„Durch das Raue zu den Sternen“ ist eine anrührende Mutter-Tochter-Geschichte aus der Perspektive eines Kindes, das seine Mutter vermisst und das große Träume hat und keinen Zweifel daran, dass sie es erreichen wird.
Die 13-jährige Arkadia schreibt aus eigener Perspektive über ihren großen Traum vom Singen und ihrem Wunsch, das ihre Mutter zurückkehrt. Sie hofft, durch ihre Begabung beides zu schaffen, wenn sie nur im Knabenchor aufgenommen wird. Traurigkeit und Freude sind hier nah beieinander. Auf der einen Seite die kindliche Hoffnung und der eiserne Wille und auf der anderen Seite die unbeantworteten Fragen, die Ungewissheiten, die Hindernisse, die Traurigkeit. Arkadia ist beharrlich, selbstbewusst und kämpferisch. Sie ist eine Außenseiterin, ein riesiges Talent, der man das Beste der Welt wünscht. Ihre emotionale Reife und Intelligenz machen sie zu einer tollen Hauptfigur, von der man einiges lernen kann, obwohl sie so jung ist. Die Textabschnitte sind kurz, manchmal nur eine Seite. Das Buch hat mehrere Kapitel in 5. Sätzen. Dazu der einfach Schreibstil, der leicht zu lesen ist und authentisch für eine 13-jährige Hauptfigur. Es ist keine aufregende und vollgestopfte Geschichte, aber sie geht zu Herzen und während des Lesens konnte ich entspannen und mich von dem Text mitziehen lassen. Dabei hatte ich den Eindruck, ich lese etwas ganz besonderes, was ich so noch nie gelesen habe.
„Durch das Raue zu den Sternen“ ist ein ungewöhnliches Buch mit ernstem Hintergrund, das nicht gleich alles preisgibt. Schwer fand ich es aber nicht. Viel mehr eindrucksvoll geschrieben und sehr lebendig. Dazu Humor, den ich sofort mochte. Traurig ja, aber auch unvergesslich schön.
Ben Shattuck hätte sicherlich einen dickeren Roman schreiben können, aber er entschied sich, auf wenigen Seiten eine Kurzgeschichte zu erzählen, die von der ersten Liebe zweier Menschen handelt, deren Leben unterschiedlich verlaufen ist. Da wäre Lionel, der ein Packet erhält, dass ihn an seine Jugendliebe David erinnert. Verschickt hat das Packet Annie, die mit ihrer Jugendliebe Henry verheiratet ist. Eine Erfahrung, die Lionel verwehrt bleibt. Geht die erste Liebe nie wirklich gut aus? Was ist, wenn die besten Jahren schon vorbei sind? Ist Kummer im Leben wertvoll? Es ist die zarte Sprache, die mir gefallen hat und die kleinen Dinge, die Ben Shattuck so treffend beschreibt. Dadurch konnte ich ganz eintauchen, mich berühren und zum Nachdenken bringen lassen. Immer wieder folgt man den Gedanken über Musik und den Naturbeschreibungen. Ein kluger Roman voller Fülle, mit genau der richtigen Anzahl an Seiten, wie ich finde.
Der Anfang in Kombination mit dem Klappentext macht absolut neugierig, denn s geht um eine erfolgreiche Schauspielerin, deren Name nicht genannt wird, die auf einen jungen Mann trifft. Sie sind für ein gemeinsames Mittagessen im Restaurant und er behauptet, ihr Sohn zu sein, obwohl das unmöglich ist. Als ihr Mann im Restaurant auftaucht, nimmt das Drama seinen Lauf. Daraus entwickelt sich langsam ein psychologisches Vexierspiel. Das Auseinandersetzen mit lebensverändernden Fragen der Gegenwart und Vergangenheit. Der prägnante Schreibstil ist intensiv, sogar beklemmend, aber treffsicher und ebenso fordernd wie die Story selbst. Manch (für mein Empfinden) überflüssige Ausschweifung hätte es nicht gebraucht und machte den Roman an manchen Stellen langatmig, aber insgesamt fand ich ihn psychologisch interessant - vor allem im zweiten Teil es Buches, der alles auf den Kopf stellt.
