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Insgesamt 93 Bewertungen
Bewertung vom 08.11.2025
Maly, Beate

Aurelia und die Jagd nach dem Glück / Ein Fall für Aurelia von Kolowitz Bd.3


ausgezeichnet

*Fesselnde Fortsetzung der tollen historischen Wien-Krimi-Reihe*
Mit „Aurelia und die Jagd nach dem Glück“ setzt Beate Maly ihre unterhaltsame historische Krimireihe um die eigensinnige junge Gräfin und leidenschaftliche Hobbyermittlerin Aurelia von Kolowitz fort. Gekonnt nimmt sie uns mit auf eine fesselnde Zeitreise in die österreichische Donaumonarchie und entführt uns ins Wien des Jahres 1872 - mitten hinein in die prunkvolle Ballsaison und eine Welt voller sozialer Spannungen, dunkler Geheimnisse und hoffnungsvoller Glücksversprechen.
Auch der dritte Band der Reihe überzeugt mit einer abwechslungsreichen Mischung aus vielschichtigem Gesellschaftsporträt, zarter Liebesgeschichte und spannendem Kriminalfall, gewürzt mit authentischem Zeitkolorit.
Als der zwielichtige Freiherr von Sothen, ein skrupelloser Lotteriemagnat und unsympathischer Emporkömmling, erschossen im Hof seines luxuriösen Schlösschen am Cobenzl gefunden wird, übernimmt der charismatische Oberinspektor Janek Pokorny die Ermittlungen.
Obwohl Aurelia neben zahlreichen Widerständen und gesellschaftlichen Zwängen auch noch die hartnäckigen Verheiratungspläne ihres Vaters abzuwehren hat, lässt sie es sich mit ihrem kriminalistischen Spürsinn nicht nehmen, eigene Nachforschungen anzustellen. Als sich weitere erschütternde Verbrechen ereignen, ermitteln Aurelia und Janek gemeinsam in dem verzwickten Fall, der sie hautnah mit ungeahnten gesellschaftlichen Abgründen ihrer Zeit konfrontiert. Die Geschichte wird wechselweise aus den Perspektiven von Aurelia und Janek erzählt und eröffnet neben der eigentlichen Krimihandlung auch kurzweilige Einblicke in Aurelias privates Leben sowie in gesellschaftliche Missstände.
Unerwartete Verwicklungen und spannende Wendungen bieten viel Raum zum aktiven Miträtseln. Gekonnt lässt Maly die Handlung schließlich in einem überraschenden Finale gipfeln und mit einer stimmigen Auflösung ausklingen.
Mit ihrem pointierten, bildreichen Schreibstil und spritzigen, humorvollen Dialogen versteht sie es, uns ins Wien des 19. Jahrhunderts zu entführen.
Hervorragend gelingt es ihr durch lebendige Milieubeschreibungen, detailreiche Einblicke ins Wiener Alltagsleben sowie anschauliche Schilderungen des gesellschaftlichen Klimas, ein facettenreiches und glaubwürdiges Bild dieser faszinierenden Epoche zu entwerfen.
Ob nun festliche Stimmung der lang ersehnten Wiener Ballsaison der Wohlhabenden  oder das harte Leben der einfachen Bevölkerung, die mit Armut, Hunger und sozialen Ungerechtigkeiten ringt–all diese Facetten werden mit sorgfältig recherchierten historischen Details geschickt zu einem stimmigen Portrait jener Zeit verwoben.
Besonders gelungen sind auch die vielschichtig gestalteten Charaktere, allen voran die junge Protagonistin Aurelia als facettenreiche und inspirierende Heldin, deren persönliche Entwicklung überzeugend und einfühlsam gezeichnet ist.
Sie überzeugt als clevere, selbstsichere junge Frau, die mit bemerkenswerter Widerstandskraft und einer guten Portion Humor unbeirrt gegen gesellschaftliche Zwänge und patriarchale Erwartungen antritt. Ihr Streben nach persönlicher Freiheit, Selbstbestimmung und letztlich nach mehr Gleichberechtigung macht sie sehr sympathisch. Zugleich ist sie sich der Gefahren und möglichen Folgen ihres Handelns stets bewusst. Einfühlsam und glaubwürdig werden sowohl ihre Stärken als auch ihre Verletzlichkeit und ihr innerer Zwiespalt ausgelotet.
Neben ihr überzeugt auch der sympathische Ermittler Oberinspektor Janek Pokorny mit seiner charismatischen, facettenreichen Persönlichkeit und kleinen Schwächen. Die Figuren wirken durchweg liebevoll und authentisch ausgestaltet, die Schilderung ihrer Gedanken- und Gefühlswelt ist nachvollziehbar und glaubwürdig.
Die Zusammenarbeit von Aurelia und Janek bringt eine spannende Dynamik in die Handlung und ihre komplexe Beziehung sorgt immer wieder charmante und humorvolle Momente. Ihre sich langsam entwickelnde Zuneigung wird dabei aber durch gesellschaftliche Barrieren und Klassenunterschiede herausgefordert, sodass sie sich auf einen rein kameradschaftlichen Umgang beschränken müssen. Auch die Nebenfiguren sind facettenreich und authentisch gestaltet. Sie sorgen mit ihren Geheimnissen und Eigenheiten für Abwechslung und eine intensive Atmosphäre.
Die anschaulichen Einblicke in das Alltagsleben im Kaiserreich sowie geschickt eingewobene sozialkritische Anmerkungen verleihen dem historischen Krimi eine besondere Note. So überzeugt die hervorragend recherchierte Geschichte nicht nur als spannender Kriminalfall mit historischem Flair, sondern entwickelt sich zugleich zu einem lebendigen und authentischen Porträt jener Epoche und macht Lust auf weitere Abenteuer mit Aurelia und Janek in der schillernden Donaumonarchie.

FAZIT
Eine rundum gelungene, unterhaltsame Fortsetzung der historischen Krimi-Reihe- mit sympathischen Charakteren, fein dosierter Spannung, detailreichem Zeitkolorit und fesselndem Krimiplot.
Ein vielschichtiges Lesevergnügen, das Lust auf weitere Abenteuer macht!

