Benutzer
Benutzername: 
SusanK
Wohnort: 
Osnabrück

Bewertungen

Insgesamt 234 Bewertungen
Bewertung vom 19.01.2021
Trauboth, Jörg. H.

Jakobs Weg


ausgezeichnet

Jörg H. Trauboth, international tätiger Krisenmanager und ehemaliger Generalstabsoffizier der Luftwaffe, Notfallseelsorger und gefragter Experte, hat mit "Jakobs Weg" seinen vierten Roman auf den Weg gebracht, in dem er sich dem Thema der "sexualisierten Gewalt an Kindern" beschäftigt. Die in der Presse immer wieder nur kurz auftauchenden Schlagzeilen über Pädophile und die Tatsache, dass die herrschende Corona-Pandemie mit häuslicher Isolation zu vermehrtem Missbrauch führt, machen es wichtig, sich mit diesen Problemen genauer auseinanderzusetzen.
Trauboth hat, um das Thema "lesbarer" zu machen und so einer breiteren Masse zuzuführen, als Genre hier nicht das Sachbuch, sondern den Krimi gewählt. Dabei vermag er es geschickt, zahlreiche Fakten und wichtige Informationen in den Text einzuarbeiten und dem Leser so auf leichte Art eine Menge an Fachwissen zu vermitteln. Gleichzeitig gelingt es ihm, die Grausamkeit der sexualisierten Gewalt oftmals nur so anzureißen, dass die Perversitäten nicht ausgeschlachtet werden, sondern sich Handlungen oftmals nur im Kopf des Lesers abspielen, der hier nicht zum Voyeur wird und das Grauen nicht bis ins kleinste Detail nachlesen muss. Doch auch so lief es mir bei der Lektüre immer wieder kalt den Rücken hinunter und der "Mord an der Seele" der Kinder macht mich sprachlos. Deutlich wird, wie aus Opfern später selbst Täter werden, welches Geschäft hinter dem Grauen steht und mit welchen großen Problemen die Polizei bei der Aufklärung der Verbrechen zu kämpfen hat.

Am Ende wendet sich Trauboth noch in einer persönlichen Angelegenheit an die Leser und erläutert seine Motivation als Autor für dieses Buch, mit dem er das Thema des Missbrauchs aus der Tabuecke herausholen will sowie Menschen aufrütteln und animieren, genau hinzuschauen - was ihm interessanterweise schon mit dem Cover gelingt, das, neben dem Titel, den gelben Pfeil des Jakobsweges auf einer rauen Baumrinde zeigt. Überaus gelungen! Ergänzend gibt es am Ende auch noch konkrete Informationen für Erste Hilfe und Anlaufstellen, was das Buch absolut abrundet.
Trauboth hat ausnehmend gut recherchiert und sich in das Thema nicht nur sachlich, sondern auch mitfühlend eingearbeitet und nimmt den Leser mit.

Trotz der vielen Sachinformationen ist der Krimi spannend von Anfang bis Ende und ein wahrer Page-Turner, den ich nicht aus der Hand legen wollte. Viele Fragen ergaben sich und beschäftigten mich lange mitzurätseln nach Tätern und Motiven und mitzufiebern mit dem Gelingen der Operation bis zu einer überraschenden Wendung am Schluss.
Ich bin sehr glücklich, dass dieser Krimi zu einem ruhigen und doch einigermaßen glücklichen Ende findet, so dass ich mit Hoffnung in die Zukunft blicken kann und mich keine Albträume plagen.

Wieder einmal mehr hat sich der Autor intensiv mit seinen Figuren auseinandergesetzt und erweckt diese vor den Augen des Lesers zum Leben. Ihr Handeln ist authentisch, sie sind mehrdimensional und ihr Schicksal bewegt in jeder Richtung - und das auch, wenn man sie nicht unbedingt mögen muss.

Last not least ist auch das Setting von besonderer Bedeutung und ergibt ein drittes Genre, das genannt werden muss neben Krimi und Sachbuch: Der Reiseführer. Durch die intensive Beschäftigung mit den Etappen des Camino Francés (sehr schön dazu auch die Grafik am Anfang des Buches) habe sogar ich Lust bekommen, auf dem Jakosweg zu pilgern und viele Eindrücke zu erwandern.

