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Magnolia
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Bayern

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Insgesamt 129 Bewertungen
Bewertung vom 13.06.2025
Cleave, Paul

Angsttreiber (MP3-Download)


ausgezeichnet

Absolut fesselnd

James ist elf Jahre alt, als er im Haus Geräusche hört, er denkt an Killerclowns. Was ist da unten los? „Bitte nicht“ hört er seine Mutter. „Nein, nicht“ seinen Vater. Von oben, auf der Treppe, sieht er ins Wohnzimmer. Er sieht einen Fremden, einen zweiten… ist es sein Vater, der einen Kissenbezug über dem Kopf gezogen hat? James schleicht sich in Hasels Zimmer. Sie ist älter als er und glaubt ihm nicht, dass sie weg müssen. Gerade noch rechtzeitig entkommt die 14jährige dann doch, James schafft es nicht mehr.

Schon die ersten Seiten sind dramatisch, ich fiebere mit den Geschwistern, bange um ihre Eltern, die brutal hingerichtet werden. Auch James wird angeschossen, während Hasel sich zum Nachbarn retten kann, der dann die Polizei verständigt.

Paul Cleaves „Angsttreiber“ habe ich mir als Hörbuch geholt. Der versierte Hörbuchsprecher Carsten Wilhelm hat sowohl der Story an sich als auch den einzelnen Charakteren ihre unverwechselbare Stimme gegeben. Die Personen sind gut zu unterscheiden, sodass ich mich ganz dem Geschehen widmen konnte. Auch nennt er kurz die Kapitel, was dem besseren Verständnis dient. Also – meine Konzentration war dank Wilhelms versiertem Vortrag voll auf die Ermittlungen gerichtet…

…angefangen von James und seiner Familie und seiner Koma-Welt, in der er neun Jahre gefangen war über Joe Middleton, den Schlächter von Christchurch zu Copy-Joe, der sich an Middletons Taten dranhängt, um von dessen Ruhm etwas abzubekommen.

Paul Cleave lässt in seinem Nachwort seine Leser wissen, was er am liebsten macht, nämlich schlimme Dinge geschehen zu lassen. Und er hält Wort, denn dieser Thriller lässt einen das Blut in den Adern gefrieren, es geht hart zur Sache. Schon die Aufklärung an den brutalen Morden von James Eltern für die Ermittler Theodore Tate und Rebecca Kent wäre Aufregung genug, aber damit gibt sich der Autor nicht zufrieden. Die anderen Fälle machen die Story noch angsteinflößender und noch temporeicher, der Sprecher versteht es auch hier, diese Ängste, diese Gefühle, zu vermitteln.

Ich bin restlos begeistert, ich mag wendungsreiche Storys, auch mag ich es durchaus heftig. All dies bietet dieser rasante, sehr spannende Thriller, den ich – auch als Hörbuch - gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 09.06.2025
Rutherford, Robert

Sieben letzte Tage


gut

Sind es für Jim Sharp seine letzten Tage?

„Sie werden ihn in sieben Tagen töten. Dad. Die werden Dad töten. Er sitzt im Todestrakt.“

Jim Sharp war alles, aber kein Vater für Fiona und Alice. Er ist vor langer Zeit einfach aus ihrem Leben verschwunden, hat sich nie gemeldet und nun droht ihm die Todesspritze. Mariella, Jims jetzige Frau, hat Fiona angerufen. Schon 2011 wurde er verhaftet, er soll einen Typen in Florida umgebracht haben. Und so ganz nebenbei erfahren die beiden noch mehr Familiäres.

Alice ist die ältere der beiden Schwestern, sie hat ihren Vater noch hautnah erlebt und weiß um seinen Charakter im Gegensatz zu Fiona, die noch klein war, als er ging. Und nun bedrängt Fiona sie, in diesen sieben noch verbleibenden Tagen Beweise für Dads Unschuld zu finden. Alice ist Strafverteidigerin, sie lebt in England, ist also in Florida, wo er einsitzt, nicht zugelassen, hat aber aus ihrer Zeit in New York gute Kontakte, die sie nun nutzt. Sie ist Profi genug, um Gefühl und Arbeit zu trennen. Meist zumindest, denn natürlich wühlt sie Dads Fall auf. Je tiefer sie gräbt, desto mehr Parallelen zu ähnlich gelagerten Morden entdeckt sie. Sie fliegt nach Paris und hier findet sie einen ehemaligen Detective, der damals maßgeblich an Jims Verhaftung beteiligt war.