Bewertung vom 08.11.2025
Laabs, Laura

Adlergestell


sehr gut

*Ein facettenreiches Porträt einer Generation im Umbruch*
Laura Laabs’ Debütroman „Adlergestell“ erschafft mit bemerkenswerter Intensität und sprachlicher Finesse ein lebendiges Panorama der Berliner Nachwendejahre. Die Autorin nimmt uns mit auf eine eindrucksvolle Reise in ein Deutschland, dessen historischer Umbruch nach Mauerfall und Wiedervereinigung einen Kosmos zwischen Aufbruchstimmung und Orientierungslosigkeit entstehen lässt.
Die Geschichte folgt drei jungen Protagonistinnen– die Ich-Erzählerin, Lenka und Chaline, die Anfang der 1990er Jahre am südlichen Stadtrand Berlins direkt am berühmten Adlergestell aufwachsen. Die breite Ausfallstraße, die ihre in einer Eigenheimsiedlung säumt, wird dabei zum Symbol für die Unwägbarkeiten und Verheißungen jener bewegten Zeit.
Trotz ihrer unterschiedlichen sozialen Herkunft verbindet die drei Mädchen eine enge und unerschütterliche Freundschaft über ihre Schulzeit hinweg.
Aus ihrer Perspektive tauchen wir allmählich ein in eine Welt des tiefgreifenden Umbruchs und Wandels und erleben hautnah ihren Lebensalltag in einem sich neu formenden Umfeld, in dem sich ein jeder erst zurechtfinden und behaupten lernen muss.
Die Geschichte beginnt in der Gegenwart, von aus der die Erzählerin in aufblitzenden Erinnerungen auf die intensiven Jahre der Freundschaft zurückblickt. Erst allmählich werden die Hintergründe für das Auseinanderdriften ihrer Lebenswege deutlich.
Die Autorin hat bewusst eine nichtlineare, sehr sprunghafte und fragmentarische Erzählweise gewählt, die das zerrissene Lebensgefühl und die Zerklüftungen jener Zeit eindrücklich widerspiegelt. So entstehen eine fesselnde Atmosphäre und zugleich eine gewisse emotionale Distanz, die den Zugang zu den Figuren bisweilen erschwert, aber gerade dadurch zur Authentizität beiträgt.
Bildgewaltig und mit einem untrüglichen Gespür für faszinierende Details beschwört Laabs die besondere Stimmung der Nachwendezeit herauf – eine Ära voller Möglichkeiten, die jedoch für viele unerreichbar bleiben.
Die Autorin versteht es hervorragend, die die Gefühls- und Gedankenwelt ihrer Figuren mit all ihren Widersprüchlichkeiten zu veranschaulichen.
Aus unterschiedlichen Perspektiven werden die Herausforderungen, Unsicherheiten, enttäuschten Hoffnungen und nicht realisierbaren Chancen eindringlich beleuchtet. Während sich die alten Ost-Zwänge in Auflösung befinden, gibt es neue Freiheiten und die verlockenden Möglichkeiten der Demokratie und des kapitalistischen Westens. Doch die Schatten der Vergangenheit und ihre Gespenster lassen sich nicht so leicht abschütteln und hinterlassen auch im neuen verheißungsvollen Leben ihre Spuren.
Gekonnt hat Laabs die persönlichen Geschichten ihrer drei Protagonistinnen mit den ostdeutschen Lebenserfahrungen ihrer Mütter und Familien verknüpft. So entstehen auf eindrucksvolle Weise vielschichtige Lebensgeschichten, die die komplexen historischen Brüche und tiefen gesellschaftlichen Verwerfungen Ostdeutschlands generationenübergreifend erfahrbar machen. Mit Feingespür und feiner Ironie beleuchtet die Autorin dabei die Zerbrechlichkeit familiärer Bindungen und das Aufwachsen in schwierigen Verhältnissen sowie das Ringen um Orientierung und die Suche nach Identität in einer Welt, die radikalen sozialen und gesellschaftlichen Veränderungen unterworfen ist.
Besonders eindrücklich und facettenreich fängt sie nicht nur die Wucht des Wandels, sondern auch das Scheitern der gesellschaftlichen Verheißungen ein. Was vom einstigen Freiheits- und Aufbruchsversprechen der Wende bleibt, ist oftmals pure Ernüchterung angesichts der schmerzhaften Realität im vereinten Deutschland. Ihr gelingt es hervorragend, die Vielschichtigkeit des Erwachsenwerdens, die subtilen Brüche und die allmähliche Entfremdung nicht nur greifbar, sondern auch berührend erlebbar zu machen.
Höchst überraschend und bewegend ist schließlich, wie ihre Figuren auf ganz individuelle Weise mit ihrer eigenen Geschichte und den Narben der Vergangenheit umgehen – die Enttäuschungen und zerplatzten Lebensentwürfe haben sie dabei in sehr unterschiedliche Richtungen geleitet und geprägt.

FAZIT
Ein beeindruckender, vielschichtiger Roman über Kindheit, Freundschaft und den schmerzhaften Wandel im Berlin der Nachwendezeit. Ein facettenreiches Panorama tiefgreifender gesellschaftlicher und persönlicher Umbrüche, das lange nachwirkt und sehr nachdenklich stimmt!