Für mich ergibt sich hieraus eine klare 5-Sterne-Bewertung, denn dieses Buch ist absolut herausragend und ich kann die Lektüre einfach nur klar empfehlen: Bitte unbedingt lesen und Konsequenzen ziehen!!!
Allerdings möchte ich eine Triggerwarnung aussprechen für Missbrauchsopfer, selbstverletzendes Verhalten, suizidale Gedanken u.a.

Bewertung vom 10.01.2021
Zellner, Ingrid; Dorra, Simone

Ein Lied in der Nacht (eBook, ePUB)


sehr gut

Ex-Agent Vikram Sandeep führt mit seiner Frau Sameera, Traumatherapeutin, das Waisenhaus Dar-as-Salam im politisch instabilen Kashmir. Als einer ihrer Schützlinge in einem Zeitungsartikel über eine hochrangige Persönlichkeit einen seiner Peiniger entdeckt, beschließen Vikram und Sandeep, gemeinsam mit ihrem Freund Raja Sharma, einem Kinderschänderring das Handwerk zu legen. Dabei geraten sie nicht nur in höchste Gefahr, sondern durch das Auftauchen eines Mannes aus Vikrams Vergangenheit scheint auch die tiefe Freundschaft zwischen den FAmilien zu zerbrechen ....

"EIn Lied in der Nacht" ist bereits der fünfte Band der KASHMIR-SAGA um das Waisenhaus Dar-as-Salam und die befreundeten Familien von Vikram und Sameera und Raja und Sita, in denen die beiden tollen Autorinnen Simone Dorra und Ingrid Zellner nicht nur eine tief emotionale Familiensaga ersonnen haben, sondern auch das ferne Kashmir mit seinen großen Problemen den Lesern näherbringen. Gerade die politische Instabilität, die Ablösungsbestrebungen von Indien und die daraus resultierenden Probleme verdienen ein Hingucken der westlichen Welt!
Natürlich lässt sich dieser Band auch lesen, ohne die vorhergehenden Bücher zu kennen; durch das Personenverzeichnis und die vielen Rückblenden und Gespräche ist das Geschehen absolut nachvollziehbar. Schöner ist natürlich der Einblick in das große Ganze, die ganzen Entwicklungen und Verflechtungen - und die bildgewaltige Saga verdient auch das Lesen der kompletten Reihe.

Langsam und ruhig beginnen die beiden Autorinnen diesen Roman, als das Schicksal von völlig unerwarteter Seite zuschlägt. Die scheinbare exotische Idylle, die der Leser begierig aufsaugt, schlägt schnell ins Gegenteil um und nichts bleibt, wie es ist. Besonders erscheint in diesem Band auch, dass die eingeschworenen Familien diesmal nicht nur gegen die bösen Mächte außerhalb kämpfen, sondern auch ihre Freundschaft, der sichere Boden der Saga, in Gefahr gerät. Dabei werden die Leser konfrontiert mit der Frage nach Schuld und Sühne und müssen sich hier auch mit ihren eigenen Einstellungen auseinandersetzen.

Und Simone Dorra und Ingrid Zellner können auch "Krimi" - wenn die Ermittlungen zur Zerschlagung des Kinderschänderrings in atemberaubender Spannung den Leser voran treiben!

Obwohl es sich um eine Familien-Saga handelt, steht für mich doch immer das Land Kashmir im Mittelpunkt - dieses fremde Land zwischen exotischer Schönheit und innerer Zerrissenheit, zwischen Moderne und Tradition, zwischen Menschlichkeit und unvorstellbarer Brutalität. DAbei haben die Autorinnen nicht nur sehr gut recherchiert, sondern lassen ihre eigene Liebe zu diesem Land in jeden Satz einfließen.

Zum Glück gibt es ein ausführliches Glossar am Ende des Buches, so dass die fremden Begriffe genau erklärt werden. Dennoch hatte ich auch immer wieder Lust, weiter zu recherchieren und mehr zu erfahren, so dass ich viel lernen konnte.

Das Thema "Kindesmissbrauch" ist für sich genommen sehr schwer zu verkraften, doch ersparen uns Dorra/Zellner oft die wirklich schmutzigen Details, so dass es aushaltbar bleibt, darüber zu lesen. Unfassbar, wie rückständig die Gesetzeslage dazu in Indien und Kashmir ist!

