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haberlei
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Begeisterte Leserin von Krimis, Thrillern, Humorvollem, historischen (Frauen-)Romanen, Biografien

Bewertungen

Insgesamt 331 Bewertungen
Bewertung vom 19.12.2022
Wagner, David

Alle Jahre wieder


gut

Weihnachtsbräuche einst und jetzt, hier und anderswo

„Alle Jahre wieder“ von David Wagner ist keine Weihnachtsgeschichte im herkömmlichen Sinn, eher ein Sammelsurium an Weihnachtsthemen, mehr informativ als stimmungsvoll. Nicht ganz das, was ich mir erwartet hatte …

Worum geht es?
Der in Berlin lebende Vater und die in Heidelberg lebende Tochter unterhalten sich per Telefon über Weihnachten einst und jetzt, wie es in der eigenen Familie traditionsgemäß gefeiert wird und anderswo auf der Welt.

Das 2022 erschienene, rund 100 Seiten umfassende Büchlein ist in Dialogform verfasst, ohne jegliche kapitelmäßige Unterteilung. Das in warmem Tannengrün gehaltene Cover, mit Christbaum und Telefonen bebildert, stimmt auf den Inhalt ein. Der Schreibstil ist flüssig, doch unterscheiden sich die beiden Gesprächspartner sprachlich kaum, sodass man manchmal im Unklaren ist, wer gerade am Wort ist.

Es gibt in dem Sinn keine Handlung, sondern es ist ein sehr langes Telefonat, in dem - basierend auf die Anfangsfrage des Vaters, ob die Tochter zu Weihnachten zu ihm nach Berlin komme - sich ein ausführliches Gespräch über weihnachtliche Themen entwickelt. Die beiden geraten hierbei buchstäblich vom Hundertsten ins Tausendste. Immer wieder gibt es abrupte Themenwechsel. Auf mich wirkte der Dialog etwas zu distanziert, zu nüchtern, sehr sachlich und informativ, beinahe lehrhaft. Wikipedia lässt grüßen. Die Tochter googelt manche Begriffe tatsächlich während der Unterhaltung. Weihnachtliches Flair, Besinnliches bzw. Herzlichkeit kamen bei mir nicht ausreichend an, trotz manch scherzender Bemerkung. Wirklich realistisch empfand ich dieses Telefonat nicht. Mir hätte es besser gefallen, wären all diese Themen in kleine Kurzgeschichten verpackt gewesen. Dann wären auch die verschiedenen Familienmitglieder, über deren Weihnachtsbräuche sich die beiden unterhalten, leichter zuzuordnen gewesen.

Ich erwartete etwas Heiter-Besinnliches zum Vorlesen in der Adventzeit. Das war’s leider nicht. Weihnachtsstimmung vermittelte mir das Buch nicht. Zugegeben, manches erinnert an Weihnachtsabende in der Kindheit. Auch zum Nachdenken regte die Lektüre an. Weihnachten ist heutzutage wohl tatsächlich weniger eine gnaden- als eine geschenkbringende Zeit.

Bewertung vom 18.12.2022
Lochmüller, Jacqueline

Ruhe sanft im Fichtelgebirge


sehr gut

Kommissarin zwischen Pflicht und Neigung

„Ruhe sanft im Fichtelgebirge“ von Jacqueline Lochmüller ist ein spannender Krimi, in dem aktuelle Ereignisse zur Aufklärung eines Cold Case führen.

Worum geht es?
Für die Kommissarin Kristina Herbich häufen sich die zu bearbeitenden Fälle: ein entflohener Häftling ist aufzuspüren, ihr Kollege gilt als vermisst und in einem verlassenen Bauernhof werden mumifizierte Leichen gefunden.

Das Buch erschien 2022 und ist bereits der dritte Band dieser Reihe. Auch ohne Kenntnisse der Vorgängerbände kommt man als Neueinsteiger problemlos in die Geschichte hinein und überblickt auch den Personenkreis ohne weiteres. Der Schreibstil liest sich flüssig, ist sehr bildhaft. Die detaillierten und atmosphärischen Beschreibungen vermitteln ein sehr eindrucksvolles und gut nachzuempfindendes Ambiente. Die Kapitel sind kurz gehalten, enden immer wieder mit einem Cliffhanger, der einen zum Weiterlesen drängt. Sie sind allerdings (abgesehen von den Rückblenden zum Jahr 2007) mit keinen Zeit- oder Ortsangaben versehen. Insbesondere das Fehlen von zeitlichen Anhaltspunkten hat mich einigermaßen irritiert. Ein wesentliches Spannungselement sind stetige Szenen- und Perspektivenwechsel, was ja hervorragend die Dramatik steigert, doch gleichzeitig verliert man mit der Zeit den Durchblick hinsichtlich der chronologischen Abläufe. Mich störte es, als ich nicht mehr nachvollziehen konnte, über wie viele Tage sich die Suche nach dem verschwundenen Kollegen nun eigentlich hinzog. Generell spielt die Handlung in der nicht näher beschriebenen Gegenwart, Corona bleibt unerwähnt.

