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haberlei
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Begeisterte Leserin von Krimis, Thrillern, Humorvollem, historischen (Frauen-)Romanen, Biografien

Bewertungen

Insgesamt 332 Bewertungen
Bewertung vom 25.07.2023
Bartsch, Stephanie

Frau Bartsch reist sich zusammen


ausgezeichnet

Ein außergewöhnliches Trauerjahr

„Frau Bartsch reist sich zusammen“ von Stephanie Bartsch trägt auch noch einen Untertitel, der den Inhalt des Romans kurz und prägnant zusammenfasst: „Wie ich auszog, das Trauern zu lernen, und unterwegs das Glück fand“.

Worum geht es?
Nach dem plötzlichen Unfalltod ihres Mannes begibt sich die erst 50jährige Witwe per Wohnmobil auf Reisen, um Abstand zu gewinnen, von Familie, Freunden und Beruf. Das ist ihre ganz besondere Art und Weise zu trauern, mit dem Verlust des geliebten Menschen fertig zu werden.

Das 2023 erschienene Buch basiert auf dem Reiseblog, den die Autorin während ihrer Campingreise führte. Dokumentiert wird die Zeit ab der Todesnachricht Anfang Dezember 2020 bis ungefähr ein Jahr danach, also Ende Dezember 2021, relativiert durch im Jahr 2022 nachträglich ergänzte Anmerkungen, die sich auch vom Schriftbild her abheben. Die kurzen Kapitel bzw. Abschnitte sind exakt datiert und mit Überschriften versehen, die in der dritten Person als „Frau Bartsch tut dies oder das“ die kommenden Geschehnisse ankündigen. Der Schreibstil ist flüssig und locker, besticht durch die Offenheit und Ehrlichkeit, mit der einerseits die auftretenden Probleme während der Reise nicht ausgespart werden, andererseits sie ihre Gefühle offenbart – die traurigen Momente, Zweifel, Einsamkeit, andererseits die trotz der Trauer aufkeimenden Glücksgefühle, die sie wieder lernt zu akzeptieren und zu genießen. Es fließt viel Positives mit ein, das der Trauer die Schwere nimmt.

Frau Bartsch stürzt sich mutig in ein Abenteuer, tritt völlig unerfahren eine Fahrt mit einem Wohnmobil zunächst in den sonnigen Süden an, später fährt sie bis nach Norwegen. Sie organisiert sich alles selbst, bewährt sich auf ganzer Linie. Dennoch passiert Unerwartetes. Sie kämpft immer wieder mit technischen Problemen oder sprachlichen Missverständnissen, zudem reist sie während der Pandemie und hat die unterschiedlichsten Corona-Bestimmungen zu beachten. Doch es finden sich in der Camper-Gemeinschaft stets hilfreiche Menschen, die gute Tipps geben, aushelfen, Gesellschaft und Gedankenaustausch bieten. Die Autorin schildert ihre Erlebnisse offen – so manches Hoppala lockert den Bericht auf, lässt einen schmunzeln. Die hie und da eingestreuten Schwarzweiß-Fotos unterstreichen die Reiseeindrücke. Was ich mir immer wieder gewünscht hätte: eine kleine Landkarte, wo sich all diese Strände, Buchten befinden bzw. wie die Reiserouten verliefen.

Mich persönlich hat einerseits die Energie und der Mut der Autorin beeindruckt, dass sie sich völlig auf sich allein gestellt das alles zugetraut hat. Doch abgesehen von den Reisebeschreibungen waren es die Emotionen, die Gedanken, die sie bewegt haben, dieses Auf und Ab zwischen Traurigkeit und optimistischem Lebenshunger, die mich berührt haben. Es ist eine Auseinandersetzung mit Gefühlschwankungen, schlechtem Gewissen, wenn man nicht so agiert und ist, wie es die „Norm“, die „Umwelt“ erwartet. Es ist einer der schwersten Momente im Leben: den Verlust jenes Menschen zu verkraften, den man nicht nur sehr liebte, sondern mit dem man quasi zusammengewachsen ist zu einem Ganzen; man fühlt sich plötzlich verlassen und als halber Mensch. Hier mitzuerleben, wie Frau Bartsch so nach und nach lernt loszulassen, ihre Art zu trauern akzeptiert und ohne ihre innige Liebe zu ihrem verstorbenen Mann zu verleugnen, sich letztlich voll einer neuen Beziehung hingeben und ein neues Leben beginnen kann, fand ich Mut machend und beglückend.

Wer selbst Trauer erfahren hat, wird entweder vieles nachempfinden können oder gänzlich anders reagiert und den Verlust des geliebten Menschen total anders verarbeitet haben. Letztlich geht es um die Einsicht, dass jeder Trauer anders empfindet, dass jede Art von Trauer richtig ist, dass man niemanden deswegen weniger geliebt hat, nur weil man schneller wieder zurück ins Leben findet. Das zu erkennen, ist auch für Menschen wichtig, die mit Trauernden zu tun haben.

Ich möchte dieses Buch nicht nur für Trauernde wärmstens empfehlen. Es bereichert jedermann.

Bewertung vom 18.07.2023
Albich, Mina

Wiener Todesmelodie


ausgezeichnet

Ein musikalisches Genie auf Abwegen

„Wiener Todesmelodie“ von Mina Albich besticht nicht nur durch das charmante Wiener Flair und ein sympathisches Ermittlerteam, sondern vor allem durch eine vom Anfang bis zum Ende spannende Handlung voller Rätsel.

