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Benutzername: 
Mrsroman
Wohnort: 
Bremen

Bewertungen

Insgesamt 28 Bewertungen
Bewertung vom 14.01.2024
Pilgrim / Oxen Bd.6
Jensen, Jens Henrik

Pilgrim / Oxen Bd.6


sehr gut

Vertraue niemandem....
Das neue Buch von Jens Henrik Jensen weist, wie zu erwarten war, die bekannten und bewährten Züge der Oxen Serie auf: mehrere zunächst unzusammenhängend erscheinende Vorfälle werden in einer komplexen Erzählung zusammen geführt, wobei die Spannung auf hohem Niveau gehalten wird.
Der Band „Pilgrim“ knüpft inhaltlich an den vorhergehenden Band „Noctis“ an und es empfiehlt sich in jedem Fall, diesen gelesen zu haben, da die doch sehr komplizierten Zusammenhänge des neuen Buches sich dann besser nachvollziehen lassen. In „Pilgrim“ geht es nicht nur um die Wiederaufnahme der Suche nach den untergetauchten Tätern der Kellermorde, sondern auch um Steuerhinterziehung in großem Stil, dem durch geleakte Unterlagen auf die Spur gekommen werden soll. Dass sich der Tätersuche ständig neue Hindernisse in den Weg stellen, die von Oxen und Margarete Franck und auch Sally Finnsen umschifft werden müssen, war zu erwarten, wobei jedoch erschwerend hinzukommt, dass der amerikanische Geheimdienst auf dänischem Boden ein perfides, mörderisches Spiel betreibt, so dass sich ein spannendes Katz- und Mausspiel entwickelt, in welchem die verschiedenen Interessenlagen zunächst völlig undurchsichtig erscheinen.
Die aktivere Rolle in diesem Band liegt aus meiner Sicht diesmal bei Margarete Franck, die von Mossmann- dem unruhigen, pensionierten Ex-PET-Chef, bei der Sicherung der geleakten Steuerunterlagen hinzugezogen wird. Doch die Beziehung zu ihrem alten Chef wird überschattet von Vorkommnissen, die Mossmann in einem völlig anderen Licht dastehen lassen. Ein wieder mal sehr spannender Thriller, der der sich jedoch aufgrund der Zusammenhänge mit dem Vorgänger Band nicht ganz einfach liest. Ein Muss für alle Oxenfans!

Bewertung vom 01.12.2023
Stille Falle / Leo Asker Bd.1 (eBook, ePUB)
De La Motte, Anders

Stille Falle / Leo Asker Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Das Böse im Miniaturformat !
Gleich vorab gesagt: das Buch „Stille Falle“ von Anders de la Motte, war so spannend, dass ich es mehrere Male aus der Hand legen musste, weil ich einfach nicht mehr weiterlesen konnte vor Spannung!
Dabei ist die Handlung eigentlich eher klassisch: ein junges Pärchen verschwindet, und die Suche beginnt. Also kein eher neues Krimi- Thema, jedoch aufbereitet in einer ganz ungewöhnlichen Art und Weise mit ungewöhnlichen Protagonisten! Hauptakteurin der Suche ist die Kommissarin Leonore Asker, die eigentlich als Gruppenleiterin der Abteilung für Schwerverbrechen in Malmö bereits eine gefestigte Position hat, jedoch durch das Auftauchen eines ehemaligen Kollegen, mit dem sie eine unschöne Vergangenheit verbindet, von ihrer Position verdrängt und in eine unwichtige Abteilung abgeschoben wird, in der sich die „Loser“ des Polizeiapparat wiederfinden. Das hindert sie jedoch nicht daran, die von ihr ursprünglich aufgenommenen Nachforschungen nach dem Verbleib des Pärchens weiter zu betreiben, wobei sie sich ihrer eher ungewöhnlichen Kollegen bedient, die sich teilweise als recht hilfreich herausstellen. In diesem Zusammenhang trifft sie auf verschiedene Vermisstenfälle aus der Vergangenheit, deren einziger gemeinsamer Nenner Vorkommnisse im Zusammenhang mit einer Modelleisenbahn Anlage zu sein scheinen- der Teufel steckt in diesem Fall im Detail.
Asker steht nicht nur vor der schwierigen Aufgabe, rätselhafte Vorkommnisse um die Modelleisenbahn zu klären, es beginnt auch ein raffiniertes Katz- und Maus Spiel mit dem vermeintlichen Täter sowie noch ein Wettlauf der ermittelnden Kommissare.
Die einzelnen Buchkapitel widmen sich zum Teil dem Rückblick auf die ausgesprochen ungewöhnliche und schwierige Kindheit Askers, zum andern werden auch die Perspektiven des Täters sowie anderer Akteure dargestellt, wobei die Schilderungen der Tätersicht für zusätzliche Gänsehaut sorgen.
Was die Glaubwürdigkeit der dargestellten Personen anbetrifft, haben mich die Schilderungen der Hauptakteure überzeugt, wohingegen ich die Beschreibungen der Außenseiter in ihrer Abteilung für etwas überzeichnet halte, insbesondere hat mich gestört, dass die Sekretärin der Abteilung den gleichen Namen trägt, wie in den Romanen von Adler Olsen um Kommissar Car Mork, nämlich Rose. Auch die Versetzung Leonores in die Abteilung für hoffnungslose Fälle erschien mir nicht ganz nachvollziehbar, die Ermittlungen wären auch in einem anderen Zusammenhang spannend darzustellen gewesen.
Ansonsten ein sehr vielversprechender Auftakt einer ausgesprochen spannenden Krimiserie um Leonore Asker, auf deren Fortsetzung ich mich jetzt schon freue!