Bewertung vom 08.11.2025
Voosen, Roman;Danielsson, Kerstin Signe

Schwüre, die wir brechen / Svea Karhuu & Jon Nordh Bd.2


ausgezeichnet

*Dunkle Abgründe und knallharte Ermittlungen – Ein fesselnder Schwedenkrimi*
Mit dem Krimi „Schwüre, die wir brechen“ ist dem Autorenduo Roman Voosen und Kerstin Signe Danielsson eine vielschichtige und äußerst packende Fortsetzung ihrer neuen Schwedenkrimi-Reihe um das unschlagbare wie ungleiche Ermittlerpaar Jon Nordh und Svea Karhuu gelungen.
Auch im zweiten Band beweisen Roman Voosen und Kerstin Signe Danielsson erneut ihr außergewöhnliches Gespür für fesselnde und psychologisch tiefgründige Geschichten mit großem Page-Turner-Potenzial.
Der Krimi besticht durch einen vielschichtigen, sorgfältig konstruierten Fall, der sowohl mit starken, authentischen Charakteren als auch mit pointierten Dialogen und einer dichten, intensiven Atmosphäre überzeugt, sodass man von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt bleibt.
Auch dieses Mal ist der Fall in Malmö angesiedelt, einem Ort geprägt von sozialen Spannungen und Drogenkonflikten, der nun beklemmender Schauplatz grausamer Serienmorde wird.
Ein bizarrer Leichenfund stellt die Ermittler vor eine große Herausforderung. Die groteske Inszenierung des Opfers mit angenähtem Krokodilkopf als altägyptische Gottheit und kryptischen Botschaften in Form von rätselhaften Hieroglyphen zieht die Ermittler bald immer tiefer in ein Netz aus Brutalität und Geheimnissen. Die polizeilichen Ermittlungen zum brisanten Fall geraten rasch unter enormen öffentlichen und medialen Druck, da eine undurchsichtige True-Crime-Podcasterin mit Insiderwissen Aufmerksamkeit auf sich zieht und zudem ein junges Mädchen auf mysteriöse Weise verschwindet.
Bereits der geheimnisvolle Prolog über einen Brückeneinsturz in den 1980er Jahren, dessen Bedeutung sich erst allmählich offenbart, sorgt dafür, dass die Spannung von der ersten Seite an auf einem konstant hohen Niveau gehalten wird.
Eingestreute, Rückblenden gewähren zudem Einblicke in vergangene Ereignisse und lassen uns über ihre Verbindung zum düsteren aktuellen Fall rätseln. Durch diese zusätzlichen Erzählstränge und historischen Verknüpfungen gewinnt der Krimi an Vielschichtigkeit und Komplexität und liefern zusätzlichen Stoff zum Spekulieren und Miträtseln.-
Der Schreibstil ist fesselnd, atmosphärisch und visuell sehr eindrucksvoll, sodass man sich die oftmals düsteren Szenen sehr lebhaft vorstellen kann. Kurze Kapitel sowie rasche Schauplatz- und Perspektivwechsel sorgen für ein hohes Tempo und eine permanente Steigerung der Spannung.
Die Autoren verweben den brisanten Kriminalfall gekonnt mit intensiven Einblicken in das Privatleben ihrer Ermittler - dem frisch verwitweten Jon Nordh und der zwangsversetzten Svea Karhuu Nordh mit arabischen Wurzeln. Die beiden Hauptfiguren werden mit ihren vielschichtigen Persönlichkeiten und privaten Problemen überzeugend und glaubwürdig gezeichnet. Sie sind keine makellosen Helden, sondern tragen beide schwer an persönlichen Altlasten und traumatischen Erlebnissen in der nahen Vergangenheit. Ihre individuellen Hintergrundgeschichten werden nebenbei weitergeführt, was für zusätzliche Spannungsmomente sorgt und dem Krimi eine weitere fesselnde Dimension verleiht.
Besonders beeindruckend sind ihre Persönlichkeitsentwicklung und die von gegenseitigem Respekt geprägte Zusammenarbeit dargestellt. Trotz wunder Punkte und charakterlichen Gegensätzen ergänzen sie sich hervorragend. Während Nordh viel Erfahrung, Intuition und gesunden Pragmatismus in die Ermittlungen einbringt, sorgt Karhuu mit ihrer Entschlusskraft, unkonventionellen Methoden und besonderen Talenten für wichtige Impulse. Ihre dynamische Beziehung und gelegentliche humorvolle Schlagabtausche verleihen der Geschichte trotz der düsteren Grundstimmung viel Lebendigkeit.
Im Hintergrund agieren weitere facettenreich ausgearbeitete Nebenfiguren, die insgesamt das Figurenensemble mit ihren Eigenheiten und individuellen Lebensgeschichten bereichern. Die psychologisch tiefgründige Charakterzeichnung und detailreiche, gesellschaftskritische Milieuschilderungen sind sehr stimmig und schaffen eine realitätsnahe Atmosphäre.
Sehr gelungen sind auch die umfangreichen Einblicke in die Täterbiografie und die gelungene Einbindung der historischen Bezügen in den rückblickenden Erzählsträngen, die uns nach und nach geschickt die Gedankenwelt und Motive des Täters nahebringen.
Das Autorenduo versteht es hervorragend, falsche Fährten zu legen und mit überraschenden Wendungen die Spannung bis zum nervenaufreibenden Showdown hochzuhalten.
Das packende, hochdramatische Finale verlangt Nordh und Karhuu noch einmal alles ab und lässt einen kaum noch zum Durchatmen kommen. Es rundet den hochkomplexen Kriminalfall mit der glaubhaften Auflösung gelungen ab und hinterlässt Vorfreude auf weitere spannungsgeladene Fälle mit diesem tollen Ermittlerduo.
FAZIT
Ein brillanter Schwedenkrimi mit Tiefgang und eine gelungene Fortsetzung mit tiefgründigen Charakteren, einem düsteren, komplex komponierten Plot und tollen Psychothriller-Elementen..
Für Fans moderner Nordic Noir ist dieser Band ein absolutes Muss!