Mir hat besonders gefallen, dass es ein Roman ist, der es einem nicht so einfach macht. Vieles bleibt ungeschrieben und der eigenen Interpretation überlassen. Literatur darf auch verwirren oder mit dem Schein spielen. Ganz besonders darf sie Fragen nach der Wahrheit aufwerfen. Diese „Probe“ ist Katie Kitamura elegant gelungen. Keine leichter Lesestoff, aber lohnenswert.
Der Roman von Kristina Hauff ist wie ein unbehaglicher Besuch im Schwarzwald, wo die Buchhalterin Lisa mit ihrem Mann Simon lebt und im Hotel ihres Vaters arbeitet. Mit einem neuen Hotelgast und der Person um Daniela kommt etwas Unheilvolles ins Dorf.
Die bedrohliche Spannungslage und den guten Schreibstil möchte ich gleich hervorheben, weil sie mich praktisch eingesaugt haben und den so gegensätzlichen Charakteren die passende Bühne bieten. Die treuherzige Lisa wird von der meisterlichen Daniela manipuliert, förmlich von der Bühne gedrängt. Das war für mich aufreibend und alles hat sich bei mir gesträubt, was wiederum für die Figur spricht. Das machte es bedrückend, aber ganz schön spannend. Wo das hinführt bleibt nämlich lange ungewiss und meine Neugier sorgte dafür, dass ich jede freie Minute weiterlesen wollte. Ein großer Pluspunkt. Auch die Hintergründe werden ideal dosiert aufgedeckt. Dabei schlüpft man in vier ganz unterschiedliche Sichtweisen. Dass sich am Ende alles überschlägt, war dann überraschend und mir etwas zu abrupt. Aber ich fand das Buch so spannend und geheimnisvoll, dass ich es empfehlen würde.
Ruppi Rüpelfisch benimmt sich wie ein echter fieser Antipath. Er ärgert seine Meeresfreunde und hat als einziger Spaß dabei. Den kann man doch gar nicht mögen, oder? Der Schreck darüber ist den Tieren deutlich anzusehen, deshalb wundert es nicht, als sie mit Ruppi ein Machtwort sprechen. Der reagiert verständnislos und macht sich auf, neue Freunde zu finden. Doch so allein im Meer, kann es ziemlich brenzlig werden. Dabei begegnet Ruppi einem Hai, und diese Begegnung hält eine lehrreiche Lektion für ihn bereit.
Diese Bilderbuch ist ein Leseerlebnis für die ganze Familie, die man nach Belieben erweitern kann. Den QR-Code zu scannen, birgt die zusätzliche Möglichkeit, sich für eine halbe Stunde mit Musik vorlesen zu lassen. Vorleser und acht Songs wechseln sich ab. Wir fanden es sehr gut vorgelesen und auch die Lieder kamen bei uns gut an. Pfiffige und wertvolle Texte, gängiger Sound - mal rockig, mal ruhig. Alles passend zur Situation und ergänzend zur Geschichte. Dabei kindgerecht, aber modern. Der ein oder andere Ohrwurm ist auch dabei. Wer darauf lieber verzichtet, kann ganz klassisch in eigenem Tempo das Buch (vor-)lesen.
Geschrieben hat das Rouven Stenneken, der auch die Songs dazu gemacht hat. Es handelt vom Streiten, Vertragen und greift damit Inhalte auf, die Kinder interessieren. Die Geschichte zeigt, wie wertvoll Freundschaft und Vergebung ist, aber auch das geschenkte Vertrauen und das Besinnen auf die eigenen Stärken, um sie für etwas Gutes einzusetzen. Eine durchweg positive Botschaft. Durch die klangvollen Reime macht es großen Spaß, das Buch vorzulesen. Für Kinder ist die Geschichte mitreißend und spannend. Die Gefühle lassen sich von den Meeresbewohnern leicht ablesen und das Ende könnte sie überraschen. Die Illustrationen sind von Simone Leiss-Bohn und maritim, farbenfroh, stimmungsvoll und positiv. Selbst der etwas unheimliche Hai wird ganz bedacht so dargestellt, dass Kinder keine Angst bekommen sollen.
Ein durchdachtes Konzept, mit ganz viel Leidenschaft umgesetzt, niedlichen Details versehen und damit für Groß und Klein ein tolles Bilderbuch, das keine Wünsche offen lässt.