Die Figuren sind mit sehr viel Liebe authentisch und mehrdimensional gezeichnet und ich konnte mit allen mitfiebern und mitfühlen; alle scheinen mir lebensecht zu begegnen und in Gesprächen erscheinen sie wie gute Bekannte oder gar Freunde, und das erlittene Leid fühlt sich fast an wie eigener Schmerz. Sehr schön, wie sie sich auch mit den Büchern weiterentwickeln und immer wieder neue Facetten kenntlich werden.

Und nur deshalb verzeihe ich dem Autorinnenpaar den fiesen Cliffhanger, der mich schon wieder sehnsüchtig auf den 6. Band warten lässt!

Bildgewaltig, emotional, ergreifend, spannend, nachdenklich, lehrreich - natürlich muss ich da eine Leseempfehlung aussprechen!

Bewertung vom 04.01.2021
Land, Karl-Heinz;Schulze Bölling, Leonie

Permanent Error


sehr gut

Der stets neugierige Wirtschaftsjournalist Michael Baker soll von einem Freund und Informanten brisante Informationen erhalten, doch dieser wurde ermordet und Baker gerät selbst unter Mordverdacht. Durch seine Recherchen beschäftigt er sich mit dem Diesel-Skandal bei VW, der Regenwald-Mafia, Monsanto und Korruption und wird tief hineingezogen in den Sumpf der Konzerne und Politiker, bis er schließlich den grundlegenden Irrtum in unserem System erkennt.

Karl-Heinz Land und Leonie Schulze Bölling beschäftigen sich in ihrem genreübergreifenden "Inspirationskrimi" mit den Problemen unserer Zeit. Keinem Leser werden die - hier sehr gut recherchierten und ausgezeichnet nachvollziehbar aufgezeichneten - Skandale gänzlich unbekannt sein. Und auch, wenn nicht immer eindeutig ist, was Realität ist oder war oder was Fiktion - der Leser kommt auf höchst unterhaltsame und spannende Art mit dem Diesel-Skandal, der Monsanto-Problematik und der südamerikanischen Regenwald-Mafia in Kontakt. Doch die Autoren belassen es nicht einfach bei der Problematik, sondern sie wecken Verständnis für die "normalen" Menschen, die kriminell agieren und zeigen sogar Lösungsansätze des "permanten Irrtums" auf.

Die Figur Michael Baker steht dabei im Zentrum des Entdeckens und Aufklärens und nimmt den Leser mit auf ein großes Abenteuer. Er wie auch die weiteren Figuren sind dabei authentisch und nachvollziehbar gezeichnet und ich konnte gut mitfiebern.

Trotz der vielen Sach-Aspekte verlor die zugrunde liegende Krimihandlung nicht an Spannung; der an den Missständen unserer Zeit interessierte Leser wird tief hineingesogen in die spannende Aufarbeitung der Themen.
Warum Elektroautos keinesfalls zukunftstauglich sind, wieso trotzdem in diese Art der Mobilität investiert wird und wer davon profitiert, bzw. welche Alternativen sinnvoll sind, ist dabei nur ein Beispiel für die wichtige Aufklärung, die Karl-Heinz Land mit seinem Werk betreibt.

Sprachlich begann das Buch für mich leider etwas unrund, sodass ich die Lektüre anfangs fast abgebrochen hätte, was wirklich ein großer Verlust gewesen wäre - doch deshalb kann ich leider "nur" vier Sterne vergeben, obwohl ich diesen Krimi für unbedingt lesenswert halte und ihn allen geneigten Lesern dringend weiterempfehlen möchte!

Bewertung vom 04.01.2021
Schmid, Eva-Isabel

Paracelsus - Auf der Suche nach der unsterblichen Seele


sehr gut

Theophrastus Bombast von Hohenheim, von seinen Freunden scherzhaft "Paracelsus" genannt, lebt und studiert an der ältesten Universität der Schweiz, in Basel Medizin. Allerdings macht er sich über die meisten Vorstellungen der Ärzte im 16. Jahrhundert lustig; vor allem sieht er einen ganzheitlichen Ansatz in der Medizin und ist darum auf der Suche nach der menschlichen Seele, um so den Kranken besser helfen zu können. Während seine Forschungen an Toten zunächst von der Wissenschaft und der Kirche gefödert werden, ändert sich - nicht nur für Paracelsus - alles, als ein neuer machtbesessener und äußerst brutaler Bischof das Sagen in der mittelalterlichen Stadt hat. Denn während dieser bereits das Aufschneiden von Leichen als Blasphemie betrachtet, wendet sich der Arzt tatsächlich dem Okkultismus zu, um sein höheres Ziel zu erreichen und wird so schließlich verfolgt und muss fliehen. Und auch seine Freunde gelangen ins Visier des Bischofs....

