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Mühlenkind
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Deining

Bewertungen

Insgesamt 32 Bewertungen
Bewertung vom 08.09.2020
Neid kennt kein Gebot / Südtirolkrimi Bd.8
Neubauer, Ralph

Neid kennt kein Gebot / Südtirolkrimi Bd.8


gut

Neid kennt kein Gebot... aber Spannung in einem Krimi schon…! Ohne geht es leider nicht…

Eine Bergwanderin stürzt bei einem gemeinsamen Ausflug mit ihrem Ehemann in die Tiefe. Menschliche Gliedmaßen werden gefunden, an merkwürdigen Orten, zu merkwürdigen Zeiten. Viele Menschen ermitteln: Commissarion Fabio Fameo, Carabiniere Tommaso Caruso, Staatsanwältin Claudia Trebo, Oberstaatsanwalt Hagen Bös aus Deutschland, letzterer inoffiziell und in allererster Linie eigentlich, um seine südtiroler Kollegin zu beeindrucken.

Was auf dem Klappentext vollmundig als Fall, der ‚die Ermittler an die Grenzen des Erträglichen und ihrer Ermittlungstechnik‘ bringt, angekündigt wird, kann den mit dieser Ankündigung geweckten Erwartungen leider nicht gerecht werden. Zu viele irrelevante Handlungsstränge (die letztendlich nichts mit dem Fall zu tun haben), zu viele mindestens genauso irrelevante Personen nehmen den Hauptraum des Plots ein, der offensichtlich als eine Bühne für ein Setting dient, das dem Autor besonders am Herzen zu liegen scheint. Hinzu kommen eine Vielzahl von Ortsbeschreibungen, Restaurantaufzählungen und deren Menükarten, regionale Speckmanufakturen, Winzer und Käsereien, sehr detailliert, bunt und reise-anregend… nur eben in dieser Fülle und Ausführlichkeit dem Krimi nicht dienlich.

Der Plot selbst birgt keinerlei Überraschungen und ist zudem auch sprachlich sehr eigen. Streckenweise wirken die Formulierungen steif und unpersönlich, die Dialoge förmlich und unecht. Ab ca. Seite 170 wird´s ein wenig runder, von Spannung aber bis zum Ende keine Spur.

Insgesamt sind die Beschreibungen des Autors von Land, Leuten, Restaurants, Wanderrouten, Speisekarten und regionalen Köstlichkeiten durchaus sympathisch und gehen mit ein bisschen gutem Willen als etwas anderer Reiseführer durch… auch die Charaktere verraten mir, die ich die vorhergehenden Fälle der Ermittler Fameo und Caruso noch nicht gelesen habe, dass sie sich im Laufe der Südtirol-Krimi-Reihe entwickelt haben müssen. Das ist im 8. Fall der Reihe aber leider nur ansatzweise zu erahnen.

Wer also einen gemütlichen Regional-Krimi mit viel Lokalkolorit mag, ist hier einigermaßen gut aufgehoben, wer einen rasanten Krimi mit außergewöhnlicher Handlung und viel Spannung erwartet, leider nicht.
Ich für meinen Teil gebe Commissario Fameo noch eine Chance und werde voraussichtlich ganz neu starten – mit dem ersten Teil der Reihe … weil jeder eine zweite Chance verdient…

Bewertung vom 31.08.2020
Die Wahnsinnige
Hennig von Lange, Alexa

Die Wahnsinnige


sehr gut

Intensive Seelenstudie auf hohem Niveau
Johanna von Kastilien, geb. 1479, gestorben 1555 war die Tochter von Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragón (auch bekannt als die katholischen Könige). Ursprünglich nachrangig in der Erbfolge rückte sie nach dem Ableben der eigentlichen Thronanwärter und deren Kinder auf den Platz der Thronfolge, einer Position, die sie nie ersehnte.
Von Zeitgenossen als außergewöhnlich schön beschrieben, war Johanna sehr sprachbegabt und äußerst musisch veranlagt. Gleichzeitig galt sie bereits als Kind als introvertiert und melancholisch, als außergewöhnlich ernsthaft und sensibel.
Aufgrund ihrer religiösen Verhaltensauffälligkeiten, ihrer Weigerung sich standesgemäß zu verhalten und in Stille zu leiden, ihrer Temperamentsausbrüche und offensichtlichen Leidenschaft für ihren Ehegatten machte Johanna sich angreifbar und „untragbar“ als Regentin. Spielball der machtpolitischen Intrigen ihres Vaters, ihres Ehegatten (mit dem Johanna, gerade 17 Jahre alt, im Zuge einer machtstrategischen Verbindung mit dem Hause Habsburg verheiratet worden war und der bereits 1506 verstarb) und später auch ihres Sohnes Karl I., verstarb Johanna von Kastilien 1555 im Palast von Tordesillas, wo sie bereits 1506 nach dem Tod ihres Ehemanns Phillips des Schönen festgesetzt worden war.