Die anfangs ziemlich zähe Story nimmt nun Fahrt auf, man spürt den Wettlauf gegen die Zeit, auch wenn Alice Tage gefühlt länger sind, als dies möglich ist. Alice Freundin und Kollegin Sofia setzt in den USA alle Hebel in Bewegung, auch sie arbeitet unter Hochdruck.

Jims „Sieben letzte Tage“ – von Montag bis zum nächsten Montag, dem Tag der Hinrichtung – werden spannend dargeboten, die wendungsreiche Story hat mich nach dem etwas langatmigen Einstieg durchaus gefesselt, auch konnte ich der Figur Alice viel abgewinnen - mit Fiona als nervigen Gegenpol. Diesen Detective, der an Jims Fall damals dran war und nun in Paris mitmischt, sehe ich sehr differenziert. Hat er in einer Situation meine volle Sympathie, so traue ich ihm kurz danach nicht über den Weg. Er und seine Rolle in diesem fiesen Spiel sind mir bis zum Schluss rätselhaft und die Frage, ob damals schlampig ermittelt wurde, wabert auch um diese Figur, die sehr gut charakterisiert ist. Und da ist noch ein Schatten…

…und auch ein weiterer tödlich endender Zwischenfall aus der Vergangenheit. Ja, viel wird in diesen Thriller hineingepackt, er zieht weite Kreise und je mehr ich mich dem Ende nähere, desto mehr frage ich mich, warum diese interessante Grundidee so überfrachtet werden muss, auch zwängt sich eine weltweit agierende Organisation mit hinein. Trotzdem haben mich diese „Sieben letzten Tage“ gut unterhalten, auch wenn bis zum bitteren Ende gekämpft werden muss. Ist Jim Sharp unschuldig? Am Ende dieser sieben Tage werden wir es wissen.

Bewertung vom 07.06.2025
Kuhlmann, Stefan

Umweg zum Sommer


ausgezeichnet

Eine Reise voller Abenteuer

Stefan Kuhlmann hat mir mit seinem „Umweg zum Sommer“ wundervolle Lesestunden beschert, untermalt mit Musik von David Bowie, von Fleetwood Mac und auch von Oasis, um nur einige wenige Rockbands ihrer Zeit zu nennen und von Sting, von dem ganz besonders. Denn mit ihm verbindet Martin eine Geschichte, die er nicht müde wird zu erzählen.

Martin hatte seinen großen Hit. Damals, es war das Jahr 1999, als er mit „You Don´t Know Me“ die Charts stürmte. Das wars dann aber. Und so sieht er seine Karriere erneut aufflammen, als sein Agent ihn anruft. Der Bassist einer Band ist ausgefallen, er sucht für den Auftritt eines Rockfestivals an der Algarve Ersatz. Gut, die Gage ist mickrig, ein Zimmer ist reserviert, die Anreise jedoch wird nicht finanziert. Was solls, er – der Lebenskünstler schlechthin - sagt zu. Blöd nur, dass genau jetzt seine Schwester Nicole für etliche Wochen in eine Reha-Klinik muss und sie Martin dringend für ihren 12jährigen Sohn Karl braucht. Meist ist es Martin, der von seiner Schwester unterstützt wird und so ist er unter Zugzwang. Was tun? Karl muss zu Oma, also machen sich Onkel und Neffe auf nach Konstanz. Karl nörgelt, will mit zum Festival und auch ans Meer und da Martin ihn nicht freiwillig mitnimmt, versteckt Karl sich einfach im Kofferraum. Stunden später fällt Martin aus allen Wolken, als er seinen blinden Passagier entdeckt.

Das Buch kommt so leicht wie eine Sommerbrise daher, es steckt aber so viel mehr drin als „nur“ eine Sommergeschichte.

Der Weg ist das Ziel – ja, genau so ist es. Da Martin permanent in Geldnöten steckt, hat er seine Reiseroute geschickt geplant. Als Musiker ist er viel rumgekommen und so hat er überall Freunde und – man ahnt es – auch Freundinnen, bei denen er hofft, übernachten zu können. Dass er nun mit einem Zwölfjährigen auftaucht, ist nun mal nicht zu ändern.