Mehrere Handlungsstränge laufen parallel und sind gleichermaßen bei Kommissarin Kristina Herbich zentriert. Sie leitet die Fahndung nach dem entflohenen Häftling, soll den Verbleib ihres Kollegen Breuer und die Identität der zwei Leichen herausfinden. Durch die stetigen Wechsel der Blickwinkel, mal aus Sicht der Polizei, dann wieder aus jener des einen oder anderen Täters, und Rückblenden ins Jahr 2007, gestaltet sich der Ablauf der Ereignisse sehr abwechslungs- und temporeich. Dennoch, ab einem gewissen Zeitpunkt vermisste ich den einen oder anderen kurzen Schwenk zu Breuer. Es ist ja nicht so, dass ich mich um beklemmende Szenen aus Sicht von Opfern reiße, aber kurze Lebenszeichen hätten mich beruhigt, ohne mir die Spannung zu nehmen.

Lokalkolorit ist sehr gut in die Handlung mit einbezogen, insbesondere durch landschaftliche Beschreibungen, auch die düstere winterliche Atmosphäre kommt gut zur Geltung.

Die Autorin hat sowohl die Hauptakteure als auch Nebenfiguren ausgezeichnet charakterisiert. Alle wirken durchaus lebendig und gut vorstellbar. Im Mittelpunkt steht natürlich die Kommissarin, die sich in einer besonders schwierigen Situation befindet. Kristina ist gezwungen, sich auf eine Gradwanderung zwischen privaten Interessen und beruflicher Pflicht zu begeben. Sie wirkt überlastet, nervlich angespannt und keineswegs wie eine souveräne Führungskraft und Ermittlerin. Ihr fehlt der verlässliche, ruhige Kollege an ihrer Seite. Sie macht sich Sorgen um ihn und wirkt trotzdem nicht 100% engagiert, weil ihr Freund zu wenig Verständnis für ihre Stresssituation aufbringt und Aufmerksamkeit einfordert. Es ist einmal mehr offensichtlich, wie schwierig es in diesem Beruf ist, harmonische Beziehungen zu führen. Auch Breuer hatte vor seinem Verschwinden Probleme mit seinem Partner, weil der Beruf eben immer wieder das Privatleben torpedierte. Im Übrigen würde ich empfehlen, die vorhergehenden Bände zu lesen, um die Entwicklung der Protagonisten, deren Handlungsweisen und Reaktionen besser nachzuvollziehen zu können. Ich glaube, ich hätte Kristinas zwiespältiges Wesen besser verstanden. Dass der Fall letztlich gelöst bzw. Breuer gerade noch rechtzeitig gefunden wird, verdankt Kristina nicht wirklich ihrer besonderen Leistung, sondern eher Kommissar Zufall.

Nichtsdestotrotz war „Ruhe sanft im Fichtelgebirge“ eine fesselnde Lektüre mit einem ungewöhnlichen Plot. Ich bin durchaus neugierig auf weitere Fälle, insbesondere auch, wie sich das Privatleben der Ermittler weiterhin gestalten wird.

Bewertung vom 13.12.2022
Voltenauer, Marc

Wer hat Heidi getötet?


ausgezeichnet

Mordfälle erschüttern ein Schweizer Bergdorf

Wer hat Heidi getötet“ von Marc Voltenauer, ist ein faszinierendes Konglomerat Schweizer Beschaulichkeit, tiefgründiger Charaktere und verbrecherischer Machenschaften.

Inhalt laut Klappentext:
Das beschauliche Bergdorf Gryon wird von einer Serie verstörender Ereignisse erschüttert. Ein Auftragskiller, der kurz zuvor einen Mord an einem Politiker begangen hat, zieht in ein Luxus-Chalet in der Nachbarschaft. Die Kuh eines Dorfbauern wird regelrecht hingerichtet. Eine Frau aus der Region verschwindet, kurz darauf wird eine weitere tot aufgefunden. Und mittendrin Kommissar Andreas Auer, der versucht, die Fäden zu entwirren – und dabei riskiert, alles zu verlieren.

