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Irve
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Insgesamt 25 Bewertungen
Bewertung vom 03.07.2016
Wie der Atem in uns
Poliner, Elizabeth

Wie der Atem in uns


weniger gut

*+* Elizabeth Poliner: „Wie der Atem in uns“ *+*

In diesem Roman lernen wir die jüdische Großfamilie Leibritzky kennen. Schon seit ewigen Zeiten verbringt diese Familie im Sommer mehrere Wochen in ihrem Ferienhaus am Meer. Vor allem über einen dieser Sommer berichtet Molly rückblickend als ältere Frau. Diese tragischen Wochen des Jahres 1948 bilden den roten Faden ihrer Erzählung. Des Jahres, in dem das Leben der Leibritzkys eine schicksalhafte Wendung nahm. Aber Molly holt darüber hinaus auch weiter aus, was die Verwandtschaft und die Generationen der Familie betrifft. Sie springt dabei immer wieder in der Zeit, was es mir nicht leicht machte, den Schilderungen zu folgen. Denn einen Überblick konnte ich so nur ansatzweise gewinnen. Ebenso verwirrend war die Vielzahl der Familienmitglieder und ihre Beziehungen untereinander für mich. Sie wurden leider nicht nach und nach in die Geschichte eingeführt. Die Autorin schreibt eher so, als ob diese Saga ein Mehrteiler ist und man man die Familie schon aus vorherigen Bänden kennt. Ein Familienstammbaum hätte da leicht Abhilfe schaffen können.

Durch die für mich häufigen Zuordnungsprobleme fand ich nicht recht in den Roman hinein. Auch sprang bezüglich der Protagonisten der Funke nicht auf mich über. Sie alle blieben mir durchgängig fremd. Vielleicht lag es daran, dass Familie Leibritzky, die mit ihrem Urlaub den sonst schwierigen Lebensumständen entfliehen und eigentlich ein wenig Frieden erleben wollte, ebendiesen Frieden im Familienkreis nicht umsetzen konnte. Eine alte Sache schwelte zwischen den betagteren Familienmitgliedern, aber auch bei der jüngeren Generation gab es so manche Reiberei.

Die Erzählung wirkt eher wie ein wirres Brainstorming einer ältlichen Frau, die wehmütig und trauernd auf das schwarze Jahr der Familie zurückblickt als eine große Familiensaga. Dazu waren mir die Charaktere zu blass und die Rahmenhandlung nicht fesselnd genug.
Auch der eher spröde, behäbige und teils ausufernde Stil konnte mich nicht überzeugen, zumal es im Mittelteil einige Längen gab und die Handlung phasenweise auf der Stelle zu treten schien.

Bewertung vom 18.05.2016
Unterleuten
Zeh, Juli

Unterleuten


ausgezeichnet

UNTERLEUTEN ist ein kleines Dorf in Brandenburg, früher gehörte es zur DDR. Aber damit den Mikrokosmos der Ortschaft erklären zu wollen, wäre zu einfach. Denn betrachtet man die Geschichte allgemeiner, lässt sie sich auf viele Orte übertragen. Treibt man die Abstraktion noch weiter, dann ist es nicht nur ein kleines Dorf, dem Juli Zeh den Spiegel vorhält, sondern unsere gesamte Gesellschaft. Wir finden im Roman ebenso den Typus „Euer aller Wohl liegt mir am Herzen“, wie „Mit dir habe ich noch eine Rechnung offen“, „Ich helfe dir“, oder „Dein Feind ist mein Freund“, aber natürlich auch den bereits erwähnten Kampfläufer - und viele Charaktere innerhalb dieses Spektrums.
Und Hand aufs Herz: Ich glaube nicht, dass ich die einzige Leserin bin, die sich hier zumindest hin und wieder erkannt hat.