Bewertung vom 04.11.2025
Uketsu

HEN NA IE - Das seltsame Haus


gut

*Uketsus experimentelles Mystery-Debüt*
Nach dem großen Erfolg von "HEN NA E - Seltsame Bilder" erscheint nun mit „Hen na IE – Das seltsame Haus“ ein weiterer Mysteryroman des geheimnisumwitterten japanischen Kultautors und YouTubers Uketsu, der unter Pseudonym auftritt. Bemerkenswert dabei ist, dass es sich hierbei um das eigentliche Debüt des Autors handelt, das ursprünglich während des Pandemie-Lockdowns zunächst als Mystery-Video veröffentlicht wurde. Ebenso entstand zudem eine dreibändige Manga-Adaption unter dem englischen Titel „The Strange House“.
Während Uketsu in "HEN NA E - Seltsame Bilder" seinen originellen Sketch-Mystery-Stil als innovative Erzählform perfektioniert hat, ist im vorliegenden Band die Verwendung der Illustrationen als eigenständige narrative Elemente noch etwas unausgereift. Vieles wirkt experimentell und lässt das Potential der verborgenen Bildbotschaften nur ansatzweise erkennen.
Auch folgt die Geschichte nicht einer Handlung im eigentlichen Sinne, sondern entwickelt sich meist im Rahmen dialogischer Szenen, in denen allmählich gruselige Geheimnisse aufgedeckt und erschütternde menschliche Abgründe enthüllt werden. Trotz dieses eher ungewöhnlichen Erzählform entfaltet sich von Beginn an eine unheilvolle Atmosphäre und latente Spannung, die einen rasch in den Bann zieht.
Im Mittelpunkt der in vier Kapitel untergliederten Geschichte stehen der zunächst namenlose Ich-Erzähler und freier Journalist für okkulte Phänomene sowie der Architekt und Horror- und Mystery-Fan Kurihara, den er zur Analyse des ungewöhnlichen Grundrisses eines zum Verkauf stehenden Hauses hinzuzieht. Gemeinsam stoßen sie neben einem mysteriösen versteckten Raum auf weitere bauliche Auffälligkeiten, die Anlass zu düsteren Spekulationen über frühere Bewohner und deren dunkle Machenschaften geben. Je mehr sie sich mit den Bauplänen beschäftigen, desto mehr verstörende Theorien stellen die beiden zu dem seltsamen Haus und seinen Bewohnern auf und lassen sie Schlimmstes vermuten. Der Einstieg in die Geschichte in einem linearen Erzählstrang präsentiert sich deutlich schlichter und weniger packend als der Vorgängerband, in dem Uketsu mit verschiedenen Handlungssträngen und anfangs unzusammenhängenden Kapiteln rasch Spannung aufbaute. Erst mit dem Fund von Leichenteilen in Nähe des Hauses und dem Auftauchen der geheimnisvollen Informantin Yuzuki, die einen weiteren Hausgrundriss ins Spiel bringt, gewinnt die Geschichte deutlich an Fahrt, denn die zuvor aufgestellten makabren Hypothesen finden scheinbar Bestätigung. Der nüchterne, minimalistisch gehaltene Schreibstil des Autors hat einen nahezu dokumentarischen Charakter und ist geprägt von dialogreichen Passagen und immer wieder eingeschobenen Grundriss-Skizzen als besonderes Stilmerkmal. Deren originelle Einbindung verleiht dem Roman einen sehr mysteriösen Charakter, wobei sich die eigentlichen Bilderrätsel diesmal leider auf die Grundrisse der Häuser sowie Detailausschnitte spezieller Räume und baulicher Strukturen beschränken, deren potentielle Geheimnisse nach und nach enthüllt werden. Das wiederholte Präsentieren ähnlicher visueller Motive bremst allerdings den Lesefluss und erzeugt mitunter unnötige Redundanzen. Die ausführlichen Erklärungen der baulichen Details sind zwar hilfreich, nehmen jedoch oft die eigene Detektivarbeit vorweg, so dass einem die Möglichkeit genommen wird, selbst mitzurätseln und eigenen Schlüssen zu ziehen.
Dennoch versteht es Uketsu sehr gut, durch vage Andeutungen eine düstere Atmosphäre heraufzubeschwören und durch raffinierte Cliffhanger eine beklemmende Spannung aufzubauen.
Mit Offenbarungen zu rätselhaften Bräuchen, okkulten Ritualen, Familientragödien und innerfamiliären Machtkämpfe wird das Geschehen zunehmend verworrener und abstruser. Neben einzelnen, schwer nachvollziehbaren Wendungen nehmen die Verwicklungen und Zufälle in ihrer repetitiven Ausprägung überhand und wirken stellenweise befremdlich und unglaubwürdig.
Die Hauptfiguren bleiben leider weitgehend eindimensional und leblos, so dass man keinen Zugang zu ihren Motiven und ihrem Innenleben erhält. Sie dienen eher als Spielfiguren in Uketsus rätselhaftem Inszenierungskonzept.
Besonders gelungen zeigt sich der finale Twist im Nachwort, der uns die zuvor als stimmig präsentierte Auflösung noch einmal grundlegend in Frage stellen lässt und zum intensiven Nachdenken über die Geschehnisse herausfordert.
Die vielversprechende Ausgangsidee des Mystery-Romans leidet insgesamt unter einer streckenweise überfrachteten und konstruierten Handlung sowie blassen Figuren. Trotz seiner beklemmenden, atmosphärischen Dichte und des faszinierenden japanischen Settings konnte mich Uketsus Debüt nur teilweise überzeugen sein und lässt mich etwas zwiegespalten zurück.

FAZIT
Ein rätselhafter, aber ambivalenter Sketch-Mystery-Roman, der insbesondere Liebhaber ungewöhnlicher Erzählformen und japanischer Mystery-Kultur eine spannende Entdeckung sein dürfte.

Bewertung vom 20.10.2025
Moser-Gattringer, Evelyn

Tierisch viel los!


ausgezeichnet

*Inspirierender Ratgeber für ein kleines Wildtierparadies im Garten*
Mit „Tierisch viel los“  hat Evelyn Moser-Gattringer ein höchst informatives und motivierendes Sachbuch vorgelegt, das alle Naturbegeisterten dazu einlädt, ihren Garten, Balkon oder jeden noch so kleine Fleckchen Grün in ein naturnahes Paradies und eine lebendige Zuflucht für heimische Wildtiere zu verwandeln. Die Autorin hat in ihr wundervoll gestaltetes Werk nicht nur ihr biologisches Fachwissen mit einfließen lassen, sondern auch ihre langjährige Praxiserfahrung und ihre fundierten Kenntnisse über die vielfältigen Bedürfnisse von Wildtieren. Als Gründerin der Wildtierhilfe Wien und Leiterin von Österreichs erstem Wildtierkrankenhaus hat sie sich über ein Jahrzehnt um verletzte Tiere gekümmert, sie gesund gepflegt und wieder ausgewildert. Diese tiefe Verbundenheit mit der Natur durchzieht das ganze Buch und macht ihre Tipps und Projekte äußerst glaubwürdig und alltagstauglich. Beim Lesen spürt man ihre Begeisterung und ihre aufrichtige Liebe zu Flora und Fauna auf jeder Seite.
Sehr eindrucksvoll macht die Autorin in ihrer Einleitung deutlich, wie wichtig Artenschutz, Biodiversität und funktionierende Ökosysteme für Mensch und Natur sind. Sterilen Rasenflächen und öden Steingärten sagt sie den Kampf an und ruft dazu auf, sich dem Artenschutz vor der eigenen Haustür zu widmen. Nach dem Motto „Jeder Quadratmeter zählt“ zeigt sie, dass Naturnähe keiner Perfektion bedarf, sondern vor allem der Bereitschaft einen wildtierfreundlichen Garten zu gestalten und so einen Lebensraum für Vögel, Insekten, Amphibien und kleine Säugetiere zu schaffen. Mit einfachen Veränderungen und leicht umsetzbaren Maßnahmen wie etwa dem Anpflanzen heimischer Pflanzen, Anlegen kleiner Wasserstellen oder Anbringen von Nistmöglichkeiten, lässt sich auch auf kleiner Fläche Großes bewirken.

