Das Schicksal der Fluchträger von Philipp C. Niklas ist ein rundum lesenswertes Buch.
Es erzählt die Geschichte von Fionn und Kellen, die in einem gestrandeten Boot ein altes schwarzes Schwert finden, dessen dunkler Fluch alsbald Besitz von den beiden ergreift (von jedem auf eine andere Art und Weise). Ist die Dunkelheit erst einmal geweckt, lässt sich der Sturm den das Schwert entfacht hat nicht mehr aufhalten. Tod und Verderben bahnen sich ihren Weg. Verfolger sind ihnen dicht auf den Fersen. Alte Mächte sind am Werk, die nur ein Ziel haben: Dunkelheit. Doch wollen beide ihre Rolle in diesem Spiel nicht so richtig wahrhaben. Dabei setzen sie nicht nur ihr Leben, sondern auch ihre Freundschaft und letztlich auch ihre (unausgesprochene) Liebe aufs Spiel.
In einem zweiten Handlungsstrang (der gefühlt eher im Hintergrund verläuft und sich nur sehr zaghaft in die Story verknüpft) geht es um das Mädchen Sam, das sich – um das Überleben ihrer Familie zu sichern – als Junge ausgibt und einen Job in einer Mine annimmt, umringt von Verbrechern und Söldnern. Auch hier hält die Dunkle Macht Einzug und bringt die Welt ins Wanken. Wie genau sich dieser Handlungsstrang mit dem Hauptstrang verbindet, wird wohl erst der zweite Teil des Buches zeigen. In diesem Buch bleibt hierzu noch viel Spielraum für Phantasie.
Das Buch ist sehr gut geschrieben und hat einen schönen Spannungsbogen. Die Charaktere sind sehr greifbar ausformuliert. Gerade Fionn´s Gedanken zeigen immer wieder die inneren Kämpfe und Hürden, mit denen er sich selbst im Weg steht. Wobei Fionn mir persönlich manchmal etwas zu sehr im Selbstmitleid gefangen ist und sich doch ein paar Mal zu viel entschuldigt. Etwas mehr Selbstvertrauen hätte auch diesem Charakter gut getan. Schließlich ist er doch der Fluchträger.
Am Ende des Buchs ist klar, dass es einen Folge-Teil geben wird. Das Ende ist schlüssig und gut gemacht. Es lässt mich auf den zweiten Teil hoffen. Dennoch lässt es mich etwas unvermittelt zurück. Ich hätte mir einen runderen, wirklichen Abschluss gewünscht.
Alles in Allem war es ein tolles Buch, das ich sehr gern gelesen habe. Ob es für den zweiten Teil reicht, weiß ich noch nicht. Aber bis dahin hab ich ja noch bisl Zeit. Mal sehn ;-)
Natur und Gesundheit als Spielball des Kapitals und der Macht
Mit „Partikel“ ist es Wolf Harlander erneut gelungen, ein brandaktuelles Thema in einen spannenden Thriller einzuweben. Von Mikroplastik hat jeder schon mal gehört. Aber welche Auswirkungen unser Plastikzeitalter auf uns selbst haben kann (und wahrscheinlich auch wird), das ist uns gar nicht so bewusst. Der Autor verpackt die mikroskopische Gefahr gekonnt in unterschiedliche Szenarien, lässt sie von verschiedenen Akteuren durchleben. Erst im Lauf der Geschichte fügen sich die Stränge zusammen. Und es bleibt spannend bis zum Schluss.
Die Story ist gut aufgezogen und super erzählt. Die Handlungsstränge sind sauber aufeinander abgestimmt, alles wirkt genau orchestriert. Selbst die Wechsel zwischen den Handlungssträngen (die zum Ende hin immer dichter zusammenrücken) wirken nie abrupt.
Die beiden BND Agenten Carius und Nelson sind schon aus seinem letzten Buch „Schmelzpunkt“ bekannt. Vorwissen aus den anderen Büchern ist nicht nötig. Das schätze ich sehr, schließlich ist es eben keine „Thriller-Reihe“ rund um die Agenten. Beide spielen eher eine Nebenrolle, sind aber dennoch mit Treiber des Geschehens. Im Mittelpunkt steht vielmehr das Schicksal eines kleinen Mädchens, das durch Mikroplastik an Krebs erkrankt. Aber eben auch die dubiosen und mafiösen Handlungen einer geldgierigen und skrupellosen Müllwirtschaft und politischer Intrigen. Um den vermeintlichen wirtschaftlichen Erfolg nicht einzubüßen, werden Natur und Gesundheit plötzlich zum Spielball des Kapitals.