"Paracelsus - Auf der Suche nach der menschlichen Seele" ist der Auftakt einer historischen Reihe um den wohl berühmtesten Arzt Europas, Alchemist und Naturphilosoph Paracelsus.

Eva-Isabel Schmid hat sehr gut recherchiert und bringt dem Leser auf höchst unterhaltsame Weise das historische Leben des 16. Jahrhunderts nahe. Verbriefte Fakten ergänzt sie dabei durch Fiktion, so dass ein buntes Bild der Protagonisten und des Lebens im Spätmittelalter entsteht. Besonders spannend fand ich dabei die - doch zumeist sehr gruseligen - Ansichten der frühen Medizin, doch Schmid schreibt über so viel mehr. Wer einen Roman ausschließlich über den großen Arzt erwartet, wird hier wohl enttäuscht werden, da die MEdizin doch nur einen recht kleinen Teil des Buches einnimmt. Spannend zeigt die Autorin das Stadtleben Basels und die Macht des Bischofs und seiner zu Widerstand mutierenden Handlungen auf.

Die Figuren sind authentisch und bilderreich geschildert; schnell bilden sich beim Leser Sympathien und Antipathien aus - und, welch Überraschung - Paracelsus ist keinesfalls der umjubelte Heilsbringer, sondern stößt mit seinen Ecken und Kanten und seiner besessenen Suche nach der menschlichen Seele auf zahlreiche Widerstände.

Während die faszinierenden Schilderungen mich sehr fesselten und eine große Spannungskurve das Buch umspannte, fanden sich ein paar kleinere Längen, die jedoch dem Lesevergnügen keinen Abbruch taten.

Das Setting liegt überwiegend auf Basel und ich habe mich in dieser - noch immer - beeindruckenden Stadt schnell wiedergefunden und konnte die Wege der Handlung gut nachvollziehen.

Mir hat die Lektüre dieses gewaltigen historischen Romans sehr viel Freude bereitet und ich habe dabei auch noch einiges lernen können!
Daher bewerte ich das Buch mit einem "sehr gut" und ****.
Eine klare Empfehlung für alle Freunde der Historischen Romane.

Bewertung vom 15.11.2020
Lagrange, Pierre

Eiskalte Provence / Commissaire Leclerc Bd.6


ausgezeichnet

Es geht auf Weihnachten zu und Albin Leclerc muss mit Erschrecken festellen, dass seine Lebensgefährtin Véronique ein großes Familienfest plant, was ihm gehörig gegen den Strich geht, Zudem hat sein Hausarzt eine Zyste an seiner Niere entdeckt, und so hat Leclerc quasi schon den Tod vor Augen...
Als eine Frauenleiche in einer "Borie", einer Steinhütte gefunden wird, stürzt sich der pensionierte Ermittler als Berater der Polizei in Ermittlungen, die ihn zu einer obskuren Sekte, die ´sich offenbar nicht nur um ihr eigenes Seelenheil kümmert....

Mit "Eiskalte Provence" legt Pierre Lagrange (ein bekannter Deutscher Autor, der hier unter seinem Pseudonym versteckt ist) nun schon den sechsten Fall seines kauzigen, doch höchst liebenswerten Ermittlers Albin Leclerc vor. Leclerc ist inzwischen pensioniert, was ihn jedoch nicht davon abhält, seinen Kollegen weiter unterstützend bis nervend zur Seite zu stehen. Dabei entwickelt der Autor auch die Geschichte um seine Figuren um Leclerc immer weiter fort, so dass der Leser auch in diesem Buch wieder auf vertraute und geliebte Personen stößt. Es lässt sich auch für Neuleser problemlos erst jetzt in die Reihe einsteigen, allerdings stehen einige Elemente dann ein wenig im leeren Raum, was sich aber problemlos verschmerzen lässt.