Die Originalausgabe erschien bereits 2017 unter dem Titel „Qui a tué Heidi?“, die deutsche Fassung 2022. Die kurz gehaltenen Kapitel sind mit Datumsangaben versehen, jedoch ohne Jahreszahl. Die Handlung erstreckt sich über mehrere Monate, meines Erachtens im Frühjahr 2013 - jedenfalls fiel der 23. Februar, der Tag, an dem alles begann, in diesem Jahr (wie angegeben) an einen Samstag.

Der Schreibstil ist flüssig, sehr bildhaft. Ohne langatmig zu werden beschreibt der Autor sehr anschaulich und detailliert die verschiedenen Orte der Handlung, ob in der Schweiz oder im Ausland. Insbesondere wird das Schweizer Ambiente gut vermittelt - die Schweizer Landschaft, die Atmosphäre des kleinen Bergdorfes, das bäuerliche Leben und Brauchtum. Dadurch kommt man sehr gut in die Geschichte hinein und kann sich das Umfeld ausgezeichnet vorstellen.

Es handelt sich bereits um den zweiten Band der Reihe, der grundsätzlich, jedenfalls was den Kriminalfall anbelangt, ohne Vorkenntnisse problemlos verständlich ist. Möchte man allerdings, wie ich, die Entwicklung der Protagonisten ganz genau nachvollziehen können, dann sollte man mit Band 1 beginnen. Ich werde ihn nun eben nachlesen.

Der Spannungsbogen steigert sich kontinuierlich, in dem man zunächst die diversen handelnden Personen kennenlernt, sich die verschiedenen Handlungsstränge zunächst immer mehr ineinander verknoten, um sich letztlich in einem dramatischen Showdown wieder schlüssig zu lösen. Die Zusammenhänge der einzelnen Fälle erschließen sich erst so nach und nach, der Kreis der Verdächtigen sowie ihre mysteriösen Handlungsweisen geben reichlich Stoff für eigene Vermutungen. Die Szenen- und Perspektivenwechsel gestalten die Handlung abwechslungs- und temporeich.

Was diesen Krimi auszeichnet, ist die psychologisch ausgefeilte Charakterisierung der agierenden Personen. Insbesondere durch die Szenen aus dem Blickwinkel der Täter und Opfer, natürlich auch aus Sicht des Kommissars, erhält man tiefe Einblicke in deren Gedanken, psychische Probleme, Ängste, Wünsche, Intentionen. Hinter der Fassade der Normalität verbirgt sich vieles, was zutage kommt – vom im Unterbewusstsein begrabenen Trauma, über Schuldgefühle, Ängste bis zu psychopathischen Verhalten. Durchwegs Menschen mit vielen Ecken und Kanten. Was mir generell fehlte, war etwas mehr Leichtigkeit des Seins. Es gab nur wenige Momente des Glücks und der Fröhlichkeit. In diesem Krimi dominiert nicht nur das Verbrechen, sondern sehr viel Tragisches, viel seelisch Belastendes, sogar bei Kommissar Auer.

„Wer hat Heidi getötet?“ war für mich ein Pageturner mit faszinierenden facettenreichen Charakteren, tiefgründig und mitreißend. Sicher lese ich Band 1 noch und natürlich fiebere ich der Fortsetzung entgegen!

Bewertung vom 11.12.2022
Schmidt, Andreas

WattenZorn


ausgezeichnet

Atemraubende Jagd nach einem Serienmörder

„Wattenzorn“ von Andreas Schmidt ist ein spannungsgeladener Küstenkrim mit Lokalkolorit und einem sympathischen Ermittler-Duo.

Worum geht es?
Ein Serienmörder positioniert seine Opfer an Sehenswürdigkeiten. Die Kripo Nordfriesland steht vor einem Rätsel. Was bezweckt der Mörder? Wo liegt das Motiv? Wurden die Opfer willkürlich gewählt? Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Bereits das Cover vermittelt richtiges Nordseeflair. Der berühmte Leuchtturm Westerheversand, umgeben von düsterer, rauer Landschaft, umgarnt von einer Drahtschlinge.

Der Schreibstil ist flüssig, die Kapitel haben eine angenehme Länge, sind mit Orts- und Zeitangaben versehen. Das Buch erschien 2022, die Handlung spielt in der nicht näher beschriebenen Gegenwart (Corona wird nicht erwähnt). Die polizeilichen Ermittlungen erstrecken sich lediglich über drei Tage, von Mittwoch bis Freitag.