So wie theoretisch von mir in Erwägung gezogen, gibt es kein Überleuten. Zumindest ist mir dieses nicht im Roman untergekommen. Aber manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, dass sich das Dorfvolk in UNTERLEUTENer und Überleutenener aufteilt – und damit meine ich nicht die Grenze zwischen der alteingesessenen Bevölkerung und denen, die dort erst kurz zuvor Land erworben haben. Nein, der Cut verläuft anders und er heißt Macht. Diejenigen, die an den Strippen ziehen, scheinen die eine Dorf-Spezies darzustellen, die „tanzenden Puppen“, bilden die andere Gruppe ab. Was aber, wenn jemandem seine Position nicht mehr gefällt und derjenige aktiv in das Gefüge eingreift? Die Entwicklung in UNTERLEUTEN zeigt, wie dessen langsam gewachsenes System reagiert und welch teils dramatischen Folgen sich hieraus ergeben.

Was unter den UNTERLEUTENern schwelte und auf welchem Fundament ihre Gemeinschaft gebaut war, das erfährt der Leser im Laufe des Romans. Schicht um Schicht legt die Autorin die Hintergründe des Dorfes frei bis zum Schluss das verzweigte, verzweifelte Gefüge der Wahrheit vor dem Leser und den Dörflern selbst liegt. Bei diesem Anblick packt mehr als einen der Bewohner das Entsetzen, auch mich traf die Bestürzung unerwartet hart. So war die anfängliche Assoziation von „unter“ mit „bedrohlich“ erstaunlich nahe dran an dieser fiktiven Wirklichkeit.

Der Schreibstil ist flüssig, interessant und durch den kapitelweisen Wechsel der Haupthandlungsträger sehr kurzweilig. Dadurch, dass die Geschichte über die gesamte Distanz innerhalb derselben Gruppe verbleibt, ergeben sich immer wieder andere protagonistische Konstellationen, sodass das Beziehungsgeflecht dieses Personen-Pools immer deutlicher zutage tritt. Ganz nebenbei lernt der Leser dadurch alle Protagonisten intensiv kennen.

Juli Zeh hat mit UNTERLEUTEN ein grandioses Psychogramm eines Dorfes geschaffen! Durch die klug gewählten Themen, die der Geschichte inhaltlich einen Teil ihres Gerüsts verschaffen, ist der Roman sehr nah am Puls der Zeit angesetzt, was der Aussagekraft noch mehr Dringlichkeit verschafft.

UNTERLEUTEN gibt es in dieser Form nirgendwo. Hat man den aber Mut, das Gesamtkonstrukt zu abstrahieren, dann findet man UNTERLEUTEN unerwartet oft.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.02.2016
Anna und der Schwalbenmann
Savit, Gavriel

Anna und der Schwalbenmann


ausgezeichnet

Wir schreiben das Jahr 1939. Anna wächst bei ihrem Vater in Krakau auf, einem liebevollen Mann, dem nichts auf der Welt wichtiger ist als seine Tochter. Wenn er Verpflichtungen nachzukommen hat, möchte er nicht, dass Anna alleine zuhause bleibt. So bringt er sie auch jetzt bei einem Freund unter. Als Annas Vater das Mädchen nicht abholt, sieht sich der „Freund“ außerstande, seine Pflicht weiter zu erfüllen. Die Zeiten sind gefährlich und er setzt Anna vor die Tür. Wer nun denkt, dass dieses Buch wie so viele andere fortfährt, irrt sich.

Der Autor schaut nicht in die Stadt, um als stiller Beobachter des Grauens zu fungieren. Er zeigt nicht an konkreten Inhalten, wie die kalte Hand des Nazi-Regimes seinen Griff immer mehr verstärkt. Man bekommt keinen Blick in die Veränderungen des gewohnten Alltags der Menschen, der nach und nach an Inhalt und Substanz verliert. Der Leser wohnt weder Massentötungen noch Frontkämpfen in großem Ausmaß bei.

