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caro_phie

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Insgesamt 25 Bewertungen
Bewertung vom 26.09.2024
Karim Khani, Behzad

Als wir Schwäne waren


ausgezeichnet

Warum er dort und ich hier?

“Aber dann sagtest du irgendwann es sei fair, dass es Inseln gibt, denn schließlich gibt es ja auch Seen. Und ich, tausend Ängste älter, sagte: Ja, das ist fair.

Und ich, tausend Lügen klüger, sagte nicht, dass fair ein so einfaches Wort ist, und Gerechtigkeit ein so schwieriges.

Und ich, tausend Wunden hoffnungsvoller, sagte dir nicht, dass wir alle an dem längeren Wort gescheitert sind.” (S. 7)

Es sind die ersten eineinhalb Seiten von “Als wir Schwäne waren”. Ein vorangestellter Brief von Behzad Karim Khani an seinen Sohn. Ein paar Sätze, die gleichzeitig leise und poetisch daherkommen und doch mit so wenigen Worten eine solche Kraft entfalten. So wie auch Khanis Buch selbst.

Auf knapp 200 Seiten tauchen wir ein in das Leben von Reza. Seine Kindheit in einer Plattenbausiedlung im Ruhrgebiet der 90er Jahre, wo er nach der Flucht aus dem Iran mit seinen Eltern ankommt. Die Mutter versucht in dem neuen Land Fuß zu fassen, der Vater scheitert schon bald daran und dazwischen Reza, dessen Kindheit - noch von kleinen, zum schmunzeln anregenden Glücksmomenten geprägt - schon bald einer Jugend Platz macht, die ihn in die harte Realität der Plattenbausiedlung wirft.

Eine Realität, die einem nichts schenkt, sondern in der man lernen muss zu schwimmen, den Kopf über Wasser zu halten, um nicht unterzugehen.

“Wir alle strampeln uns ab in dieser Kloake, halten den Kopf aber über Wasser. Nur Serdar schwamm nach unten und vielleicht gehört das zu den Dingen, die passieren, wenn Armut keinen Geruch hat. Sich keine Goldketten umhängt, keine großen Autos fahren will. Nicht die Trikots der Champions-League-Vereine trägt. Vielleicht ist das eines der Dinge, die passieren, wenn Armut Status und Sieg nicht wenigstens vortäuscht. Wenn Armut nicht lügt. Nicht wenigstens so tut, als hätte sie alles im Griff.” (S.103)

Und Reza lernt zu schwimmen. Er erkämpft sich den Respekt der Jungs von seinem Block, lässt sich auf Drogenkriminalität, Gewalt und Diebstahl ein. Er kämpft mit der gleichen Vehemenz, mit der er später kämpft um all das hinter sich zu lassen, ein anderes Leben jenseits der Plattenbausiedlung zu suchen.

Mit unglaublicher Intensität, sprachlich wie inhaltlich, zeichnet Behzad Karim Khani ein ungeschöntes Bild der Lebenslage vieler Migranten in Deutschland, was es heißt am Rande einer Großstadt in einer Plattenbausiedlung aufzuwachsen und wie viel Kraft es kostet diese hinter sich lassen zu können.

Und am Ende bleibt da nur die Frage: Warum? Warum er dort und ich hier? Warum sein Weg so viel steiniger als meiner?

Danke, für dieses wundervolle, aufrüttelnde Buch.

Bewertung vom 20.08.2024
Maguire, Roisin

Mitternachtsschwimmer


weniger gut

Vielversprechendes Setting - und doch enttäuscht

Es ist der Frühling 2020, in dem es Evan in den kleinen Ort Ballbrady an der irischen Küste verschlägt - eine Auszeit von dem geschäftigen Leben in Belfast, aber vor allen Dingen von der Ehe mit seiner Frau, die seit dem plötzlichen Tod seiner Tochter nur noch aus gegenseitigem Schweigen und stillen Vorwürfen zu bestehen scheint.