Obwohl es sich bereits um den 5. Band der Serie handelt, hatte ich als Neueinsteigerin nicht das Gefühl, dass mir Kenntnisse aus Vorgängerbänden fehlten. Ich kam nicht nur in den Fall selber problemlos hinein, sondern überschaute auch den relevanten Personenkreis relativ rasch.

Die Spannung hält sich kontinuierlich während des gesamten Romans. Dazu tragen nicht nur Szenenwechsel sowie die immer wieder eingeschobenen Rückblenden zu einige Wochen zurückliegenden Geschehnissen bei, sondern im Speziellen auch die Perspektivenwechsel. Man verfolgt einerseits die Ermittlungsarbeit der Kriminalbeamten, andererseits die Vorbereitungen und Überlegungen des Täters, ebenso den Ablauf der Tat, die Empfindungen der Opfer. Man kann sich hervorragend mit den Opfern fürchten, leidet mit ihnen, und wird – trotz Wissensvorsprung gegenüber den Ermittlern – wie diese auf so manch in die Irre führende Fährte gelenkt.

Die Charaktere – sowohl der Ermittler, als auch der diversen verdächtigen Personen - sind gut vorstellbar gezeichnet; trotz der unter Zeitdruck stehenden, sich nur über drei Tage hinziehenden Ermittlungen ist Raum für ein paar Einblicke ins Privatleben der Protagonisten, inklusive einer sich leicht anbahnenden Liebesbeziehung.

In die Handlung wurde auch Lokalkolorit sehr gut verwoben. Durch anschauliche, recht detaillierte Schilderungen der involvierten Ortschaften, der typischen Häuser, Naturbeschreibungen, der herbstlichen Stimmung, sowie einiger Legenden, die sich um Sehenswürdigkeiten ranken. Sporadisch vorkommende Dialektausdrücke verstärken die norddeutsche Atmosphäre. Ein Glossar typischer norddeutscher Ausdrücke hätte ich geschätzt.

„Wattenzorn“ ist ein Krimi voll prickelnder Spannung, fast ein Thriller, den man kaum aus der Hand legen mag. Dies war mein erster Krimi aus der Feder dieses Autors, aber unter Garantie nicht mein letzter. Ich habe nicht nur Lust auf weitere Bände bekommen, sondern aufgrund der anschaulichen regionalen Beschreibungen würde ich Friedrichstadt, Husum, etc. gerne einmal bereisen.

Bewertung vom 08.12.2022
Soak, Ulli;Schmidt, Roy

Als beim Weihnachtsmann Remmidemmi war


ausgezeichnet

Auch der Weihnachtsmann kann ausgelassen sein

„Als beim Weihnachtsmann Remmidemmi war“ von Ulli Soak ist ein ganz entzückendes Kinderbuch, wunderschön illustriert von Roy Schmidt.

Inhalt lt. Cover:
Was passiert, wenn der Weihnachtsmann mit seinem großen Geschenkeschlitten am Heiligen Abend nicht losfahren kann, weil seine Rentiere völlig außer Rand und Band sind? Und kann es gut ausgehen, wenn der Weihnachtsmann selbst so gestresst und müde ist, dass er alles um sich her vergisst und mitmacht bei dieser Toberei? Dies ist eine lang verheimlichte Geschichte, nämlich: was damals passierte, als beim Weihnachtsmann Remmidemmi war.

Bereits das Cover des rund 25 Seiten umfassenden Büchleins mit den durch die Luft fliegenden, lachenden Rentieren stimmt auf das Kommende ein. Roy Schmidt illustrierte das Buch sehr stimmungsvoll mit winterlichen Landschaften, dem ausgelassenen Treiben der Rentiere. Seine Zeichnungen sind eher stilvoll-schön; sie sind nicht so herzig-kindlich wie ich erwartet habe.

Nun, den Weihnachtsmann kennt doch jedes Kind (und Erwachsene sowieso). Er wird stets als gütiger, seriös wirkender alter Mann mit weißem Bart, mit roter Mütze und Mantel dargestellt. Die Betonung liegt auf seriös. Kann man ihn sich anders vorstellen als ernsthaft? Nicht streng, nicht grimmig, aber eben einfach ernsthaft.

Wie es seinen Rentieren gelingt, den Weihnachtsmann mit ihrem Übermut anzustecken, ist äußerst amüsant zu lesen. Am liebsten würde man mitmachen bei dem närrischen Treiben. Ich musste direkt schmunzeln, als ich mir die Szene bildlich vorstellte.

