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Sophia

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Insgesamt 96 Bewertungen
Bewertung vom 08.09.2025
Kling, Marc-Uwe

VIEWS


gut

Yasira Saad ist Kommissarin beim BKA und fassungslos als sie ein Video in den sozialen Medien sieht, das sofort viral geht: drei junge, schwarze Männer, offensichtlich Geflüchtete, vergewaltigen eine junge Frau und werden von einer vierten Person dabei gefilmt. Yasira soll die Ermittlungen leiten und das Verbrechen so schnell es geht aufklären, denn das Mädchen im Video, Lena Palmer, ist bereits einige Tage verschwunden. Schnell kocht das Thema hoch und eine rassistische und rechte Organisation namens "Aktiver Heimatschutz" kündigt Rache an und macht Jagd auf die Täter. Yasira hat keine Zeit zu verlieren und ahnt nicht, dass sie Situation die höchste Eskalationssufe noch gar nicht erreicht hat.

Ich habe zuvor nichts von Marc-Uwe Kling gelesen, aber der Klappentext hat mich neugierig gemacht - brisant und aktueller denn je. Die Handlung könnte 1:1 genauso in Deutschland passieren und ist leider keine düstere Zukunftsvision mehr - und würde sich sehr wahrscheinlich ähnlich schnell hoch schaukeln wie im Buch.
Der Erzählstil ist angenehm zu lesen mit kurzen, knappen Sätzen und Dialogen, die den nötigen Humor haben. Bereits zu Beginn wird eine gute Spannung aufgebaut, die auch lange gehalten werden kann. Die Handlung flacht aber leider oft ab und tritt auf der Stelle. Sehr gut gefallen haben mir die Einblicke in die polizeiliche Ermittlungsarbeit. Man begleitet Yasira als Ermittlerin bei der nervenaufreibenden und oft frustrierenden Suche nach den Tätern und vor allem dem Opfer. Dabei wird schnell klar, dass man sie nicht umsonst als Gesicht der Ermittlungen ausgesucht hat: als Frau mit Migrationshintergrund soll sie für Offenheit und Fortschritt bei der Polizei stehen.
Der Autor greift hier viele aktuelle und wichtige Themen auf: (offener) Rassismus, Polizeiarbeit, Hass und Hetze und rechte Vereinigungen. Die Figuren sind dabei meist sympathisch, bleiben aber blass und ohne Tiefe.
Der Plottwist der Handlung kommt schnell und war dann nicht allzu überraschend. Leider konnte ich mit dem Ende und der Auflösung gar nichts anfangen und es hat für mich auch nicht zur vorangehenden Handlung gepasst.

"Views" ist ein solider Thriller, der Einblick in die spannende Polizeiarbeit in einem hochbrisanten Fall gibt, aber durch eine abflachende Handlung gebremst wird.

3,5/5 Sternen

Bewertung vom 01.09.2025
Hauff, Kristina

Schattengrünes Tal


gut

Lisa lebt gemeinsam mit ihrem Mann Simon mitten im Schwarzwald in Herzogsbrunn, ihre Tochter absolviert gerade ein Auslandsjahr. Lisas Vater betreibt ein kleines Hotel, das jedoch in die Jahre gekommen ist. Sie hilft ihm bei der Buchhaltung, Simon ist Förster im angrenzenden Wald. Lisas ausgeprägten Helferkomplex nutzt ihr Vater Carl gerne aus - trotzdem werden Ideen zur Veränderung und Modernisierung des Hotels ihrerseits stets abgelehnt. Als sich Daniela Arnold als Gast in das Hotel einquartiert, kommt Lisa immer öfter mit ihr ins Gespräch. Die beiden "freunden" sich an und Daniela nimmt einen immer größeren Raum in Lisas Leben ein. Sie ahnt nicht, dass Daniela keine Unbekannte ist und ganz andere Absichten verfolgt als nur den Schwarzwald zu entdecken...

Ich hatte zuvor noch nichts von Kristina Hauff gelesen, aber wie toll ist das Cover bitte? Auch der Klappentext macht direkt Lust aufs Lesen und verspricht eine spannende und tolle Handlung. Das Buch ist dann doch etwas hinter meinen Erwartungen zurück geblieben.