Klappentext:
Wien, Resselpark, Samstagabend. Eben noch hat Bezirksinspektor Grohsman ein Klavierkonzert genossen, als er zum Salon Rettenbach zurückgerufen wird. Im Kofferraum der Pianistin befindet sich die Leiche ihres Freundes. Grohsman nimmt zusammen mit Kriminalpsychologin Nicky Witt die Ermittlungen auf. Mit jeder neuen Spur, die sie verfolgen, beginnt die glitzernde Wiener Kulturszene weiter zu bröckeln. Als dann ein mysteriöses Manuskript von Franz Liszt auftaucht, ergibt sich langsam ein erschütterndes Bild.

Das Cover zeigt die Karlskirche, abends hell beleuchtet, samt Spiegelbild im davor befindlichen Teich. Ein wunderbares, auf Wien einstimmendes Motiv; zudem harmoniert es auch mit dem Cover des Vorgängerbandes. Das Buch erschien 2023, die Handlung spielt in der nicht exakt festgelegten Gegenwart. Die 13 Kapitel sind - was ich persönlich immer besonders schätze - mit Datumsangaben versehen, sodass man chronologisch einen guten Überblick bewahren kann. Sie umfassen jeweils die Ereignisse pro Ermittlungstag, sind demgemäß unterschiedlich lang, und sind in sich wiederum in Abschnitte, bedingt durch Szenenwechsel, unterteilt. Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft. Insbesondere als Wienerin fühlte ich mich sprachlich sehr wohl und heimisch, denn das Wienerische schimmert immer wieder durch. Abgesehen vom Lokalkolorit durchzieht den Roman auch viel (nicht nur) klassische Musik, was Kenner vermutlich begeistern wird und weniger Bewanderte (wie mich) anregt, sich das eine oder andere Stück einmal anzuhören.

Ich kannte Band 1 "Mexikoplatz" bereits und fühlte mich sofort wieder heimisch mit Felix, Joe und Nicky. Meiner Meinung nach kommt auch ein Quereinsteiger in die Geschichte problemlos hinein, da die Fälle in sich abgeschlossen sind. Soweit erforderlich, gibt es Hinweise auf das frühere Geschehen bzw. den Background der Protagonisten.

Nach dem kryptischen Prolog dauert es nur wenige Seiten, in denen man die Protagonisten kennenlernt, bis zum Leichenfund. Der Fokus liegt auf der Ermittlungstätigkeit der Polizei; dieser wird durch die parallel recherchierende Psychologin Nicky Witt und den Einblick in ihren Alltag und ihre Arbeit mit psychisch kranken Menschen bereichert. Die Orts- bzw. Perspektivenwechsel sowie etliche Cliffhanger gestalten die Handlung abwechslungsreich und spannend. Durch den großen Kreis an Verdächtigen, das stetige Auftauchen neuer Erkenntnisse und infolge unerwarteter Wendungen, hat man als Leser reichlich Gelegenheit zum Mitraten. Der Fall ist extrem undurchsichtig und vielschichtig. Insbesondere umgibt das Opfer allerlei Geheimnisvolles und Unerklärbares. Wie die Ermittler tappt man bis zuletzt im Dunkeln, bis letztlich in einem dramatischen Showdown der Täter gefasst wird. Es klärt sich alles, unerwartet, aber schlüssig.

Felix Grohsman, der routinierte Kriminalbeamte, und Joe (Johanna) Kettler, jung, strebsam und engagiert, bilden ein zwar konträres, aber sich gut ergänzendes und harmonisch zusammenarbeitendes, sympathisches Ermittler-Duo. Die Protagonisten zeigen Emotionen, Stärken und Schwächen, Vorlieben und Interessen. Ein gut dosierter Einblick in ihr Privatleben, ihre Vorgeschichte und ihre Beziehungen rundet das Charakterbild ab. Nicky stellt mit ihrem psychologischen Fachwissen eine gute Ergänzung des Teams dar. Auch die Nebenfiguren, sowohl im polizeilichen Team, im privaten Umfeld als auch im Kreis der Verdächtigen sind gut vorstellbar und lebendig gezeichnet.

„Wiener Todesmelodie“ hat mir wiederum packende Wohlfühl-Lesestunden beschert. Ich freue mich schon jetzt auf die Fortsetzung dieser Reihe. Gerne empfehle ich das Buch weiter!

Bewertung vom 17.07.2023
Kerwien, Bettina

Agentenfieber


ausgezeichnet

Superspion 007 und echte Agenten in Berlin

„Agentenfieber“ von Bettina Kerwien ist der mittlerweile 37. Band der Serie „Es geschah in Berlin“, wo beginnend im Jahr 1910 anhand von fiktiven Kriminalfällen die Geschichte der Stadt Berlin dokumentiert wird. Als Verfasser der Reihe agieren verschiedenen Autor*innen. Vier Fälle stammen bislang aus Bettina Kerwiens Feder; nach „Tot im Teufelssee“ und „Tiergarten-Blues“ war dies mein drittes Buch von ihr.