Mir gefiel die Idee der Geschichte, sie ist schwungvoll und kindgerecht verfasst, erfrischend unterhaltsam, und es bereitet Kindern (und nicht nur diesen) sicherlich Spaß, den Weihnachtsmann so von einer ganz anderen Seite zu erleben.

Bewertung vom 08.12.2022
Cambridge, Colleen

Die Dreitagemordgesellschaft / Phyllida Bright Bd.1


ausgezeichnet

Phyllida brillant wie einst Miss Marple und Hercule Poirot

„Die Dreitagemordgesellschaft“ von Colleen Cambridge ist ein typischer Whodunit-Wohlfühl-Krimi, wunderbar very british – à la Miss Marple bzw. Hercule Poirot.

Worum geht es?
Phyllida ist Haushälterin in Mallowan Hall, im Anwesen von Agatha Christie, wo für einige Tage einige Bekannte zu Gast sind. Als einer der Gäste in der Bibliothek ermordet aufgefunden wird, begibt sich Phyllida aktiv auf Spurensuche.

Die Originalausgabe erschien 2021 unter dem Titel „Murder at Mallowan Hall“, die deutschsprachige Version 2022. Es ist eine sehr schön ausgeführte Hardcover-Ausgabe, mit hellem Leineneinband und einem bunten Schutzumschlag. Der Roman ist in kurze Kapitel unterteilt, ohne Zeit- oder Ortsangaben. Anfangs hätte ich ob des vielköpfigen Personals und Gästeschar eine Personenliste begrüßt, doch je länger man liest, desto besser überblickt man den Personenkreis.

Der Schreibstil, die Art und Weise wie die britische Atmosphäre zu Lebezeiten von Agatha Christie beschrieben wird, ähnelt derart frappierend Agatha Christie, dass man den Roman durchaus dieser bedeutenden Krimiautorin zuordnen könnte. Das Buch liest sich locker und flüssig, auch sprachlich der Zeit angepasst. Humorvolle Szenen, launige Dialoge lockern das Krimigeschehen auf. Detailreiche Beschreibungen des Interieurs, der Abläufe in einem hochherrschaftlichen Haushalt, ebenso wie des Umfelds, lassen einen als Leser so richtig hinein versinken in die damalige Zeit. Die Ereignisse sind – bis aus wenige Ausnahmen - aus Phyllidas Sicht dargestellt, man erlebt mit, was sie denkt, was ihr auffällt, was sie vermutet. Die Autorin hat mit der ermittelnden Haushälterin Phyllida eine Protagonistin geschaffen, die sich mit Miss Marple und Hercule Poirot messen kann. Sie ist originell, schlagfertig und schlau, loyal und tüchtig, behandelt das ihr unterstellte Personal streng aber menschlich, ist selbstbewusst, mutig bis leichtsinnig und natürlich unsagbar neugierig. Aber auch die übrigen handelnden Personen sind markant, mit Ecken und Kanten, lebendig und gut vorstellbar charakterisiert.

Der Mordfall erweist sich als komplexer als gedacht. Durch die Recherchen ergeben sich unerwartete Wendungen und überraschende Erkenntnisse. Eine Herausforderung für Phyllida, die letztlich mit anerkennenswerter Kombinationsgabe, ein wenig auch mit Hilfe des Chauffeurs Bradford, die Zusammenhänge klärt und den wahren Täter entlarvt.

Wer Agatha-Christie-Krimis liebt, der wird von „Die Dreitagemordgesellschaft“ ebenso begeistert sein wie ich. Dieser Roman stellt den vielversprechenden Auftakt für eine neue Serie dar. Ich freue mich schon auf eine Fortsetzung und bin gespannt, wie sich das Duo Phyllida-Bradford weiterentwickeln wird.

Bewertung vom 03.12.2022
Archan, Isabella

Sterz und der Mistgabelmord


ausgezeichnet

Inspektor Sterz zwischen Mordermittlung und Vergangenheitsbewältigung

„Sterz und der Mistgabelmord“ von Isabella Archan ist der Auftakt zu einer neuen, in der Steiermark spielenden Krimireihe.

Worum geht es?
Als Inspektor Ferdinand Sterz erfährt, dass sein Jugendfreund Wiggerl brutal ermordet wurde, kehrt er nach langjähriger Tätigkeit bei Europol-Deutschland in seine Heimat, in die Steiermark, zurück, um selbst die Ermittlungen aufzunehmen. Psychisch ist die Situation für ihn schwierig: seine Vergangenheit, seine gestörte Beziehung zum Vater und zur Ex-Freundin belasten ihn.

