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helena

Bewertungen

Insgesamt 31 Bewertungen
Bewertung vom 08.03.2025
Durgun, Tahsim

"Mama, bitte lern Deutsch" (MP3-Download)


ausgezeichnet

Schafft Verständnis

Ich habe das Hörbuch gehört, das vom Autor selbst sehr gut gesprochen wurde und einfach perfekt passte. Er geht der Frage nach, warum seine Mutter, die schon sehr lange in Deutschland lebt, kaum Deutsch spricht. Dadurch geriet er in unliebsame Dolmetschersituationen, die ihn oft überforderten, und manchmal hatte ihr schlechtes Deutsch auch direkte, negative Konsequenzen für ihn.

Die Familie gehört den kurdischen Jesiden an. Der Autor erklärt ein wenig die Besonderheiten ihrer Kultur und Religion. Er erzählt anekdotisch von humorvollen, berührenden und nachdenklich stimmenden Begebenheiten, vor allem aus seiner Grundschul- und Jugendzeit, mit politischen und nichtpolitischen Seitenhieben, aber stets warmherzig. Rassistische und demütigende Situationen berichtet er stellvertretend für viele andere, die ähnlich aufgewachsen sind. Die gingen mir sehr nah.
Er liebt seine Mutter sehr und huldigt ihr mit diesem Werk. Sie hat sich letztlich komplett zugunsten der Familie zurückgenommen und ein Stück weit geopfert. Sie hat nie gewagt zu träumen, sondern einfach funktioniert, ohne sich je zu beklagen.

Manchmal fand ich die Erzählungen etwas ausschweifend und weniger humorvoll, als ich erwartet hatte. Auch habe ich mich gelegentlich gefragt, warum er gerade diese Szenen ausgewählt hat (zum Beispiel die Diebstähle auf den Maisfeldern). Bei manchen Aussagen oder Geschichten hatte ich daher die Sorge, dass sie eher ausländerfeindlich gesonnenen Menschen bestärken. Auch hätte ich mir gewünscht, die Rolle der Frau vielleicht mehr zu hinterfragen.

Insgesamt ist das Hörbuch jedoch unterhaltsam und treffend und vor allem hat Tahsim bei mir ein wirkliches tieferes Verständnis geweckt, wofür ich sehr dankbar bin!

Bewertung vom 23.02.2025
LONELY PLANET Bildband Die 50 schönsten Reisen von Lonely Planet
Lonely Planet Verlag

LONELY PLANET Bildband Die 50 schönsten Reisen von Lonely Planet


sehr gut

Weckt Reiselust und Fernweh

In diesem Buch finden sich 50 Reiseberichte aus aller Welt, die sowohl bekannte als auch weniger bekannte Reisen abdecken. Die Berichte stammen von verschiedenen Reisenden, die am Ende des Buches kurz vorgestellt werden. Gemeinsam ist ihnen, dass sie sich vor allem mit individuellem Reisen, Naturerlebnissen und Rundreisen beschäftigen. Das Interesse am kulturellen Leben der Einheimischen, der Geschichte der jeweiligen Orte sowie das Staunen über beeindruckende Landschaften und Tierbeobachtungen sind durchweg spürbar.

Die Reiserouten werden beschrieben und auch grafisch dargestellt. Es kommen eine Vielzahl unterschiedlicher Fortbewegungsmittel zum Einsatz. Die Autor*innen wandern durch die Dolomiten oder das Amazonasgebiet, segeln übers Mittelmeer, paddeln mit dem Kanu über schwedische Seen, reisen mit einem Frachtschiff über den Atlantik, fahren mit dem Fahrrad durch die Bretagne oder Marokko, bereisen die kanadischen Rocky Mountains im Wohnmobil, segeln mit einer Yacht auf den Galapagos-Inseln, trampen entlang der Seidenstraße und nehmen den Bus durch Kambodscha – und das ist nur ein kleiner Auszug.
Ebenso vielfältig sind die Übernachtungsmöglichkeiten: von Zelten und Vans über Hotels, Hütten bei Einheimischen und Berghütten bis hin zur Transsibirischen Eisenbahn und Tiny Houses.
Abgerundet werden die individuellen Berichte durch kurze, aber treffende Informationen zur Reiseplanung.