Im tierischen Gartenjahr der Autorin gibt es tatsächlich immer was zu tun und entsprechend findet sich im Buch eine saisonale Gliederung. Moser-Gattringer führt durch das gesamte Gartenjahr und erklärt, welche kleinen und großen Projekte sich im Frühling, Sommer, Herbst und Winter anbieten. Geschickt verbindet sie dabei viele wissenswerte ökologische Informationen mit praktischen Handlungsvorschlägen, wie beispielsweise dem richtigen Zeitpunkt für den Heckenschnitt, das Belassen verblühter Stauden im Winter oder die ideale Pflege eines Vogelhäuschens.
Äußerst hilfreich sind auch die Hinweise zur Pflanzenwahl, denn statt exotischer oder invasiver Arten ist es sinnvoll sich auf heimische Pflanzen zu konzentrieren, die sich optimal in das heimische Ökosystem einfügen und wildtierfreundlich sind. Anschaulich erläutert die Autorin neben ihrem optimalen Standort auch ihre Funktion als Nahrungsquelle, Schutzraum und Bestäubungsmagnet und zeigt nachvollziehbar auf, wie Flora und Fauna voneinander abhängen.
Die Projektideen sind kreativ, klar strukturiert und praxisnah gestaltet, sodass sie auch für Anfänger ohne Vorkenntnisse und mit wenig Aufwand leicht umsetzbar sind. Dank durchdachter Materiallisten, verständlicher Schritt-für-Schritt-Anleitungen und hilfreicher Zusatztipps kann dabei im Grunde nichts schiefgehen. Ob nun Blühwiese für Schmetterlinge, Wildbienenhotel, Igelunterschlupf oder Futterstelle für Wintergäste – die Bandbreite an Ideen ist beeindruckend und macht Lust, gleich loszulegen. Zusätzlich vermitteln Steckbriefe und Infokästen spannendes Wissen über heimische Tierarten, Pflanzen und ökologische Zusammenhänge. Neben vielen hilfreichen Tipps wie diversen Upcycling-Ideen gibt es wichtige Handreichungen wie beispielsweise zur Hilfe für verletzte Wildtieren, der Entschärfung von Gefahrenstellen oder den richtigen Materialien.
Das sehr abwechslungsreich gestaltete Buch ist eine wahre Augenweide und überzeugt durch ein ansprechendes, liebevoll gestaltetes Layout und ein harmonisch abgestimmtes Farbkonzept, das immer wieder zum Blättern und Schmökern einlädt. Ein besonderer Blickfang sind die beeindruckenden Naturfotografien und stimmungsvollen Momentaufnahmen von Zoe Opratko sowie die wundervoll detailreichen Illustrationen von Ruth Veres. Sie veranschaulichen hervorragend die vorgestellten Projekte und fangen die Atmosphäre eines lebendigen Gartens perfekt ein.
Hervorzuheben ist auch der ansprechende, motivierende Schreibstil der Autorin. Mit ihrer ansteckenden Begeisterung gelingt es ihr, uns für komplexe ökologische Themen zu sensibilisieren und uns zu ermutigen, selbst aktiv zu werden und eigene Ideen umzusetzen – mit Freude, Neugier und Gelassenheit statt Perfektionsanspruch.

FAZIT
Ein wunderschön gestalteter, praxisnaher und inspirierender Ratgeber, der Natur- und Artenschutz greifbar macht - mit Fachwissen, Leidenschaft und vielen kreativen Ideen macht es Mut, im eigenen Umfeld etwas zu verändern, die Natur wieder ein Stück näher an sich heranzulassen und ein Paradies für Wildtiere zu schaffen.
Ein rundum gelungener, sehr empfehlenswerter Gartenratgeber für alle Jahreszeiten!

Bewertung vom 20.10.2025
Michalsen, Andreas

Mein Mikrobiom-Masterplan (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

*Ein motivierender Masterplan für mehr Vitalität und Gesundheit*
In seinem neuen Buch „Mein Mikrobiom-Masterplan: Das Power-Programm für einen gesunden Darm – für mehr Energie und ein starkes Immunsystem“ widmet sich Prof. Dr. Andreas Michalsen, Internist sowie Experte für Ernährungs- und Fastenmedizin, mit dem Mikrobiom des Darms einem der aktuell spannendsten Themen der modernen Medizin. Zunehmend belegen Forschungsergebnisse, dass Billionen nützlicher Mikroorganismen in unserem Verdauungssystem maßgeblich über Gesundheit, Immunsystem, Gewicht, Psyche und Leistungsfähigkeit mitentscheiden – also rundum für unser gesamtes Wohlbefinden eine wichtige Rolle spielen.
Prof. Dr. Andreas Michalsen und seinem Team gelingt es hervorragend, dieses hochkomplexe Thema auf anschauliche, unterhaltsame und auch für medizinische Laien verständliche Weise aufzubereiten.
Im fundierten Theorieteil beschreibt er das Mikrobiom als fein abgestimmtes, lebendiges Ökosystem, das nur dann optimal funktioniert, wenn das Gleichgewicht zwischen „guten und schlechten“ Bakterien gewahrt bleibt. Um eine stabile Darmflora aufzubauen, braucht der Körper vor allem eine ausgewogene Ernährung. Schritt für Schritt führt der Autor durch die wesentlichen Grundlagen einer darmfreundlichen Lebensweise, die ballaststoffreicher Kost über ausreichende Flüssigkeitsaufnahme und regelmäßiger Bewegung bis hin zu Stressabbau und erholsamen Schlaf reicht. Dabei gelingt ihm eine überzeugende Verbindung zwischen medizinischer Fachkompetenz und alltagstauglichem Gesundheitswissen.
Außerdem erklärt Michalsen sehr eindrücklich, wie stille Entzündungen entstehen und warum sie an der Entwicklung vieler sogenannter Zivilisationskrankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf- und Autoimmunerkrankungen eine zentrale Rolle spielen.
Mit seinem angenehmen, motivierenden Schreibstil versteht er es komplizierte Zusammenhängen auch wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse verständlich darzustellen. Die hilfreichen, praxisorientierten Empfehlungen machen Lust darauf, das Erlernte gleich umzusetzen und auszuprobieren. Die Kapitel sind übersichtlich gegliedert, und zahlreiche Infokästen, Tabellen und anschauliche Grafiken erleichtern den schnellen Überblick.
Nach der Präsentation der TOP-Lebensmittel sowie der Sieben Goldenen Regeln für ein Gesundes Mikrobiom, schließt Michalsen seine theoretische Einführung mit dem Konzept seines Masterplans ab, der unser Mikrobiom durch Änderung unserer Ernährungsgewohnheiten mit leckeren, alltagstauglichen Gerichten auf gesund programmieren soll. Die Empfehlungen lassen sich ohne aufwändige Vorbereitungen oder kostspielige Superfoods problemlos in den Alltag integrieren.
Am Ende des Buches finden sich zwei detaillierte Wochenpläne für eine Mikrobiom-Kur, die zeigen, wie eine ausgewogene und mikrobiomfreundliche Ernährung konkret aussehen kann.
Nachdem die wichtigsten wissenswerten Basics vermittelt wurden, geht’s nun endlich zum eigentlichen Rezeptteil über.
Die vorgestellten, mehr als 70 leckeren Rezepte für Frühstück, Mittag- und Abendessen überzeugen durch Vielfalt und unkomplizierte Zubereitung. Sie liefern reichlich Ballaststoffe, wertvolle Pro- und Präbiotika sowie antioxidative Nährstoffe, also alles, was die „kleinen Helfer“ im Darm zum Gedeihen brauchen, und unsere Darmgesundheit fördert. Alle Rezepte sind reich an Gemüse und beinhalten Milchprodukte, wohingegen Eier, Fleisch oder Fisch ganz fehlen.
Die Gerichte sind so konzipiert, dass man die von Ernährungswissenschaftlern empfohlenen 30 bis 35 Gramm Ballaststoffe pro Tag problemlos erreicht.
Die Rezeptvielfalt reicht von bewährten Klassikern wie Porridge und Müsli-Variationen, Ofengemüse und Curry über Bratlinge und Pasta bis zu einigen kreativen Salatideen und feinen Gemüsesuppen.
Dank übersichtlicher Gestaltung und appetitanregender Food-Fotos der farbenfrohen Gerichte findet man sich rasch zurecht. Die Zubereitung wird verständlich Schritt für Schritt beschrieben, so dass man keine Probleme beim Nachkochen hat. Zu jedem Rezept gibt es eine übersichtliche Zutatenliste für 2 Personen sowie Angaben zu Kalorienzahl, Nährwerten und zu Zubereitungs- bzw Garzeit. Ein zusätzlicher Infokasten mit dem Titel Gesundheitstipp liefert wertvolle Hinweise zu möglichen Variationen oder Alternativen – ideal für alle, die experimentierfreudig sind oder Zutaten an persönliche Vorlieben anpassen möchten..
Abgerundet wird das Buch durch ein umfangreiches alphabetisches Sach- und Rezeptregister, das das Auffinden einzelner Begriffe oder Gerichte erleichtert.
FAZIT
Ein rundum gelungenes Gesundheits- und Kochbuch mit konkreten Handlungsanleitungen - informativ, verständlich und praxisnah zugleich!
Es vermittelt eindrücklich und wissenschaftlich fundiert, dass ein gesunder Darm der Schlüssel zu Vitalität und Wohlbefinden ist und inspiriert zu bewusster Ernährung, die auch den „kleinen Helfern“ im Darm etwas Gutes tut.