Eine besondere QUalität sind bei Pierre Lagrange die liebevoll ausgearbeiteten Protagonisten; insbesondere die Kernfigur Leclerc ist ein höchst interessanter, mehrdimensionaler Ermittler, der seinen Lesern inzwischen ans Herz gewachsen ist. Dabei ist es natürlich klar, dass neben dem eigentlichen Krimi auch immer private Geschichten von Bedeutung sind. Diesmal ist es vor allem die Auseinandersetzung mit einer vielleicht tödlichen Krankheit und der Umgang damit, vor allem aber der Kult um Weihnachten. Auf humorvolle Weise wird geschildert, wie sich Leclerc den Anforderungen seiner Partnerin, sie bei der Vorbereitung eines fulminanten Weihnachtsfestes zu unterstützen, widersetzt und zwingt so den Leser auch zum Nachdenken über dieses Fest. Selten habe ich so viel schmunzeln bis lauthals lachen müssen in einem Krimi!

Und natürlich findet sich auch eine ordentliche Portion Provence-Atmosphäre in diesem Krimi, der Fernweh weckt und schöne Gedanken an Südfrankreich aufkommen lässt. Allerdings spielt der Krimi nicht während der touristischen heißen Sommermonate, sondern im kalten und recht verlassenen Winter, was in meinen Augen eine angenehme Abwechslung zum normalen Trott darstellt.

Doch auch das Wichtigste, der Krimi, kommt nicht zu kurz. Von Beginn an besteht Spannung mit der Schilderung des Mordes über eine recht frühe Präsentation des Täters, der jedoch überraschender Weise gar nicht die Lösung des Falls ist, bis hin zum großen Showdown am Ende des Buches, das cineastische Züge hat. Während anfangs der Schwerpunkt noch mehr im Privaten liegt, nimmt die Ermittlungstätigkeit und die Spannung eine immer größere Rolle ein.

Spannend ist für mich das Thema der "Banater", der Menschen, die massenhaft aus Rumänien nach Frankreich eingewandert sind- wieder etwas gelernt! - und berührend und nachdenklich machend die religiösen Fanatiker, hier in einer kleinen unscheinbaren Sekte, die so eine große Gefahr ausüben können.

Mir hat dieser eher ungewöhnliche Krimi sehr viel Spaß gemacht und ich empfehle ihn sehr gerne weiter. Allerdings werden Hardcore-Krimi-Leser vielleicht ein wenig Schwierigkeiten mit den Nebenschauplätzen haben, wenngleich der sympathische Leclerc auch nicht in den Einheitsbrei der rauchenden, trinkenden und a-sozialen klassischen Ermittler passt.
Ich freue mich jedenfalls schon auf den siebten Fall von Commissaire Leclerc in der Provence!

Bewertung vom 09.11.2020
Schorlau, Wolfgang

Kreuzberg Blues / Georg Dengler Bd.10


sehr gut

Wolfgang Schorlau legt mit “Kreuzberg Blues“ nun seinen bereits zehnten politischen Krimi um den außergewöhnlichein Privaterermittler Georg Dengler vor und fasst diesmal das hochaktuelle brisante Thema des „bezahlbaren Wohnens“ und die illegalen Machenschaften der großen Finanzunternehmen auf. Zweites Schwerpunktthema in diesem Band ist die aufkommende Corona-Krise, und in diesem Zusammenhang schreibt Schorlau auch von Impfgegnern, Verschwörungstheorien, Aluhutträgern, den absurden Argumenten der Demonstranten usw. sowie den Ungereimtheiten der Anthroposophie.


Mit vielen gut recherchierten Hintergrundinformationen gelingt es Schorlau wieder einmal, ein hochaktuelles Thema verständlich und umfassend aufzubereiten und dem Leser auf unterhaltsame Weise näherzubringen. Dazu kommt, dass dieses Buch für mich nun das erste ist, in dem die weltweite Corona-Krise thematisiert wird - schon seit geraumer Zeit habe ich mich gefragt, wann die momentane Wirklichkeit Einzug in die geschriebene Welt finden wird.


Allerdings muss ich kritisieren, dass Schorlau bei Randthemen nicht sorgfältig gearbeitet hat: Da ist zunächst einmal das Verhalten der Zuschauer in einer Fußball-VIP-Lounge zu nennen, in der die Gäste, trotz aller Absurdidät sonst, sicher KEINE AbendGarderobe tragen, und - für mich noch schwerwiegender -der gezogene Zusammenhang zwischen Impfgegnern und Borreliose - gegen Borreliose gibt es keine Impfung und somit ist diese Erkrankung den Impfgegern nun einmal nicht anzulasten und somit ein ganz schlechtes Beispiel!!!