Hope, so heißt die Hauptfigur, zeigt die Welt von morgen und das Leben von Kindern in der Zukunft, wie es sein könnte. Es ist eine alternative Zukunft zur Autowelt, in der Kinder gerade großwerden. Besonders die Straße, die zum Spielplatz wird, wurde mit Staunen betrachtet. Es sind neue Ideen dabei, aber auch Sachen, die jetzt schon vereinzelt umgesetzt werden. Eigentlich war da einiges dabei, was wir toll finden und am liebsten schon heute nutzen würden. Der positive Grundgedanke ist erkennbar und der Wunsch nach mehr Gemeinschaft, Nachhaltigkeit und klimaneutraler Mobilität. Am Schluss gibt es noch Anregungen und ein Glossar.
Die roten Infokästen sind für Eltern und Bezugspersonen, was man auch gut an Schrift und Größe erkennen kann. Sie liefert Informationen, zum besseren einordnen. Der Spielgedanke ist auch da. Auf jeder Doppelseite versteckt sich (mindestens) ein Huhn. Die stellen auch mal Fragen, die sich direkt an die Kinder richtet. Ansonsten ist es einen kindgerechten Vorlesetext, wo Hope in die Vergangenheit (unsere Gegenwart) blickt und sich mit der Familie darüber unterhält, wie es früher war.
Ich finde es gut, dass Minderheiten hier mehr Aufmerksamkeit bekommen. Das passt zum Buch, das für Vielfalt und eine bessere Zukunft steht. Es lädt zum Nachdenken, Ausprobieren und Diskutieren ein. Uns hat das Buch gefallen und es ist spannend für Kinder, sich solche Ideen weiter auszumalen und mit anderen darüber zu sprechen.
Isra ist ein talentierter Nachtalb. Mit zahlreichen Schlüsseln in der Tasche, dringt sie nachts in die Wohnungen und Häuser ein und tauscht die guten Träume der Schlafenden gegen Albträume. Dabei hat sie einen Mann so sehr geängstigt, dass er im Schlaf gestorben ist. Das hat natürlich Folgen, denn es gibt eine Gesellschaft, die das Vorgehen beaufsichtigt. Wie Isra dann eine Verschwörung aufdeckt, hat schon was von einem Krimi.
Klingt düster? Ist es auch. Eine heile Welt sucht man hier vergebens. Neben der Finsternis findet sich aber auch schräger Humor. Jedes Kapitel endet mit einem Intermezzo und Hintergrundwissen zu den Nachtalben. Also erfährt man nur Häppchenweise mehr.
Es geht überwiegend um Träume und Albräume, aber auch um Liebe und Freundschaft. Das ergibt eine gute Mischung, die mit Schwermut, Magie und Atmosphäre erzählt wird.
Ich habe mich mit den Intermezzos schwergetan, weil sie meinen Lesefluss unterbrochen haben. Ich hätte mir auch mehr Spannung gewünscht und empfand es schon sehr düster. Das muss man mögen. Sehr gefallen hat mir, wie die Albträume entstehen und Isra ihr Talent entfaltet.
Ich hatte nicht erwartet, das mich dieses Debüt so mitreißen würde. Es geht um große Gefühle und unvermeidliche Vergänglichkeit und so viel mehr darüber, ein Mensch zu sein. Das wurde von Emily Habeck faszinierend geschrieben, sodass ich eintauchen wollte und das Ende viel zu früh kam. Wen man von dem Klappentext schon angesprochen wurde, dann wird man Staunen über das, was der Roman schließlich präsentiert. Lässt man sich darauf ein, ist es eine besondere Liebesgeschichte über Verlust, die zu Tränen rührt und Trost spendet.
Wren und Lewis sind noch nicht lange verheiratet, freuen sich auf eine gemeinsame Zukunft, da erfährt Lewis von seiner bevorstehenden Verwandlung in einen Weißen Hai, die alles verändert. Durch Rückblenden erfährt man mehr über Wren, die schon einmal einen geliebten Menschen auf diese Art verloren hat.