Bereits das Cover mit der bäuerlichen Landschaft und der Mistgabel stimmt auf diesen typischen Regionalkrimi ein. Der grüne Buchschnitt - Grün ist ja die Farbe der Steiermark - betont das noch. Steirisches Flair und Sehenswertes ist unaufdringlich, aber dennoch einprägsam in die Handlung verwoben. Der steirische Dialekt, insbesondere die originell gewählten Überschriften der Abschnitte unterstreichen das Lokalkolorit. Für Nichtösterreicher gibt es ein Glossar zu den Dialektausdrücken.

Das Buch ist in fünf Abschnitte und diese wiederum in kurze Kapitel ohne Orts- oder Zeitangaben unterteilt. Der Schreibstil ist flüssig, bildhaft, temporeich. Das Buch erschien 2022, die Handlung ist in der nicht näher bestimmten Gegenwart angesiedelt, Covid19 wird nicht erwähnt.

Nach dem heftigen Beginn –man erlebt den Mord aus Sicht des Opfers mit -, hält sich die Spannung kontinuierlich durch gefährliche Momente, Überraschungseffekte und in die Irre führende Spuren bis zum dramatischen Showdown und bis zur schlüssigen, letztlich unerwarteten Auflösung des Falles.

Im Mittelpunkt der Ermittlungsarbeit steht Inspektor Ferdinand Sterz, und zwar nicht nur seine Überlegungen den Fall betreffend und seine eigenmächtigen Alleingänge, sondern auch die charakterliche Entwicklung des introvertierten Einzelgängers, geprägt durch die Kindheit, den frühen Verlust seiner Mutter und die Zurückweisung durch seine Jugendliebe. Sehr einfühlsam sind seine Gedanken, Gefühle und Zweifel dargestellt. Die übrigen agierenden Personen sind ebenfalls mit mehr oder weniger Hintergrundinformationen anschaulich und lebendig gezeichnet.

„Sterz und der Mistgabelmord“ war mein erstes Buch dieser Autorin. Es hat mir ausgezeichnet gefallen, bot alles, was ich an einem Krimi schätze: Spannung, Action, sympathische und gut gezeichnete Charaktere, unerwartete Ereignisse und Wendungen, aber auch erfrischende Dialoge und stimmiges Lokalkolorit. Ein wunderbar gelungener Anfang! Ich freue mich schon auf die Fortsetzung!

Eine unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 29.11.2022
Gerl, Werner

Mord im Rumford-Club


ausgezeichnet

Rumford, Kirschblüte und Kaiserschmarrn

„Mord im Rumford-Club“ von Werner Gerl ist bereits der vierte Band der Reihe mit Kommissarin Tischler als Ermittlerin, ein Krimi, der Spannung mit Lokalkolorit verbindet.

Worum geht es?
Ein Historiker bzw. Antiquitätensammler wurde erschlagen. Er gehörte dem sogenannten Rumford-Club an, benannt nach einem wohltätigen Adeligen, der Anfang des 19. Jahrhunderts in München lebte. Dem Ermittlerteam unter Kommissarin Tischler gibt vor allem eine Keramikscherbe Rätsel auf, die im Hals des Toten steckt und auf der als Botschaft ein weiterer Mord angekündigt wird. Bei der Suche nach dem nächsten Opfer stößt die Polizei auf Ereignisse im Jahr 1989 …

Der Schreibstil ist flüssig, die Kapitel sind angenehm kurz, bis auf den Prolog ohne Orts- oder Zeitangaben. Das Buch erschien 2022. Die Handlung spielt im Sommer 2021. Vereinzelt findet Covid 19 Erwähnung, was ich als positiv und authentisch empfand, denn immerhin hatte die Pandemie gewisse Auswirkungen auf den Alltag.

Obwohl dies bereits der vierte Band einer Reihe ist, hat man als Neueinsteiger weder ein Problem in die Geschichte hineinzufinden, noch hat man den Eindruck, dass einem Kenntnisse aus den früheren Bänden fehlen.

Der Prolog führt ins Jahr 1989 zurück. Nach Prag, wo ein DDR-Bürger in die deutsche Botschaft flüchtet. Die Spannung des Krimis basiert einerseits auf der den Leser bis zum Ende beschäftigenden Frage nach dem Motiv für die im Jahr 2021 verübten Morde, andererseits wo die Verbindung zu der im Prolog geschilderten Flucht liegt. Szenen- und Perspektivenwechsel – mal aus Sicht der Ermittler, dienstlich oder auch im privaten Umfeld, mal aus Sicht des Täters - gestalten die Handlung abwechslungs- und temporeich. Zudem sickern die erhellenden Informationen nur nach und nach durch. Je mehr man über die Ermordeten, ihre Vergangenheit und ihre Beziehungen zueinander erfährt, desto fesselnder wird die Handlung, bis sich nach einem dramatischen Wettlauf gegen die Zeit der Fall klärt und der Täter gefasst wird.