Martin sieht sich noch immer als Rockstar, sein Song wird schon noch in Oldiesendern gespielt – aber wer kennt ihn noch? Auch sein Musikgeschmack ist aus der Zeit seines Erfolges, Karl hingegen findet HipHop gut. Wie soll man da im Auto eine gemeinsame Musikrichtung finden? Einer ist immer genervt. Und doch entwickeln sich die beiden mehr und mehr zu einem Team, das zusammenhält, auch wenn es gelegentlich mal kracht.
Schön sind die Beschreibungen ihrer Zwischenstationen, die ich dank der auf der vorderen Buchinnenseite abgedruckten Route gut verfolgen kann. Da bekomme ich direkt Lust, meinen Koffer zu packen, um es ihnen gleichzutun. Auch sind es sie spitzig-witzigen Dialoge zwischen den beiden, die ich schmunzelnd genieße. Ist Martin anfangs noch der doch überhebliche Onkel, der sich für den Allerbesten hält, so taut er auf diesem nicht alltäglichen Trip mehr und mehr auf. Gut, Karls Besserwisserei nervt zuweilen ganz schön, aber er ist gewitzt, er weiß genau, wie er seinen Willen durchsetzen kann - und das nicht nur für ihn, er sieht, wenn andere in Not sind und auch das ist es, was diesen Roman ausmacht.

Es ist ein Roadtrip voller Abenteuer, mittendrin die beiden Hauptfiguren, die sich annähern, die trotz ihrer Unterschiede ähnlich ticken. Vergangenes loslassen, Neues annehmen, sich weiterentwickeln – so gesehen hat die Reise sich allemal gelohnt, die auch ich sehr genossen habe. Es ist eine wundervoll erzählte Geschichte, ein warmherziges Buch, das ich gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 03.06.2025
Galana, Ana

Das Erbe der Zigarrenkönigin


ausgezeichnet

Spannende Reise nach Kuba zurück bis ins Jahr 1884

Schon das erste Buch „Das Geheimnis der Zigarrenkönigin“ hat mich restlos begeistert und nun geht es weiter. Es ist Alana, die Tochter der Zigarrenkönigin, der ich nun folge. Und nicht nur ihr, ich begegne Anna wieder, deren Geschichte im ersten Buch erzählt wird. Auch Luca, ihr Ehemann, spielt eine Rolle und noch so einige mehr sind es, die mich nach Kuba mitnehmen, ins verborgene Tal, in dem der violette Tabak gedeiht. Er wächst nur hier, die klimatischen Bedingungen bieten ihm die besten Voraussetzungen.

Im Valle leben Anna, ihre siebenjährige Tochter Alana und Mama Lia, ihre Uroma. Die Revolution der Criollos ist in vollem Gange, Luca und Annas Vater Florencio kämpfen irgendwo im Osten Kubas für ihre Freiheit, denn die ehemaligen Sklaven der Zuckerrohrplantagenbesitzer sind lediglich auf dem Papier frei und unabhängig.

Als eines Tages Alanas Mutter nicht mehr von ihrem mehrtägigen Ritt nach Havanna zurückkommt, macht sich die Siebenjährige auf, sie zu suchen. Eine zwielichtige Gestalt lockt sie in ein Bordell, in dem sie als Magd von früh bis spät schuften muss. Hier lernt sie den um einige Jahre älteren Carlitos kennen, gemeinsam erobern sie sich ihre Welt. Sie schleichen sich aufs Dach, bestaunen Havanna von oben, mit ihm ist ihr Leben plötzlich wieder voller Farbe und Freude. Und er verspricht ihr, sie zurück in ihr Tal zu bringen, dann aber ist er zum vereinbarten Treffpunkt nicht da und schlimmer noch, er bleibt verschwunden. Alana nimmt ihr Schicksal selbst in die Hand, sie schließt sich einer Zirkustruppe an, dort ist sie glücklich. Bis zu jenem Tag, als sie sich wieder begegnen.

Und – es geht um das Erbe des Don Carlos, einem reichen Großgrundbesitzer, der offiziell keine Nachkommen hat. Das bringt im fernen Spanien Don Francisco dazu, einen raffinierten Plan zu ersinnen.

Von 1871 bis ins Jahr 1884 erzählt Ana Galana die faszinierende Geschichte um „Das Erbe der Zigarrenkönigin“. Im Vorwort verrät sie, wie sie vor Jahren an den antiken Koffer gekommen ist, der bis oben hin gefüllt ist mit vergilbten Papieren und Briefen. Vergessene, gelebte Geschichten ihrer Vorfahren über mehrere Generationen hinweg. Sie kennt Kuba, sie spricht neben anderen Sprachen auch spanisch und nicht zuletzt ist es ihr Zigarrensalon „La Galana“, den sie ihr Eigen nennt. „Ein Stück Kuba im Herzen Kölns!“