Die Figuren sind allesamt klischeehaft und stereotyp gezeichnet, was allerdings zur Handlung und dem traditionsreichen Umfeld passt. Lisa ist aufopferungsvoll und hilft lieber anderen als sich selbst, Simon ist eher verschlossener, auch wenn sein Charakter oft an der Oberfläche bleibt. Carl ist der typische Patriarch der Familie, er hält die Zügel in der Hand, gibt sie aber auch nicht aus der Hand und nur er ist in seiner Vorstellung stets im Recht. Margret, die eine mehr oder weniger heimliche Liebesbeziehung mit Carl hat und das Hotel mittlerweile so gut wie alleine schmeißt, ist unterwürfig und abhängig. Am interessantesten ist für mich Daniela, die wie aus dem Nichts auftaucht und sich nach und nach sowohl im Dorf als auch im Hotel und Lisas Leben einnistet. Geschickt manipuliert sie jeden in ihrem Umfeld und schnell wird klar, dass sie nicht durch Zufall in genau diesem Hotel gelandet ist.
Die Sprache ist meist neutral, an manchen Stellen fast schon sachlich, man kann der Handlung gut folgen. Die Kapitel sind abwechselnd aus Lisas Simons und Margrets Sicht geschrieben, was dem Leser jeden Charakter nochmal näher bringt. Die Handlung fängt stark an, von Anfang an herrscht eine kaum greifbare und düstere Atmosphäre. Die Spannung baut sich kontinuierlich auf, im letzten Drittel allerdings wird die Handlung zunehmend vorhersehbarer. Das Ende konnte mich nicht wirklich überzeugen und wurde für mich zu schnell abgehandelt.

"Schattengrünes Tal" ist ein interessanter Roman, der mit den Klischees eines idyllischen Dorfes und deren Bewohner spielt und die Themen toxische Beziehungen, Manipulationen und Abhängigkeit beinhaltet.

3,5/5 Sternen

Bewertung vom 27.08.2025
Sila, Tijan

Radio Sarajevo


ausgezeichnet

Tijan Sila ist zehn Jahre alt, als im April 1992 in Sarajevo die ersten Bomben fallen und der Krieg beginnt. Mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder wohnt er in einer kleinen Wohnung in einem Plattenbau. Zwischen Trümmern, Bombenalarm und Soldaten muss die Familie versuchen zu überleben. Auch die Flucht der Familie im Jahr 1994 nach Deutschland wird thematisiert. Er schildert die Zeit im Krieg, das Überleben, die Winter ohne Ofen, die Vorfreude auf die Schule und das Ankommen in Deutschland.

Beim Cover hätte ich zuerst nicht gedacht, welche gewaltige Geschichte sich im dem Buch verbirgt. Vom Krieg in Bosnien und Herzegowina und Serbien habe ich im Schulunterricht gehört, die Bilder gehen einem immer noch unter die Haut. Ein Buch dazu und dann noch so ein persönliches habe ich aber noch nicht gelesen - umso wichtiger, dass ich "Radio Sarajevo" entdecken durfte!
Tijan Sila beschreibt aus der Ich-Perspektive sein Leben als Zehnjähriger, angefangen beim ersten ersten Beschuss bis zum Einleben in Deutschland. Dabei hat er eine ganz eigene Erzählweise, als Erwachsener beschreibt er rückblickend die Zeit damals einerseits kindlich-naiv, andererseits klar und sachlich. Man begleitet ihn beim Treffen mit seinen beiden besten Freunden, beim Schule schwänzen, beim Schwarzhandel mit Soldaten der UN und in seinem Alltag mit der Familie. Was anfangs noch unvorstellbar erscheint, wird bald zum traurigen Alltag: der Beschuss auf Sarajevo wird normal für ihn, er lernt, sich mehr oder weniger in dieser grauenvollen und dunklen Zeit zu arrangieren.
Oft musste ich das Buch für einen Moment beiseite legen, weil mir das Ausmaß an Zerstörung und Krieg bewusst wurde, gerade wenn von Toten und den schrecklichen Verletzungen erzählt wird.

Tijan Sila gelingt es, sowohl schonungslos ehrlich als auch emotional die Brutalität und Komplexität des Krieges zu schildern. Dieses schwierige Thema, was ich bislang meist aus dem Schulunterricht kannte, wird zugänglicher und menschlicher und zeigt, was es heißt, als Kind im Krieg zu überleben. Aktueller denn je kann ich "Radio Sarajevo" nur empfehlen, trotz des schweren Themas lohnt es sich, das Buch zu lesen. Große Leseempfehlung!

