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Lisega

Bewertungen

Insgesamt 1385 Bewertungen
Bewertung vom 19.06.2020
Die Zeitmaschine

Die Zeitmaschine


sehr gut

In der Science Fiction-Literatur gibt es ein paar frühe Werke, die jeder Fan des Genres kennt, dazu zählt mit Sicherheit „Die Zeitmaschine“ von H.G. Wells.

Die Geschichte des 1895 veröffentlichten Klassikers dürfte weitgehend bekannt sein: Ein junger Forscher entwickelt eine Zeitmaschine, reist weit in die Zukunft und begegnet dort zwei degenerierten Menschenarten, den kindlich-naiven Eloi und den lichtscheuen, monsterartigen Morlocks.

Das Label Folgenreich hat die spannende Zeitreise gründlich entstaubt und als modernes Hörspiel in zwei Teilen umgesetzt. Die Rahmenhandlung wurde vom Ende des 19. Jahrhunderts in die 1970er Jahre verlegt. Dem genialen Wissenschaftler Jack wird unterstellt, Forschungsgelder zu unterschlagen. Um zu beweisen, dass die finanziellen Mittel tatsächlich in ein Projekt fließen, zeigt er seinen Freunden Cabbs und Peter seine geheim gehaltene, bahnbrechende Erfindung: eine Zeitmaschine. Im ersten Teil erklärt er den beiden (und damit auch dem Hörer) anhand eines Prototyps die Maschine, muss weitere Beweise erbringen und lädt sie und zwei weitere Forscher zu einem Abendessen ein. Bei diesem Dinner kommt er in derangiertem Zustand von einer Zeitreise ins Jahr 802.701 mit einer unglaublichen Geschichte zurück …

Die leider erst in Teil 2 erzählt wird. Das ist mein einziger Kritikpunkt an dieser gelungenen, modernen Adaption. Aber das ist wohl dem Reihencharakter geschuldet (es wurden noch mehr Werke von H.G. Wells bei Folgenreich veröffentlicht). Ansonsten: Top-Hörspiel mit hervorragenden Sprechern, klugem Sounddesign und dramaturgisch perfekter Umsetzung.

Bewertung vom 05.06.2020
Auerhaus
Bjerg, Bov

Auerhaus


ausgezeichnet

„Our house, in the middle of our street
Our house, in the middle of our …“

Bov Bjergs 2014 erschienene Coming-of-Age-Geschichte „Auerhaus“ entwickelte sich zu einem Überraschungsbestseller. Der heiter-melancholische WG-Roman über die Jugend und das Erwachsenwerden in der schwäbischen Provinz der 80er Jahre ist auch als mitreißendes Hörspiel vertont worden.

Der Gymnasiast Frieder hat versucht, sich umzubringen. Damit das nicht wieder passiert, zieht er nach seiner Entlassung aus dem „Schwarzen Holz“, der örtlichen Psychiatrie, mit ein paar Freunden in das Haus des verstorbenen Großvaters. Seine Freunde wollen Frieder Halt geben, doch eigentlich hat jeder seine eigenen Sorgen: Der Ich-Erzähler Höppner flieht vor dem „F2M2“ (fieser Freund meiner Mutter) zu Hause und bringt seine Freundin Vera mit, die Streberin Cäcilia bricht aus dem überbehütenden Elternhaus aus, Harry ist schwul und Pauline ist eine Bekannte Frieders aus der Anstalt, die als Pyromanin passenderweise in den Heustadel zieht. Von einem Nachbarn wird diese ungewöhnliche WG wegen des dauernd aus der Anlage scheppernden Madness-Hits „Auerhaus“ genannt. Natürlich gibt es in der von der Dorfgemeinschaft argwöhnisch beäugten WG wilde Partys; nächtelange Gespräche stehen genauso auf der Tagesordnung wie regelmäßige Diebestouren im örtlichen Supermarkt. Doch wird es den Freunden auf dem Weg zum Abi tatsächlich gelingen, Frieder von einem weiteren Selbstmordversuch abzuhalten?

Bov Bjergs lakonische Erzählstimme hat mir schon beim Lesen des Romans gut gefallen; im Hörspiel wird dieser Ton und die Stimmung der Schüler-WG zwischen Euphorie und Melancholie perfekt transportiert. Auch den erstklassigen Sprechern ist es zu verdanken, dass die berührende Geschichte so authentisch und frisch herüberkommt. Und natürlich klingt immer wieder der titelgebende Song „Our House“ an. Ein Hörspiel, das es schafft, einen mühelos wieder in die eigene Jugend zurück zu versetzen, mit all ihren Höhen und Tiefen.

Bewertung vom 05.06.2020
Elefant
Suter, Martin

Elefant


sehr gut

In Martin Suters Bestseller „Elefant“ wird es für den Schweizer ungewohnt märchenhaft: Ein kleiner rosa Dickhäuter verzaubert nicht nur die Hörer.