Nun heißt es Abschied nehmen von den mir lieb gewonnenen und so vertrauten Personen. Ana Galana hat mich mitgenommen in ihr Kuba. Es war eine fesselnde Reise zurück bis ins Jahr 1884, ins historische Kuba, auch geprägt von dem Drang nach Unabhängigkeit. Die Familiengeschichte voller Geheimnisse, dazu die Gier nach Besitz, notfalls mit unlauteren Methoden ausgefochten und eine bittersüße Liebesgeschichte hat mich tief berührt. All diese Erzählstränge sind gekonnt ineinander verflochten und noch eins muss ich unbedingt erwähnen: Das Buch ist nicht nur äußerlich ein Blickfang, die Bleistiftzeichnungen, die Illustrationen, die den Text begleiten, geben dem Buch die ganz besondere Note.

Auch „Das Erbe der Zigarrenkönigin“, das zweite Buch, ist eine spannende Zeitreise, eine tiefgründige, eine lohnende Lektüre. Ein historischer Roman, den ich voller Überzeugung nur zu gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 02.06.2025
Sußebach, Henning

Anna oder: Was von einem Leben bleibt


sehr gut

Auf Annas Spuren

Henning Sußebach begibt sich auf die Spuren von Anna, seiner Urgroßmutter. Er hat sie nicht persönlich gekannt, auch in seiner Familie gibt es keinen mehr, der ihr begegnet ist. Und doch erzählt er ihre Geschichte, soweit ihm dies möglich ist. Denn so oder so ähnlich könnte es gewesen sein, wie Annas Leben war - einige Fotos und wenige Dinge aus ihrem Nachlass sind immerhin noch vorhanden, auch spricht die Zeit, in der sie gelebt hat, ihre eigene Sprache. Und so ergibt sich ein Bild von ihr, eine Familiengeschichte, eingebettet in die damalige Zeit. Denn so wird ihr Leben greif- und begreifbar.

Dabei wählt er eine sehr ungewöhnliche Form des Erzählens, er blickt zurück auf eine Zeit, die uns heute fremd ist. Anna war gerade mal zwanzig Jahre alt, als sie die Stelle als Dorfschullehrerin antritt, wir sind im Jahre 1887. Mit ihr steigen wir den Berg hinauf zur Schule, wir sind im tiefsten Sauerland, im Dorf Cobbenrode. Nun, Anna war da noch nicht mal großjährig, als Lehrerin war sie bis zur Volljährigkeit eine rechtlose Instanz, wie der Autor bemerkt. In diesem Jahr erfolgt die Grundsteinlegung für den Nord-Ostsee-Kanal durch Kaiser Wilhelm I., die Arbeiten zum Eiffelturm beginnen, das Grammophon wird erfunden und noch vieles anderes mehr.

Der Erzählstil ist eher distanziert, Sußebach dichtet ihr kein fiktives Leben an, er bleibt bei den Fakten, dabei spiegelt er das Politische, das Kulturelle, das Wirtschaftliche ihrer Zeit wider. Es ist das Zeitalter der Erfindungen, egal ob Fahrrad, Automobil, Radio, Telefon, um nur einiges zu nennen, er flicht dies alles sehr gekonnt mit ein. So entsteht neben Annas bewegtem Leben ein gutes Gesamtbild. Und selbstredend ist es ihr familiärer Weg, der im Vordergrund steht. Ihre große Liebe, die lange nicht öffentlich gelebt werden konnte, ihre Ehemänner, ihre Kinder – all dies ist gut lesbar aufbereitet, es ist ein kurzweiliges Porträt einer bemerkenswerten Frau entstanden.

Anfangs sinniert Annas Urenkel von dem Menschen an sich, der zweimal stirbt. Einmal biologisch und dann endgültig, wenn er vergessen ist. Diesem Gedanken kann ich gut folgen – es ist der Lauf der Zeit.

Bewertung vom 01.06.2025
Lehmann, Anja

Wie Blätter im Sturm


ausgezeichnet

Lesenswerter historischer Roman während des Zweiten Weltkrieges

„Wie Blätter im Sturm“ erzählt von fünf ganz und gar unterschiedlichen Menschen während des Zweiten Weltkrieges. Wir sind mit Katharina hauptsächlich in England, sie spioniert für das Deutsche Reich, sie nennt sich Cathrin, sie geht buchstäblich über Leichen, sie verschafft sich in England eine neue Identität. Für Viktor beginnt alles fernab seiner Karriere bei der Waffen-SS in dem Eliteinternat Ballenstedt, das er mit Alexander, seinem Freund, besucht. Alina dann ist Viktors Jugendfreundin, sie lebt nach wie vor in Wien. Bleiben noch die Französin Claire und der deutsche Soldat Frank, mit dem wir zunächst in Polen sind und mit ihm die absolute Grausamkeit des Krieges hautnah miterleben. Er wird verwundet und nachdem er wieder einigermaßen einsatzbereit ist, geht es für ihn nach Frankreich, nach Dijon. Hier trifft er auf Claire, die sich der übergriffigen Soldaten mit seiner Hilfe entziehen kann. Sie verlieben sich und doch darf diese Liebe nicht sein, sie wird von beiden Seiten nicht geduldet. Mehr noch, sie ist streng verboten.