Bewertung vom 12.10.2025
Tägder, Susanne

Die Farbe des Schattens (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

*Schatten der Wende – Ein fesselnder Kriminalroman*
Nach ihrem vielbeachteten Debütroman „Das Schweigen des Wassers“ legt Susanne Tägder mit „Die Farbe des Schattens“ eine ebenso fesselnde wie atmosphärisch dichte Fortsetzung ihrer Krimi-Reihe vor. Im Mittelpunkt steht erneut der ehemalige Hamburger Kriminalhauptkommissar Arno Groth, der nach Jahren im Westen in seine ostdeutsche Heimatstadt Wechtershagen zurückgekehrt ist und einen komplexen Mordfall lösen muss.
Tägders eindrucksvolle Darstellung der Ambivalenzen einer Gesellschaft inmitten des Umbruchs und sozialen Spannungen der Nachwendezeit machen den Roman nicht nur zu einem packenden Kriminalfall, sondern auch zu einem nachdenklich stimmenden und authentischen Gesellschaftsporträt.
Wenige Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung verschwindet Anfang 1992 in der tristen Plattenbausiedlung Mönkeberg der elfjährige Matti Beck auf dem Weg zum Einkaufen spurlos. Trotz einer großangelegten Suchaktion tappen die Ermittler lange im Dunkeln. Durch Zufall stößt Hauptkommissar Arno Groth auf eine Verbindung zu einem ungelösten Mordfall aus der DDR-Zeit, der einst von seinem früheren, wegen Stasi-Verdachts suspendierten Kollegen Gerstacker bearbeitet wurde. Mit der neu gegründeten Einsatzgruppe „Nachtschatten“ beginnt Groths Team, hinter die Fassade des Mönkebergviertels zu blicken und entdeckt dunkle Geheimnisse, die die schwelenden Ängste und Abgründe der Wendezeit eindrücklich offenlegen.
Mit ihrem eindringlichen, fesselnden Schreibstil und der atmosphärisch dichten Darstellung der schwierigen sozialen Verhältnisse, zerrütteten Familienbeziehungen und menschlichen Schicksale gelingt es Tägder hervorragend, eine subtile Spannung aufzubauen und uns immer tiefer in das aus wechselnden Perspektiven geschilderte Geschehen zu ziehen. Unweigerlich beginnt man mit Groth und seinem Team mitzufiebern, verfolgt aufmerksam die kleinen Ermittlungserfolge und beginnt eigene Spekulationen über Tat und mögliche Hintergründe des Kriminalfalls anzustellen.
Sehr facettenreich und authentisch fängt die Autorin nicht nur die besondere Atmosphäre der Nachwende-Ära im Osten ein, die geprägt ist von einer allgegenwärtigen Mischung aus Unsicherheit, Misstrauen, Perspektivlosigkeit und Zukunftsangst, sondern auch die Zerrissenheit einer Gesellschaft, die nach Jahrzehnten der Teilung allmählich wieder zusammenfinden muss.
Tägder überzeugt sowohl durch die psychologische Tiefe, mit der sie ihre Figuren zeichnet, als auch durch die geschickte Einbettung ihrer Handlung in den historischen Kontext der Nachwendezeit. Mit feinem Gespür für individuelle Traumata und die kollektiven Verletzungen einer im Umbruch befindlichen Gesellschaft macht sie deutlich, wie eng persönliche Schicksale und gesellschaftliche Entwicklungen miteinander verwoben sind.
Ein besonderes Highlight des Krimis sind die facettenreich und glaubwürdig gezeichneten Charaktere, die mit all ihren Stärken und Schwächen sehr lebensnah wirken. Insbesondere Groth überzeugt als sensible und sympathische Hauptfigur, die trotz ihrer professionellen Kompetenz immer wieder von Zweifeln, persönlichen Traumata und Versagensängsten geprägt ist – nicht zuletzt durch den enormen öffentlichen Druck, den Fall möglichst schnell zu lösen. Beeindruckend ist Groths behutsamer Ermittlungsstil sowie sein einfühlsamer und respektvoller Umgang mit Kollegen und Zeugen.
Auf der verzweifelten Suche nach Gerechtigkeit gelingt es Groth und seinem Team zunehmend, der allgegenwärtigen Atmosphäre von Orientierungslosigkeit, Gewalt und Rechtlosigkeit entgegenzutreten. Dabei durchdringen sie nach und nach die Mauer aus Schweigen, Misstrauen und Verdrängung, die das Umfeld des Falls zu umgeben scheint. Die Autorin gewährt uns tiefgehende Einblicke nicht nur in die äußeren Verhältnisse, sondern auch in das Innenleben, die Verletzlichkeiten und inneren Dämonen ihrer Figuren.
Sehr gelungen ist auch die alleinerziehende Taxifahrerin Ina Paul, die selbst verfolgt von den Schatten ihrer Vergangenheit ist, und als Nebenfigur schließlich einen wesentlichen Betrag zur Aufklärung des Falls liefert.
Durch geschickt gesetzte Perspektivwechsel und überraschende Wendungen baut die Autorin eine subtile, beständig anziehende Spannung auf. Das sich zunehmend verdichtende Geschehen gipfelt schließlich in einem packenden Finale. Die Auflösung des Falls überzeugt durch ihre Glaubwürdigkeit und regt zum Nachdenken über Fragen von Schuld, Wahrheit und Selbstbetrug an. Besonders eindrucksvoll zeigt die Geschichte, wie eng Verbrechen, die Schatten der Vergangenheit und gesellschaftliche Umbrüche oft miteinander verknüpft sind.