Bewertung vom 21.08.2025
Raabe, Melanie

Der längste Schlaf (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Mara Lux ist Wissenschaftlerin und lebt in London, sie hat sich auf das Gebiet des Schlafs spezialisiert. Sie selbst schläft so gut wie gar nicht und leidet darunter. Als Kind hatte sie oft Träume, die sich dann bewahrheitet haben und genau so eingetreten sind. Als Erwachsene träumt sie nicht mehr und sie hat sich mit ihrem Los arrangiert. Als sie jedoch eine E-Mail eines deutschen Anwalts in Frankfurt bekommt, wird sie stutzig: sie soll ein Herrenhaus geerbt haben von einem ihr völlig unbekannten Mann. Neugierig entschließt sie sich letztlich dazu, nach Deutschland zu reisen und sich das Haus wenigstens mal anzusehen. Sie ahnt nicht, dass sie damit eine Reihe von Dingen in Gang setzen wird, die nicht nur sie sondern das ganze Dorf nachhaltig verändern werden...

Ich hatte zuvor noch nichts von Melanie Raabe gelesen und war gespannt, was es mit dem "längsten Schlaf" auf sich hat. Jedoch hätte ich nicht erwartet, welche gewaltige und wunderbare Geschichte sich hinter dem unscheinbaren Klappentext verbirgt!
Man ist schnell in der Handlung und begleitet Mara bei ihrem Alltag in ihrem Büro. Melanie Raabe schreibt klar und mit kraftvollen Worten, auch energisch, man spürt die Umtriebigkeit und Unruhe der Protagonistin. Mein einziger Kritikpunkt sind die Längen, die das Buch am Anfang hat, aber danach geht es schnell immer tiefer in die Handlung hinein und als Leser muss man unbedingt weiter lesen.

"Der längste Schlaf" lässt sich für mich keinem Genre wirklich zuordnen, es verschwimmt viel mehr und oft weiß man nicht, was gerade Realität und was Fiktion ist. Diese Mischung zieht den Leser in einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Ich möchte gar nicht zu viel von der Handlung verraten, denn man muss selbst in diese ganz andere Geschichte hinein tauchen. Es ist anders, als ich vom Klappentext her vermutet hatte und hat mich umgehauen - sowohl von der Sprache und Handlung als auch der Protagonistin selbst.

Von mir gibt es eine große Leseempfehlung für diese unkonventionelle und fesselnde Geschichte. Unbedingt lesen!

4,5/5 Sternen

Bewertung vom 20.08.2025
Kento, Katie

Hotel Ambrosia - Du. Entkommst. Nicht.


ausgezeichnet

Die 17-jährige Robyn wohnt mit ihrer Großtante Nelly in einer kleinen Wohnung in San Bernardino. Sie ist aufgrund einer Krankheit die meiste Zeit an Bett und Rollstuhl gefesselt und auch kleinste Aktivitäten sind mühsam. Als großer True Crime-Fan verschlingt sie vor allem den Podcast ihres Idols Ivy Cooper. Genau gegenüber ihrer Wohnung steht das Hotel Ambrosia. In dem Hotel passieren immer wieder mysteriöse Dinge und Gewaltverbrechen. Als stille Beobachterin verfolgt Robyn die Geschehnisse gebannt. Bis sie eines Tages sieht, wie eine junge Frau in einem der Zimmer entführt wird. Sie selbst kann nicht aus der Wohnung raus, aber durch Zufall lernt sie den jungen AJ kennen, der sich unter falschem Namen eincheckt. Er deckt Dinge auf, die ihm und vor allem Robyn mehr als gefährlich werden...