Nein, Gavriel Savit schreibt eine andere Geschichte des Krieges, die dennoch eine sehr eindringliche Wirkung auf mich hat. Anna trifft auf einen geheimnisvollen Mann, den sie nach einiger Zeit den Schwalbenmann nennen darf und schließt sich ihm an.

Der Roman bietet kaum Handlung, er schildert überwiegend den Weggang des ungleichen Paares aus Krakau. Während der jahrelangen Flucht, die von vielen bunten, Unterhaltungen in vielerlei Sprachen geprägt ist, begreife ich gemeinsam mit Anna, warum es so wichtig ist, wie der Schwalbenmann sie sich zu verhalten lehrt. Er schult sie in der Kunst des Überlebens, ist aber – das wird im späteren Verlauf der Geschichte deutlich – ebenso sehr von ihr abhängig.

Auf leichte, aber sehr eindringliche Weise baut der Autor das Voranschreiten des Krieges in Polen während der lange währenden Wanderung der beiden mit ein. Obwohl sich der Leser so gut wie nie mitten im Krieg befindet, begreift er dennoch intuitiv dessen Verlauf und Entwicklung.

Der Schwalbenmann ist eine mysteriöse Figur im Roman. Während man alle anderen Charaktere ganz eindeutig der Spezies Mensch zuordnen kann, war ich mir zum Ende hin bei diesem Protagonisten nicht mehr sicher. Er wirkte phasenweise unmenschlich, aber auch übermenschlich, sogar magisch. Immer wenn ich glaubte, seine Figur begriffen zu haben, entglitt er meinen Händen wieder wie ein glitschiger Fisch.

Die Geschichte von Anna und dem Schwalbenmann hat mich in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg – und Krieg überhaupt – sehr viel tiefer getroffen als viele Bücher der „Tatsachenberichte“.

Da es kaum konkrete Schilderungen gab, blieb sehr viel Raum für eigene Gedanken und Gefühle. Dazu passte der eigenwillige, poetische, manchmal gar sanfte Sprachstil des Autors, der mich mit seinen metapherhaften Schilderungen sehr häufig zum Sinnieren einlud und mir teils starke Empfindungen entlockte. Ich habe sehr viele mir wichtige Textstellen gefunden, die ich zum Teil in meiner Rezension zitiere, um ein Gefühl für die verwendete Sprache zu vermitteln.

Der Autor zeichnet äußerst sorgsam das Gefühlsskelett des Krieges - zumeist grausam, aber was wären wir ohne die Hoffnung?

Am 29.02. erscheint die vollständige Buchbesprechung auf meinem Literatur-Blog http://irveliest.wordpress.com

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.07.2013
Letzte Ernte / Xavier Kieffer Bd.3
Hillenbrand, Tom

Letzte Ernte / Xavier Kieffer Bd.3


weniger gut

*+*+* Unausgewogene Mischung der Zutaten *+*+*

Die Zusammenfassung:
Ein Glas Wein, Rieslingspastete und danach ein Stück Quetschetaart mit Sahne – auf der Luxemburger Sommerkirmes lassen es sich der ehemalige Sternekoch Xavier Kieffer und seine Freundin, die Gastrokritikerin Valerie Gabin, richtig gut gehen. Doch in einem Bierzelt drückt ihm ein Fremder plötzlich eine Magnetkarte in die Hand und verschwindet. Am nächsten Morgen wird der Mann unter der Roten Brücke tot aufgefunden. Warum hat er Kieffer diese Karte gegeben? Was hat es mit den Computercodes darauf auf sich? Und warum sind plötzlich so viele Leute hinter ihm her? Der Luxemburger Koch steht plötzlich im Zentrum einer Verschwörung und erkennt, dass seine Freundin in höchster Gefahr schwebt.