FAZIT
Ein tiefgründiger und psychologisch vielschichtiger Kriminalroman zur Nachwendezeit!
Eine überzeugende, sehr nachdenklich stimmende Fortsetzung der Krimi-Reihe - mit lebensnahen Figuren und facettenreichem Gesellschaftsporträt der Nachwende-Ära.
Empfehlenswert für alle, die neben der Spannung auch Tiefgang und historisches Flair mögen.

Bewertung vom 12.10.2025
Hauff, Kristina

Schattengrünes Tal


ausgezeichnet

*Ein faszinierendes Kammerspiel*
Mit „Schattengrünes Tal“ beweist Kristina Hauff erneut ihr Gespür für fesselnde Spannungsromane, in denen sie eindrucksvoll die Tiefen und Abgründe menschlicher Beziehungen schonungslos ausleuchtet und verborgene Lebenslügen ans Licht bringt.
Diesmal führt Hauff ihre Leser in die stille Abgeschiedenheit des Schwarzwalds. Im Mittelpunkt steht ein kleiner, idyllischer Ferienort in einem unberührten Tal, der auf den ersten Blick Ruhe und heile Welt verspricht. Doch hinter den friedlichen Kleinstadt-Fassaden schlummern schwelende Konflikte und zwischenmenschliche Dramen, die schon bald das fragile Beziehungsgleichgewicht der Protagonisten bedrohen.
Hauff erzählt die Geschichte aus wechselnden Perspektiven und lässt uns allmählich immer tiefer in das Innenleben und komplexe Geflecht der Figuren eintauchen, das nach und nach feine Risse bekommt. Im Zentrum steht das Ehepaar Lisa und Simon, dessen Alltag von festgefahrenen Routinen, unausgesprochenen Erwartungen und latenten Frustrationen bestimmt wird. Lisas Vater, ein eigensinniger Familienpatriarch, führt ein in die Jahre gekommenes Landhotel und setzt selbstverständlich auf die selbstlose Mithilfe seiner pflichtbewussten, hilfsbereiten Tochter. Während seine demente Ehefrau Rose im Pflegeheim lebt, unterhält eine geheime Beziehung zu Margret, seiner langjährigen Mitarbeiterin und rechten Hand im Hotel. Mit dem Auftauchen der mysteriösen Daniela als Gast im Hotel beginnt Lisas Leben zunehmend aus den Fugen zu geraten. Mit ihrem charmanten Auftreten versteht es Daniela rasch sich in Lisas Privatleben zu drängten.
Von Beginn an gelingt es Hauff, durch ihren intensiven Schreibstil und die bildstarken, atmosphärischen Beschreibungen einen starken Sog zu erzeugen, dem man sich kaum entziehen kann.
Vom ersten Kapitel an entfaltet sich eine latente Spannung und ein Gefühl drohenden Unheils, die einen subtilen, anhaltenden Spannungsbogen aufbauen. Durch den ruhigen, unaufgeregten Erzählstil entfaltet die Geschichte ihre Wirkung weniger durch äußere Ereignisse, sondern vielmehr durch die sorgsam verborgenen Geheimnisse und die sich unterschwellig zuspitzenden psychologischen Dramen.
Gekonnt inszeniert die Autorin ein sehr atmosphärisches und feinabgestimmtes zwischenmenschliches Kammerspiel, das mit wachsender Eindringlichkeit unter die Haut geht.
Gebannt verfolgt man, wie alte Wunden und aufgestaute Konflikte aufbrechen, Misstrauen und rivalisierende Gefühle geschürt werden und sich zunehmend entladen. Die nahende Katastrophe zeichnet sich mit stetig anschwellender Intensität ab und wird immer greifbarer.

Hauff zeichnet ihre facettenreichen Charaktere mit beeindruckender psychologischer Tiefe und Ambivalenz. Sie überzeugt mit glaubwürdigen, vielschichtigen Charakterstudien. Anschaulich arbeitet sie die Ängste und Sehnsüchte aber auch Schuldgefühle, Missgunst oder unerfüllte Hoffnungen ihrer Figuren heraus, so dass sie authentisch und nahbar wirken.
Mit bemerkenswertem Feingefühl schildert Hauff, wie Lisa durch Danielas Selbstinszenierung, Manipulationen und Machtspiele immer mehr an ihre Grenzen und in eine emotionale Ausnahmesituation gerät. Die zerstörerische Dynamik zwischen Lisa und der zur manipulativen Daniela, deren wahre Motive lange im Dunkeln bleiben, ist vielschichtig herausgearbeitet. Besonders Lisa mit ihren Verwundbarkeiten und ihrer persönliche Entwicklung bleibt als authentische Protagonistin im Gedächtnis.
Sehr gelungen sind auch die detailreichen, anschaulichen Beschreibungen der stimmungsvollen Kulissen, vor denen sich das Drama im Kleinen entfaltet. Die eindrucksvollen Naturbeschreibungen mit ihrer zerbrechlichen Schönheit und die eindringlich geschilderten Wetterphänomene verleihen dem Roman zusätzliche Dichte. Die beklemmende, intensive Atmosphäre spiegelt auf eindringliche Weise die zunehmend angespannte Grundstimmung wider.
Auch wenn das Finale etwas konstruiert und unrealistisch erscheint, schmälert dies kaum die Sogwirkung des Romans – ein psychologisch fein gewobenes Drama voller Zwischentöne und atmosphärischer Tiefe, das lange nachwirkt.

FAZIT
Ein fesselnder Spannungsroman über Schuld, Verdrängung und die Zerbrechlichkeit menschlicher Beziehungen – vielschichtig, atmosphärisch dicht und mit psychologischer Finesse erzählt.