Mir hat das Cover bereits sehr gut gefallen und auch der Klappentext verspricht eine spannende Geschichte. Und natürlich rundet der wunderschöne Farbschnitt das Ganze dann noch ab.
Ich war sehr gespannt, wie die Autorin die Handlung aufbaut, denn natürlich kannte ich die Geschichte des Cecil Hotels, das durch das Verschwinden der jungen Elisa Lam berühmt geworden ist und an das die Geschichte entfernt erinnert. Man ist auch direkt im Geschehen, in einem Mailverkehr zwischen Robyn und Podcastern Ivy wird schnell deutlich, dass Robyn True Crime liebt - da haben wir etwas gemeinsam :) Die Kapitel sind übersichtlich lang und wechseln sich immer wieder ab mit E-Mails, Textnachrichten und Skizzen. Das gefällt mir sehr gut und bringt viel Abwechslung in die Geschichte.
Die Geschichte wird aus Robyns Perspektive erzählt, auch das gibt einen tollen Einblick in die Gefühlswelt der Protagonistin. Robyns Alltag wird detailreich dargestellt, hervorheben möchte ich auch das toll umgesetzte und wichtige Thema der Krankheit ME/CFS, das eine große Rolle einnimmt.
Die Spannung baut sich nur langsam auf, das erste Drittel plätschert vor sich hin. Das ist auch mein einziger Kritikpunkt, denn umso schneller nimmt die Geschichte dann an Fahrt auf und man kann das Buch kaum noch aus der Hand legen. Mit den Plottwists hätte ich NIE gerechnet!
Sowohl Robyn als auch die Nebenfiguren sind allesamt toll gezeichnet, vor allem Robyn erscheint sympathisch und man fühlt beim Lesen mit ihr mit: sie kann die Wohnung nicht verlassen, macht Homeschooling und hat so gut wie keine Freunde.

Die Autorin verwebt hier wunderbar nicht nur den spannenden Kriminalfall sondern ebenso die wichtigen Themen wie die Krankheit ME/CFS, Freundschaft, Einsamkeit und Selbstbestimmung.
Von mir gibt es eine große Empfehlung nicht nur für Jugendliche, das Buch spricht alle True Crime-Fans und Liebhaber von spannenden Thrillern und Krimis an. Große Lesempfehlung!

4,5/5 Sternen

Bewertung vom 19.08.2025
Sager, Riley

LAKE - Das Haus am dunklen Ufer


gut

Casey Fletchers Mann ist vor einem Jahr im Lake Greene in Vermont ertrunken, wo sie ein Haus besitzt und die beiden eine Auszeit genommen haben. Casey ist Schauspielerin und nach dem Verlust verliert sie sich im Alkohol. Ihre Mutter schickt sie deshalb an genau den Ort, wo das Unglück geschah. Caseys Tage bestehen aus Alkohol und Grübeln mit Blick auf den See. Als am gegenüberliegenden Ufer ein Pärchen neu einzieht, ist ihre Neugier geweckt. Schnell merkt sie, dass irgendwas mit den beiden nicht stimmt und als die Frau Katherine dann noch spurlos verschwindet ist sich Casey sicher, dass sie nun selbst ermitteln muss.

Ich hatte zuvor noch nichts von Riley Sager gelesen und habe auf einen spannenden und dunklen Psychothriller gehofft. Leider ist das Buch dann hinter meinen Erwartungen zurück geblieben.
Die Kapitel sind allesamt aus der Ich-Perspektive von Casey geschrieben, womit man direkt im Geschehen ist und vor allem ihren Schmerz und die Trauer nachfühlen kann. Die Kapitel sind unterteilt in "Davor" und "Jetzt", wo bei die gegenwärtigen Kapitel den größten Teil einnehmen. Diese Einteilung hat mir gut gefallen, sie geben immer wieder häppchenweise preis, wohin die große Eskalation führen wird.
Riley Sager baut gekonnt direkt zu Beginn eine dichte und düstere Atmosphäre und Spannung auf, man liest gespannt und gebannt weiter. Ein großer Kritikpunkt ist für mich allerdings der Umgang mit Alkohol, der sowohl selbstverständlich ist in der Handlung als auch einen enorm großen Raum einnimmt. Zu jeder Tages- und Nachtzeit wird von Casey getrunken, sie schlüsselt genau auf, was sie wann in welcher Reihenfolge trinkt. Das Thema wird für mich verharmlost und zu viel Raum gegeben.
Die düstere Atmosphäre und Spannung können lange weiter aufgebaut werden, als es jedoch zur Auflösung kam, war ich enttäuscht. Der Twist ist einfach unrealistisch und, sagen wir, "übernatürlich" und konnte nicht an die Spannung vorher anknüpfen. Casey als Person blieb mir auch lange fremd, ich konnte sie meist nicht wirklich greifen, sie erzählt dennoch gekonnt und abwechslungsreich.

Für mich blieb der Thriller leider hinter den Erwartungen zurück und konnte nicht halten, was er verspricht.