Bei den Charakteren sticht Kommissarin Tischler hervor. Bei ihr zeigen sich die meisten Facetten an Emotionen, Ecken und Kanten, bedingt dadurch, dass sie nicht nur auf beruflicher, sondern auch auf privater Seite mit einigen zwischenmenschlichen Problemen zu kämpfen hat. Sie wirkt kompetent, ist ein Teamplayer und eine umsichtige Führungskraft. Sie ist witzig und schlagfertig. Und mir gefiel der Umgangston mit den Kollegen ebenso wie ihr Umgang mit ihrer Stieftochter. Auch sämtliche anderen agierenden Personen sind bildhaft beschrieben, äußerlich wie auch hinsichtlich manch markanter Wesenszüge.

Auch dem Lokalkolorit wird Rechnung getragen, unaufdringlich, en passant werden besonders sehenswerte Plätzchen in München und Umgebung in die Handlung verwoben. Last but not least wurde auch mein Wissen erweitert – denn von Reichsgraf von Rumford hatte ich bislang noch nie gehört.

„Mord im Rumford-Club“ fand ich spannend, unterhaltsam und informativ. Ich bekam Lust auf mehr aus Werner Gerls Feder und empfehle das Buch gerne weiter.

Bewertung vom 19.11.2022
Nentwich, Vera

Frau Appeldorn und der tote Maler


sehr gut

Nachbarschaftliche Beziehungen

„Frau Appeldorn und der tote Maler“ von Vera Nentwich ist ein unterhaltsamer Cosy-Krimi.

Worum geht es?
Frau Appeldorn, erst seit kurzem in Pension, langweilt sich im Ruhestand und ist daher ehrenamtlich im Kulturverein ihres Heimatortes engagiert, organisiert u.a. einen Tag der Ateliers. Als einer der Künstler tot aufgefunden wird, gerät zunächst die junge Citymanagerin in Verdacht, die Tochter von Frau Appendorns Nachbarn, Herrn Büyüktürk. Um die Unschuld der Tochter zu beweisen, begeben sich die beiden total unterschiedlichen Charaktere auf Mörderjagd.

Der Schreibstil ist flüssig, dialogreich und humorvoll. Die Kapitel haben eine angenehme Länge. Das Buch erschien 2022 und spielt in der nicht näher bestimmbaren Gegenwart.

Die Spannung liegt, wie bei jedem Whodunit-Krimi primär in der Frage, wer die Tat beging. Frau Appeldorn und Herrn Büyüktürk kommen mit ihren Recherchen nur langsam voran. Der Kreis der Verdächtigen ist zwar überschaubar, doch so manche Spur führt die beiden Hobby-Ermittler in die Irre. Bis sie all die ihnen aufgetischten Lügen durchschaut haben, geraten sie in einige unangenehme bis gefährliche Situationen.

Mit den beiden Protagonisten schuf die Autorin ein originelles Paar, durch dessen Verschiedenartigkeit so einiges an Situationskomik entsteht. Es ist amüsant zu verfolgen wie aus anfänglicher Aversion und Distanz gegenseitige Wertschätzung und freundschaftliche Annäherung wird. Für mich lag der Reiz dieses Romans vor allem im zwischenmenschlichen Zu- und Miteinander. Frau Appeldorn wirkt sehr dominant, voller Aktivität, allerdings auch etwas zu ichbezogen; neben ihr verblasst Büyüktürk, was mich einerseits für einen Akademiker, andererseits für einen Mann türkischer Abstammung nicht so richtig überzeugte.

Es ist ein gut gelungener, sowohl spannender als auch unterhaltsamer Auftakt zu einer neuen Krimireihe. Ich bin schon sehr neugierig, welche Fälle Frau Appeldorn und Herr Büyüktürk noch zu lösen haben, aber auch wie innig ihre Beziehung sich entwickeln wird.

Bewertung vom 16.11.2022
Marschall, Anja

Der Henker von Hamburg


ausgezeichnet

Carlottas Geheimnis

„Der Henker von Hamburg“ von Anja Marschall ist der bereits der fünfte Band der historischen Krimiserie rund um Kommissar Hauke Sötje.