Es soll eine kurze Auszeit sein - nur wenige Wochen. Doch durch den plötzlichen Einbruch der Corona-Pandemie werden aus Wochen Monate, in denen sich zwischen Evan und den Bewohnern von Ballbrady ein zartes Band der Freundschaft entspinnt - insbesondere zu Grace, der verschrobenen Vermieterin des Cottages. Grace, die sonst die Nähe zu anderen Menschen meidet und ihre ganz eigenen Wunden mit sich herumträgt.

Es ist ein Buch, das für mich auf den ersten Blick eine vielversprechende Sommerlektüre zu sein schien - vor der malerischen Kulisse der irischen Küste, die Roisin Maguire so bildhaft einzufangen vermag.

Aber die anfängliche Vorfreude hielt leider nicht lange an, denn mit jeder Seite wirkten die Charaktere für mich klischeehafter, Beziehungen zwischen und die Entwicklungen der einzelnen Charaktere zu zwanghaft auf zu wenigen Seiten umgesetzt, sodass mir die Handlung und die Konversationen an vielen Stellen unrealistisch vorkamen.

Mit Mühe habe ich das Buch beendet, aber gefesselt hat es mich leider nicht. Und so lege ich es ratlos beiseite und weiß nicht wohin mit dem Gefühl der Enttäuschung über ein Buch, das eine besondere Sommerlektüre hätte werden sollen.

Bewertung vom 19.08.2024
Thomas, Ruth-Maria

Die schönste Version


ausgezeichnet

Leider aus dem Leben

Es beginnt wie ein großer Liebesroman - Nachthimmel, Yannicks Hand in Jellas, gemeinsam am Strand liegend, geflüsterte Liebesworte. Und doch sind da Jahre später die selben Hände an Jellas Hals und die Frage lässt sich nicht weiter verdrängen, wann er angefangen hat, der Verlust. Der Verlust von ehrlicher Verbundenheit. Der Verlust der Fassung. Der Verlust von sich selbst und der Selbstbestimmung über das eigene Leben.

In ungeschönten Worten zeichnet Ruth-Maria Thomas das Bild einer Beziehung. Einer Beziehung, die toxisch wird oder es schon immer war?! Es ist ein vielschichtiges Bild von Täter und Opfer, das sich nicht auf die plakative Darstellung eines Einzelfalls beschränkt, sondern die gesellschaftlichen Strukturen aufzeigt, die nach wie vor, dazu führen, dass sich insbesondere Mädchen und Frauen in Beziehungen zu häufig klein machen, veruschen zu gefallen, vergessen wie man Nein sagt und sich zu spät als Opfer begreifen. Denn war man nicht auch selbst ein wenig Schuld an dem, was einem widerfahren ist?

"Die schönste Version" ist ein unglaublich starkes Buch - eines meiner Favoriten diesen Jahres, wenn auch ein trauriger. Ein Buch, in dem ich mich so oft wieder gefunden habe und das ich, und sicherlich viele Frauen und Mädchen auch, am Ende zuklappen musste mit dem Gedanken, dass mir das gleiche auch passieren kann. Denn häusliche Gewalt ist kein Randphänomen, sondern allgegenwärtig.

Bewertung vom 28.06.2024
Landsteiner, Anika

Sorry not sorry


ausgezeichnet

Nicht (mehr) allein

Ich versuche die richtigen Worte zu finden, meine Empfindungen während des Lesens von Anika Landsteiners Essayband zum Thema weibliche Scham wiederzugeben, die Punkte zu finden, bei denen sie mich besonders getroffen hat, bei denen ich das Buch zuklappen musste weil ich zum ersten mal merkte, es gibt noch jemanden, der - oder besser die - sich in solchen Situationen schämt. Es gibt höchst wahrscheinlich nicht nur eine sondern die Hälfte der Gesellschaft, der diese Scham antrainiert wurde. Ich bin nicht allein und war es nie mit diesen Gefühlen, aber ich dachte es, denn die Scham selbst ist schambehaftet. Es wird nicht darüber gesprochen. Oft gesteht man sich das Gefühl sogar selbst nicht ein.