Bewertung vom 11.08.2025
Clarke, Lucy

One of the Girls


sehr gut

Bella plant den schönsten Junggesellinnenabschied auf einer griechischen Insel für ihre beste Freundin Lexi. Gemeinsam mit vier weiteren Freundinnen möchte Lexi ein paar entspannte Tage verbringen. Die sechs Frauen ahnen nicht, dass jede von ihnen ein Geheimnis hat. Bald bekommt die Idylle erste Risse und endet mit einer Leiche auf den steilen Klippen...

Ich hatte von Lucy Clarke bereits "The Surf House" gelesen und war gespannt, wie sie das Thema eines aus dem Ruder laufenden Junggesellinnenabschieds erzählt. Das Cover lässt direkt auf die Idylle und die Geheimnisse dahinter schließen und ist toll gestaltet.
Es kommt auch direkt Urlaubsstimmung auf, denn zu Beginn ist man mitten drin bei der Ankunft am griechischen Flughafen. Die Kapitel sind abwechselnd aus der Sicht der sechs Frauen geschrieben, was eine abwechslungsreiche Erzählweise bietet. Zwischen den Kapiteln gibt es immer wieder kurze Erzählungen einer unbekannten Person, sodass man sofort weiß, dass es eine Leiche und eine große Eskalation geben wird. Man ahnt als Leser bereits, dass nicht alles eitel Sonnenschein ist und eine bedrohliche Stimmung baut sich langsam und kontinuierlich auf. Auch wenn die Handlung vor allem am Anfang zunächst vor sich hin plätschert, steuert man auf die Eskalation zu. Vor allem die unvorhersehbaren Wendungen machen die Geschichte spannend - ich wurde mehr als ein Mal auf die völlig falsche Fährte gelockt.
Die Auflösung und das Ende waren dann leider doch etwas vorhersehbar und haben sich in die Länge gezogen. Die Spannung hat immer mehr nachgelassen.

Von mir gibt es eine Empfehlung für alle, die Lucy Clarke bereits kennen und einen guten Thriller mit Junggesellinnenabschiedssetting vor der Kulisse Griechenlands lesen möchten.

Bewertung vom 04.08.2025
Gerstberger, Beatrix

Die Hummerfrauen


gut

Als die 28-jährige Mina am Strand von Stone Harbor "angespült" wird, staunen die Dorfbewohner nicht schlecht. Schnell ist klar: Mina wird erstmal bei Ann bleiben, 72 Jahre alt und eine der wenigen Hummerfischerinnen im Ort. Auch Julie, 54 Jahre und ebenfalls Hummerfischerin, kümmert sich um Mina. Die drei unterschiedlichen Frauen freunden sich an und Mina fährt mit aufs Meer zum Hummerfischen. Dass Mina als Kind regelmäßig in Stone Harbor die Sommer verbracht hat, wird erst später klar. Und damit sind auch einige schmerzhafte Erinnerungen verbunden.

Da das Buch in den sozialen Medien und in Besprechungen sehr gut ankam, wollte ich es auch unbedingt lesen. Leider habe ich nicht wirklich einen Zugang gefunden und kann mich der durchweg positiven Meinung nicht anschließen.

Das Buch spielt auf zwei Zeitebenen: im Jahr 2000, als Mina am Strand angespült wird und im Jahr 1982, als Mina zehn Jahr alt ist und den letzten Sommer mit ihrer Familie auf Stone Harbor verbringt. Der Prolog und Epilog spielen zu einem späteren Zeitpunkt in der Zukunft. Gut gefallen haben mir die übersichtlich langen Kapitel, die abwechselnd aus der Sicht von Julie, Ann und Mina geschrieben sind. Der Erzählstil ist bildhaft und gut zu lesen, oft fühlte ich die salzige Luft beim Hummerfischen fast selbst. Die Autorin versteht es, die Natur und Umgebung zu beschreiben. Jedoch ist die Stimmung fast die gesamte Handlung über schwer und tragend, selbst wenn mal etwas Gutes passiert, wird es sofort wieder relativiert und rutscht ins Negative. Diese Stimmung hat mir das Lesen oft schwer gemacht, auch die meist dahin plätschernde Handlung auf Stone Harbor hat bei mir keinen Lesefluss aufkommen lassen. Einzig Mina bringt etwas Schwung in die Geschichte, aber auch ihre Taten und Gedanken konnte ich oft nicht nachvollziehen. Oft war die Handlung auch deswegen vorhersehbar.
Die Arbeit der Hummerfischer(innen) und die Natur werden toll dargestellt, in ihrer Dankesrede erzählt die Autorin auch davon, dass sie selbst in Maine auf dem Boot beim Hummerfischen mitfahren durfte.