Wer mit dem Roman Alexa Hennig von Langes eine Biografie oder einen romantisch-historische Aufarbeitung über die Frau erwartet hatte, die Geschichtsschreiber und Mediziner rätselnd zurückließ, geht fehl.
Vielmehr ist dieses Buch der Versuch einer Seelen- und Charakterstudie einer missverstandenen und macht-missbrauchten Frau, über die zeitgenössische Aufzeichnungen nur sehr widersprüchliche Auskunft geben.

Die Autorin nähert sich dem Inneren Johannas provokant und von Frau zu Frau.
Intensive gezeichnete Studien beleuchten nicht nur die inneren Kämpfe Johannas mit sich selbst, sondern auch mit ihrer Umwelt und ihrer Zeit.
Durchaus spekulativ angelegt, merkt man Alexa Hennig von Langes Roman jedoch auch die intensive Recherche zu Johannas Leben an. Immer wieder ist sie bemüht, verleumderische Historie in ein Licht zu rücken, dass der wirklichen Motivation Johannas, ihrem tatsächlichen Charakter gerecht(er) werden könnte.

Alexa Hennig von Lange war es zu wenig, Johanna als eine verzweifelte liebende Frau zu zeichnen, sie macht vor allem ihren inneren Kampf, den Widerstreit zwischen den Ansprüchen der damaligen Zeit und ihren tatsächlichen Wünschen und Bedürfnissen, auch ihrem intellektuellen Potential und ihren musischen Fähigkeiten, sichtbar.

Zwar nicht vergleichbar mit Christa Wolfs Kassandra oder Christine Brückners „Wenn du geredet hättest, Desdemona“ bietet „Die Wahnsinnige“ doch eine beeindruckende literarische Leistung, in der immer wieder wunderschöne Formulierungen gelingen.
Einzig die Tatsache, dass ein wenig Vorkenntnis zu Johannas Leben, den ihr gemachten Vorwürfen, den ihr entgegengebrachten Vorurteilen für die Lektüre dieses Buches notwendig ist, um den Versuch der Rehabilitierung durch die Autorin in Gänze zu verstehen, lässt mich einen Stern in Abzug bringen.
Unbedingt lesen!