Gleich mal liegt der Fokus auf dem jungen Viktor, der die Gnadenlosigkeit des Hitler-Regimes zu spüren bekommt. Schon der Schulleiter ist ein strammer Nazi, Viktors späterer Förderer, Sturmbandführer Mathis von Hauser, beobachtet ihn und Alexander ganz genau. Er ist es, der den jungen Viktor formt und bald beginnt dieser, ihm blind zu vertrauen. Alexander ist weg und Viktor entwickelt sich in eine Richtung, die seiner Jugendfreundin Alina nicht gefällt. Viktor strebt mit ihr eine Heirat an, mittlerweile gehört er der Waffen-SS an, seine Gesinnung ist nicht ihre. Er ist einer derjenigen, die dem Regime treu dienen und Andersdenkende schlichtweg ausmerzen, ohne mit der Wimper zu zucken. Alina dagegen kämpft gegen die Machenschaften der Nationalsozialisten an, durch ihr Agieren im Verborgenen riskiert sie mehr als einmal ihr Leben.

Von 1939 bis 1943 werden die Schicksale dieser fünf Menschen und deren Umfeld in kurzen Kapiteln dargelegt. Anja Lehmann schickt ihre Figuren durch die Schrecken des Zweiten Weltkrieges. Ihre so unterschiedlichen Charaktere spiegeln eine ganze Palette der Menschheit während dieser Zeit wider. Hitlers Schergen mit all ihren barbarischen Grausamkeiten, die Judenverfolgung, die Homosexualität, die biologisch Minderwertigen, also die Menschen mit Behinderung, politische Gegner und Andersdenkende, alles Nichtarische wird nicht geduldet, der Polenfeldzug mitsamt der als Untermenschen gesehenen Bevölkerung wird thematisiert, sie werden radikal ausgerottet. Dann gibt es aber auch die anderen, die sich davon abgrenzen. Sie helfen unter Einsatz ihres eigenen Lebens. Es sind private Initiativen und auch Widerstandsgruppen, nicht jeder kommt davon, auch ihnen drohen Folter und KZ oder die sofortige Exekution.

Das Glossar skizziert die im Roman eingeflochtenen Operationen, wie etwa Operation Barbarossa, um nur eine zu nennen, außerdem sind die verschiedenen Orte und auch die historischen Personen in alphabetischer Reihenfolge aufgeführt. Klaus Barbie, der Schlächter von Lyon, ist als erster beschrieben und auch sonstige Begrifflichkeiten wie etwa das Pervitin, ein Amphetamin, welches Müdigkeit und Hunger unterdrückt, sind neben vielem anderen beschrieben.

Anja Lehmann hat mich hinter so manch Kulisse blicken lassen und auch wenn ich viel über diese Zeit lese, so sind es doch immer wieder andere Perspektiven, denen ich gebannt folge. Ihre Hauptakteure sind vielfältig, jeder einzelne hat seine ganz eigene Geschichte. Anhand von Viktors Werdegang sieht man deutlich, wie er sich ändert, was ausschlaggebend dafür sein kann, um ein krasses Negativbeispiel zu nennen. Nicht nur Kriegszeiten sind brutal, aber doch sind es diese ganz besonders. Folterungen, Szenen im KZ und vieles mehr sind nicht leicht auszuhalten, ich habe so dann und wann tief durchatmen müssen. Und doch finde ich, dass es genau diese Bücher braucht, die unsere düstere Vergangenheit deutlich aufzeigen. Denn auch heute leben wir in nicht immer friedlichen Verhältnissen, darum – bitte lesen. Wehret den Anfängen!