Alle Berichte sind mit vielen, auch großformatigen Fotos bester Qualität versehen. Sie sind hervorragend gelungen und zeigen wunderbare Natur- und Tieraufnahmen sowie kulturelle Eindrücke. Nur hätte ich es bevorzugt, wenn die Erläuterungen zu den Fotos direkt darunter platziert gewesen wären.
Normalerweise schreibe ich nie etwas über das Cover, aber in diesem Fall möchte ich erwähnen, dass das metallisch glänzende Blau wirklich sehr schön und besonders aussieht.

Besonders gut gefallen haben mir die Reiseberichte über die Osterinseln, die Galapagos-Inseln, Schottland und die Nordwestküste Spaniens, aber eigentlich haben mir sehr viele Berichte gefallen.
Das Buch eignet sich eher nicht zum Schnelldurchlesen. Vielmehr kann man es zur Hand nehmen, um einige Reisen zu genießen und auf sich wirken zu lassen. Aufgrund der kleinen Schriftgröße, die das Lesen etwas erschwert, habe ich das Buch langsam, aber noch nicht vollständig durchgearbeitet. Einige Reisen werde ich wahrscheinlich nie antreten, umso mehr habe ich die Berichte genossen. Einige der beschriebenen Reisen habe ich selbst bereits unternommen und habe mich gefreut, sie hier wiederzufinden. Für zukünftige Reisen habe ich mir auf jeden Fall eine Fülle an Inspiration mitgenommen.

Bewertung vom 20.02.2025
Der Gott des Waldes
Moore, Liz

Der Gott des Waldes


sehr gut

Fesselnd und bewegend

Camp Emerson im Naturreservat der Adirondock Mountains, in der Nähe von New York. (Das Setting des Ferienlagers inmitten des Naturschutzgebietes hat mir ausnehmend gut gefallen und ich konnte es mir sehr gut vorstellen!)

Barbara, die 13-jährige Tochter einer sehr reichen Familie, denen das Camp gehört und die ihr Anwesen in der Nähe des Camps haben, ist verschwunden. Sie ist ein eher schwieriges Mädchen mit komplizierten Beziehungen zu ihren Eltern. Sie ist punkig, impulsiv und unangepasst. Ihre Mutter Alice ist sehr in ihrer eigenen Welt, in tiefer Trauer, da sie das ungeklärte Verschwinden ihres jungen Sohnes, Bear, vor einigen Jahren nie überwunden hat.

Neben Barbara lernen wir noch die 12-jährige Tracy etwas besser kennen, ihre Eltern sind getrennt und sie soll zwei Sommermonate im Camp verbringen. Sie befreundet sich mit Barabara.

Ein weiterer Fokus liegt auf Louise. Louise kommt ebenfalls aus einer dysfunktionalen Familie. Sie ist sehr intelligent, musste aber aufgrund fehlender finanzieller Unterstützung ihr Studium abbrechen und jobbt nun im Camp, als Gruppenleiterin von Barbara und Tracy.

Zudem haben wir die Perspektive von Judyta, einer jungen Kriminalinspektorin, die zum Verschwinden von Barabara ermittelt. Es sind die 70er Jahre und Frauen sind in diesem Berufsfeld noch kaum vertreten.

Es stehen also vor allem Mädchen und Frauen in verschiedenen sozialen Schichten im Fokus. Wir erfahren mehr über ihre Herausforderungen und Lebenswege, die mich alle berühren und bewegen konnten. Männer werden auch beleuchtet, treten aber eher als Nebenfiguren in Erscheinung. Alle Personen, auch die Nebenfiguren sind vielschichtig und recht tiefgründig gezeichnet. Die Themen des Frauseins innerhalb oder auch gegen die gesellschaftlichen Konventionen werden gut herausgearbeitet.

Die Haupthandlung spielt einerseits in den 70er Jahren, andererseits in Rückblenden in den 50er Jahren, als der Erstgeborene, Bear, verschwand. Es gibt recht schnelle Perspektiv- und Zeitwechsel, so dass die Spannung durchweg hoch gehalten wird. Es liest sich flüssig und wirklich fesselnd. Es gibt einige sehr traurige und auch tragische Situationen, die mich berührten. Eine Situation zwischen der Mutter Alice und deren Schwester Delphine überraschte und schockierte mich etwas. Sehr schön hingegen empfand ich die zarten Freundschaften der Mädchen untereinander, aber auch die solidarische Unterstützung, die zwischen einigen Frauen gegeben wurde.