Bewertung vom 29.08.2020
Zweite Chance verpasst
Wieser, Alexander

Zweite Chance verpasst


sehr gut

Authentisch und ambitioniert – da schaut man schon mal über den Stil hinweg.
Alexander Wieser, 1977 geboren in Österreich, gerät nach einer ungeschützten und ungeliebten Kindheit auf die schiefe Bahn. Des ständigen gepeinigt werdens und Opfer seins im Zuhause wie in der Schule überdrüssig, vollzieht er die Kehrtwende und wird vom Opfer zum Täter. Durchtrainiert und gewaltbereit, schließt er sich den falschen Leuten an und randaliert und schlägert was das Zeug hält. Zwar kann er seine Ausbildung als Automechaniker beenden, doch stürzt ihn die falsch empfundene Loyalität zu seinem Vater, geboren aus dem verzweifelten Verlangen nach Liebe und Anerkennung, in große finanzielle Schulden und so sieht er sich gezwungen, bis zu vier Jobs gleichzeitig nachzugehen. Schließlich weiß er sich nicht mehr anders zu helfen, als sich mittels Kriminalität die notwendigen finanziellen Mittel zur Schuldenbegleichung zu besorgen.
Es kommt, wie es kommen muss: er wird verhaftet. Eine erste Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe bleibt ungenutzt, weil ihn die finanzielle Bestrafung erneut mit hohen Schulden belastet, aber auch, weil er die Falschheit seines Tuns noch immer nicht wahrnehmen will. Weiterhin bleibt er seinem Weg der Kriminalität verhaftet. So erfolgt eine erneute Verhaftung, die dieses Mal nicht mehr mit einer Bewährungsstrafe endet. Glücklicherweise ist da seine Freundin Conny, die sich nach kurzer Besinnungspause und Neuorientierung gemeinsam mit den beiden Kindern entschließt, ihm eine Chance zu geben und emotionalen Halt zu bieten.
Und Alexander Wieser nützt diese dritte Chance in seinem Leben in vielerlei Hinsicht: Da ist zum einen das Reflektieren über Ursache und Wirkung, die schlussendlich zu der Erkenntnis führt, dass es nicht sinnvoll ist, weiterhin ein Opfer der Umstände zu sein und die Verantwortung für sein verkorkstes Leben einzig anderen zuzuweisen. Da ist auch seine Haltung, die ihm selbst im Gefängnis Freundschaften ermöglicht, ihn Schwierigkeiten aus dem Weg gehen und Toleranz auch jenen entgegenbringen lässt, die aus der Gesellschaft ausgestoßen sind. Da ist zum anderen die Bereitschaft, Hilfe anzunehmen: von Therapeuten, Psychologen, seiner Beziehungspartnerin und auf seine innere Stimme zu hören, die eigentlich ein ganz anderes Leben will, was ihm sogar die Sympathie einiger Wärter einbringt. Und so geht er nach seiner Entlassung einen neuen Weg, der anfänglich steinig ist und ihn immer wieder an seine Grenzen bringt, schlussendlich aber dazu führt, dass Alexander Wieser eine berufliche Entwicklung durchlebt, die ihm ermöglicht innerhalb der nächsten Jahre seine Schulden zu begleichen und seiner Familie vorzustehen. Seine Liebe und tief empfundene Verbundenheit zu seiner Familie lässt ihn Verantwortung übernehmen, seine Vergangenheit und die Entwicklung seiner Persönlichkeit aber wecken in ihm den Wunsch, seine Erfahrungen weiterzugeben, Präventionsarbeit und Hilfe denen zu leisten, die Gefahr laufen, ähnlich abzustürzen wie er.

„Zweite Chance verpasst“ ist kein literarisches Meisterwerk, aber das will dieses Buch auch nicht sein. Das nur 132 Seiten starke Büchlein ist eine Aufzeichnung von Erlebtem und Gegenwärtigem und oft vor allem zwischen den Zeilen stark. Alexander Wieser bleibt in manchem vage, er wird nicht zum Voyeur des Handelns und Leids seiner Gefängniskollegen, sondern konzentriert sich auf sich, und hätte man sich manchmal auch ein wenig mehr Details, z. B. hinsichtlich der Therapiearbeit oder seiner Beziehung zu den Wärtern, auch vielleicht zu seiner beruflichen und privaten Entwicklung (z. B. im Hinblick auf seine Schwester) und seinem Innenleben in dieser Zeit gewünscht, so bleibt die Absicht des Autors immer sichtbar: er will bewusst machen und Möglichkeiten aufzeigen, die jenseits der Kriminalität verlaufen, die zur Persönlichkeitsentwicklung von Menschen beitragen und die motivieren, den eigenen Weg zu gehen, auch wenn er steinig scheint und das tut er ambitioniert, mit ganzem Herzen un

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Bewertung vom 28.08.2020
Tödlicher Coup
Gordon, David

Tödlicher Coup


gut

Nach den ersten 9 Kapiteln wird es besser…

Joe Brody, ehemals Elitesoldat und Spezialist für verdeckte Ermittlungen hat die Seiten gewechselt: er ist jetzt Türsteher für Gio Caprisi, einen Mafia-Boss in New York und auch sonst für den einen oder anderen Auftrag zuständig.
Doch Gio Caprisi ist nicht der alleinige Herrscher der New Yorker Unterwelt, da gibt es auch noch die Chassiden, die Iren, die Dominikaner, die Russen und und und… Als eine große Lieferung Persian White (Rauschgift der derzeit besten käuflichen Qualität) gestohlen wird und man diesen Diebstahl mit Al-Qaida in Verbindung bringen kann, verbünden sich die Unterwelt-Bosse, um die Pläne der Terror-Organisation mit tatkräftiger Hilfe von Joe Brody und seinen exzellenten Kontakten zu Spezialisten für diffizile Aufträge, zu denen auch die Russin Yelena gehört, zu unterbinden. Leider läuft nicht alles wie geplant und so ist Joe einmal mehr auf die Hilfe der FBI-Agentin Donna Zamora angewiesen, mit der ihn mehr als nur sein „letzter Einsatz“ zu verbinden scheint…