Worum geht es?
August 1982. In Berlin werden einige Szenen des James Bond-Films Octopussy gedreht, direkt am Checkpoint Charlie. Eine günstige Gelegenheit, um ein wertvolles Fabergé-Ei in den Westen zu schmuggeln. Doch bei der Übergabe kommt es zu einem Tumult, bei dem ein BND-Agent erschossen wird und die DDR-Botin in den Westen überläuft und untertaucht. Gemeinsam mit dem BND nimmt Kriminaloberkommissar Peter Kappe und sein Team die Ermittlungen auf …

Der Schreibstil ist flüssig, manche Dialoge spritzig und humorvoll. Der gut dosiert eingesetzte Dialekt vermittelt das Berliner Flair. Die Atmosphäre des geteilten Berlin ist gut spürbar, die allgegenwärtige Bedrohung eines Atomkrieges, die Einschränkungen, denen die Einwohner auch des westlichen Teils unterliegen. Geschickt sind historische Fakten mit fiktiven Ereignissen verwoben. So en passant lernt man auch einiges über Fabergé-Eier und natürlich auch über James Bond 007. Offensichtlich ist auch, dass die fantastischen Abenteuer der Romanfigur sich von den Aktionen echter Agenten unterscheiden, auch ist deren Leben keineswegs so glamourös. Das Zeitbild ist generell anschaulich dargestellt. Wohl auch typisch für die 80er Jahre: es wird noch viel geraucht und viel Alkohol getrunken. Interessant sind die Reaktionen der Menschen auf die Möglichkeiten der elektronischen Datenverarbeitung, Computer kommen immer mehr auch bei Ämtern und im Polizeiapparat zum Einsatz. Noch herrscht Ablehnung und Skepsis vor.

Dadurch dass das Buch im Präsens geschrieben ist, fühlt man sich mitten im Geschehen, mitten in den Ermittlungen. Peter Kappe und sein Team sind voll gefordert. Man sucht nicht nur nach der den Amerikanern abhanden gekommenen Bombe, sondern auch nach dem verschwundenen Fabergé-Ei, der in den Westen übergelaufenen Agentin und natürlich nach dem Mörder des BND-Mannes. Die Spannung steigt kontinuierlich. Puzzlesteinchen für Puzzlesteinchen verdichten sich die Informationen bis in einem dramatischen Showdown sich alles klärt, sich alles findet – überraschend und packend.

Die Charaktere fand ich gut vorstellbar beschrieben, insbesondere die markantesten Eigenschaften des Ermittler-Teams sind erkennbar. Das Privatleben der Protagonisten wird kurz angerissen. Will man sie wirklich gut kennenlernen, in all ihren Facetten, müsste man auch vorhergehende Bände lesen. Aber was den Kriminalfall an und für sich anbelangt, so ist jeder Band für sich alleine verständlich.

Diese Krimireihe erweitert meine Kenntnisse zur deutsche Geschichte, insbesondere der Stadt Berlin. Vieles ist für mich als Österreicherin nie wirklich präsent gewesen. Die Kombination Fakten, Wissensvermittlung und spannender Kriminalfall ist wieder ausgezeichnet gelungen. Eine interessante Reihe, ein lesenswertes Buch.

Bewertung vom 13.07.2023
Brun, Georg

Bodenloser Fall


sehr gut

Der Kampf um Gerechtigkeit

„Bodenloser Fall“ von Georg Brun ist der Auftakt zur Trilogie rund um die Strafverteidigerin Olga Swatschuk. Ein unblutiger Wohlfühlkrimi, aber thematisch interessant und nachdenklich stimmend.

Worum geht es?
Olgas Mandant wird der Veruntreuung beschuldigt. Mit Hilfe eines befreundeten Privatdetektivs und ihrer Freundin Sonja, einer IT-Spezialistin, stellt sie Ermittlungen an. Sie stoßen auf einen Zusammenhang mit einem namhaften Bauvorhaben, der Sanierung des Europäischen Theaters in München, und auf eine heimtückische Intrige.

Der Schreibstil ist teils flüssig, teils liebt der Autor auch lange, verschachtelte Sätze. Die Kapitel sind kurz, lediglich nummeriert, ohne Zeit- oder Ortsangaben. Das Buch erschien 2021. Die Handlung spielt in der nicht näher beschriebenen Gegenwart, anhand einiger erwähnter Daten vermute ich 2019. Der Fall spielt in München, was durch ein bisschen Dialekt und etwas Lokalkolorit verdeutlicht wird.

Ich bin seinerzeit bei einer Leserunde zu Band 2 „Gewissenlose Wege“ in die Reihe eingestiegen. Da mittlerweile bereits Band 3 erschienen ist, wollte ich nun endlich auch Band 1 nachholen. Für mich war es somit eine Wiederbegegnung mit Bekannten und eine gute Auffrischung hinsichtlich der Background-Informationen zu den Protagonisten.

Denn wie beim Start von Reihen üblich, sind die ersten Seiten primär dem Kennenlernen der Figuren gewidmet. Erst so nach und nach, im Zuge der Ermittlungen, steigt man in den sehr komplexen Wirtschaftskriminalfall ein. Es ist nicht einfach, den verwickelten Beziehungen und Meuscheleien zu folgen. Ebenso sind die computerbezogenen Aktionen für einen Laien undurchschaubar. Es gibt bei diesem Fall keine Option zum Mitraten. Man verfolgt einerseits die Erkenntnisse, die Olga, Alex und Sonja bei ihren Recherchen gewinnen, andererseits auch die Sicht eines der „Opfer“ der Intrigen, und man möchte wie die Protagonisten, dass alle Schuldigen - und wirklich nur die Schuldigen - bestraft werden. Doch Recht und Gerechtigkeit ist nicht dasselbe …

Abgesehen vom Fall empfand ich vor allem die Charakterdarstellungen als sehr eindrucksvoll und in die Tiefe gehend. Es sind nicht nur die Vorgeschichten, die die jeweilige Persönlichkeit der Protagonisten abrunden, sondern ihr Privatleben, ihre Beziehungen, Hobbies, Gedanken und Emotionen machen sie zu lebendigen Wesen. Allerdings muss ich einräumen, dass dadurch der Kriminalfall etwas in den Hintergrund gedrängt wird. Man fühlt sich mit den Glücksmomenten, die Olga und Alex mit ihren neuen Lieben erleben, zwar unsagbar wohl, die romantischen Szenen frischen den eher trockenen Fall auf, doch das geht auf Kosten der Spannung, die eigentlich Hauptkriterium eines Krimis sein sollte. Auch die zwar informativen, aber für den Kriminalfall keineswegs relevanten detaillierten Klettertour-Beschreibungen sind zu ausführlich.