Das Cover:
Das Cover sieht so richtig harmlos aus und man könnte auf die Idee kommen, das Buch sei leichte Feierabendlektüre und kein Krimi. Der altmodische Herd, das Schild, es wirkt so unbedarft.....Ist es das wirklich oder nur eine Täuschung?

Meine Zusammenfassung:
Xavier Kieffer, Chefkoch des Resteurants „Deux Eglises“ und seine Freundin Valerie Gabin, erfolgreiche Gastrokritikerin, geraten völlig überraschend in einen Kriminalfall. Als ein Mann ganz verstört in Kieffers Bierzelt auf der Luxemburger Kirmes kommt, übergibt er hastig eine Magnetkarte und drei bunte Schlüssel an Valerie. Der Unbekannte wird verfolgt und später tot unter einer nahen Brücke gefunden.
Xavier und seine Freundin versuchen, den Fall selbst zu lösen. Sie unterschlagen der Polizei wichtige Informationen und geraten selbst in höchste Gefahr.

Meine Meinung:
„Letzte Ernte“ ist der dritte Krimi von Tom Hillenbrand. Die Vorgängerbücher kannte ich nicht, bevor ich auf diesen dritten Teil aufmerksam wurde. Die Kombination aus Kulinaritäten und Krimi sprach mich sehr an und ich beschloss, mich von diesem aktuellen Kieffer-Fall überraschen zu lassen.
Das erste Kapitel fand ich sehr spannend. Wirtschaftskriminalität wurde als Thema des Falls angedeutet und ich freute mich. Denn Börsenspekulationen und das weite Feld, was dazu gehört, interessieren mich.
Leider konnte die Spannung des Anfangs nicht gehalten werden. Zwischendurch blitzten mal einige interessante Passagen auf, die einige Hintergrundinformationen aus der Börsen- und Zahlenwelt einwarfen. Jedoch empfand ich diese Infos als sehr mager. Wer sich bisher nicht mit dem Thema auseinandergesetzt hat, wird vermutlich nicht wirklich verstehen, um was es hier geht. Die Ausführlichkeit, die mir bei den Erklärungen zum Hintergrund des Verbrechens fehlte, wurde stattdessen in einem anderen Thema, das rein gar nichts mit dem Kriminalfall zu tun hat, ausgelebt. Bevor und während die Geschichte von Kieffers „Fall“ erzählt wird, gibt es kapitelweise Passagen, die vom roten Faden wegspringen und in Ort und Zeit schwanken. Der Sinn und Zweck der meisten dieser Abstecher erschloss sich mir nicht. Sie trugen weder zum besseren Verständnis bei mir bei noch zur Auflösung des Falles.
Diese war leider im Großen und Ganzen vorhersehbar und überraschte mich nicht wirklich. Aus diesem Fall hätte der Autor weit mehr rausholen können, bieten Wirtschaft und Börse doch ein weites Feld, auf dem man sich richtig austoben könnte....
Der kulinarische Teil des Buches rund um Kieffers Lokal und Festzelt war sehr interessant. Viele Speisen hörten sich sehr lecker an und ich hoffte während der Lektüre des Buches immer wieder auf einen Rezeptteil im Anhang, den es leider nicht gibt.

Mein Fazit:
Unterm Strich bin ich enttäuscht von diesem Buch. Relativ wenig Sachbezogenes, dafür viel oberflächliches Drumrum....dafür gibt es von mir 2 Sterne.

Bewertung vom 23.06.2013
Die Rosen von Montevideo
Federico, Carla

Die Rosen von Montevideo


gut

Inhaltsangabe:
Montevideo 1843. Der Frankfurter Bankierssohn Albert Gothmann verliebt sich Hals über Kopf in die lebenslustige Rosa, Tochter einer der ältesten spanischen Familien Uruguays. Doch ihre Liebe zwingt sie zum Verzicht auf ihre Heimat, ein Schicksal, das fortan alle Nachfahrinnen ihrer Familie teilen. Sind die Frauen stark genug, um für ihre Leidenschaft zu kämpfen?