Als der Zürcher Obdachlose Schoch in seiner Höhle den Mini-Elefant zum ersten Mal sieht, denkt er an eine alkoholbedingte Vision. Doch das kleine Tier ist echt, und als er es versehentlich mit giftigen Pflanzen füttert und zur Gassen-Tierärztin Valerie zur Behandlung bringen muss, merkt diese sofort, dass sie es hier mit dem Produkt einer Genmanipulation zu tun hat. Doch woher kommt das Tier? Während die beiden ihren kleine Zögling in der herrschaftlichen Villa von Valeries verstorbenen Eltern verstecken, machen sich Sabus Schöpfer, der Genforscher Roux, und seine chinesischen Geldgeber auf die Suche nach dem verschwundenen Geschöpf. Schließlich sehen sie in dem Genexperiment ein unglaublich wertvolles Produkt. In vielen Rückblenden erzählt Suter, wie der kleine Elefant geschaffen wurde, wobei ein heruntergekommener Zirkus im Zürcher Oberland eine wichtige Rolle spielt, und wie der burmesische Elefantenflüsterer Kaung mit der Unterstützung eines Tierarztes das für ihn heilige Tier verstecken konnte. Doch welche Überlebenschancen hat das putzige Tier überhaupt? Wird es Kaung gelingen, ihn in seine Heimat Myanmar zu bringen?

Mit „Elefant“ läuft Martin Suter wieder zur Bestform auf: Der wissenschaftliche Hintergrund des Romans ist fundiert recherchiert, die Geschichte zieht einen beim Hören zum einen wegen der märchenhaften Hauptfigur in den Bann, zum anderen ist Suters Aufbau der Geschichte und sein Sprachstil gewohnt routiniert und packend. Bei der Figurenzeichnung ist die Einteilung in Gut und Böse etwas zu schablonenhaft, aber die Helfer des kleine rosa Wunders sind durchwegs sympathische Charaktere mit Identifikationspotential. Und mit dem routinierten Gert Heidenreich als Sprecher ist „Elefant“ beste Unterhaltung.

Bewertung vom 02.06.2020
Percy Jackson erzählt: Griechische Göttersagen
Riordan, Rick

Percy Jackson erzählt: Griechische Göttersagen


sehr gut

Vor einigen Jahren wollte ich die griechischen Götter- und Heldenmythen schon mal als Lesung erleben und Gustav Schwabs „Sagen des klassischen Altertums“ anhören. Ganz ehrlich: Ich bin nicht weit gekommen, sowohl die Sprache als auch der Rezitator haben mich ermüdet. Mit dem an ein jugendliches Publikum gerichteten Hörbuch „Percy Jackson erzählt: Griechische Göttersagen“ habe ich den Geschichten um antike Götter eine neue Chance gegeben – und mich bestens unterhalten.
Natürlich ist der Ansatz ein ganz anderer: Rick Riordan lässt seinen Romanhelden Percy Jackson, der ja kein geringerer als der Sohn des Poseidons ist, in seinem für diese Jugendbuch-Reihe typischen witzig-ironischen Ton über die Schöpfungsgeschichte und die Verwandtschaft erzählen. Ganz salopp und – soweit möglich – kurz und knapp berichtet der jugendliche Halbgott im Kapitel „Der Anfang und überhaupt“ von Chaos, Gaia und Uranus, widmet deren Kindern, den Titanen, das Kapitel „Das goldene Zeitalter des Kannibalismus“, kommt schließlich zu den Olympiern und stellt bekannte Götter wie Demeter, Ares, Hermes, Aphrodite usw. in eigenen Kapiteln vor. Das ist nicht große Literatur, gibt aber dem jugendlichen Zielpublikum die Gelegenheit, ganz unverkrampft die griechischen Göttersagen kennenzulernen. Besonders durch Marius Claréns (u.a. deutsche Stimme von Tobey Maguire und Jake Gyllenhaal) erfrischende Interpretation des Stoffes wird hier sehr amüsant Allgemeinwissen vermittelt.

Bewertung vom 29.05.2020
Schwindelfrei ist nur der Tod / Kommissar Jennerwein ermittelt Bd.8
Maurer, Jörg

Schwindelfrei ist nur der Tod / Kommissar Jennerwein ermittelt Bd.8


ausgezeichnet

„Klebrigs Bürschal! Pfundsau! Aufgstellter Mausdreck! Goaßkopf! Greisliger Stingl! Triefaugerter Mooskarpfen! Rachitischs Krischpal!“

Mit dieser Schimpfkanonade eröffnet Polizeiobermeister Franz Hölleisen sein Referat im Rahmen des Kongresses zur Gewaltprävention. Denn in Kommissar Jennerweins 8. Fall führt zunächst diese Tagung das beliebte Ermittlerteam in den Bindestrich-Kurort vor idyllischer Alpenkulisse, kein Mord. Da aber bald ein Heißluftballon vermisst und dahinter ein Verbrechen vermutet wird, stürzen sich Jennerwein und seine Leute auf die Ermittlungen. Der Kommissar selbst wirkt dabei seltsam abwesend – plagen ihn Sorgen? In welchem Verhältnis steht er zu dem frisch aus der Haft entlassenen Dieb Dirschbiegel?