Wer gerne Thriller mit Themenbezug (Wirtschaft-Thriller, Öko-Thriller, Klima-Thriller) sucht, findet hier ein sehr gutes Exemplar. Ebenso jemand, der einfach einen und unterhaltsamen Thriller lesen möchte.
Für mich ein absolut rundes Buch, das ich sehr gerne gelesen habe. Wie immer bei Wolf Harlander bleibe ich mit dem Eindruck zurück: „Erschreckend aber wahr. So oder so ähnlich kann genau das stattfinden.“
Wir sind nicht alleine, nicht mal auf „unserem“ Planeten...
Gleich mal vorweg: Es ist ein tolles Buch. Angefangen vom auffällig bunten Cover mit dem toll gezeichneten Kraken, über den Schnitt in Kontrastfarbe, die tollen Einblicke in die Charaktere, Ihre Gedanken und Zweifel, bis hin zur sprachlich ausgefeilten und tiefgründigen Story.
Absolut lesenswert, ein neues Highlight in unserer Bücherwand.
Aber eins nach dem anderen ;-)
Ein Öko-Thriller und ScieneFiction-Roman der anderen Art. Das Buch beschäftigt sich gleich mit mehreren Fragen
Wie weit geht unsere Akzeptanz gegenüber Künstlicher Intelligenz (KI)? Wann fühlen wir uns selbst davon bedroht?
Wie definiert und erkennt man eigentlich Bewusstsein und Menschlichkeit?
Was wenn wir nicht die einzige intelligente Spezies auf diesem Planeten sind?
Wo führt unser Verhalten gegenüber Leben und Natur hin? Und wie oft werden wir noch „wegsehen“ während wir unsere eigene Lebensgrundlage zerstören?
Klingt irgendwie mehr nach einem Sachbuch, oder? Ist es aber nicht. Es ist ein toller Thriller, der all diese Fragen in einen gar nicht so science-fiction-mässigen Plot stellt. Der Punkt mit KI usw. klingt zwar noch immer etwas nach Zukunft. Die Handlungsstränge fühlen sich aber so real an, dass sie durchaus schon im Hier und Jetzt spielen könn(t)en.
Ich will die Handlung gar nicht vorweggreifen. Kurz skizziert: Eine Wissenschaftlerin (geplagt von ihren Fehlern der Vergangenheit und sozial abgeschottet) erforscht im Auftrag eines internationalen Konzerns (dessen Ziele undurchsichtig und divergent sind) zusammen mit einem Androiden (der sich sein sich selbst bewusst sein erarbeitet) eine bislang ungekannte Oktopoden-Population. Während wir immer glauben, intelligente Wesen würden uns von außerhalb des Planeten ereilen, vergessen wir in unserer Selbstüberschätzung, welche Potentiale der Planet selbst bietet. Stattdessen räubern und plündern wir, zerstören und töten. Aber nicht alle „Mitbewohner“ werden uns das durchgehen lassen.
Mich hat das Buch erneut zum Nachdenken angeregt. Ist das der Planet, den ich meinen Kindern hinterlassen will? Können wir uns überhaupt noch ändern? Oder ist es dafür schon zu spät?
„Der Mensch ist ein technologisches Tier. Erfindungen haben uns so weit gebracht, uns zu den Herrschern über diesen Planeten gemacht. Aber sie sind es auch, die uns gefangen halten. Es ist ein Zwang. Wir können nicht damit aufhören, egal, was die Folgen sind.“ (Zitat aus dem Buch)
Ich gebe zu, ich mache mir nicht immer und überall Gedanken über die Blickwinkel "alter Klassiker". Aber dieses Buch bringt mich wieder dazu, es öfter zu tun.
Percival Everett ist es gelungen, den Klassiker Huckleberry Finn von Mark Twain in ein ganz neues Licht zu stellen. Er verändert dabei aber nicht einfach die Perspektive der Geschichte (von Huckleberry Finn auf den Sklaven James), sondern nimmt seine Leser:innen mit auf James´ Seite, erzählt seine ganz eigene Geschichte. Und schon nach wenigen Seiten ist klar, wie einseitig und vorbelastet die Sicht früher war. Schnell fühlt man mit James, spürt seine Ängste. Schnell schämt man sich für die Taten völlig fremder Menschen aus früheren Zeiten.
Wer ist James? Wie betrachtet er „die Weißen“? Wie passt er sich an, um das schwere Schicksal für sich und seine Lieben erträglich zu machen?