Das Cover:
Ich mag Rot- und Orangetöne gerne, daher hat mich das Cover sehr angesprochen. Die Mischung aus wilder Natur – ein breiter Fluss mit üppiger Vegetation sowie einem Urwaldvogel - und auch der erwünschte Fortschritt in Form eines Schiffes stellen die damalige Situation Uruguays sehr gut dar. Mich hat dieses Cover neugierig auf die Geschichte gemacht, die in diesem Buch erzählt wird.
Besonders toll gelungen finde ich den "Spezial"-Umschlag (doppelte, geknickte Buchrückenseite) der zum einen als Lesezeichen dienen kann, zum andern die Seiten schützt!
Meine Zusammenfassung:
Bei „Die Rosen von Montevideo“ handelt es sich um eine Familiensaga über drei Generationen. Die Lebenswege der Familie Gothmann aus Deutschland und der Familie de la Vegas aus Uruguay kreuzen sich in Montevideo. Frau Federica erzählt uns in ihrem Roman von den Erlebnissen und Schicksalen dieser sowie der beiden Folgegenerationen. Dabei wechseln sich die Schauplätze Südamerika und Deutschland ab.

Meine Meinung:
„Die Rosen von Montevideo“ ist innerhalb des Romans in drei Bücher gegliedert, wobei jede Generation ihr eigenes Buch bekommt. Allerdings sind diese Bücher nicht in sich abgeschlossen sondern greifen ineinander über und sind über die älteren Generationen miteinander verknüpft.
Der Schreibstil des Romans ist sehr flüssig und er lässt sich sehr leicht lesen. Das Buch ist ideal für den Feierabend nach einem anstrengenden Tag, wenn man abschalten und leichte Lektüre lesen möchte.
Das Geschehen wird gut verständlich beschrieben, auch die Charaktere werden gut eingeführt, sodass man der Handlung sehr gut folgen kann. Ich war sofort in der Geschichte drin und hatte auch schnell herausgefunden, welche Figuren ich mochte und welche nicht. Leider hatte keine der Hauptfiguren meine Sympathien gewonnen. Einige Nebendarsteller mochte ich richtig gerne und mit ihnen fieberte ich teilweise auch mit. Allerdings sollte einem dies meiner Meinung nach doch eher wenigstens mit einem der Hauptträger der Geschichte so gehen. Aber diese Charaktere enttäuschten mich des Öfteren. Jeder für sich isoliert betrachtet war akzeptabel mit seinen extremen Eigenschaften und Verhaltensweisen. Aber diese vielen extremen Typen bei den Hauptdarstellern machten die Geschichte unglaubwürdig und nahmen ihr die Authentizität.
Ebenso übertrieben empfand ich einige Szenen der Geschichte, die sehr an den Haaren herbei gezogen wirkten. Sicher, es ist ein Roman und der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt, aber dennoch hätten einige Geschehnisse mehr Wirkung erzielt, wenn der Ball dort flacher gehalten worden wäre.
Das Schicksal der Damen wiederholte sich mit jeder Generation, nur leider drehte sich die Schicksalsspirale nach unten. Es erinnerte oft mehr an ein Drama denn an eine Saga. Teilweise passierten den Damen exakt derselbe „Fehler“ wie er schon Mal in einer der älteren Generationen vorgekommen war, was den Roman stellenweise nicht sehr kreativ wirken ließ.
Gut gefallen haben mir die Schilderungen der Schauplätze Frankfurt sowie Montevideo, auch die geschichtlichen Einschübe sind gut gelungen.
Was mich allerdings sehr enttäuschte war die knapp gehaltene Exotik. In einer Phase der Erzählung wird die Natur sehr plakativ beschrieben und ich konnte mir diese Wildnis wirklich gut vorstellen. Gemessen an den fast 800 Seiten des Buches war der Exotik-Teil allerdings für meinen Geschmack zu gering. Das farbenfrohe Cover und auch die Tatsache, dass einer der Schauplätze Südamerika sind, hatten da eine höhere Erwartung in mir geweckt.