"Shark Heart“ ist ein Roman, der sich nicht nur durch seine eigentümliche Handlung auszeichnet, sondern durch die tiefen Emotionen, die reibungslose Sprache und schließlich die eigenen Gedanken, die angeregt werden, während man das Buch liest. Die surreale Mutation von Lewis lässt benennen, was sonst schwer in Worte zu fassen ist. Dadurch bekommt der Roman etwas Magisches, baut das aus, und gibt Hoffnung, wo die Trauer wächst und der Verlust schwer wiegt. Das gibt die Möglichkeit, es aus der Ferne zu beobachten, also das Fantastische von der Realität abzustreifen, aber beides zu genießen. Das finde ich genial. Dazu kommt kein Wort zu viel und die Nahbarkeit von Wren und Lewis. Ich mochte das Buch ebenso gerne, wie den Blumen-Hai auf dem Cover.
Selten haben Cover, Schreibstil und Inhalt eines Buches eine so stimmige Harmonie, die jeden sofort an Japan erinnert. Japanologin Beth Kempton bewältigt ihre Midlife-Crisis mit einer Pilgerreise durch das ländliche Japan, dessen Weisheit sie schon immer magisch angezogen hat. Sie schreibt, kokoro wäre der Anfang und das Ende für ein gelungenes Leben. Aber was bedeutet das eigentlich? Kokoro kann keiner genau definieren. Es ist für jeden etwas anderes, aber unter einem achtsamen Herzen kann man sich zumindest etwas in der richtigen Richtung vorstellen.
Für jemanden wie mich, der sich für das Land und die japanische Lebensart interessiert, gibt es viele Anregungen. Tatsächlich gibt es sogar Empfehlungen für die Reise nach Japan. Es ist aber auch ein Ratgeber und man kann selbst schauen, wo man gerade steht, wenn man sich mit den zwölf Prinzipien beschäftigt, den Anleitungen, Übungen und kurz zusammengefassten Weisheiten.
Wer sich mit Achtsamkeit und Mediation schon beschäftigt hat, wird leichter Zugang finden. Mitunter wird es sehr tiefgreifend, wie etwas die Sterblichkeit. Beth ist eine souveräne Reisebegleiterin, die behutsam vorgeht. Sie schafft es, interessante Gespräche zu führen und Persönliches zu erzählen, das ich mit Interesse gelesen habe.
Wenn man sich mehr Zufriedenheit wünscht, sich für Japan interessiert, Ruhe und die Natur mag, dann ist "Kokoro" ganz sicher einen Blick wert. Ein sehr schöner Wegbegleiter.
Monsieur Perdu ist mit seinem Bücherschiff zurück in Paris. Diesmal begleitet von der jungen Auszubildenden Pauline. Mit ihrer literarischen Apotheke vermitteln sie die passenden Bücher für alle Sorgen und Probleme. Gemeinsam helfen sie der Zwölfjährigen Françoise, deren traumatisierte Mutter Hilfe braucht. Ihre Wortliebe und Buchleidenschaft hat sie auf das Bücherschiff geführt.
Dies ist der dritte Band einer Reihe. Ich kenne die vorherigen Bände nicht. Hatte aber den Eindruck, dass man auch ohne Vorwissen gut folgen kann. Ich habe jetzt Lust, die Vorgänger zu lesen, denn es ist ein schönes Buch, bei dem man den Alltag vergessen kann. Das Cover passt perfekt. In Violett gehalten wirkt es beruhigend und setzt mit Orange belebende Akzente, genau wie die Handlung. Ideal, wenn man etwas Niveauvolles frei von Kitsch sucht, bei dem man auch entspannen möchte. Die Schreibweise steckt voller Gefühl zur Sprache. Das hat mir am Besten gefallen. Es sind Geschichten, die Menschen dazu bewegen, ihre eigene Lebensgeschichte zu schreiben. Ich fand das emotional und unterhaltsam umgesetzt, vor allem, weil auch ernste Themen (Mobbing, Meinungsfreiheit) tiefer angegangen werden, aber der Humor dabei nicht fehlt. Pauline hat für mich herausgestochen. Sie wirkt mit Intelligenz und Einfühlungsvermögen auf die Menschen ein. Ich fand ihren Umgang mit Françoise und schwierigen Situationen toll. Durchweg macht es einem die Geschichte leicht, die sympathischen Charaktere zu mögen. Einige der genannten Bücher, die erwähnt werden, kannte ich schon, andere noch nicht. Generell ein Quell der Buchempfehlungen. Damit sicherlich interessant für Bücherfans.
Ein sehr feinsinniger Roman über die Leidenschaft für Bücher, mit ganz viel Herz, Hirn, Sympathie und Humor. Klare Empfehlung!
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