Anika Landsteiner bricht dieses Tabu. Sie offenbart so viel über ihre eigene Scham, findet auf einer unglaublich persönlichen Ebene Zugang zu dem Thema ohne den gesellschaftlichen Diskurs dahinter zu vernachlässigen. Sie hinterfragt Strukturen, die gerade Frauen diese Scham aufzwingen - die Scham nackt zu sein, die Scham zu altern aber auch die unauffällig unters Sofa geschobene, leere Kekspackung.

So oft habe ich mich in Anika Landsteiners Essays wiedergefunden, in ihren Gefühls- und Gedankenkarussellen, von denen sie es schafft sich zu distanzieren. Ich, knapp 10 Jahre jünger, habe noch einen weiten Weg dorthin, aber er ist durch dieses unglaublich wichtige Buch merklich kürzer geworden.

Bewertung vom 03.06.2024
Fallwickl, Mareike

Und alle so still


sehr gut

Ich hätte es so gerne geliebt

Sie liegen da vor dem Krankenhaus. Viele Frauen. Wie Blumen, denen das letzte Wasser entzogen, die letzten Nährstoffe genommen wurden, eingeknickt ohne einen Laut. Sie rufen nichts, sie erklären sich nicht. Denn was gibt es denn da noch zu erklären, wo alles schon so viele Male gesagt wurde?

Ein stiller Protest, eine solidarische Aktion vieler Frauen, die wie ein Lauffeuer um sich greift. Sie legen die Arbeit nieder und innerhalb weniger Tage beginnt das System zu wanken, denn baut es nicht auf der unter- und unbezahlten Arbeit so vieler Frauen? Voller Wut und gleichzeitig Hoffnung verfolgt Mareike Fallwickl dieses Gedankenexperiment.

Es ist ein erstaunliches, schockierendes Buch. Ein Buch, das mich auf wenigen Seiten so viel gelehrt hat, so viele Perspektiven vereint und denen eine Stimme gibt, die insbesondere durch Mehrfachmarginalsierung oft keine haben. Es ist ein wichtiges Buch und so gerne würde ich es uneingeschränkt empfehlen.

Aber leider konnte mich Mareike Fallwickl weder von der Sprache noch mit ihren Charakteren ganz abholen. Viele Konversationen kamen mir unnatürlich vor, viele der Szenen zu konstruiert. Vielleicht ist es Absicht? Vielleicht soll das Buch wie eine Traumsequenz wirken, denke ich, als ich es zuklappe. Doch für mich hat es eher bewirkt, dass eine Distanz zwischen mir und den Hauptcharakteren blieb, die es schwerer machte mit ihnen zu fühlen.

Und so schwingt in all den Momenten, in denen ich in den darauffolgenden Tagen an das Buch zurückdenken muss - denn losgelassen hat es mich bisher nicht und wird es auch so schnell nicht - immer auch ein leichtes Gefühl der Enttäuschung mit.

Bewertung vom 20.05.2024
Lux, Lana

Geordnete Verhältnisse


ausgezeichnet

Erschütternd wichtig

“Eine Beziehungstat” so heißt es danach in den Zeitungen, wie leider viel zu oft. Es folgt ein Kopfschütteln, ein Augenblick der Beklemmung und dann blättert oder scrollt man weiter, wendet seine Gedanken anderen, scheinbar größeren Themen zu und Täter und Opfer frieren in diesen Rollen ein, bleiben für immer Täter und Opfer, scheinen immer Täter und Opfer gewesen zu sein, bestimmt durch ihre Beziehung zueinander.

In ihrem grandiosen Roman, wendet sich Lana Lux der Vorgeschichte einer solchen “Beziehungstat” zu. Mit unglaublicher Beobachtungsgabe schildert sie die Vorgeschichte der Tat aus der Perspektive von Täter und Opfer, zeigt auf schockierend individueller Ebene, wie ein unabhängiger Mensch innerhalb kürzester Zeit die Kontrolle über sein Leben verlieren kann, weil ein anderer sie gewaltvoll nimmt.

Es ist ein Buch, dass mich absolut sprachlos und erschüttert zurückgelassen hat. Ein Buch, das von der ersten bis zur letzten Seite in jedem Satz so präzise auf die Missstände hinweist, die letztendlich zu der Tat führen. Ein Buch, das mit so viel detailreich die Geschehnisse aus der Perspektive von Faina und Philipp beschreibt, dass man sich am Ende schämt dafür jemals nicht die Menschen hinter einer Beziehungstat als solche wahrgenommen zu haben, nicht dem unermesslichen Leid gebührend Beachtung geschenkt zu haben, das mit einer so toxischen Beziehung einhergeht.