Bewertung vom 06.06.2013
Lost in Seoul (eBook, ePUB)
Ljubow, Anna

Lost in Seoul (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

*+*+* Arme, reiche Menschen *+*+*

Meine Zusammenfassung:
Eine Ehefrau reist nach Korea. Ihr Mann ist für ein dort ansässiges Unternehmen tätig. Der gemeinsame Lebensmittelpunkt soll nun Korea sein. Jedoch ist gemeinsam ein relativer Begriff. Ihr Mann ist beruflich viel unterwegs, die Frau viel allein. Jedoch kümmert sich „Trainerin“ Kim um sie. Kim versucht der einsamen Ehefrau die Sprache beizubringen und ihr die Gepflogenheiten des Landes nahe zu bringen. Sie hilft ihr, die ersten Kontakte zu knüpfen. Alle Steine werden ihr aus dem Weg geräumt, Geld spielt keine Rolle. Und obwohl sie schnell Kontakte im deutschen Viertel knüpft, fühlt sich allein, so allein und einsam. Bis sie auf einer Party einen Franzosen kennenlernt und ihm schneller verfällt als ihr lieb ist. Wohin ihre Hörigkeit sie führen wird erfahren wir im weiteren Verlauf des Romans.

Meine Meinung:
Mein erster Gedanke nach der Lektüre war wie dankbar ich doch dafür bin, genau dieses Leben führen zu dürfen. Ich darf in meiner Wahlheimat wohnen und zwar zusammen mit meiner ganzen Familie. Mein Mann ist zum Glück nicht so erfolgreich, dass er beruflich um die ganze Welt jetten muss. Geld allein macht nämlich nicht glücklich.
Die einsame Ehefrau hatte mein volles Mitleid. Ihre Erlebnisse und Gefühle werden in diesem Buch zwar nicht sehr ausführlich, dafür aber zielgenau und gnadenlos geschildert. Ich litt mit ihr. Die Ich-Form der Erzählung verstärkte dieses Gefühl noch.
Ich litt mit ihr, konnte ihr Handeln und Denken manchmal nachvollziehen, manchmal nicht. Wie sollte ich auch, leben wir doch in völlig verschiedenen „Welten“.
Verzweifelt versucht die Protagonistin, ihrem Leben einen Sinn zu geben. Leider tut sie es nur halbherzig. Kein Wunder, scheinen in ihrer Welt doch die Oberflächlichkeiten eine hohe Priorität zu haben. An manchen Stellen des Buches wird erwähnt, dass sie spüren möchte, dass sie lebt. Als sie bei einer Party Clement kennenlernt, hat sie jemanden gefunden, der ihr diese Kicks verschafft. Zuerst noch recht harmlos, dann gerät ihre Affäre völlig außer Kontrolle.
An einigen Stellen habe ich ihr innerlich Vorwürfe gemacht. Nachdem ich etwas nachgedacht hatte, änderte ich meine Meinung. Wir Normalsterblichen, kennen das normale Leben. Die „Reichen und Schönen“, zu denen ich auch die einsame Ehefrau zähle, sind in unserer Welt nicht lebensfähig. Sie sind es gewohnt, mit Geld und Beziehungen immer ans Ziel zu kommen. Sie kennen keine Probleme, denn alle Steine werden ihnen aus dem Weg geräumt. Der Sinn des Lebens scheint zu sein, den ständigen Vergleichen nach oben gewachsen zu sein und immer neue Kicks zu finden, um in ihrer Betäubung mal wieder etwas zu spüren.
Das geschilderte Schicksal hat es exakt so nicht gegeben. Vielleicht mag es etwas überspitzt dargestellt sein, aber ich finde dieser Roman