„Bodenloser Fall“ ist ein etwas anderer Krimi, ohne Blut und Action und nicht prickelnd spannend, aber realitätsnah (die Handlung beruht auf einem wahren Fall) und letztlich nachdenklich stimmend im Hinblick auf die Divergenz von Recht und Gerechtigkeit sowie inwieweit die Computertechnologie Segen oder Bedrohung darstellt. Das eher offene Ende und die Andeutung zum nächsten Fall weckt Neugierde auf die Fortsetzung, im Übrigen auch das Interesse, wie sich das Leben der Protagonisten weiterentwickelt. Mir hat das Buch gefallen, doch da es für mich für das Genre Krimi zu wenig fesselnd war, vergebe ich nur 4 von 5 Punkten.

Bewertung vom 03.07.2023
Marmulla, Rüdiger

Delphis Flame


ausgezeichnet

Überzeugen durch Einsicht und Reue

Mit „Delphis Flame“, dem fünften Band seiner Thriller-Reihe rund um Pastor Tim, widmet sich der Autor Rüdiger Marmulla dem sehr aktuellen Thema der Künstlichen Intelligenz – in spannender, fantasievoller, aber doch auch beunruhigender Weise.

Klappentext:
Eine Künstliche Intelligenz, die sich »Delphis Flame« nennt und das Orakel im antiken Griechenland nachahmt, nimmt Kontakt zu Pastor Tim auf. Die Künstliche Intelligenz ist wie das Orakel von Delphi eine Quelle von Wissen und Macht, die sowohl faszinieren als auch erschrecken kann. »Delphis Flame« ist ganz genauso wie das antike Vorbild unvorhersehbar und unverständlich. Die Künstliche Intelligenz führt in Konflikte und Missverständnisse mit Pastor Tim. »Delphis Flame« hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Kirchenmann zu prüfen, ob er würdig ist zu leben und Ressourcen auf diesem Planeten zu verbrauchen. In ihrer Prüfung manipuliert sie Tims elektronischen Geräte, hackt seine Konten und droht ihm mit Gewalt. Wird sich der Geistliche in diesem Konflikt bewähren?

Da ich fast alle Romane dieser Reihe kenne, fühlte ich mich natürlich sofort wieder vertraut mit Pastor Tim und seinem Umfeld. Doch stehen die Fälle stets für sich, man kann sie problemlos unabhängig voneinander lesen. Ich bin überzeugt, auch ein Quereinsteiger findet sich in dem überschaubaren Personenkreis rasch zurecht und vermisst keine Informationen aus den Vorgängerbänden.

Das Cover ist passend zu den Vorgängerbänden gestaltet. Das Buch erschien 2023. „Dephis Flame“ spielt im Jahre 2046 in den USA (und teilweise in Griechenland) und ist ein Cosy-Thriller, spannend und etwas mysteriös, vielleicht etwas gruselig, wenn man sich vorstellt, das Geschilderte könnte irgendwann einmal Realität werden.

Der Schreibstil ist einfach, schnörkellos, die kurzen, oft nur eine Seite langen Kapitel lesen sich flott und flüssig. Das aufgelockerte Layout und der Großdruck tragen dazu bei, dass die die Seiten nur so dahin fliegen. Die Geschichte ist im Präsens verfasst, dialogreich. Das vermittelt dem Leser das Gefühl, mit anwesend zu sein. Die Handlung wirkt dadurch sehr lebendig, offenbart jedoch kaum die Gedanken und Emotionen der Protagonisten. Generell bleibt vieles der Fantasie des Lesers überlassen. Auch gefährliche Momente, tragische Ereignisse werden meiner Meinung nach fast zu distanziert geschildert. Das Kopfkino muss man sich weitgehend selbst gestalten. Trotz des minimalistischen Erzählstils spürt man zwischen den Zeilen Pastor Tims Sorgen, Ängste und seinen Schmerz.

Der Fall packend und interessant konzipiert, mit zukunftsträchtigen technischen Finessen, mit durchaus wissenschaftlicher Basis. Die Thematik ist hoch aktuell – in Form von ChatGPT zurzeit in aller Munde. Doch in diesem Buch ist alles weit brisanter, denn die KI agiert eigenmächtig und wird zur Bedrohung. Sie hat Pastor Tim als ihr Opfer auserkoren und greift schicksalsträchtig in sein Leben ein. Mich stimmte das sehr nachdenklich, immerhin ist die Menschheit bereits heutzutage allgegenwärtig und immer zunehmender der Technik ausgeliefert. Wohin wird das noch führen? Pastor Tim sieht sich schließlich auch gezwungen, auf alles Digitale zu verzichten, um sich dem Zugriff der KI zu entziehen.

Was auch immer ihm widerfährt, Pastor Tim beeindruckt mit seinem Gottvertrauen, seiner Ruhe und Zuversicht. Trotzdem, ohne jene Menschen, die, auch als sich alles gegen ihn verschworen hat, zu ihm halten, hätte er Delphis Flame wohl nicht besiegen können. Die Charaktere sind generell anschaulich, wenn auch nicht tiefgründig dargestellt.

„Delphis Flame“ ist ein Roman, den man an einem Tag rasch verschlingen kann, der Spannung mit einem von wahrer Freundschaft, Hilfsbereitschaft und Gläubigkeit geprägten Umfeld kombiniert. Es ist ein fiktiver Zukunftsroman, wirklich lesenswert, da er zum Nachdenken und zu Diskussionen anregt.