„Tödlicher Coup“ startet wirr… und das bleibt er erstmal für die nächsten 9 Kapitel. Tatsächlich fragt man sich bis zum Ende des Buches, wozu das Anfangs-Intermezzo eigentlich gut war und in welchem Zusammenhang es zum weiteren Geschehen stand.
Und während man noch grübelt, ob diese wirren, blutigen und wenig aufschlussreichen Kapitel in direktem Zusammenhang mit Joes nicht unerheblichem Drogen- und Alkoholgenuß stehen (denn so wirken diese Seiten: wie ein böser Drogen- und Alkohol-Cocktail-Albtraum), nimmt das Buch langsam logische Fahrt auf und wird zunehmend spannend.
Zwar bleiben die Charaktere stellenweise blass und farblos und echte persönliche Eigenschaften werden durch gängige Klischees ersetzt, zwar auch sind die Dialoge nicht zwingend literarischer Hochgenuss, gleichwohl hat dieses Buch auch echte Stärken. Der witzig und spannend komponierte Diamantenraub macht richtig Spaß und auch der eine und/oder andere teils befremdliche Handlungsstrang erweist sich zum Ende hin als wichtig und für einen logischen Romanabschluss, der in sich stimmig und sehr rasant geraten ist, zielführend.
Insgesamt ist der neue Roman um Joe Brody schnell, witzig, aber nicht immer logisch… aber das muss er auch nicht sein. Sicher nicht als literarische Weltliteratur gedacht, hält er ab Kapitel 10, was er verspricht: spannende und streckenweise auch originelle Krimiunterhaltung.
Leider müssen die doch erheblichen orthografischen und grammatikalischen Fehler wie auch erhebliche Mängel in Interpunktion und nicht zuletzt in der streckenweise doch recht holprigen Übersetzung neben den „vertanen“ ersten 9 Kapiteln unweigerlich zu Sterneabzügen führen und nehmen ein wenig die Lust auf die nächste Joe-Brody-Episode.
Daher: nur bedingt empfehlenswert.

Bewertung vom 27.08.2020
Der erste König
Qunaj, Sabrina

Der erste König


ausgezeichnet

Historisch, spannend und sehr unterhaltsam!

Sabrina Qunajs Roman taucht tief ein das Britannien des 8. Jahrhunderts und erzählt die Geschichte Offa von Merciens über eine Zeitspanne von rd. 26 Jahren (von 747 bis 773 n.Chr.).

In eine adlige Familie und eine Zeit erheblicher Thronwirren hineingeboren, wird Offa als noch junger Mann von 17 Jahren König von Mercia. Seine ganze Kraft widmet er fortan dem Bemühen, die verschiedenen Königreiche unter einem Machthaber zu einen und das durch viele Kriege geschwächte Britannien zu einer Stärke zu führen, die auch gegen die Stärke des überseeischen Frankenlandes Bestand haben kann.
Er baut Handelsbeziehungen aus und gestaltet das Münzwesen neu.
Ihm zur Seite steht Cynetryth (Drida), die auf Urkunden mit ‚Königin Mercias von Gottes Gnaden‘ zeichnet und deren Persönlichkeit in überbrachten Geschichten und Legenden sehr ambivalent dargestellt wird. Zweifelsohne war ihre Rolle in Offas Regentschaft aber eine bedeutende, war sie tatsächlich auf vielen Münzen dieser Zeit abgebildet. Auch ihre Unterschrift als Zeugin vieler von Offa verfasster Dokumente und Urkunden lässt auf ihre (für eine Frau dieser Zeit) herausgehobene Stellung schließen.