„Kreuzberg Blues“ ist - wieder einmal - ein spannender Fall mit authentisch beschriebenen Figuren, den der sympathische Dengler in Zusammenarbeit mit seiner cleveren und unerschrockenen Freundin Olga in aufopfernder Weise zu einem befriedigenden Ende führt, das jedoch diesmal noch einen Cliffhanger beinhaltet!


Allerdings wäre für mich in diesem Buch weniger mehr gewesen, denn Schorlau verstrickt sich in vielen einzelnen Themen, von denen die Genforschung an Ratten zum Verstehen der Domestizerung, das skrupellose Vorgehen der Finanzoligarchen, die amerikanische Business-Mentalität, brutale Vergewaltigung unter Zuhilfenahme von k.o.Tropfen und Ähnliches zwar noch zum Fall gehören, die Machenschaften einer politisch rechten „Gruppe“ in Berlin zur Unterstützung von Bundesministerien, ein Entwurf einer Verfassungsänderung und extreme Einflussnahme auf die Politik von außen usw. allerdings ein wenig nebenher laufen und in meinen Augen den Lesefluss erschweren, ohne notwendig zu sein für das eigentliche Kernthema.


Diese beiden Kritikpunkte führen für mich leider zu einem Punktabzug in der Bewertung, auch wenn ich Denglers zehnten Fall wieder als hochklassig und absolut lesenswert weiterempfehlen möchte.


Ein umfassend geschildertes, hochaktuelles brisantes Thema wird nicht nur gut verständlich und unterhaltsam bis spannend dargeboten, erweitert den Horizont des Lesers und regt zum Nachdenken an. Bitte gerne noch viel mehr davon, Wolfgang Schorlau!

Bewertung vom 14.09.2020
Conrad, Carolina

Tödliche Algarve / Anabela Silva ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

Auf einem alten Pilgerweg verschwinden nacheinander drei Wanderer. Besonders heikel ist die Tatsache, dass auch die Halbschwester des ermittelnden Chefinspektors Joao Almeida vermisst wird. Doch damit nicht genug: Um den Tourismus nicht zu gefährden, soll möglichst alles vertuscht werden....

"Tödliche Algarve" ist bereits der dritte Band um die Dolmetscherin Anabela Silva in ihrer portugiesischen Heimat; er kann aber auch problemlos ohne Vorkenntnisse gelesen werden.

Der Autorin Carolina Conrad gelingt es auf höchst unterhaltsame Weise, den Leser mitzunehmen auf eine spannende Reise nach Portugal und in den Sommerurlaub. Beeindruckende Beschreibungen der Landschaften und der portugiesischen Lebensart spiegeln das wundervolle Land wider; vervollständigt durch eine genaue Algarve-Karte am Anfang und einem kleinen Register mit verwendeten portugiesischen Sprichwörtern und Redewendungen am Ende des Buches ein perfekter POrtugal-Genuss!

Vervollständigt wird das Ganze durch einen erfrischenden Schreibstil sowie authentische, durchaus mehrdimensionale Figuren und eine tolle Spannungskurve.

Dieser wunderbare Sommerkrimi hat mich begeistert und ich empfehle ihn sehr gerne weiter - nicht nur allen Portugal-.Fans.

Bewertung vom 14.09.2020
Hauff, Jennifer

Verschnitt


ausgezeichnet

Der KInderchirurg Johannes Gelders ist überzeugt davon, dass ausschließlich die Erziehung unsere Kinder zu dem macht, was sie sind - und darum operiert er die nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuordnenden Babys nicht nur, sondern führt auch heimlich Hormonbehandlungen durch. Um seinen narzisstischen Ehrgeiz zu stoppen, ist die OP-Schwester Liane aktiv, denn ihre Familie wurde durch die Menschenexperimente des Professors zerstört....

Ca 1 KInd von 1000 kommt mit den Merkmalen beider Geschlechter auf die Welt; eine Tatsache, die oftmals totgeschwiegen wird und der Umgang der Mitmenschen damit zu dramatischen Folgen führt. Diesem wissenschaftlichen Fakt hat sich die Autorin Jennifer Hauff nun in einem spannenden Thriller angenommen, und es gelingt ihr, dieses Thema so auch der breiten Masse eindringlich und vorurteilsfrei näherzubringen.