Besonders sympathisch erschien mir Louise, über sie oder auch über Tracy, hätte ich gern noch viel mehr erfahren. Ein wenig schade fand ich, dass die Kriminalinspektorin sehr viel Raum bekam, so wurde es doch eher zu einem Krimi.
Das Ende fand ich großartig!

Der Klappentext fasst die Thematiken des Romans tatsächlich sehr gut zusammen: soziale Ungleichheit, Wohlstandsverwahrlosung, Machtmissbrauch, Kampf um weibliche Selbstbestimmung und die große Wichtigkeit von Freundschaft.

Fazit: Ein spannender Krimi in einem interessantem Setting mit starken Elementen eines Gesellschaftsromans, der fesselt, bewegt und durch die Seiten fliegen lässt.

Bewertung vom 19.02.2025
The Favourites
Fargo, Layne

The Favourites


sehr gut

Ein fesselnder und berührender Schmöker

In diesem Roman steht das talentierte Eistanzpaar Katarina Shaw und Heath Rocha im Mittelpunkt. Beide stammen aus prekären Elternhäusern, mit Verlust- und Gewalterfahrung schon in der Kindheit. Schon früh, ohne elterliche Unterstützung, waren sie auf sich selbst gestellt. Finanzielle Sorgen begleiten sie, da das Geld für ärztliche Versorgung, Trainer*innen und Kostüme verdient werden muss. Doch die Leidenschaft für den Eistanz sowie der Ehrgeiz, an die Spitze zu kommen und nicht zuletzt die Leidenschaft zueinander, treibt sie unermüdlich an. Ihr Ziel ist olympisches Gold. Doch als Außenseiter ist dies schwierig...

Der Aufbau des Romans hat mir sehr gut gefallen. Der Lebens- und Trainigsweg, der mit vielerlei Herausforderungen auf privater und sportlicher Ebene gepflastert ist, wird erzählerisch eingerahmt durch eine Fernsehshow. In dieser Fernsehshow kommen Journalisten, Trainer, Kokurrenten u.a. zu Wort , die ihre eigene Sicht der Geschehnisse darstellen und Hintergrundinformationen liefern.

Der Roman ist sehr flüssig geschrieben und ich war so gefesselt, dass ich ihn fast in einen Rutsch las. Gleichzeitig wird das Tempo immer wieder angetrieben, durch die Vorwegnahmen, dass es immer noch schlimmer komme. Gegen Ende wird es gar zu einem Krimi. Ich fieberte sehr mit, wobei ich gegen Ende doch auch etwas genervt war, da ich das fehlende professionelle Verhalten während der olympischen Spiele nicht mehr so ganz nachvollziehen konnte, wobei man die fehlende emotionale Kontrolle auch mit den nie aufgearbeiteten Kindheitstraumata begründen kann.

Die Figuren wurden teilweise vielschichtig und psychologisch interessant gezeichnet und ich konnte gut mitfühlen. Die Unermüdlichkeit und Zielstrebigkeit der Eistänzer imponierte mir sehr. Das Leben als Leistungssportler fand ich sehr realistisch nachgezeichnet, so dass man sich als Sportler gut wiederfinden kann. Die Liebes- und Beziehungsgeschichte zwischen Katarina und Heath berührte mich und auch hier imponierte mir die Beharrlichkeit und feste Bindung zueinander.

Thematisch beeindruckend fand ich die Darstellung, wie schwer es im Spitzensport ohne Geld und ohne gute Beziehungen ist. Die Chancen sind, auch im Sport, nicht unbedingt sozial gerecht verteilt. Zugleich wird gezeigt, wie sehr Konkurrenz, Neid, Rivalität im Leistungssport zu finden sind und es wird die Frage gestellt, wie Freundschaften und Fairness dort Platz haben. Zudem wird die Macht der Medien, auch insbesondere der sozialen Medien, thematisiert.

Besonders gefiel mir, dass sich die Autorin von der Wirklichkeit inspirieren liess, so dass man viele Geschehnisse auf tasächliche Begebenheiten innerhalb des Eiskunstlaufens/ des Eistanz zurückführen kann.