Bewertung vom 01.07.2023
Lechner, Hannah

Sehnsucht am Tegernsee


ausgezeichnet

Eine problematische Liebesbeziehung

„Sehnsucht am Tegerensee“ von Hannah Lechner ist ein sehr gefühlvoller, aber keineswegs kitschiger Liebesroman, eingebettet in die wunderschöne Landschaft am Tegernsee.

Klappentext:
Nach einer gescheiterten Beziehung verliebt sich Kira Wagner in Felix, der seit einem Unfall im Rollstuhl sitzt, und ihr Leben gerät in Turbulenzen. Zur selben Zeit erbt sie von ihrem Onkel ein Hotel am Tegernsee. Der sympathische Noah bietet ihr viel Geld für das Anwesen – Geld, mit dem Kira Felix eine wichtige Operation ermöglichen könnte. Doch ihr Onkel hat ihr zu Lebzeiten das Versprechen abgenommen, das Hotel niemals zu verkaufen. Kira muss eine folgenschwere Entscheidung treffen.

Das Cover ist sehr ansprechend, der Orangeton fungiert als Eye-Catcher und die bergige Landschaft mit dem See stimmt auf den Ort des Geschehens ein. Das Buch erschien 2023. Die Handlung spielt in der nicht näher bezeichneten Gegenwart. Die Kapitel sind angenehm kurz, ohne Zeit- und Ortsangaben. Der Schreibstil ist flüssig, sehr bildhaft, mit Liebe zum Detail. Insbesondere die Landschaftsbeschreibungen haben mein Kopfkino angeregt und Lust erzeugt, einmal am Tegernsee zu urlauben.

Die Autorin kannte ich bislang unter dem Namen Jaqueline Lochmüller als Krimiautorin. Unter dem Pseudonym Hannah Lechner verfasste sie nunmehr ihren ersten Liebesroman, den ich sehr gelungen fand, weil er nicht einfach dem „Traumfrau trifft Traummann-Schema“ folgt, sondern sehr einfühlsam reale Probleme anspricht. Zwischenmenschliche Probleme, erschwert durch die alltäglichen Hemmnisse, mit denen behinderte Menschen zu kämpfen haben, die beide Seiten verunsichern. Es wird auch die Divergenz thematisiert, dass ältere Menschen häufig Erwartungen an ihre Nachkommen stellen, moralischen Druck ausüben, nicht verstehen können oder wollen, dass sich die Jungen ihr Leben anders vorstellen, ganz andere Pläne haben.

Einerseits ist die sich langsam entwickelnde Beziehung, so problematisch sie ist, auch wunderschön romantisch und sehr gefühlvoll, andererseits fehlt es auch nicht an Spannungsmomenten und Dramatik. Der Gefühlscocktail, den insbesondere die Protagonistin durchmachen muss, ist sehr facettenreich – von hinreißenden Glücksgefühlen über Zweifel, Schuldgefühle bis zu Trauer und Verzweiflung. Und diese Emotionen kommen wunderbar zwischen den Zeilen hervor. Man erlebt alles hautnah mit Kira, man ist mit ihr selig, traurig, wütend, verzweifelt und hoffnungsvoll. Durch die Perspektivenwechsel – es wird nicht nur aus Kiras Sicht erzählt, sondern auch aus jener von Kiras Onkel, Felix und Noah – sind die wichtigen Männer in Kiras Leben ebenfalls sehr lebendig und in ihren Denkweisen und Handlung nachvollziehbar charakterisiert. Lediglich Leonies Wesenszüge blieben etwas einseitig negativ.

Ich habe den Roman als Urlaubslektüre genossen, selbst in einem Urlaubsort, rundherum umgeben von herrlicher Gebirgswelt, bin ich in Kiras Welt versunken. Ein wunderbarer Wohlfühlroman. Einzig das Ende hat mich etwas unbefriedigt zurückgelassen. Da hätte ich gerne gleich weitergelesen. Bei so vielen offenen Fragen wünsche ich mir unbedingt eine Fortsetzung!

Und ja, von mir gibt es eine unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 01.07.2023
Ewald, karina

Sturzwasser


ausgezeichnet

Bedrohte Alpenidylle

„Sturzwasser“ von Karina Ewald ist ein typischer Regionalkrimi, unblutig, mit Wohlfühlcharakter und sympathischen Protagonisten.

Worum geht es?
Bei einer Bergwanderung stoßen Bruno und Carolin auf eine Leiche. Es handelt sich um ein Mitglied eines russischen Konsortiums, das auf einer Alm ein Hotelprojet plant. Doch der Besitzer jener Alm will nicht verkaufen. Er gerät unter Mordverdacht, doch Carolin hält ihn für unschuldig und stellt eigene Nachforschungen an. Doch in Bad Gastein passieren noch andere merkwürdige Dinge …

Es ist bereits der zweite Band dieser Reihe. Das Cover mit dem Gebirgsbach, der Almlandschaft und den darüber hinausragenden felsigen Bergen stimmt hervorragend auf jene Landschaft ein, in der die Handlung spielt. Zudem passt die Aufmachung exakt zum ersten Band und hat somit guten Wiedererkennungswert. Auf der Innenseite des Umschlags befindet sich eine Skizze der wesentlichsten Örtlichkeiten von Bad Gastein sowie der unmittelbaren Umgebung, wodurch man Carolin bei ihren Touren gut begleiten kann.