Der im Roman gezeichnete Zeitraum beschäftigt sich sehr unterhaltsam mit der Entwicklung Offas vom Adligen-Sohn hin zum Regenten Mercias, der sich nur ein Jahr nach dem im Roman umrissenen Zeitraum, ab dem Jahr 774 n.Chr. ‚Rex Anglorum‘ nennen wird.
Ausgesprochen gut recherchiert, gelingt es dem Buch sehr unterhaltsam, Fakten mit Überliefertem und Fiktivem zu verbinden, historische Lücken mit denkbaren Anworten zu füllen und dabei Empathie für die Akteure zu wecken.
Hier ist der Roman tatsächlich besonders stark: in dem, was sich zwischen den Zeilen abspielt, in der Zeichnung auch der Nebenfiguren, deren Geschichte nicht minder fesselnd ist wie die der Hauptcharaktere.
Der Autorin gelingt es, die Figuren nicht nur in Schwarz-Weiß zu zeichnen, sondern die Zerrissenheit der handelnden Personen sichtbar zu machen und Mitgefühl auch für den größten Bösewicht zu wecken.
Einzig die dem heutigen Zeitgeist geschuldete, doch sehr an unsere Zeit angepasste Sprache hätte ich mir ein wenig näher am Mittelalter gewünscht, dies aber nur als minimales „Schönheitsfehlerchen“ am Rande.
Insgesamt sticht dieser Roman aus der Vielzahl der (so scheint es manchmal) im Eiltempo verfassten historischen Schriftwerke unserer Zeit mehr als angenehm heraus und beschert spannende, stilvolle, kurzweilige und durchaus berührende Unterhaltung.
Absolut empfehlenswert!

Bewertung vom 24.08.2020
Soko Erle - Der Mordfall Carolin G. (ungekürzt) (MP3-Download)
Roth, Walter

Soko Erle - Der Mordfall Carolin G. (ungekürzt) (MP3-Download)


ausgezeichnet

Informativ, intensiv, sehr beeindruckend!

Im Hörbuch „Soko Erle – Der Mordfall Caroline G.“ setzt sich der Polizeisprecher Walter Roth authentisch und intensiv mit den Originalgeschehnissen um den Mord an der 27jährigen Caroline G. in der Gemeinde Emmendingen im November 2016 auseinander.

Mittels eines Buches hat er die gesamten Geschehnisse und Ermittlungsarbeiten zusammengefasst, hat daneben aber auch Einblick gegeben in das Innenleben der Ermittler, ihre Anstrengungen, Ausdauer, Ernsthaftigkeit und Akribie selbst bei noch so abwegigen Spuren und Zeugen. Zunehmend wird der Zuhörer aber selbst auch Zeuge der persönlichen Betroffenheit in einem Fall, indem aufgrund der örtlichen Gegebenheiten viele Kriminalbeamte gleichzeitig auch Nachbarn, Freunde, Freizeitkollegen und eine zunehmende Belastung und Auswirkung des Falls auch auf das eigene Privatleben nicht zu vermeiden sind.

Walter Roth ist eine trotz oder vielleicht gerade aufgrund ihrer informativen Sachlichkeit emotionale und zutiefst menschliche Darstellung polizeilicher Ermittlungsarbeit gelungen, die derzeit ihresgleichen suchen dürfte. Erich Wittenberg als Sprecher hat dem Hörbuch „Soko Erle“ zudem eine intensive Qualität verliehen, die dieses Buch zu einem unbedingt empfehlenswerten macht!

Bewertung vom 21.08.2020
Wilde Freude
Chalandon, Sorj

Wilde Freude


sehr gut

Als bei Jeanne, 39-jährige Buchhändlerin in Paris, im Zuge einer Routineuntersuchung der Verdacht auf Brustkrebs entsteht, der sich kurze Zeit später durch eine Biopsie bestätigt, bricht ihre ohnehin nicht heile Welt endgültig zusammen.

Kraft findet sie in der Bekanntschaft mit drei starken Frauen, die ein nicht minder schwieriges Schicksal zu tragen haben. Sie bieten Jeanne Orientierung in einer Lebensphase, in der ihr egoistischer Ehemann sie sich selbst und ihrem Schicksal überlässt, der Verlust ihres Kindes ihr erneut bewusst wird und sie in einer tiefen Woge des Selbstmitleids unterzugehen droht.

Gemeinsam durchleben die Frauen die notwendigen Chemotherapien und Bestrahlungen und damit einhergehenden Nebenwirkungen und Einschränkungen, leiden und lachen gemeinsam und schmieden einen Plan, der aberwitzig ist im wahrsten Sinne des Wortes.

Sorj Chalandons Buch lässt mich ambivalent und ein wenig ratlos zurück.