Fazit: Ein fesselnder Schmöker zum Abtauchen und Versinken, mit einem interessanten Aufbau, der den Eistanz als Leistungssport, teils durchaus kritisch, unter die Lupe nimmt und eine berührende Liebesgeschichte erzählt.

Bewertung vom 18.02.2025
Im Schnee (MP3-Download)
Goerz, Tommie

Im Schnee (MP3-Download)


sehr gut

Idylle oder Rattenhaus

Ich habe das Hörbuch gehört, das von Thomas Loibl absolut hervorragend gelesen wurde – seine klare, angenehme Stimme mit stets angemessenem Tempo und Betonung trägt maßgeblich zur gelungenen Atmosphäre bei.

Schorsch ist gestorben. Wir begleiten nun seinen Freund Max, den der plötzliche Tod sehr getroffen hat. Wir begleiten ihn 3 Tage. Eine Nacht lang wird Totenwacht gehalten, zuerst die Männer, dann die Frauen. Max bleibt die gesamte Wacht.

Die Geschichte wird ruhig erzählt, was dem 80-jährigen Max zugeschrieben werden kann, dessen Perspektive wir folgen. Obwohl ruhig erzählt, teilweise auch ganz erdend und besinnlich, sind seine erinnerten Erzählungen sehr bewegend und teilweise schockierend. Man erhält tiefe Einblicke in das dörfliche Leben der vergangenen 100 Jahre, in denen sich vieles im Verlauf der Zeit eklatant verändert hat. Es wird vom harten Bauernleben berichtet, aber auch vom Leben ganz nah an der Natur. Von einengenden Regeln und Konventionen, die manche traurige Realität schufen. Es werden Themen wie der Umgang mit Menschen mit Behinderung oder psychischen Erkrankungen, zerrüttete Familien, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit besprochen.

Philosophisch sinnierend über die stetigen Veränderungen und poetisch Bilder beschreibend, entsteht insgesamt eine sehr spezielle Atmosphäre – traurig, aber auch tröstend, besinnlich und im Kreislauf des Lebens. Alles wird stets mit viel Respekt und Wertschätzung erzählt.
Besonders berührend fand ich die Darstellung der Freundschaft bzw. Liebe zu Schorsch, die mir das Herz erwärmte.

Ein Kritikpunkt bleibt jedoch: Ich fand am Ende die Gestalt des Fotografen etwas unnütz. Hier hatte ich den Eindruck, dass der Autor sicherstellen wollte, und es im Dialog mit dem Fotografen aussprechen liess, dass die Lesenden wirklich das verstanden, was er aufzeigen wollte. Das fand ich schade, da er es doch im Verlauf schon wunderbar schaffte, die Thematiken und Fragen herauszuarbeiten, so dass der Lesende durchaus angeregt wurde, über die Veränderlichkeit der Zeit, über das dörfliche und auch städtische Leben, mit all seinen Widersprüchen, Vor- und Nachteilen nachzudenken. Bezüglich des Endes bin ich daher etwas zwiegespalten.

Ansonsten aber: große Hörempfehlung mit Nachhalleffekt! Es hat mir zudem so gut gefallen, dass ich es definitiv noch einmal hören werde.

Bewertung vom 18.02.2025
Irrfahrt
Heijmans, Toine

Irrfahrt


ausgezeichnet

Tragisch, spannend, interessante Vaterfigur

Donald hat sich eine Auszeit genommen und segelt für einige Zeit. Die letzten zwei Tage vor seiner Heimkehr möchte er gemeinsam mit seiner 7-jährigen Tochter Maria über die Nordsee – von Dänemark in die Niederlande – segeln. Seine Frau Hagar ist zunächst wenig begeistert, gibt dann aber doch nach. Anfangs verläuft alles reibungslos, bis plötzlich ein Sturm aufzieht.

Neben einer spannenden und abenteuerlichen Seglerfahrt handelt es sich hier auch um eine psychologische Erzählung, in der die Rollen von Vätern, Müttern und des kindlichen Seins in den Fokus rücken. Dies gefiel mir ausgesprochen gut, da hier einige interessante und tiefgründige Beobachtungen und Gedanken vermittelt werden.