Für mich war das Buch eher nichts wegen der schweren Stimmung und der eher dahin plätschernden Handlung. Da das Buch aber so positiv bei anderen ankam, finden bestimmt auch viele Andere daran Gefallen.

Bewertung vom 28.07.2025
Espach, Alison

Wedding People


sehr gut

Phoebe Stone ist im Tiefpunkt ihres Lebens: ihr Mann hat sie verlassen und sie möchte ihrem Leben ein Ende setzen. Dafür fährt sie ohne Gepäck ins Cornwall Inn, einem schicken Hotel, in dem sie schon immer mal übernachten wollte. In der Lobby trifft sie auf eine Hochzeitsgesellschaft, die das komplette Hotel bevölkert - Phoebe möchte sich trotz anstehender Hochzeit nicht von ihrem Plan abbringen lassen. Im Aufzug trifft sie Lila, die Braut, die die perfekte Hochzeit plant - nichts darf dazwischen kommen. Umso irritierter ist sie, als sie Phoebe trifft und die ihr dann noch unvermittelt erzählt, dass sie sich im Hotel das Leben nehmen möchte. Lila setzt alles daran, das zu verhindern. Und bald findet Phoebe sich inmitten der Hochzeitsgesellschaft wieder. Wird sie ihren Plan doch noch in die Tat umsetzen oder lernt sie, das Leben und die neuen Menschen um sie herum zu schätzen und zu lieben?

Mich hat das Cover direkt angesprochen und da das Buch bereits auf Englisch ein großer Hype war, war ich umso gespannter auf die deutsche Ausgabe. Für mich wird es diesem Hype aber nicht ganz gerecht und ich hätte mir nach der Leseprobe mehr bzw. etwas anderes erhofft.
Das Buch unterteilt sich grob in die Tage der Hochzeitsgesellschaft, angefangen beim Ankommen bis zum Tag nach der Hochzeit. Der Erzählstil ist locker-leicht, Alison Espach findet einen besonderen Humor um mit Themen wie Suizid und Trauer umzugehen und diese nicht zu schwer und tragend für die Geschichte werden zu lassen. Das Absurde und Skurrile dieser gesamten Handlung inklusive der Hochzeitsgesellschaft bringt sie gekonnt auf den Punkt und übertreibt es an einigen Stellen auch damit. Überspitzt wirkt z.B. die erste Begegnung von Phoebe und Lila im Aufzug, als Leser folgt man dem Aufeinandertreffen gerne, weil trotz der Schwere der besondere Humor im Vordergrund steht.
Das Buch ist aus Phoebes Sicht, jedoch nicht aus der Ich-Perspektive geschrieben, was das Ganze abwechslungsreich macht, vielleicht hätte ich mir aber einige Kapitel aus der Sicht von Lila oder Gary, dem Bräutigam, gewünscht. Phoebe als Charakter konnte ich lange nicht greifen, sie entwickelt sich jedoch mit der Zeit immer mehr. Lila dagegen blieb mir als zweite Hauptfigur bis zuletzt fremd, sie erscheint meist wie die verwöhnte Prinzessin, die anderen müssen nach ihrer Pfeife tanzen und sie plant alles bis zur Perfektion. Oft ist sie aber unehrlich zu sich selbst und auch sie muss lernen, sich in der Hochzeitsgesellschaft und im Leben allgemein zurechtzufinden, ob Braut oder nicht.
Einige der Handlungen konnte ich oft nicht nachvollziehen, auch unwichtige Details werden oft in die Länge gezogen. Gerade am Anfang habe ich mich schwer getan, in die Geschichte hineinzufinden, denn sowohl Phoebe als Lila konnte man nicht wirklich einschätzen und auch die Nebenfiguren blieben mir oft zu blass. Das Buch lebt dafür von den Dialogen und Begegnungen der Charaktere, dieser herrlich-skurrile Humor zieht sich durch das gesamte Buch. Das Ende hat mich nicht komplett überzeugt, es hat aber zur Geschichte gepasst.