Da ist einmal seine Sprache: messerscharf, wunderschön schlicht, jeder Satz sitzt, vieles bleibt unausgesprochen, schwingt aber mit, steht zwischen den Zeilen, das erste Mal seit langem habe ich wieder mit Bleistift angestrichen…

Die Charaktere: nicht immer lässt sich die Persönlichkeit einer/s Ich-Erzählers/-in so klar erfassen wie in Jeannes Fall. Auch die anderen Frauen lassen keine Fragen offen, bleiben nicht schemenhaft und sind nicht schwarz-weiß gezeichnet, sondern widersprüchlich und dadurch zutiefst menschlich. Zwar habe ich mit keiner dieser Frauen wirklich viel Sympathie empfunden – außer vielleicht mit der starken Brigitte -, aber ich musste sie auch nicht „suchen“, um mir ein Bild von ihnen zu machen, sie waren tatsächlich auf jeder Seite päsent.

Der Plot – und hier wird es schwierig für mich. Anfänglich habe ich mich gefragt, was mich tatsächlich stört, denn eigentlich ist es ein hervorragendes Buch. Inzwischen ist mir aber klar, woran es – für mich – liegt: Es ist von allem zu viel, zu viel Schicksal für jeden einzelnen. Jede dieser Frauen hat nicht nur ihre Krebserkrankung zu bewältigen, was an sich schon reichen würde, weil der Krebs sie mitten aus dem Leben reißt. Hinzu kommen die jeweiligen Vergangenheiten, die als Hypotheken mit sich getragen werden.
In Jeannes Fall ist da beispielsweise der Verlust eines (schwerbehinderten) Kindes, erst im Verlauf des Buchs wird angedeutet, das der Schmerz hierüber direkt unter der Oberfläche lauert. Umso fragwürdiger wird ihr Festhalten an der Ehe mit einem Mann, der sich ausschließlich um sich zu drehen scheint, mit dem keine Kommunikation möglich ist. Eine Ehe, in der zwei Menschen alleine leben mit dem unverarbeiteten Verlust eines Kindes … und man fragt sich, warum Jeanne diese Ehe nicht schon längst hinterfragt hat, warum dazu eine Brustkrebserkrankung notwendig war. Ähnlich erging es mir mit den Schicksalen der anderen Frauen, bei jeder von ihnen habe ich mich immer gefragt: Aber warum?
Und dann auch noch ein Raubüberfall…

Fazit: Nicht wilde Freude, so scheint mir, ist der Beweggrund für das Handeln der Frauen, sondern der Mut der Verzweiflung und das Gefühl, nichts mehr zu verlieren zu haben. Und was das Lachen der Lebenslust sein soll, mutet zuweilen eher hysterisch an. Dieses Buch hat, so schön es auch geschrieben ist, für mich nicht die „Hymne an die Freude“ (Madame) sichtbar gemacht, sondern mich sehr viel mehr traurig und betroffen zurückgelassen.
Gleichwohl ist ‚Wilde Freude’ ein schönes und wirklich sehr lesenswertes Buch, wenn man davon ausgeht, dass es auch anders laufen kann, als der Klappentext verspricht.

Bewertung vom 20.08.2020
Caribou
Major, Kevin

Caribou


gut

„Caribou“ ist die literarische Auseinandersetzung mit dem verheerendsten Schiffs-Desaster Neufundlands während des 2. Weltkriegs. Autor Kevin Major, selbst Neufundländer, arbeitet im 3. Teil seiner Heimat-Trilogie die Versenkung des Fähr-Dampfschiffs „Caribou“ durch ein deutsches U-Boot, die U96, unter dem 26-jährigen Kapitänleutnant Ulrich Gräfs in der Cabotstraße (der Seeweg zwischen Neufundland und Nova Scotia) auf. Nicht ausschließlich mit Fracht beladen, diente die „Caribou“ auch als Transportmittel für Passagiere. Konkret bedeutet dies am 14. Oktober 1942 237 Menschen, darunter allein 118 Angehörige des kanadischen und US-amerikanischen Militärs, 72 zivile Passagiere (darunter viele Frauen und Kinder) sowie 47 Besatzungsmitglieder. Nur 100 Menschen überleben und können vom Begleitschiff des Konvois am Morgen nach dem Abschuss aus den Rettungsbooten, die nicht gekentert oder vollgelaufen sind, geborgen werden.
In seinem Roman verknüpft der Autor das Schicksal fiktiver mit dem realer historischer Personen (konkret des U-Boot Kapitäns Ulrich Gräfs vom Zeitpunkt seiner Ausbildung in der Marine bis hin zu seinen Einsätzen wie auch des fiktiven John Gilbert, der einer Tätigkeit als Steward auf der „Caribou“ nachgeht, aber der Royal Air Force beitreten möchte). Major erzählt ihr Schicksal in verschiedenen Zeitsträngen vor, während und nach dem Abschuss und bemüht sich, den Einfluss der Katastrophe und das daraus resultierende Trauma auf ihr weiteres Leben und ihre weiteren Entscheidungen sichtbar zu machen.