Donald ist ein Vater, der nie wirklich erwachsen geworden ist, sich aber stets bemüht, ein guter Vater zu sein. Er liebt seine Tochter sehr, verbreitet jedoch gleichzeitig immer wieder Unruhe. Die Figur Donald hat mich nachhaltig beschäftigt – sein Vorname könnte evtl. auf den Segler Donald Crowhurst und dessen tragische Gestalt verweisen.

Als Ich-Erzähler entpuppt sich Donald bald als unzuverlässiger Erzähler – ein Stilmittel, das ich grundsätzlich sehr schätze. An einigen Stellen gibt es Einschübe aus Hagars Perspektive, wodurch auch ihre Sichtweise berücksichtigt wird. Die Erzählung ist äußerst spannend und an manchen Stellen sehr bedrohlich; teilweise war es für meine (mütterlichen) Nerven etwas zu intensiv. Eine emotionale Achterbahnfahrt, die ich jedoch durchaus genoss.

Der kurze Roman ist dicht geschrieben, besticht durch eine hohe Spannungskurve und eine feine psychologische Beobachtungsgabe. Er ist tieftraurig, dramatisch und tragisch – allerdings auf einer Ebene, die überraschend anders ist, als man zunächst vermuten könnte.

Bewertung vom 18.02.2025
Russische Spezialitäten
Kapitelman, Dmitrij

Russische Spezialitäten


ausgezeichnet

Sehr berührend und bewegend

Die Familie der Hauptfigur eröffnet in Leipzig ein Geschäft für russische Spezialitäten. Die Eltern, in Russland aufgewachsen, lebten später eine Zeitlang in Kyjiw, wo dann ihr Sohn geboren wurde. Schließlich wanderten sie nach Deutschland aus. Der erste Teil des Buches spielt in Leipzig, während der zweite Teil den Sohn zurück nach Kyjiw führt. Dort möchte er sich ein eigenes Bild von der Kriegssituation machen und alte Freunde wiedersehen. Der Buchtitel trägt dabei eine tiefere, mehrschichtige Bedeutung.

Dieser feinfühlige Roman erzählt zum einen eine bewegende Familiengeschichte und setzt sich eindrucksvoll mit den Themen Sprache, Identität, Identitätssuche und Zugehörigkeit auseinander. Besonders im Fokus steht der Konflikt zwischen dem Sohn und seiner Mutter, die sich – für ihn völlig unverständlich – auf die Seite Russlands stellt und der dortigen Propaganda Glauben schenkt. Auch die Beziehung zum Vater ist kompliziert, da dieser an Demenz erkrankt ist. Ein weiteres, sehr bewegendes Thema wird geschickt und aufrüttelnd in den Roman eingeflochten – mehr möchte ich dazu jedoch nicht verraten.

Zum anderen ist dieser Roman vor allem ein eindringlicher Anti-Kriegsroman. Er verdeutlicht die Absurdität des Krieges, die Zerstörung von Menschlichkeit und die tiefen Gräben, die er zwischen Familien und Freunden reißt. Zugleich erhält man viele aufschlussreiche Einblicke in die Ukraine und Russland und die enge, historische Verbundenheit zwischen den beiden Schwesterländern wird ersichtlich.

Die Handlung ist in die aktuelle deutsche Gegenwart eingebettet und thematisiert die wachsende Bedrohung durch den Aufstieg rechtsextremer Parteien. Es wird spürbar, wie fragil das Gefühl von Sicherheit dadurch wird.

Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive der Hauptfigur erzählt, wodurch man seine Gedanken und Gefühle unmittelbar miterlebt. Der Schreibstil ist flüssig und ansprechend, auch wenn ich anfangs etwas Eingewöhnungszeit brauchte. Die Figuren sind lebendig und zugänglich, und man begegnet im Verlauf der Handlung humorvollen, schrägen sowie liebenswerten Charakteren.

Fazit: Ein hochaktueller und tiefgründiger Roman, der Hintergründe beleuchtet, aufrüttelt und zum Nachdenken anregt. Dabei ist er zugleich humorvoll, berührend und sensibel erzählt. Ein absolutes Lesehighlight mit einer klaren Empfehlung!