Bewertung vom 12.10.2025
Knecht, Doris

Ja, nein, vielleicht


sehr gut

*Ein feinfühliges Frauenporträt*
In ihrem aktuellen Roman „Ja, nein, vielleicht“ widmet sich die österreichische Autorin Doris Knecht erneut dem Leben ihrer namenlos bleibenden Protagonistin – einer geschiedenen, alleinerziehenden Mutter in ihren späten Fünfzigern, die sich nach dem Auszug ihrer Kinder in einem neuen Lebensabschnitt als alleinstehende „empty nester“ wiederfindet. Mit großer Authentizität und feinem Gespür für Zwischentöne schildert die Autorin den Prozess des Neuanfangs im Leben einer Frau, die sich mit ungeahnten Freiräumen konfrontiert sieht. Für die Protagonistin beginnt eine Zeit ohne die gewohnten Verpflichtungen, die nach außen hin von Ruhe und Gelassenheit geprägt scheint, in der sich jedoch neue Perspektiven, Chancen und vor allem persönliche Freiheit eröffnen. Zwischen Wehmut, inneren Zweifeln und vorsichtiger Zuversicht sucht sie nach einem neuen Selbstverständnis. Doch ihre neu gewonnene Unabhängigkeit wird schon bald durch unerwartete Ereignisse auf die Probe gestellt. So sieht sie sich gezwungen, sich nicht nur der komplexen Familiendynamik und grundlegenden Fragen zu ihrer Zukunft auseinanderzusetzen, sondern auch mit dem unausweichlichen Folgen des Älterwerdens und der eigenen Vergänglichkeit.
Der Roman entfaltet sich in kurzen, fragmentarischen Episoden, die das vielschichtige Leben der Ich-Erzählerin eindringlich erfahrbar machen. Die Protagonistin trägt dabei unverkennbar gewisse Züge der Autorin selbst.
Wir begleiten sie durch ihren Alltag, nehmen Anteil an ihren Erinnerungen und erleben ihr oft chaotisches Innenleben hautnah mit. Mit feinem Humor und einer ordentlichen Portion Selbstironie gewährt sie schonungslos Einblicke in ihre Selbstzweifel, Fehler, Verletzlichkeiten und Widersprüchlichkeiten. Die überraschende Begegnung mit Friedrich, einer alten Liebe, stellt die Protagonistin zudem vor die Frage, ob sie ihre Unabhängigkeit für eine neue Beziehung aufs Spiel setzen möchte. Während ihrer Suche nach Klarheit und neuen Gewissheiten gewinnt die komplex angelegte Protagonistin wertvolle Erkenntnisse über sich selbst, ihre veränderten Bedürfnisse und das Älterwerden. Knecht versteht es hervorragend, essentielle Lebensfragen in kleinen Alltagsbeobachtungen widerzuspiegeln und die Vielschichtigkeit weiblicher Selbstbestimmung im späteren Lebensabschnitt auszuloten.
Der Roman lebt somit weniger von unerwarteten Wendungen, sondern überzeugt durch feinsinnige, nuancierte Betrachtungen des Alltagslebens und regt nachhaltig zum Nachdenken über das eigene Leben an.

FAZIT
Ein feinfühliger und tiefgründiger Roman über das Loslassen, die Suche nach Selbstbestimmung und die Chancen des Neuanfangs – leise, humorvoll und voller lebensnaher Beobachtungen. Ein authentisches, facettenreiches Porträt einer Frau, die sich zwischen Vergangenheit und Zukunft, Bindung und Freiheit neu ausrichtet.

Bewertung vom 12.10.2025
Wood, Benjamin

Der Krabbenfischer


ausgezeichnet

*Der Klang der Stille – Ein äußerst feinsinniger Roman*
Der neue Roman Der Krabbenfischer von Benjamin Wood ist eine eindrucksvolle, nur rund 170 Seiten umfassende Erzählung, die mit ihrer leisen Melancholie und dichten Atmosphäre von der ersten Seite an zu fesseln weiß. Gekonnt entführt uns Wood in die 1960er Jahre und den kleinen Küstenort Longferry, und lässt uns das raue, von den Naturgewalten geprägte Meeresklima und die karge, nebelverhangene Landschaft der Nordwestküste Englands unmittelbar spüren.
Im Mittelpunkt der an zwei aufeinanderfolgenden Tagen spielenden Geschichte steht der junge Krabbenfischer Thomas Flett, der sich Tag für Tag dem Rhythmus der Gezeiten folgend durch den schlickigen, einsamen Küstenstreifen kämpft und seine kräftezehrende, oft trostlose Arbeit verrichtet. Seine kleine, von Traditionen und familiärer Verantwortung geprägte Welt hält viele Entbehrungen und nur wenig glückliche Momente für ihn bereit.
Die Begegnung mit dem amerikanischen Regisseur Edgar reißt Thomas kurzzeitig aus seiner eintönigen Alltagsroutine heraus. Edgars verlockendes, zugleich aber auch eigenartiges Angebot, seine Vision einer perfekten Verfilmung vor Ort umzusetzen, bringt Thomas zum Innehalten und lässt ihn heimlich von Veränderung, Freiheit und einem besseren, selbstbestimmten Leben träumen. Während sich zwischen den beiden eine zarte Freundschaft entwickelt, beginnt Thomas, sich seinen unerfüllten Sehnsüchten zu stellen; sei es der Traum von eigener Gitarrenmusik oder der Wunsch, endlich den Mut aufzubringen, sich Joan, der Schwester seines Freundes, zu nähern.
Mit seinem prägnanten, einfühlsamen Schreibstil und zahlreichen poetisch ausdrucksstarken Bildern gelingt es Wood hervorragend, Thomas’ Alltag facettenreich und lebendig vor unserem inneren Auge entstehen zu lassen Mit viel Feingefühl zeichnet er das Gefühlsleben des Protagonisten, wobei stets viel Unausgesprochenes zwischen den Zeilen schwingt. Ob die herbe Schönheit des nebligen Wattenmeers, das mühsame Krabbenfischen mit Pferd und Wagen, die Kälte und Einsamkeit oder auch Thomas vorsichtiger Optimismus – Wood versteht es hervorragend, Landschaft und Natur ebenso eindringlich zu schildern wie Thomas Welt authentisch, ungeschönt und ohne jede Sentimentalität, einzufangen. Gekonnt zeichnet er das vielschichtige Porträt eines jungen Mannes, der im Spannungsfeld von Loyalität, Ohnmacht, Resignation und stiller Auflehnung seinem Traum von Selbstverwirklichung, ausgedrückt durch die eigene Musik, ein bisschen näher näherkommt.
Auf eindrucksvolle Weise setzt er der bedrückenden Trostlosigkeit und melancholischen Grundstimmung immer wieder einen Hauch von Hoffnung entgegen und hebt die leise Wirkkraft bescheidener Lebensziele und den sanften Zauber persönlicher Träume hervor. Behutsam verwebt er zudem faszinierende Elemente des magischen Realismus in die berührende Erzählung und verleiht ihr dadurch eine ganz eigene, betörende Magie.

FAZIT
Eine leise und einfühlsame Erzählung, die als berührende Momentaufnahme das Leben eines jungen Mannes portraitiert – bildgewaltig, psychologisch vielschichtig und atmosphärisch dicht erzählt. Ein nuancenreiches und intensives Leseerlebnis, das lange nachhallt und zum Nachdenken anregt.