Dem Autor gelingt es auf fantastische Weise sprachlich (oder vielmehr schriftlich) darzustellen, welche Doppelrolle James tagtäglich spielen muss. Er muss bspw. seine Sprache in Gegenwart Weißer verstellen, um dumm zu wirken (eine wahrlich schwere Aufgabe das schriftstellerisch umzusetzen, ohne James Würde zu verletzen, was ihm super gelungen ist). Und wie er selbst seinen Kindern beibringt, diese Rolle zu spielen, um zu überleben.
„Die Weißen erwarten, dass wir auf eine bestimmte Weise klingen, und es kann nur nützlich sein, sie nicht zu enttäuschen… Wenn sie sich unterlegen fühlen, haben nur wir darunter zu leiden. Oder vielleicht sollte ich sagen »wenn sie sich nicht überlegen fühlen«.“ (Zitat aus dem Buch)
Umso erschreckender, wenn man bedenkt, dass auch heute noch viele PoC allein aufgrund ihrer Hautfarbe Opfer von Willkür, Schikane und Schlimmerem sind. Und dass sie ihren Kindern auch heute noch beibringen müssen, wie sie sich gegenüber Weißen und bspw. Cops verhalten sollen, um zu überleben.
So schwer das Thema ist, das der Autor hier serviert, so gekonnt setzt er es jedoch um. Das Buch liest sich wunderbar einfach und leicht. Mit gewitzten Situationen reichert der Autor die gesamte Geschichte an, lockert sie immer wieder auf. So wird es glücklicherweise keine rein düstere Geschichte über die Sklaverei, sondern eine Geschichte die stark zum Nachdenken anregt.
Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und kann es nur jedem empfehlen.
Der 100jährige Krieg aus Sicht der Söldner - spürbar, nah und real
Der 100-jährige Krieg, ein jahrzehntelanges Hin und Her zwischen Königshäusern, Gebietsansprüchen, Machtverlust und -gewinn, Tod und Verderben. Wir alle haben im Geschichtsunterricht in der Schule davon gelesen. Doch die Perspektive, die der Autor (Dan Jones) seinem Roman gibt, ist ganz anders. Er erzählt einen Teil dieser Epoche der gegenseitigen Gewalt aus der Sicht einer Truppe von Söldnern, die im Jahr 1346 mit dem englischen König nach Frankreich einfallen, um den Thronanspruch zurückzuerobern. Ganz ohne königlichen Pomp und Prunk, ohne den geschichtsverklärten Blick der Sieger. Manchmal vernichtend einfach dargestellt schildert er, warum die Söldner diesen „Job“ angenommen haben, welchen Herausforderungen sie gegenüberstehen. Aber eben auch, wie sie zueinander halten obwohl sie doch unterschiedlicher nicht sein könnten. Wie jeder für jeden einsteht und welche inneren Konflikte sie begleiten.
Das Buch liest sich sehr flüssig. Die Wortwahl ist oftmals bewusst ordinär, manchmal brutal, aber nie übertrieben. Sie passt sehr gut, um sich in die Köpfe der Söldner einzufühlen. Die Charaktere sind gut ausformuliert, sodass man sich jeden der Essex Dogs gut bildlich vorstellen kann.
Die Handlung lässt keine Langeweile aufkommen. Vielmehr hat man ab und zu das Gefühl, selbst mal etwas zur Ruhe kommen zu müssen, wenn die Söldner eine Rast einlegen.
Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und in wenigen Tagen verschlungen. Ich wollte unbedingt wissen, wie es den Essex Dogs weiter ergeht. Das Ende ist bewusst kein finales Ende und das ist auch ok so. Denn letztlich war es ja auch nur eine der ersten Etappen des 100jährigen Kriegs. Nur so viel sei gesagt: Es wurden Schlachten verloren und gewonnen, aber der Krieg geht noch weiter…
Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat uns gezeigt, dass keine bestehende (Welt-) Ordnung für die Ewigkeit gebaut ist. Aber warum hat mich das in Europa gefühlt so unerwartet getroffen? Wie ist unsere aktuelle Mächte-Ordnung zustande gekommen? Und in welche Richtung wird sie sich entwickeln?