Jennifer Hauff hat hervorragend recherchiert und Gespräche mit Betroffenen geführt, und nicht nur die reinen Tatsachen, sondern auch die Gefühle und die seelische Zerrissenheit der Intersexuellen Menschen und ihren Angehörigen erzeugen Gänsehaut beim Leser. Dazu gelingt es ihr, die Tatsachen in einem hochspannenden Fall zu verpacken, der den Leser von ANfang an mit auf eine atemberaubende Reise nimmt.

Die Figuren sind sehr gut ausgearbeitet und vielschichtig beschrieben; gerade bei der Hauptperson gibt es nicht einfach nur Gut und Böse, sondern ein komplexes Produkt, das viel Verständnis weckt.

Wechselnde Perspektiven und ein mitreißender Schreibstil machen das Buch zu einem Lesegenuss.

Ich möchte das Buch am liebsten jedem in die Hand drücken und sagen: Lest! Ein so wichtiges Thema, das leider in der Öffentlichkeit viel zu sehr unterschätzt oder gar belächelt wird, wird hier auf eine anschauliche Art und Weise behandelt. EMpfehlenswert, großartig, wichtig!

Bewertung vom 10.09.2020
Winter, Claire

Kinder ihrer Zeit


ausgezeichnet

Die Zwillinge Emma und Alice werden in früher Kindheit auf der Flucht aus Ostpreußen vor den herannahenden Sowjets getrennt und wachsen in völlig unterschiedlichen Systemen auf; so ist die eine überzeugte Westdeutsche, die andere überzeugte Kommunistin, als sie sich im geteilten Berlin der 50er Jahre wiedertreffen und tief in die düsteren Machenschaften der Mächte hineingezogen werden....

Claire Winter hat hervorragend recherchiert und erweckt die Deutsche Geschichte zu Zeiten des Kaltes Krieges in der fiktiven Erzählung um die Zwillinge Emma und Alice zum Leben. Besser als in jedem Geschichtsbuch begreift der Leser, was es mit den "Wolfskindern" auf sich hat, was die "Kampftruppe gegen Unmenschlichkeit" tat, wie Deutsche Wissenschaftler quasi als Reparationszahlungen in die Sowjetunion gezwungen wurden, dass die DDR Staatsflüchtlinge auf offener Straße im Westen brutal entführt hat, wie Menschen sich gegenseitig bespitzelt und verraten haben und der Unrechtsstaat seine Bürger unterdrückt hat und vor allem, wie das tägliche Leben im geteilten Berlin, aber noch ohne Mauer und mit offenen Grenzen vonstatten ging.

Die Handlung ist atemberaubend spannend und wird schließlich schier unerträglich, so dass ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen wollte. Mehr noch als in jedem anderen Thriller geht das GEschehen unter die Haut, weil jeder Leser sich bewusst ist, dass es zwar um fiktive Figuren geht, doch ausschließlich echte Tatsachen zugrunde liegen und all dies unsere Deutsche Geschichte ist.

Wenn das Buch auch schließlich mit dem (zu erwartenden) Berliner Mauerbau sein Ende findet, kommt es dennoch zu einem schönen Happy-End, das den Leser beruhigt abschließen lässt.

Die Figuren sind absolut authentisch und mehrdimensional gezeichnet und (abgesehen einmal von einem Mann) nicht einfach in Gut oder Böse einzuteilen. Ihr Handeln regt den Leser zum Nachdenken und Diskutieren an und zeigt meiner Meinung nach auch auf, warum und wie es im Kommunismus in großem Ausmaß zu den Bespitzelungen untereinander kommen und wie der Staat überhaupt seine Macht aufrecht erhalten konnte. Dabei wird klar, dass niemandem zu trauen ist.

Die wechselnden Erzählperspektiven geben ein umfassendes Bild des Geschehens und bringen die Gedanken und Gefühle der Figuren gut zu Tage. Überhaupt ist der Erzählstil fesselnd, die Sprache sehr gut und weist zahlreiche schöne Formulierungen auf.

Ich bin begeistert von diesem Roman, der die Deutsche Vergangenheit so veranschaulicht und dabei eine fesselnde Geschichte über interessante Menschen erzählt. Eine Pflichtlektüre!!!
Wie schön, dass ich mit diesem Buch die Autorin Claire Winter kennenlernen durfte - ich freue mich noch auf viele weitere Bücher in diesem Stil!