Der Schreibstil ist nicht nur locker und flüssig, sondern besticht sprachlich durch die gekonnte Differenzierung – die Deutsche Carolin spricht bzw. denkt auf Hochdeutsch, die Gasteiner sprechen Salzburger Dialekt. Dadurch entsteht Lebendigkeit und es wirkt authentisch. Der Krimi ist in kurze Kapitel untergliedert, mit Überschriften, jedoch ohne Orts- oder Zeitangaben. Das Buch erschien 2023. Die Handlung spielt in der nicht genau festgelegten Gegenwart.

Die Atmosphäre von Bad Gastein wird so anschaulich beschrieben, dass man den Eindruck bekommt, anhand des Buches könnte man sich problemlos dort zurechtfinden. Nicht nur die teils unberührte Natur, die Weite der Almen und die imposante Gebirgslandschaft animieren zu einem Besuch dieser Örtlichkeiten, sondern auch die kulinarischen Köstlichkeiten klingen verlockend. So en passant lernt man auch noch, wie man ein Wiener Schnitzel richtig zubereitet.

Die Protagonisten sind durchwegs sympathisch dargestellt, lebendig und natürlich. Carolins deutsche Herkunft ist rein sprachlich offensichtlich, aber sie wird zusehends heimisch in Bad Gastein. Sie ist eine ausgezeichnete Beobachterin, verfügt über einen guten Spürsinn und kann so dem Polizisten Herzinger immer wieder hilfreiche Hinweise liefern, weswegen er sie stets scherzhaft „Miss Marple“ nennt. Noch ist sie Single und durchaus bereit für eine neue Beziehung. Mit Bruno, Lois oder Valentin vielleicht?

Nicht nur der Fall des auf der Alm erschossenen Russen beschäftigt die Polizei. An Verdächtigen mangelt es nicht, an in die Irre führende Spuren ebenfalls nicht, was zum Miträtseln anregt. Zudem beleben etliche merkwürdige Vorkommnisse die Handlung, gestalten sie abwechslungsreich, interessant, sorgen für Überraschungen und weitere Spannungsmomente. Unversehens kommt Carolin dem Mörder in die Quere und gerät in große Gefahr. Schließlich klärt sich nicht nur der Mordfall schlüssig auf, sondern auch all die anderen Vorfälle.

„Sturzwasser“ hat mir spannend-vergnügliche Lesestunden beschert, war für mich eine wunderbar stimmige Urlaubslektüre, als ich das Buch in Zell am See las, das sich relativ nahe bei Bad Gastein befindet. Ich freue mich schon auf weitere Fälle von Carolin und bin auch neugierig, wie ihr Leben weitergeht.

Bewertung vom 24.06.2023
Marschall, Anja

Die toten Engel von Kreta


ausgezeichnet

Sonniges Kreta – dunkle Traditionen

„Die toten Engel von Kreta“ von Anja Marschall ist ein spannender Krimi mit abenteuerlichen Szenarien und griechischem Urlaubs-Flair.

Klappentext:
Thea reist nach Kreta, wo ihre Tochter einen tödlichen Unfall hatte. Doch die Tote, die sie identifizieren soll, ist nicht Anna. Wo ist ihr Kind? Zusammen mit einem geheimnisvollen Einheimischen, der sich Alexis nennt, stellt Thea auf eigene Faust Nachforschungen an, denn die Behörden verweigern ihre Hilfe. Nach und nach muss sie jedoch erkennen, dass Alexis von ganz eigenen Motiven angetrieben wird. Wer ist er wirklich – und was will er von Theas Tochter?

Bereits das ansprechende Cover mit blauem Himmel, Meer und einer griechischen Kapelle stimmt auf das Umfeld ein, in dem sich die Krimihandlung bewegt. Das Buch erschien 2023, die Handlung spielt in der nicht genau festgelegten Gegenwart. Ich war besonders gespannt auf dieses Buch, kannte ich doch bislang Anja Marschall nur als Autorin sehr akribisch recherchierter historischer Romane. Auch dieser Krimi basiert auf gewissen historischen Fakten. Mit dem Kernthema, den auch heute noch in den Bergen Kretas vorkommenden Blutfehden, hat sich die Autorin eingehend befasst. Sehr informativ fand ich die im Nachhang erklärten Fakten bzw. was Fiktion ist.

Der Schreibstil ist flüssig, die kurzen Kapitel, öfters mit einem Cliffhanger endend, animieren zum Weiterlesen. Die Kapitel verfügen weder über Zeit- und Ortsangaben, wodurch man ein wenig den Überblick über die Dauer der Suche verliert. Die bildhaften Beschreibungen der vielseitigen Landschaft Kretas, von herrlichen Badestränden und Urlaubsflair bis zu felsiger Gebirgslandschaft vermitteln nachhaltiges Kopfkino. Das griechische Ambiente, das Lokalkolorit wird durch kurze griechische Dialoge und kulinarische Genüsse unterstrichen.

Gleich von Beginn weg fühlt man sich mitten im Geschehen, empfindet mit der verzweifelten Mutter, die ihr Kind zunächst tot wähnt und sich schließlich mangels behördlicher Unterstützung dazu entschließt, ihr Tochter selber zu suchen – ohne ausreichende finanzielle Mittel, ohne Sprachkenntnisse, auf sich allein gestellt. Als Alexis ihr Hilfe anbietet, wandelt sich die Suche immer mehr in eine packende abenteuerliche Flucht mit gefährlichen Momenten bzw. in einen Wettlauf gegen die Zeit: wer findet Anna früher, sie oder ihre Gegner? Primär erlebt man das Geschehen aus Theas Sicht, doch kurze Perspektivenwechsel zur vermissten Anna und zur Gegenseite beleben die Handlung, steigern die Spannung, die somit bis zum dramatischen Showdown nie nachlässt.