Bewertung vom 17.02.2025
52 wilde Fermente
Goertz, Alexis;Grube, Jonas

52 wilde Fermente


weniger gut

Recht enttäuscht

Ich war sehr gespannt auf dieses Buch, da ich einerseits seit Jahren verschiedene Gemüse fermentiere, andererseits regelmäßig Wildkräuter für Tees oder Salate sammele. Ich hatte daher gehofft, interessante Rezepte für die Fermentation von Wildkräutern zu finden. Die fand ich zwar auch, aber für meinen Geschmack viel zu wenig.

Die ersten 70 Seiten referieren über Kulturgeschichte, über Mikroben und das Mikrobiom, über gesunde Ernährung und Ökologie. Das hätte ich überhaupt nicht gebraucht, da mir das alles bekannt ist. Auch fand ich den Schreibstil ermüdend, da er wenig auf den Punkt kommt und mir etwas zu viel unwichtige Dinge erwähnt werden.

Die nächsten 30 Seiten beschäftigen sich mit dem Sammeln von Wildkräutern (10 Seiten) sowie dann endlich mit Fermentationstechniken (20 Seiten). Es werden verschiedene Techniken vorgestellt, zur Herstellung von fermentiertem Gemüse/ Kraut, Essig, Kombucha, Wildbräu, Fassbrause, Sauerteig, Wasser- und Milchkefir. Diese 20 Seiten waren dann tatsächlich für mich interessant, aber insgesamt einfach viel zu wenig. Hier hätte ich mir mehr gewünscht!

Danach folgen die Rezepte auf den letzten 100 Seiten. Hier wurde ich ein weiteres Mal enttäuscht. Für einen Großteil der Rezepte müssen Starterkulturen hinzugegeben werden. Es muss also erst fermentiert werden, bevor dann die weitere Fermentation mit den Wildkräutern angefangen werden kann. Zudem handelt es sich oft um die Herstellung von Sirup, Honig, Alkohol, was ich in der Menge so nicht erwartet habe und für mich auch nicht wirklich interessant war. Ein Rezept (Brombeerblätter) habe ich leider gar nicht verstanden. Die Rezepte fand ich zum Teil etwas unglücklich gestaltet. Die jeweiligen Wildkräuter werden im Anhang bildhaft dargestellt, warum nicht gleich bei der Rezeptbeschreibung? Auch fand ich die Bilder zu den Rezepten oft zu wenig aussagekräftig.
Dennoch gibt es, leider nur eine Handvoll, Rezepte, die ich auf jeden Fall ausprobieren werde und auf die ich sehr gespannt bin.

Es ist mir nicht genau klar, wer die Zielgruppe sein soll. Für wirkliche Anfänger eignete es sich nur bedingt, hier gibt es sicherlich bessere Bücher. Für Fortgeschrittene eignet es sich schon eher, hier hätte allerdings die ganze Einführung von 70 Seiten nicht sein müssen.

Bewertung vom 08.02.2025
Leuchtfeuer (MP3-Download)
Shapiro, Dani

Leuchtfeuer (MP3-Download)


sehr gut

Wir sind nur so krank wie unsere Geheimnisse

Ich hörte das Hörbuch – gesprochen von Julian Horeyseck – und fand, dass er angenehm langsam, sehr nuanciert, vielfältig und eindringlich spricht. Seine Sprechmelodie wirkte allerdings mitunter etwas anstrengend, da ein gewisser Pathos mitschwang, der mir nicht immer passend erschien. Insgesamt hörte ich aber sehr gern zu.

Im Mittelpunkt stehen zwei unglückliche Familien, die in der gleichen Strasse leben.

Die Geschwister Theo und Sarah verursachen als Jugendliche einen Autounfall mit schwerwiegenden Folgen; auch ihr Vater, ein Arzt, trägt Mitschuld. Innerhalb der Familie wird nie über das Geschehene gesprochen. Klar und eindringlich werden die Lebenswege aufgezeigt, in denen insbesondere Sarah und Theo an der Schuld sowie dem damit verbundenen Geheimnis bzw. Tabuthema ein Stück weit zerbrechen und in ihrer persönlichen Entwicklung stark behindert werden. So trinkt Sarah, während sich Theo auf keinerlei Beziehungen einlassen kann.

Die zweite Geschichte dreht sich um einen Jungen, der sich im Autismus-Spektrum befindet und von seinem Vater nicht so unterstützt und geliebt wird, wie er es benötigt.