Die detail- und kenntnisreiche Beschreibung des U-Bootkriegs, der Strategien, Schiffstypen und Kapitäne, Mannschaften und Ladungen, Abschüsse und Bruttoregistertonnen über weite Strecken des Buches verrät die Recherchearbeit des Autors und entpuppt sich gleichzeitig als größte Schwäche der Lektüre. So informativ gerade dieser Teil des Romans ist, so hinderlich ist er im Hinblick auf eine empathische Darstellung der erzählten Personen. Einem Roman, der das Unmenschliche und Inhumane eines Krieges deutlich machen und für keine Seite Partei ergreifen will, muss es trotzdem möglich sein, auch in einer distanzierten Erzählweise Empathie und Mitgefühl zu wecken. Das ist Kevin Major nach meinem Dafürhalten nur ansatzweise, ganz selten aber wirklich intensiv gelungen. Die Personen bleiben „fern“, wenig greif- und nachvollziehbar in ihrem Denken und Handeln.

Hinzu kommt ein permanenter Wechsel in der erzählenden Zeitform, von der ich nicht erkennen konnte, ob sie gewollt oder einer etwas holperigen Übersetzung aus dem englischen Original geschuldet ist.

Vielleicht wäre der Autor besser beraten gewesen, eine Biographie der historischen Personen zu schreiben, die nicht zwingend mit Emotionen, Charaktereigenschaften, Träumen und Gedanken gefüllt werden muss, zumindest nicht auf eine Art, die den Leser mitreißen, zumindest aber mit Empathie füllen soll.
Wirklich stark sind die letzten Seiten des Romans, in denen ein Tag der Bombenangriffe auf Dresden kurz vor Kriegsende 1945 geschildert wird und man sich unweigerlich an heutige unbemannte Drohnenangriffe erinnert fühlt, in denen der Gegner gesichts- und stimmlos bleibt.
So ist der Roman nicht Fleisch noch Fisch, als reine Dokumentation nicht gedacht, als Statement gegen den Krieg zu technik- und detailverliebt.

Bewertung vom 10.08.2020
Ein abgezockter Sauhund
Krause, Roland

Ein abgezockter Sauhund


ausgezeichnet

Rasant, skurril, witzig – lesenswert!

Samson Simek hat es, genetisch bedingt, nicht so mit der Arbeit und dem bürgerlichen Leben. Und deshalb ist er auch die meiste Zeit seines Lebens blank. Um über die Runden zu kommen, nimmt er einen Auftrag von Halbwelt-Boss Stani an. Was einfach erscheint, entpuppt sich schnell als brandgefährlich. Doch Samson wäre nicht Samson, wenn er nicht sein eigenes Süppchen kochen würde. Samson ergreift eine Chance, wenn sie sich bietet... auch wenn er dabei Gefahr läuft, dass ihm alles um die Ohren fliegt.

Atmosphärisch dicht mit rasantem Plot und detailliert gezeichneten Charakteren – dieser Krimi macht Spaß, im wahrsten Sinn des Wortes! Twists bis kurz vor Schluss sorgen dafür, dass es nicht langweilig wird, von behäbigem „Kluftinger Lokalkolorit“ keine Spur, dafür sorgen schon die Perspektive und eine deutlich dem Milieu verpflichtete Sprache… und einen Stadtplan für Münchens dunkelste Ecken braucht man hinterher wahrscheinlich auch nicht mehr…

Krimi mal andersrum... nichts für die, die auf Verbrechen in den feinen Kreisen stehen... hier ist alles sehr nah am Leben... und der Leser mittendrin!