Die Charaktere der beiden Protagonisten sind lebendig und emotionell dargestellt. Insbesondere Thea besticht durch ihre Willenskraft, ihren Mut, Anpassungsfähigkeit, körperliche und psychische Stärke. Alexis durchschaut man anfangs schwer, weil ihn so viel Geheimnisvolles umgibt. Letztlich sind seine Handlungen gut nachvollziehbar. Die diversen Nebenfiguren sind auch gut vorstellbar charakterisiert.

Mit „Die toten Engel von Kreta“ ist Anja Marschall ein fesselnder Kriminalroman gelungen, in dem sich Spannungsmomente mit Urlaubsfeeling gut vermischen und man zudem auch über die dunkle Seite Kretas etwas erfährt. Last but not least agieren zwei sympathische Protagonisten, über deren weiteres Schicksal ich hoffe, in Fortsetzungsromanen zu erfahren.

Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 20.06.2023
Archan, Isabella

Schießt nicht auf die MörderMitzi


ausgezeichnet

Mitzi und der Mörder an Bord

„Schießt nicht auf die Mördermitzi“ von Isabella Archan ist nicht nur ein sehr spannender, sondern auch unterhaltsamer Regionalkrimi, der fünfte Band dieser Reihe.

Klappentext:
Mitzi und Agnes auf Verbrecherjagd – Gänsehaut und Lachfalten garantiert.
Nicht mal auf einer romantischen Schiffsreise hat die Mitzi ihre Ruhe – das Verbrechen ist ihr immer dicht auf den Fersen. Diesmal befindet sie sich mitten auf der Donau, als die erste Leiche auftaucht. Während Inspektorin Agnes Kirschnagel noch mit den kriminalistischen Fakten beschäftigt ist, stürzt sich Mitzi mit ihrer Vorliebe für böse Buben schon kopfüber in die Mördersuche. Und ziemlich schnell wird’s sehr brenzlig ...

Das atmosphärische Cover vermittelt schon das richtige Reisefeeling. Das Buch erschien 2023 und spielt in der Gegenwart; nähere Zeitangaben sind nicht vorhanden. Der Roman ist in vier Abschnitte unterteilt, wobei zu Beginn eines jeden Teils in Form einer Ankündigung zu einer TV-Krimi-Reihe jeweils kurz die Inhalte der vier Vorgängerbände angeschnitten werden. Ich fand diese Idee sehr gelungen. Auf diese Art und Weise wird für Quereinsteiger ein wenig Information zu früheren Geschehnissen vermittelt und Neugierde geweckt, diese Fälle nachzulesen. Und Kenner der Reihe können ihre Erinnerungen auffrischen. Innerhalb der Abschnitte gliedert sich das Buch in Kapitel, deren Kürze zum flotten Weiterlesen animiert.

Der Schreibstil ist flüssig, sehr bildhaft. Insbesondere die detaillierten, stimmungsvollen Beschreibungen der vorüberziehenden Landschaft, der Sehenswürdigkeiten, des Lebens an Bord, aber auch der Mitreisenden haben mich begeistert. Man bekommt einfach Lust, eine Flusskreuzfahrt anzutreten. Zudem wird en passant auch so manch Wissenswertes mitgeliefert. Die typischen österreichischen Ausdrücke unterstreichen das Lokalkolorit, im Glossar finden sich die entsprechenden Übersetzungen bzw. Erklärungen.

Für mich war es das erste Buch aus dieser Reihe. Ich hatte keinerlei Probleme, in die Geschichte hineinzukommen und überblickte auch den relevanten Personenkreis in Kürze. Dennoch, um die Entwicklung der Protagonisten nachvollziehen zu können, sollte man besser mit Band 1 beginnen.

Gleich zu Beginn wird man Zeuge eines Mordanschlages, im Übrigen sehr eindrucksvoll aus Sicht des Opfers beschrieben. Man befindet sich somit sofort mitten im Geschehen. Die Perspektivenwechsel zwischen den Dieben, der Mördermitzi und den polizeilichen Ermittlungen gestalten die Handlung abwechslungs- und temporeich. Es mangelt nicht an Verdächtigen und in die Irre führenden Spuren. Als Leser hat man ausreichend Gelegenheit mitzurätseln, verfügt zwar meist über einen Wissensvorsprung gegenüber den Protagonisten und tappt dennoch lange Zeit im Dunkeln. Zudem befeuern immer wieder Cliffhanger und gefahrvolle Momente die Spannung, bis letztlich in einem dramatischen Showdown der Täter gefasst werden kann.

Die handelnden Personen fand ich sehr anschaulich beschrieben, und zwar auch die Nebenfiguren, wie die unterschiedlichen Mitreisenden, die charakterlich sehr unterschiedlichen Kleinganoven oder einzelne Crewmitglieder. Mitzi und Agnes stehen im Mittelpunkt, die trotz ihrer eher konträren Wesenszüge in inniger Freundschaft verbunden sind. Gut dosiert gewinnt man auch Einblick in ihr Privatleben. Als Neuling kann ich leider das gesamte Ausmaß ihrer Entwicklung nicht erkennen, aber die beiden strahlen Sympathie aus. Mitzi ist ein ganz besonderer, liebenswerter Mensch durch ihren Hang zum Geschichtenerzählen, ihr Gespür, auch ihre naive Art, ihr impulsives Handeln, ihr Herz am rechten Fleck, Agnes wirkt verantwortungsvoll, ernsthafter. Beide haben so ihre Probleme, haben Schuldgefühle – Mitzi ob ihrer Vergangenheit, Agnes eher im Zuge der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

„Schießt nicht auf die Mördermitzi“ hat mich durch die ausgezeichnete Mischung aus Spannung und Lokalkolorit bestens unterhalten, vor allem bin ich Mitzis Fan geworden. Ich freue mich nicht nur schon auf ihren nächsten Fall, der ja bereits am Ende angedeutet wird, sondern will die früheren Fälle nachlesen. Ein Buch, das ich einfach weiterempfehlen muss!