Der Titel des Buches konfrontiert mich mit genau diesen Fragen. Veränderung hat es immer schon gegeben. Aber die Geschwindigkeit hat sich durch die gesteigerten Informations-Verfügbarkeiten und globalen Verflechtungen erhöht. Um Antworten und einen Ausblick geben zu können, holt Herfried Münkler ziemlich weit aus. Er greift Großreichsbildungen (z.B. des römischen Reichs) ebenso auf wie die Rahmenbedingungen, die zum ersten Weltkrieg als auch zum Kalten Krieg führten. Er erläutert unterschiedlichste Modelle der Friedensordnungen und deren Auswirkungen auf das Handeln der beteiligten Staaten. Gleichwohl zeigt er auf, wie geopolitische Veränderungen ehemalige Großmächte oder Kolonialmächte in schwere Identitätskrisen gestürzt haben. Dabei scheut er weder die Herausforderung, Russlands aktuelles weltpolitisches Verhalten zu analysieren und in den Kontext der Vergangenheit zu setzen. Noch scheut er die kritische Auseinandersetzung mit der Hilflosigkeit der Vereinten Nationen oder dem Verhalten der aktuellen Großmächte.
Doch wie sieht die kommende Welt(-Ordnung) aus? Die exakte Entwicklung kann der Autor selbstverständlich nicht voraussagen. Er zeigt aber in seinen theoretischen Überlegungen (und basierend auf den hergeleiteten Erfahrungen der Vergangenheit) eine durchaus plausible Konstellation auf. Gleichzeitig weist er auf die Chancen und Herausforderungen hin, denen sich nicht alle Beteiligten gegenübersieht. Gerade Europa steht an einem Scheidepunkt, welche Rolle es in der Welt von morgen zu tragen bereit ist (und ob es den Preis dafür „bezahlen“ will).
Das Buch ist sicherlich keine leichte Kost. Anfangs war mir der geschichtliche Ausholschwung fast schon zu weit. Am Ende des Buchs war ich jedoch froh um die weitereichenden Informationen. So wurden die aktuellen Herausforderungen für uns in Europa (aber auch die ganze Welt) und die Schussfolgerungen für die zukünftigen Entwicklungen für mich erst greifbar. Insgesamt ist das Buch gut und verständlich geschrieben. Auch wenn manche Kapitel von schwierigeren Textpassagen und doch etwas hochtrabenden Formulierungen gespickt sind (da liest man Absätze schon zweimal). Aber hey, es ist ja auch kein Fantasy-Roman, sondern ein Sachbuch.
Die behandelten Themen werden mich sicherlich noch weiter beschäftigen. Und das Buch hat mir eine gute Basis für die Bewertung auch aktueller politischer Vorgänge gegeben. Mir gibt es etwas Vertrauen in die Welt- und Mächte-Ordnungen zurück, welches in unserer aktuellen Zeit doch gerne mal ins Wanken gerät. Und ich will hoffen, dass ein paar der Gedanken den Weg in die Realität finden.
Bestens ausgebildete Teen-Attentäter führen gezielte Anschläge gegen mächtige Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft durch. Kein Attentäter überlebt, kein Zeuge bleibt zurück. Im Rahmen eines streng geheimen Black-Ops-Programm (Deep Sleep) wurden sie zu Killern ausgebildet, dann in einen „Schlafmodus“ versetzt und in einem vermeintlich normalen Leben versteckt.
Als Ian Brown – ein Jugendlicher, der als Waise bei Pflegeeltern lebt – einen Aktivierungs-Anruf erhält, kommt seine alte Programmierung zurück. Der Einsatz verlangt von ihm alles ab. Doch er ist nicht erfolgreich. Er überlebt ohne Erinnerung. Nur über Umwege und etliche Stationen findet er zurück zu seiner Identität. Aber auch andere sind auf der Suche nach ihm…
Es dauert etwas, bis sich die einzelnen Storylines zusammenfinden und sich für den Leser die Zusammenhänge erschließen. Vom Aufbau her durchaus gut gemacht. Spannend, stellenweise etwas dick aufgetragen und auch manchmal zu vorhersehbar. Es ist zuletzt klar, dass die Story noch weitergeht in Folge-Büchern. Das offene Ende lässt mich dennoch etwas unvermittelt zurück.
Leider hat mich das Buch nicht so gepackt, wie ich gehofft hatte. Ich liebe Spionage- und Geheimdienst-Thriller. Die Charaktere und die eigentliche Story sind mir stellenweise etwas zu flach und werden dem Anspruch ein Agententhriller zu sein nicht gerecht. Aber da war mein Anspruch wohl einfach ein etwas anderer.
Alles in allem ein gutes Buch für Zwischendurch, dem jedoch etwas mehr Tiefgang gutgetan hätte.
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