Alison Espach hat mit ihrem Roman sicherlich eine Geschichte verfasst, die zum Sommer und dem Leben passt, weil sie nicht die typische Romance-Story erzählt. Mit ihrem ganz eigenen Witz erzählt "Wedding People" vom Zusammentreffen unterschiedlicher Personen, die aber alle eint, dass sie lieber überall anders wären, nur nicht auf dieser Hochzeit. Für mich wurde es dem Hype darum nicht ganz gerecht, die skurrilen Dialoge und Ereignisse werten das Ganze aber auf, sodass es von mir eine Leseempfehlung gibt.

Bewertung vom 24.07.2025
Prödel, Kurt

Klapper


ausgezeichnet

Der sechzehnjährige Thomas, von allen nur "Klapper" gennant, weil seine Gelenke knacken, wenn er sich bewegt, ist ein Außenseiter und verbringt die gesamten Sommerferien vor dem Computer in seinem abgedunkelten Zimmer. Voller Hingabe erstellt er Maps für das Spiel "Counter Strike". Am ersten Schultag kommt Vivi, die "Bär" genannt werden möchte, neu in die Klasse. Resolut und selbstbewusst setzt sie sich neben Klapper. Zwischen den beiden entsteht ganz langsam eine Art Freundschaft und sie spielen und programmieren auch gemeinsam das Computerspiel, das Bär ebenso liebt. Trotz wachsender Freundschaft steuern die beiden auf ein Ereignis zu, dass das Leben von Klapper für immer verändern wird.

Das Cover hat mich total angesprochen, der Klappentext lässt allerdings nicht darauf schließen, was für eine gewaltige und tolle Geschichte sich dahinter verbirgt.
Die Handlung spielt auf zwei Zeitebenen: im Jahr 2011, als Klapper 16 Jahre alt ist und 2025, als er 30 ist. Diese Erzählweise gefällt mir sehr gut. Direkt zu Beginn wird der Leser ins Jahr 2025 geworfen, wo Klapper immer noch alleine vor dem Laptop sitzt. Schnell wird klar, dass in der Vergangenheit etwas passiert sein muss, denn Bär ist seit über 4800 Tagen nicht mehr mit ihrem Counter Strike-Account eingeloggt gewesen. Mit diesem Cliffhanger tauchen wir ein ins Jahr 2011 und begleiten Klapper in seinem Alltag. Und das beschreibt Kurt Prödel so detailliert und präzise, dass ich mich selbst oft wieder gefunden habe in den Beschreibungen, ich selbst war damals nur wenige Jahre älter als der Protagonist. Mit einer ganz eigenen Erzählweise zeichnet er einen Jugendlichen, wie es ihn überall auf der Welt gibt: den typischen Außenseiter, der nur vor dem Computer sitzt und mit ungewaschenen Haaren und Metalband-T-Shirts herum läuft. Man hat als Leser weder Mitleid mit Klapper, noch wirkt er unsympathisch, man verfolgt sein Leben einfach mit. Auch die Nebenfiguren wie seine und Bärs Eltern werden unglaublich gut und realistisch dargestellt.
Kurt Prödel hat seinen ganz eigenen Erzählstil, der sowohl zum Zeitgeist von damals als auch zu den Charakteren passt. Er baut gekonnt eine unglaublich realistische, aber auch sich stetig aufbauende Spannung auf. Die Freundschaft von Klapper und Bär ist oft einseitig von Klapper ausgehend, als Leser weiß man oft nicht so recht, woran man bei Bär ist.
Toll ist auch der für die 90er und 00er Jahre typische "Zitronenkrümeleistee", der als wiederkehrendes Element zur Freundschaft und der Geschichte gehört.

Kurt Prödel baut in seine Geschichte gekonnt viele wichtige Themen ein: Freundschaft, Erwachsenwerden, (toxische) Männlichkeit, aber auch psychische Probleme und Trauer werden hervorragend beschrieben. Gerade die Probleme im Elternhaus der beiden werden auf subtile Weise beleuchtet ohne ins Detail zu gehen.
Einzig der abgedruckte Kommentar Benjamin von Stuckrad-Barres unter dem Klappentext verrät meiner Meinung nach zu viel und hätte anders formuliert sein müssen um nicht zu spoilern.

"Klapper" ist ein unglaublich toller, gewaltiger Roman, man darf sich nicht von den jugendlichen Protagonisten abschrecken lassen. Ein toller Debütroman, unbedingt lesen!