Es ist schon erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit Jörg Maurer einen guten Krimi nach dem anderen schreibt. „Schwindelfrei ist nur der Tod“ ist der achte Krimi mit Jennerweins Team, und wieder ist die Geschichte interessant-skurril, zudem sprachlich gewandt und sehr humorvoll wiedergegeben. Jörg Maurer gewährt in diesem Krimi nicht nur erstmals Einblicke in Jennerweins (eigentlich nicht vorhandenes) Privatleben, er lässt auch liebgewonnene Nebenfiguren der Reihe wie etwa das ehemalige Bestattungsunternehmerpaar Grasegger und den österreichischen Problemlöser Swoboda wieder auftreten. Den eigentlichen Fall – den Anschlag auf den Heißluftballon – würzt er mit zunächst amüsanten, später auch dramatischen Szenen aus dem Ballonkorb. Und immer wieder schildern kurze Kapitel einen Banküberfall mit Geiselnahme im Sommer 1971. Wie dieses Verbrechen, das durchaus amüsant geschildert wird, mit der Geschichte in der Gegenwart zusammenhängt, wird dem Leser ziemlich schnell klar, was aber keineswegs den Spaß daran dämpft.

Bewertung vom 29.05.2020
Alpensagen

Alpensagen


ausgezeichnet

Kennen Sie das Wettersteiner Mandl? Oder die Fee vom Höllental? Oder die zwei Schwirzer von Schleching? Mir waren diese Sagengestalten auch kein Begriff. Aber mit diesem Hörbuch, das aus einer Zusammenarbeit von BR2 Kinderfunk, Quadro Nuevo und der Autorin Julia Schölzel entstanden ist, werden urige Geschichten aus der oberbayerischen und allgäuerischen Bergwelt zu neuem Leben erweckt.
Die teils heiteren, teils schaurigen, aber immer spannend erzählten Alpensagen werden von Luise Kinseher (bekannt als „Bavaria“ beim Salvator-Anstich auf dem Nockherberg), Jockel Tschiersch und Richard Oehrmann in Mundart herrlich unterhaltsam erzählt. Nördlichere Hörer könnten die kräftigen Dialekte evtl. nicht verstehen, alle anderen werden von der lebendigen Vortragsweise und den verschiedenen Stimmlagen der Sprecher begeistert sein. Da kann man sich direkt ins Geschehen hineinversetzen und mit dem Allgäuer Männle fingerhakeln oder hinab in die Tiefen des Untersberges steigen. Umrahmt werden die Geschichten von der wunderbaren Musik von Quadro Nuevo, die teils tradierte Musikstücke neu arrangiert haben, teils eigens komponierte Stücke zum Besten geben. Witzige Unterhaltung nicht nur für Kinder – und beim nächsten Urlaub in den Bergen können die Schauplätze der Sagen im Chiemgau oder Werdenfelser Land erwandert werden.

Bewertung vom 29.05.2020
Bruder Cadfael und der Ketzerlehrling / Bruder Cadfael Bd.8 (eBook, ePUB)
Peters, Ellis

Bruder Cadfael und der Ketzerlehrling / Bruder Cadfael Bd.8 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

In diesem Band der Cadfael-Reihe (eigentlich Band 16, aber jetzt als 8. eBook erschienen) stehen neben einem Kriminalfall auch Glaubensfragen im Vordergrund. Denn als im Juni 1143 der Leichnam des Wollhändlers und Jerusalem-Pilgers William of Lythwood in die Benediktinerabtei von Shrewsbury gebracht wird, wo er beerdigt werden soll, muss der Verstorbene erst vom Vorwurf der Ketzerei entlastet werden. Dies gelingt seinem Gehilfen und Reisebegleiter Elave, der auch in den Haushalt des Kaufmanns zurückkehrt und eine Mitgift für die Ziehtochter Fortunata überreicht. Doch durch unbedachte Äußerungen wird er selbst als Häretiker angeklagt, und als der Hausangestellte Aldwin, der ihn beschuldigt hat, erstochen wird, gerät er auch noch unter Mordverdacht …

„Bruder Cadfael und der Ketzerlehrling“ ist für mich einer der besten Fälle der Mittelalter-Krimireihe von Ellis Peters. Nicht nur, dass Cadfael wieder einmal seinen Kräutergarten verlassen darf und mit geschicktem Gespür und Sheriff Hugh Beringars Hilfe den wahren Mörder entlarvt, den ich dieses Mal ehrlich gesagt nicht auf dem Schirm hatte. Nein, die hitzige Debatte über Ketzerei und Auslegung der Bibel und Schriften der Kirchenväter fand ich hochinteressant. Mit den Figuren des Augustiners Canon Gerbert, der hier den „Hardliner“ gibt, dem gemäßigten Abt Radulfus und dem ausgewogen urteilenden Bischof Roger de Clinton werden die kirchlichen Strömungen repräsentiert, während der junge Elave, der auf seinen Reisen durch die halbe Welt verschiedene Geisteshaltungen kennengelernt hat, Glaubensgrundsätze wie z. B. die Erbsünde kritisch hinterfragt. Ein kluger Plot, glaubwürdig gezeichnete Figuren und ein spannendes Finale – Ellis Peters at her best!