei ihr Schneeengel klärt das magische Wesen sie auf, und hier um sie zu beschützen. Denn Schneeengel gibt es tatsächlich, sie entstehen, wenn ein Mensch, so wie Lina im Schnee einen Schneeengel macht. Wenn dieser taut verschwindet der Engel nicht etwa sondern zerstäubt in Moleküle, und wacht von da an im Himmel über die Person, die ihn erstellt hat. Dass jeder Mensch ab und zu seinen Schneeengel braucht, wir auch Lina schnell im Laufe des Buches feststellen.

Mir gefällt besonders, wie das Buch in einer liebevollen Erzählung Trost und Wärme spendet und gleichzeitig auch schwierige Themen, wie schwere Krankheit thematisiert. Freundschaft, Liebe und Hoffnung werden dem gegenüber gestellt und so in eine wundervolle winterliche Erzählung eingebunden.

Wirklich bezaubernd sind insbesondere auch die Zeichnungen in diesem Buch. Lina ist einfach zuckersüß und liebenswert und ihre Herausforderungen wie Abenteuer wunderschön illustriert. Dabei werden durch das Spiel mit den Farben eindrückliche Stimmungen erzeugt, die die zauberhafte Erzählung perfekt ergänzen.

Die Altersangabe ab 5 Jahren finden wir angemessen.

Ein perfektes, herzerwärmendes Buch zum Vorlesen für die kalte Jahreszeit, das direkt eine wohlige, kuschelige Stimmung verbreitet und auch noch schön anzusehen ist.

Bewertung vom 08.12.2024
Ota, Shiori

Das kleine Café der zweiten Chancen


ausgezeichnet

Über die Magie des Kaffees und das Wunder der Freundschaft

Himari galt einst als Wunderkind am Klavier und wurde sehr jung von ihrer Mutter ins Internat nach England geschickt. Dort hatte Sie jedoch einen Unfall mit ihrer Hand, der sie zunächst sehr zu ihrer Freude nun zurück nach Japan brachte. Ob sie jemals wieder Klavierspielen kann bleibt ungewiss. Im neuen Wohnort ihrer Mutter und Schwester, der nun auch ihr eigenes neues zu Hause ist, ist jedoch alles fremd für Himari. Vor ihrem ersten Schultag in der 6. Klasse, den sie aufgrund der Rehabilitation auch noch 4 Wochen nach offiziellem Schulbeginn und allen anderen antreten kann, graut es ihr. Mit dieser Angst macht sie sich auf ihren neuen Schulweg. Eine alte Frau, die auffällig in ihrem Äußeren und liebevoll zugleich die Kinder auf dem Schulweg unterstützt, macht sie zunächst skeptisch, doch das Gespräch mit ihr entwickelt sich schnell zu einer echten moralischen Stütze für Himari, die sie positiver auf den Schulbeginn blicken lässt. Und die Alte sollte recht behalten: mit ihren Ratschlägen, konnte Himari ihre Angst ablegen und wurde in der neuen Klasse angenommen. Auf dem Rückweg bedankt sich Himari, und wird von der alten Frau zu einem Kaffee eingeladen, dabei erfährt Himari zum ersten Mal von einem besonderen Café in ihrer neuen Heimatstadt, dass sie bald mit ihrer neuen, alten Freundin besuchen möchte. Doch als sie am nächsten Tag auf dem Schulweg das Haus passiert, kann sie es nicht mehr finden. Was ist passiert? Verzweifelt erinnert sich Himari an das Café von dem ihre alte Freundin sprach. Wird sie dort Antworten finden?

Gekonnt verbindet die Autorin in das Café der zweiten Chancen die Liebe zu und Kraft der Musik mit der Magie und dem Genuss des Kaffees und seiner Zubereitung sowie dem Wunder der Freundschaft. Was dabei herauskommt, ist eine Art modernes Märchen, das ebenso schön wie lehrreich ist. Ganz klare Empfehlung!