Es ist ein Buch, das ich allen ans Herz lege. Ein unglaublich wichtiges Buch, das mich noch sehr lange beschäftigen wird.

Bewertung vom 22.04.2024
Amojo, Ireti;Borcak, Melina;Boussaoud, Yassamin-Sophia

Unlearn Patriarchy 2


sehr gut

Mit- und weiterdenken

Es gibt viele Aspekte in unserem Leben, die vom Patriarchat geprägt sind, die wir hinnehmen, nach keiner Alternative suchen, uns teilweise ihres Diskriminierungspotentials nicht bewusst sind. Unlearn Patriarchy 2 greift in Essays von unterschiedlichen Autor*innen 13 dieser Aspekte auf.

Ich war wahnsinnig überrascht von den vielen Dimensionen des Patriarchats, die sich auftaten und die ich vorher gar nicht oder nicht in der Tiefe mitgedacht habe. Immer wieder musste ich zum Stift greifen mir ganze Passagen unterstreichen, weitere Leseempfehlungen rausschreiben. Es ist ein Buch das zum Mitdenken anregt, sowohl während der Lektüre als auch danach, denn dass man danach genauso auf die Gesellschaft schaut wie vorher ist unwahrscheinlich.

Leider muss ich dennoch mein Lob für dieses wichtige Buch ein wenig einschränken, denn so wie sich die Themen unterscheiden, unterscheiden sich auch die Stimmen in diesem Buch. Während Schreibstil (von sachlich bis wütend) sicherlich Geschmackssache ist und ich es auch sehr schön fand, dass so viele verschiedene Stimmen in einem Buch versammelt sind, hat die Aufarbeitung mancher Themen meines Erachtens manche Argumente schwächer gemacht als nötig - Argumente, denen ich in 99% der Fälle folgen konnte, bei denen mir aber, wenn sie als generelles Statement und nicht als eigene Erfahrung dargestellt wurden, oft die Referenzen gefehlt haben.

Dennoch eine klare Leseempfehlung für dieses wichtige Buch, aus dem ich viel mitgenommen habe!

Bewertung vom 01.04.2024
Sozio, Astrid

Der rechte Pfad


sehr gut

Düsteres Porträt eines Ortes

Es ist ein Ort, der wie aus der Zeit gefallen wirkt. Welsum, eine kleine Gemeinde in Nordrhein-Westfahlen, in die Benni nach einem Unfall zurückkehrt. Denn hier hat er immer seine Sommer in seiner Kindheit verbracht, bei seinem Vater. Einem Vater, der ihm trotzdem immer ein wenig fremd geblieben ist. So wie der ganze Ort und seine Bewohner - so scheint es. Denn Welsum ist Zentrum einer sektenartigen Glaubensgemeinschaft, der ein Großteil der Bewohner angehören.

Dennoch scheint es den kleinen Benni und nun auch den erwachsenen immer wieder hinzuziehen, der Glaube an Himmel und Fegefeuer ihn zugleich abzustoßen und anzuziehen. Hier findet er in seiner Jugend einen engen Freund und die erste Liebe. Hier erlebt er Gewalt, Fremdenhass, Angst und Tod.

Großartig verwebt Astrid Sozio die zwei Zeitebenen zu einem atmosphärischen, düsteren Roman darüber, welche Kräfte ein wahnhafter Glaube an Gott freisetzen kann. Obwohl das Buch eigentlich nicht ganz in mein übliches Lesemuster passt, und ich die ersten huntert Seiten gebraucht habe, um in die Geschichte reinzukommen, war ich letztendlich wahnsinnig gefesselt - von der Handlung, aber auch von Astrid Sozios Sprache, ihrer detailreichen Erzählweise, die das Buch für mich zu einem intensiven Leseerlebnis gemacht haben.