Thematisch stehen Familiendynamiken, Verlusterlebnisse und Schuld im Fokus. Psychologisch fein beobachtet werden die Figuren gut beleuchtet, und ich konnte mich sehr gut hineinversetzen bzw. über sie nachdenken.

Es gibt verschiedene Perspektivwechsel sowie Zeitsprünge, die immer wieder auch mit Vorwegnahmen ergänzt werden. Der Aufbau hat mich jedoch nicht in Gänze überzeugt und fand die Geschichte nicht ganz rund erzählt. Anfangs wusste ich nicht so recht, wohin die Reise geht. Ebenso gegen Ende, wo die Corona Thematik miteinfloss und damit ein weiteres Thema einbrachte, was nicht unbedingt hätte sein müssen, zerfaserte die Geschichte etwas. Inhaltlich stolperte ich zudem über die spirituellen Einflüsse, die es eigentlich auch nicht nötig gehabt hätten. Allerdings liess ich mich darauf ein und denke, dass es doch ein wichtiger Trost in solch schwierigen Verlustmomenten sein kann.

Insgesamt ist das Hörbuch spannend und fesselnd. An einigen Stellen wurde ich tief berührt. Es lädt zum Nachdenken ein und macht deutlich, wie wichtig es ist, miteinander über Probleme zu sprechen und welch destruktive Kraft Geheimnisse und Tabus besitzen. Nicht zuletzt bietet es Trost in verschiedenen Lebenslagen und gibt Mut in entsprechenden Situiationen anders zu handeln, als die Protagonist*innen.
3,5

Bewertung vom 02.02.2025
Josch der Frosch: Abenteuer im Regenwald
Rufledt, Hubertus

Josch der Frosch: Abenteuer im Regenwald


gut

Hat uns nicht in Gänze überzeugt

Dieses Kinderbuch verbindet ein spannendes Abenteuer mit Einblicken in den tropischen Regenwald und dem Thema Zusammenhalt.

Josch, der Rotaugenlaubfrosch, und Daggi, die Stabschrecke, leben gemeinsam in einem Terrarium in der Biosphäre Potsdam. Eines Tages erscheint ein Pelikan, der sie um Hilfe bittet, da ein riesiges Tier den (indonesischen) Regenwald bedroht. Sie fliegen nun gemeinsam in den Regenwald und treffen auf verschiedene Tiere wie einen Komodowaran, einen Orang-Utan, einen Wasserbüffel und viele andere. Schnell wird klar, dass es sich bei der Bedrohung um Waldarbeiter mit Baggern handelt, die die Bäume fällen. Als es zu einer Konfrontation kommt, bricht auch noch ein Feuer aus...

Die Geschichte ist humorvoll und abenteuerlich gestaltet. Sie wechselt zwischen Fließtext und Sprechblasen, wodurch sie abwechslungsreich bleibt. Die großflächigen, farbenfrohen Illustrationen sind sehr eindrücklich und zeigen auch weniger bekannte Tiere. Nicht immer waren mir die Bilder sympathisch, so fand ich die Menschen nicht ganz gelungen und man musste das Buch auch immer abwechselnd nah und fern halten, da die Größenverhältnisse auf den Seiten unterschiedlich waren.

Am Ende des Buches gibt es eine informative Seite, die kurz auf den tropischen Regenwald, die Abholzung und Schutzmöglichkeiten eingeht. Besonders gelungen ist die Vorstellung des Komodowarans, wobei ich es schön gefunden hätte, wenn auch die anderen Tiere näher beschrieben worden wären.

Für meine fast siebenjährigen Kinder war die Geschichte etwas zu kurz und wirkte an einigen Stellen zu oberflächlich und wenig überzeugend, was irritierte und Fragen aufwarf. Ich denke, das Buch eignet sich gut für Kinder im Alter von 3 bis 5 Jahren, um erste Eindrücke vom Regenwald und seinen tierischen Bewohnern zu gewinnen. Die Informationsseite am Ende richtet sich jedoch eher an ältere Kinder oder Erwachsene.

Das Buch hat einen klaren Bezug zur Biosphäre Potsdam, was mir besonders gefallen hat, da meine Kinder die Biosphäre sehr schätzen. Allerdings war für mich nicht ganz ersichtlich, wie stark der Fokus auf einem werblichen Charakter lag.