Bewertung vom 01.06.2025
Jensen, Eva

Küstenmord: Spur ins Dunkel (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Superspannend – ein richtig guter Krimi

Der fünfte Band der Küstenkrimi-Reihe „Spur ins Dunkel“ von Eva Jensen ist tatsächlich mein erster, was aber dem Verständnis nicht abträglich war. Und nun, da ich diese fraglos dunkle Spur mit den beiden Kommissaren Katja Greve und Daniel Kowalski bis zum Ende verfolgt habe, bin ich sehr angetan von dieser Reihe. Dieser fünfte Fall beginnt eigentlich harmlos…

…wenn man davon ausgeht, dass Luisa, die Freundin von Vanessa Meier, nach einem Jahr auf Barbados wieder zurück ist und sie sich für heute 14 Uhr an ihrem üblichen Treffpunkt verabredet haben, Vanessa aber nicht erscheint. Da diese sehr zuverlässig ist, sie nie etwas vergisst und sich immer meldet, sollte etwas dazwischenkommen, wird Luisa dann doch leicht nervös. Sie fährt zur Wohnung ihrer Freundin und auch hier spricht alles dafür, dass etwas ganz und gar nicht stimmt. Die Vermisstenanzeige wird nicht ernst genommen und mehr noch, die Staatsanwältin blockiert vehement jede Ermittlung, bei Katja und Daniel dagegen schrillen alle Alarmglocken.

Überwiegend wird aus Sicht der Ermittler erzählt, dazwischen sind wir bei Vanessa und einem vermummten Fremden, der sie gefangen hält, sodass man schon weiß, dass sie noch lebt. Betonung liegt auf „noch“, denn was dieser Unbekannte letztendlich im Schilde führt, ist nicht so ganz klar. Wir Leser wissen aber doch mehr als die Polizei, die nach wie vor gehindert wird, mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln nach ihr zu suchen. Denn lange meint die Obrigkeit, eine erwachsene Person kann hingehen, wohin immer sie will. Bis dann fast alles zu spät ist.

Diese Spur ins sehr Dunkle, die diese beiden so unterschiedlichen Ermittler verfolgen, hat mich sofort gepackt. Katja und Daniel kennen sich gut, sie schätzen sich sehr und auch Luzie, die Polizeihündin, die stets an Katjas Seite ist, gehört zwingend zu diesem gut funktionierenden Team wie auch ihre unmittelbar Vorgesetzte und die anderen Kollegen, die zusammen als eingeschworene Gemeinschaft gute Arbeit leisten, sich gegenseitig stützen und ähnlich ticken. Irgendwann dann bekommen sie Unterstützung vom LKA, der Vermisstenfall erhält oberste Priorität.

Die Charaktere sind allesamt glaubhaft angelegt, die Story entwickelt sich zunehmend bedrückend, ich konnte diesen superspannenden Thriller nicht mehr weglegen. Sowohl die Arbeit der Kommissare als auch die Stimme aus dem Dunkeln sind plausibel. Katja wirft sich zwanzig Jahre nach dem Verschwinden einer jungen Frau immer noch vor, nicht gründlich vorgegangen zu sein und nun ist es wieder eine junge Frau, deren Spur sich komplett verliert. Sie ist ein Energiebündel, neigt schon mal zu Alleingängen, zumal dann, wenn sie – wie hier – von ganz oben eingebremst wird. Eva Jensen versteht es, die aufreibende Polizeiarbeit mit dem Privaten so zu vermengen, dass es der Realität entspricht. Denn jeder noch so gewissenhafte Ermittler braucht mal Schlaf, hat neben den Kollegen auch seine Familie, seinen Partner, seine ureigene Privatsphäre. Wenngleich diese hier viel zu kurz kommt, denn es bleibt nicht bei dieser einen vermissten Person, die Ereignisse überschlagen sich regelrecht, die Spannung steigt permanent an.

Mehr sei nicht verraten. Nur so viel – es lohnt sich, diesen „Küstenmord“ zu lesen. Und auch Quereinsteiger bekommen die nötigen Infos, sodass man der aufreibenden Story gut folgen kann. Ja, die „Spur ins Dunkel“ ist mörderisch gute Unterhaltung, ich kann diese jedem Krimi-Fan wärmstens empfehlen.

Bewertung vom 26.05.2025
Abidi, Heike

Noch immer Zeit zu lieben


ausgezeichnet

Das Leben ist wundervoll

Die Fotografin Isabel Blum sollte nochmal so richtig durchstarten - zumindest sieht ihre Agentin und langjährige Freundin Olivia dies so. Die letzten fünfundzwanzig Jahre hat sie sich eher mit Kalender-, Klassen- und Kindergartenfotos über Wasser gehalten und nun hat Olivia eine lukrative Fotosession an Land gezogen. Der Traumjob schlechthin – drei Wochen in einem Nobelhotel in Södermalm, einem Stadtteil von Stockholm, alles inklusive.