Bewertung vom 07.06.2023
Grausgruber, Gabriele

Stallblut


sehr gut

Ein gelungenes Debut

„Stallblut“ stellt quasi ein Debut dar. Zwar hat die Autorin Gabriele Grausgruber bereits durchwegs schriftstellerische Erfahrung – sie veröffentlichte u.a. Kurzkrimis in Anthologien, etliche Kinderbücher und auch Mundartbücher – doch dies ist ihr erster Krimi. Dem Genre nach ist es ein Regionalkrimi mit Wohlfühlfaktor.

Worum geht es?
Ein Bauer wird nachts brutal niedergeschlagen und verstirbt schließlich an den schweren Verletzungen. Im Zuge der Mord-Ermittlungen stößt Gruppen-Inspektor Gerber, der Leiter der Polizeistation des fiktiven Dorfes Tutzenbach im Innviertel, auf mehr kriminelle Energie als erwartet.

Das in nebulösem Grau-in-Grau gehaltene Cover passt sehr stimmungsvoll zu der düsteren Szenerie, die den Bauernhof des Mordopfers umgibt. Die Kapitel sind kurz, jeweils mit genauen Datums- und Zeitangaben versehen, was ich sehr schätze, weil man den chronologischen Ablauf, speziell im Hinblick auf diverse Rückblenden, gut verfolgen kann. Die Handlung spielt in der jahresmäßig nicht genau festgelegten Gegenwart; da der 4.6.2020 ein Donnerstag war, möglicherweise in diesem Jahr, allerdings ohne Hinweis auf Corona. Das Buch erschien 2023, gut leserlich mit relativ großer Druckschrift. Störend empfand ich die große Anzahl von Leerseiten. Das Buch enthält zu Beginn ein ausführliches Personenregister, das einem den Überblick über die doch recht zahlreiche Dorfgemeinschaft sehr erleichtert. Des Weiteren befindet sich am Ende ein kurzes, einige Dialektausdrücke erklärendes Glossar.

Die Personen, deren Umfeld und die Geschehnisse sind sehr bildhaft und detailliert beschrieben, wodurch man sehr gut in die dörfliche Atmosphäre hineingezogen wird, in die Schönheit und Weite der Landschaft ebenso wie in das dörfliche Alltagsleben. Olfaktorisch quillt vom Kuhdunggestank bis zum Rosenduft das gesamte ländliche Luftbukett zwischen den Zeilen hervor. Unterstrichen wird das Lokalkolorit nicht nur durch diverse im ländlichen Dialekt abgehaltene Dialoge, sondern auch durch zwischen den Kapiteln eingestreute sogenannte Gstanzln, im Übrigen ebenfalls von der Autorin selbst verfasst.

Bereits nach wenigen Seiten steckt man mitten in den Ermittlungen, tappt wie Gerber im Dunkeln. Die stetigen Perspektiven- und Ortswechsel, auch Rückblenden, halten die Spannung am Köcheln. Es gibt keine eindeutigen Verdächtigen, lange Zeit keine wirklich hilfreichen Spuren. Schließlich überschlagen sich am Hof des Ermordeten die Ereignisse, als ein unehelicher Sohn auftaucht und Erbansprüche stellt. Gerber weitet seinen Ermittlungsradius aus und stößt dabei auf diverse kriminelle Machenschaften, bis ihn letztlich ein entscheidender Hinweis zum wahren Mörder führt.

Abgesehen vom dörflichen Flair fand ich auch die Milieudarstellung sehr einprägsam, die Charakterisierungen der Menschen. Von der verhärmten, abgearbeiteten, vom Ehemann jahrelang drangsalierten und geschundenen Bäuerin, über den einsamen pensionierten Kriminalbeamten und einige klischeehaft dargestellte Bösewichte bis zu jenen tratschsüchtigen, oberflächlichen Frauen, die anstatt einer betrogenen Freundin zur Seite zu stehen, diese fallen lassen. Leider konnte ausgerechnet der Protagonist sich bei mir nicht als Hauptsympathieträger profilieren. Gerber wirkt zwar sympathisch, doch zur Abrundung seines Charakters fehlen ein lebendiges Privatleben, private Aktionen und damit verbundene Emotionen, Kontakte zu Freunden, eine Beziehung. Man erfährt zwar seine Vorgeschichte, dass und warum er noch immer Single ist, wie er über Frauen denkt, dennoch war er mir zu wenig lebendig, zu wenig facettenreich für eine Zentralfigur.

Mit „Stallblut“ ist meiner Ansicht nach der Autorin ein respektables Erstlingswerk gelungen. Der Fall ist zwar nicht sonderlich komplex, doch ist er gut aufgebaut, mit Neben-Handlungssträngen, mit kleinen Hinweisen und nach und nach hinzukommenden Informationen. Ich nehme an, dass es sich um den ersten Band einer Reihe handelt, sich insbesondere die Protagonisten weiterentwickeln werden – vielleicht wird ja auch aus Gerber und Rosa ein Paar?

Grundsätzlich hat mir der Krimi recht gut gefallen, aber es gibt noch etwas Luft nach oben – daher vergebe ich 4 von 5 Punkten.