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Normanfips
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München

Bewertungen

Insgesamt 253 Bewertungen
Bewertung vom 28.01.2022
Engel, Henrike

Ein Leben für die Freiheit der Frauen / Die Hafenärztin Bd.1


sehr gut

Mörderjagd im historischen Hamburg

In Band 1 der „Die Hafenärztin. Ein Leben für die Freiheit der Frauen“ lernen wir drei Hauptprotagonisten kennen. Zum einen Anne Fitzpatrick, eine der ersten Ärztinnen Deutschlands, die sich für die Rechte der Frauen einsetzt und sich in einem Frauenhaus im Hamburger Hafen engagiert. Zum anderen die wohlbehütete Pastortentocher Helene Curtius, die aus dem engen Korsett ihrer Familie ausbrechen möchte. Und zuletzt Berthold Rheydt, der etwas wortkarge und zerzauste Kommissar, dessen Leidenschaft das Fußballspielen ist.
Die Geschichte spielt 1910 und wir befinden uns in Hamburg, vorwiegend im Hafenviertel.
Im Hafenbecken tauchen zwei weibliche Leichen auf und die Ermordeten scheinen Kontakt zur Frauenbewegung und zu Anne gehabt zu haben. Berthold Rheydt übernimmt die Ermittlungen.
Der Roman wird abwechselnd aus der Sicht dieser drei Figuren erzählt.
Der Schreibstil der Autorin Henrike Engel liest sich gut und die Suche nach dem Mörder bringt Spannungselemente in den Roman.
Abgesehen vom Kommissar konnte ich mit den Personen in dem Buch nicht so recht warm werden, der Plot war an manchen Stellen unrealistisch, das Ende leider schon recht früh vorhersehbar, dennoch fühlte ich mich von der Geschichte gut unterhalten. Das historische Setting ist auf jeden Fall interessant.

Bewertung vom 28.01.2022
Steinfeld, Mimi

Eine kurze Liste meiner Probleme (Mutter nicht mitgezählt)


ausgezeichnet

Lustige, schräge und liebenswerte Geschichte

Cressida hat einige Probleme, wie ihre chronische Geldknappheit, zu viele schlechte Dates, eine ziemlich anstrengende Familie, den ungewollten Mitbewohner Mika (ein One-Night-Stand ihrer Mitbewohnerin) in der WG und dann stirbt auch noch ihre Mutter, die schräge Bestattungswünsche hinterlässt und ein seit Jahren geschlossenes Bistro an Cressi vererbt.
Zum Glück gibt es da noch den Therapeuten, Herrn Lindholm, den sie regelmäßig aufsucht bzw. in Notsituationen (und die kommen oft vor) anruft.
Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen und mich köstlich amüsiert. Cressi ist so schräg drauf und dabei so sympathisch und liebenswert. Chaotisch, frech, von ihrer Familie herumkommandiert und laut ihrem Therapeuten nahe dran therapieresistent zu sein.
Die Figuren sind natürlich überzeichnet, aber irgendwie hat man das Gefühl genau solche Menschen durchaus zu kennen mit all ihren Stärken und Schwächen. Sie alle wurden von der Autorin Mimi Steinfeld mit Liebe und Humor herausgearbeitet und dies ist ihr durch die Bank richtig gut gelungen. Die alte Chinafrau, um eine Person als Beispiel zu nennen, fand ich klasse, aber mein Highlight waren die Gespräche mit ihrem Therapeuten. Wer mit Therapeuten bereits zu tun hatte oder selbst einer ist, dürfte hier aus dem Grinsen nicht rausgekommen sein.
Cressis Gedankengänge und die Beurteilung ihrer Mitmenschen ist lustig, aber zugleich doch sehr scharfsichtig.
Ein wunderbar leichtes und witziges Buch, das mir viel Freude bereitet und ein gutes Gefühl hinterlassen hat.

Bewertung vom 28.01.2022
Calligarich, Gianfranco

Der letzte Sommer in der Stadt


sehr gut

Ein Leben zwischen Dekadenz und Absturz

Wir befinden uns in Rom Anfang der 70er Jahre und lernen Leo Gazzarra kennen. Er kommt ursprünglich aus Mailand. Kaum in Rom angekommen, findet er gleich Anschluss, ebenso eine Wohnung, einen alten Alfa Romeo und eine Stelle beim Corriere dello Sport. Abends ist er auf der Piazza, in Cafés und Bars unterwegs und genießt sein unstetes Leben. Meist leidet er unter Geldknappheit, was ihn aber nicht allzu sehr beunruhigt. Immer wieder findet er jemanden, der ihm eine Mahlzeit oder einen Drink spendiert.
Dann lernt er Arianna kennen, die ihn völlig fasziniert. Arianna ist psychisch ziemlich labil und so gestaltet sich auch die Beziehung zwischen den beiden.
Der Roman erschien bereits 1973, geriet in Vergessenheit, um dann aufs Neue wieder entdeckt zu werden.
Gianfranco Calligarich lässt seinen Protagonisten Leo in der Ich-Form erzählen. Der Schreibstil ist lakonisch, melancholisch und distanziert.
Wir erfahren über ein Leben zwischen Dekadenz und Abgrund. Das viel gepriesene Dolce Vita paart sich mit Alkoholexzessen und Verzweiflung.
Der Roman entwickelt beim Lesen einen Sog und ist wirklich gut geschrieben. Allerdings hält einen der Protagonist auf Abstand. Ich konnte ihm nie richtig nahe kommen und daher auch nicht so gut mit ihm mitfühlen.
Am Ende bleibt man traurig zurück und wünscht sich, dass Leo irgendwann eine andere Abzweigung genommen hätte.