Wie gesagt – fünfundzwanzig Jahre sind es mittlerweile, die Isabel in Trauer verbracht hat. Seit Oscar, ihr schwedischer Verlobter, ertrunken ist, ebbt der Schmerz um ihn nicht ab und jetzt, nachdem auch ihre Mutter tot ist, bleibt nur noch eine große Leere. Sie will alles, aber nach Schweden will sie nie mehr. Was tun? Der Auftrag ist unterschrieben, Isabel setzt sich widerwillig in den Zug und schon unterwegs kommt sie mit einem netten Fahrgast ins Gespräch. Auch er will nach Stockholm, sie verstehen sich super, sie verquatschen sich regelrecht. An ihrem Ziel angekommen könnten sie sich eigentlich ein Taxi teilen, wie er findet – oder eher doch nicht, denn Isabel fällt gerade noch eine einigermaßen glaubhafte Ausrede ein, will sie doch jede Nähe zu einem netten Menschen - speziell die zu der männliche Spezies – meiden. Wenn sie sich da nicht mal täuscht!

Heike Abidi hat mich mit ihrem wundervollen Roman regelrecht verzaubert. Ihre Protagonistin Isabel ist Ende vierzig, sie war viele Jahre für ihre demente Mutter da, vom Leben erwartet und will sie nichts Aufregendes mehr und sollte es doch mal funken, blockt sie sofort ab. Mehr noch, seit Oscars Tod hat sie der Liebe abgeschworen. Nur gut, dass Olivia findet, dass es so nicht weitergehen kann. Bald trifft Isabell den sehr attraktiven Lennart, dem sie nicht aus dem Weg gehen kann, denn ausgerechnet er ist der Chef dieses Nobelhotels.

Mit Isabel reise ich nach Stockholm, der Stadt, die als das Venedig des Nordens bekannt ist. Ich war noch nie da, was ich dringend ändern muss. Schon allein die Beschreibung dieser lebendigen, dieser so charmanten Stadt mit ihren vielen Sehenswürdigkeiten sind alle so eindringlich geschildert, dass ich am liebsten sofort die Koffer packen würde. Gamla Stan, die Altstadt, all die kulinarischen Köstlichkeiten, der Schärengarten, ABBA natürlich und noch so vieles mehr – ich habe Stockholm mit seinen vielen Inseln lesend erkundet, ich bin begeistert. Und natürlich ist es „Noch immer Zeit zu lieben“, auch wenn in Isabel ein Gefühlschaos herrscht. Ich kann sie schon verstehen und dann wieder nicht, so manches Mal möchte ich ihr dringend empfehlen, auf ihr Herz zu hören. Sie durchlebt bittere Momente, sie zieht ihre nicht immer nachvollziehbaren Schlüsse, und - genießt mit allen Sinnen, was ich ganz besonders an ihr mag. Das Ende dann hätte ich so nie erwartet – aber lesen Sie selbst. Es war eine wundervolle Reise in den hohen Norden, ein Wohlfühl-Roman zum Wegträumen schön.

Bewertung vom 25.05.2025
Martin, Nicola

The Island - Auf der Flucht (eBook, ePUB)


sehr gut

Neuanfang im Paradies?

„Keeper Island war ein Smaragd, der aus dieser Entfernung so klein war, dass er in meine Hand zu passen schien. In der Mitte der Insel ragte ein grün bewaldeter Gipfel auf. Beim Näherkommen erblickte ich einen Sandstrand, Palmen winkten mir zu. Dies würde mein sicherer Hafen sein. Mein Zufluchtsort.“

Lola scheint hier endlich angekommen zu sein. Illustre Gäste finden in diesem Luxusresort die Erholung, die sich suchen. Jeder nur erdenkliche Wunsch ist dem Team Befehl, nichts ist unmöglich. Gleich nach Lolas Ankunft steigt eine Party, bald darauf gibt das Meer Moxhams Leiche frei. Er war hier Resortchef und er war es auch, der Lola diesen Traumjob besorgt hat. Denn schon in Hongkong waren sie Kollegen und nachdem sie von dort dringend weg musste, möglichst ohne Spuren zu hinterlassen, kam die Möglichkeit, hier zu arbeiten, mehr als gelegen.

Ein Unfall soll es gewesen sein, der Moxham das Leben gekostet hat. Lola glaubt nicht so recht an diese These – sie beginnt auf eigene Faust zu ermitteln. Dabei vertraut sie zunächst einer Kollegin, auch ein Gast scheint ganz auf ihrer Linie zu sein. Dabei kommt es immer wieder mal zu bedrohlichen Szenarien, ein weiterer Todesfall wird als Unfall deklariert, zudem legt ein gewaltiger Sturm das Leben draußen weitgehend lahm.