Bewertung vom 20.03.2024
Prokopetz, Felicitas

Wir sitzen im Dickicht und weinen


ausgezeichnet

Eine intergenerationale Geschichte über Mütter und Töchter

Sie sitzen im Dickicht und weinen. In einem Dickicht aus gegenseitigen Vorwürfen, die den ganzen Raum einnehmen, sich zwischen sie drängen, ihnen die Luft nehmen, in diesem Moment als Valerie am Krankenbett ihrer Mutter sitzt. Denn Christina hat Krebs. Eine neue Realität, die sich so plötzlich, so unwiderruflich in ihre Leben drängt, zu neuer, alter physischer Nähe zwingt und alte Verletzungen wieder aufreißen lässt. Denn Christina war keine fürsorgliche Mutter, war zu sehr mit ihren eigenen Träumen beschäftigt, um zu merken, wie sehr ihre Tochter darunter litt keine Bezugsperson zu haben, die sich um sie kümmerte, und welche Wunden das hinterließ.

„Hätte Mama auch mein Vater sein können, wäre jemand anderer dafür zuständig gewesen, mich zu versorgen, hätte sie unbehelligt von allen häuslichen und emotionalen Verpflichtungen einem Beruf ihrer Wahl nachgehen können, wäre sie wahrscheinlich stabiler gewesen; es hätte gereicht.“

Meisterlich verwebt Felicitas Prokopetz über mehrere Generationen hinweg den Kampf für mehr weibliche Selbstbestimmung mit dem gleichzeitigen gesellschaftlichen Anspruch an Mütter. Es ist nicht nur die Geschichte von Christina und Valerie, sondern auch die Geschichte von Christinas Mutter Martha, von Valeries anderer Oma Charlotte und die Geschichte von deren Müttern. Jede einzelne versucht in ihrer Rolle als Mutter zu bestehen. Jedes Scheitern verursacht Verletzungen. Jede Verletzung resultiert in dem Wunsch der Tochter es besser zu machen als ihre jeweilige Mutter.

Es ist ein wichtiges, ein großes Thema, das Felicitas Prokopetz hier aufmacht und wahnsinnig gut beobachtet beschreibt. Aber es ist auch ein fast zu großes Thema für die wenigen Seiten dieses Buches. Viele Charaktere bleiben skizzenhaft. Viel geschieht in den Zeilen, wenig dazwischen.

Vielleicht ist das der Grund dafür, dass die Autorin mich trotz der starken Message, nicht ganz abholen konnte, mich nicht so berührt hat, wie ich es mir gewünscht hätte. Dennoch ein schönes, leicht zu lesendes Buch, das sehr warmherzig von Müttern und Töchtern erzählt.

Bewertung vom 12.03.2024
Vescoli, Christine

Mutternichts


ausgezeichnet

Leise, poetische Suche nach der Mutter im Nichts

Es ist ein Schweigen, in das sich die Mutter immer wieder hüllt. Ein Schweigen, in dem sie versinkt und erst nach einigen Stunden wieder auftaucht. Eine zweite Realität, in der für die Tochter kein Raum ist. Dann stirbt die Mutter und lässt die Tochter zurück - mit einem Nichts. Was weiß sie wirklich über ihre Mutter und was wird nun auf ewig in Vergessenheit geraten?

Mühsam reist die Tochter zurück in die Vergangenheit, verhakt sich in den wenigen Details, die sie aus der Kindheit ihrer Mutter kennt, versucht diese zu verknüpfen, zu füllen mit Leben, eine Geschichte zu entspinnen - die Geschichte ihrer Mutter.

In leiser, poetischer Sprache fängt Christine Vescoli diese Suche nach der Mutter im Nichts ein. Es sind wunderschöne, bildhafte Sätze, die sie aneinanderreiht, miteinander verwebt. Jeder Satz besonders und dadurch für mich leider in seiner Gesamtheit etwas überfordernd, die Bilder, die sie entwirft zu rasch aufeinanderfolgend. Ein Buch, was ich daher empfehlen würde in kleinen Stücken zu lesen, um jeden Satz auf sich wirken lassen zu können. Denn dann verspricht das Buch ein sehr besonderes Leseerlebnis.