Klappentext:
1899: Die gefeierte Sopranistin Carlotta Francini reist für eine Konzertsaison nach Hamburg. Während Hauke Sötjes Frau deren Gesang in der Oper lauscht, wird der Kommissar in die Nähe der Speicherstadt beordert. Ein Erhängter wurde in einem Baum gefunden – bei ihm ein Zettel mit der Aufschrift »schuldig«. Weitere Opfer lassen nicht lange auf sich warten, und sie alle haben eines gemeinsam: Sie kreuzten in der Vergangenheit Carlotta Francinis Weg …

Für mich war es nach Band 1 „Feuer in der Hafenstadt“ erst das zweite Buch dieser Serie. Ich war nach wenigen Seiten wieder heimisch mit den Protagonisten sowie der Zeitepoche, in der die Handlung spielt. Sehr angenehm ist, dass – auch wenn man nicht alle Vorgängerbände kennt – man keine gravierenden Wissenslücken verspürt. Es handelt sich stets um in sich abgeschlossene Fälle. Hie und da ist eine Information zu früheren Ereignissen eingestreut.

Anja Marschalls Schreibstil ist flüssig, stilmäßig und im Vokabular der damaligen Zeit angepasst. Die Kapitel haben eine angenehme Länge. Zu Beginn jedes Kapitels bietet ein kurzer Zeitungsausschnitt aus dem Jahr 1899 interessante Hintergrundinformationen zu Events, Vorkommnissen bzw. dem Preisniveau jener Zeit. Es wird generell im Roman ein sehr anschauliches Gesellschaftsbild mit vermittelt, insbesondere von der von Männern dominierten Arbeitswelt, und der Stellung der Frauen, die primär auf den Haushalt und die Kindererziehung zurückgedrängt wurden. Aber es wird auch der Blick auf so manche Neuerung gelenkt, sei es die Einführung von spurensichernden und Täter katalogisierenden bzw. identifizierenden Maßnahmen oder das Novum von Buffets bei gesellschaftlichen Empfängen. Zudem sind auch Inhalte bzw. Texte aus Wagner-Opern mit der Handlung verknüpft. Die historischen Fakten und wahren Persönlichkeiten, wie z.B. Friedrich Reindel, seinerzeitiger Scharfrichter, sind sehr geschickt mit der fiktiven Krimihandlung verwoben. Im Anhang findet man weitere Erläuterungen und Informationen zu den geschichtlichen Hintergründen. Nicht unerwähnt möchte ich die historische Karte von Hamburg um 1895 am Beginn des Buches lassen, sie bietet einen ausgezeichneten Überblick.

Der Fall an und für sich ist von Anfang an ziemlich rätselhaft. Es zeigt sich zwar bald, dass die Motive für die aktuellen Morde in Vergangenem liegen, doch es gibt lange nichts Greifbares. Dadurch, dass einerseits Sophie den Stand von Haukes polizeilichen Ermittlungen nicht kennt, andererseits er wiederum von ihren Unternehmungen mit Carlotta nicht laufend informiert ist, fügt sich erst so nach und nach eins zum anderen. Als Leser verfügt man jedoch über einen Wissensvorsprung und kann sich wunderbar eigenen Theorien und Vermutungen hingeben.

Im Mittelpunkt der Handlung stehen Hauke und Sophie. Sie sind ein sympathisches Paar, nunmehr verheiratet, und sie haben eine kleine Tochter. Hauke wird von seinem Vorgesetzten sehr geschätzt und hat sich zu einem anerkannten, modernen Maßnahmen aufgeschlossenen Kommissar empor gearbeitet. Sophie fühlt sich als Nur-Hausfrau und Mutter nicht wohl und unterfordert, einerseits da sie für die Haushaltsführung ja Personal hat, andererseits auch intellektuell eine Aufgabe bräuchte. Das Ermitteln reizt sie, sie ist neugierig und will den Dingen auf den Grund gehen, wenig zur Freude von Hauke, der sie lieber sicher im häuslichen Umfeld hätte. Sie entspricht jedoch nicht dem Frauenbild der damaligen Zeit, zu sehr strebt sie nach Selbstständigkeit. Nichtsdestotrotz sind auch die Nebenfiguren in einer Art und Weise charakterisiert, dass sie authentisch und lebendig wirken, egal ob es sich um Menschen aus dem einfachen Volk oder aus höheren Kreisen handelt.

„Der Henker von Hamburg“ hat mir sehr spannende, aber auch wissenserweiternde Lesestunden beschert. Es ist ein exzellent recherchierter Kriminalroman mit einer packenden Handlung voller überraschender Wendungen und Zusammenhänge, den ich gerne weiterempfehle.