Von Lola erfahre ich in Rückblicken mehr, auch weiß ich um ihre Schwester und deren Tochter, ein Typ aus vergangenen Zeiten will sie nicht loslassen, alles scheint ziemlich düster.

„Von außen betrachtet hatte ich hier einen Traumjob ergattert. Solange alles, was in Hongkong geschehen war, in der Vergangenheit blieb, war ich hier sicher.“

Es beginnt gemächlich, das erste Drittel scheint nicht allzu viel an Dramatik zu enthalten. Dass dies ein Trugschluss ist, stellt sich so nach und nach heraus, auch wird es zunehmend heftig und bedrohlich. Lola lässt nicht locker, gefühlt jeder scheint Geheimnisse zu haben. Wem ist hier noch zu trauen? Was mir so gar nicht gefällt ist, dass hier jeder nicht nur trinkt, nein. Es sind regelrechte Alkoholexzesse – egal ob Gast oder Angestellter - die an der Tagesordnung sind. Auch wenn es bei dem einen Toten nicht bleibt, ist es doch eher ein Psychothriller, der den Blick immer wieder auf die Vergangenheit lenkt. Die Charaktere – einschließlich Lola – waren mir durchweg unsympathisch, ihr Agieren war des Öfteren eher realitätsfern. Spannend war es trotzdem – ein durch und durch gefährliches, ein falsches Spiel vor herrlicher Kulisse.

Bewertung vom 25.05.2025
Bonnet, Sophie

Provenzalisches Licht / Pierre Durand Bd.11


ausgezeichnet

Mode, Mord und mehr…

Ein Südfrankreich-Krimi voller Spannung ist ausgelesen, es ist der mittlerweile elfte Fall für Pierre Durand, den ehemaligen Pariser Kommissar, der sich schon vor geraumer Zeit nach Sainte-Valérie hat versetzen lassen. Eigentlich wäre er noch in den Flitterwochen, doch die Pflicht ruft.

Sophie Bonnet entführt mich nicht zum ersten Mal in die Provence, immer auf des Kommissars Spuren und auch in diesem „Provenzalischen Licht“ ist Pierre mit einer Morddrohung gegen einen Designer konfrontiert, deren Ursprung lange zurückzureichen scheint.

Der exzentrische Modedesigner Cyril Fontanel will für seine Modenschau eine attraktive Kulisse, die er nun endlich hier gefunden hat. Der ganze Ort sollte als Laufsteg dienen, seine Models sieht er schon durch ganz Sainte-Valérie laufen. Schon allein dieses Vorhaben kommt bei so etlichen Dorfbewohnern nicht gut an, andere dagegen freuen sich auf diese ganz besondere Darbietung. Als nun der zweite Drohbrief auftaucht, ist diese Idee vom Tisch, die Show muss abgesagt werden oder aber eine Ausweich-Location muss her. Die Ermittlungen führen in die Vergangenheit und nicht nur ein Blogger mischt kräftig mit. Pierre und seine Kollegen sind so richtig gefordert – bis zum bitteren Ende, das für mich so gar nicht vorhersehbar war. Denn bis zuletzt hatte ich so einige Typen im Visier, es gab etliche Fährten, letztendlich jedoch überschlagen sich die Ereignisse nochmal.

Der Krimi vor herrlicher Kulisse ist spannend und bis zuletzt undurchschaubar, der Blick hinter die Kulissen der nach außen hin so glamourösen Modewelt mitsamt der Geschichte um die Stoffdruckkunst, die hier angesiedelt ist, ist interessant und sehr aufschlussreich.

Und natürlich sind es Charlottes Leckereien, die Lust auf ihre kulinarischen Kreationen machen. Ihre „Charlotte des fruits“ zergehen regelrecht auf der Zunge, schon beim Lesen hätte ich am liebsten eines davon (besser gleich mehrere) gekostet. Das Rezept dazu findet sich neben zwei anderen Köstlichkeiten am Ende des Buches.

Auch dieser elfte Fall für Pierre Durand hat mir spannende Lesestunden beschert, dieser Provence-Krimi war fesselnd und wendungsreich, er hat mich bestens unterhalten und nun wünsche ich Pierre endlich mehr Zeit für seine frisch angetraute Charlotte hat, ich gönne ihnen gerne eine Auszeit.