Bewertung vom 29.10.2023
Das Gemälde
Brooks, Geraldine

Das Gemälde


ausgezeichnet

Ein großartiger Roman mit vielen Facetten!
Dieses Buch mit nur wenigen Sätzen zu besprechen, fällt mir ziemlich schwer, weil es sich um einen dermaßen vielschichtigen, empathischen und interessanten Roman handelt, dass man seinen Facetten in einer kurzen Besprechung nicht gerecht werden kann.
Der Roman spielt auf mehreren Zeitebenen, zum einen im Zeitraum 1850-1875 und erfasst damit die Zeit vor und während des amerikanischen Bürgerkrieges, ein weiterer Handlungsstrang spielt in den fünfziger Jahren und die 3. Erzählebene in der heutigen Zeit.
Dem roten Faden, der sich durch diese Jahre zieht, liegen das Leben des realen Rennpferdes Lexington und die von ihm gefertigten Gemälde zu Grunde.
Lexington- ein Ausnahmepferd in jeder Hinsicht- wird von klein auf von dem versklavten Jungen Jarret betreut und trainiert. Obwohl auch Jarret als schwarzer Trainer ein Ausnahmetalent ist, so wird sein Dasein doch von seinem Status als unfreier Sklave bestimmt. Die Autorin versteht es meisterhaft mit viel Empathie, die drückenden Verhältnisse von damals zum Leben zu erwecken, ohne ins Sentimentale und Klischeehafte abzugleiten und so begleitet man Jarret auf seinem schwierigen Weg bis in die Zeit nach dem Bürgerkrieg. Durch alle Höhe und Tiefen seines Trainerlebens, wobei ihm die tiefe Bindung zu Lexington hilft, diese durchzustehen, aber auch mit dem Pferd gemeinsam über sich selbst hinaus zu wachsen.
Aufgrund seiner besonderen Leistungen als Rennpferd und Zuchthengst wird Lexington einige Male porträtiert, wobei die Leser auch einiges über die Lebensumstände und Schwierigkeiten der damaligen Porträtmaler von Pferden erfahren. Eines dieser Bilder taucht unvermittelt in der Jetztzeit durch einen Zufallsfund wieder auf und zwar entdeckt von dem nigerianisch- amerikanischen Doktoranden Theo in Washington. Dieser trifft auf die Zoologin Jess, die als Geschäftsführerin eines Testlabors für Knochenkunde von Wirbeltieren an einem Museum beschäftigt ist.
Gemeinsam begibt man sich mit den Lesern auf die spannende Spurensuche des Bildes, wobei auch das vergessene Skelett des berühmten Rennpferdes, welches aus der Versenkung auftaucht, eine Rolle spielt und begleitet gleichzeitig die aufkeimende Beziehung zwischen Theo und Jess.
Die Autorin zeigt feinfühlig auf, dass Rassismus nach wie vor in Amerika eine Rolle spielt, unabhängig davon, ob man sich in akademischen Kreisen bewegt oder nicht. Die Gegenüberstellung von Jerret, dessen Leben als Sklave und dem Alltag von Theo zeigt zwar, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen seit damals verbessert haben, aber dass Voreingenommenheit und Rassismus nach wie vor latent vorhanden sind. Die Autorin hat mit diesem Roman eine sehr dichte, intelligente Geschichte mit geschickt verwobenen Handlungssträngen und Thematiken erschaffen, die sich zwar leicht lesen lässt aber sich als sehr tiefgründig darstellt. Das Buch hat mich sehr beeindruckt und es gehört mit zu den besten Romanen, die ich in den letzten Jahren gelesen habe, obwohl ich mich bisher nicht ausgesprochen für Pferde interessiert habe. Einblicke in die Pferdezucht, die Trainingsmethoden von damals waren ebenso erhellend wie die vermittelten Informationen über das Kunstgeschehen in den 50er Jahren sowie die Knochenkunde von Wirbeltieren, so dass das Buch abgesehen von der gut durchdachten Geschichte her auch viele Informationen vermittelt. Klare Leseempfehlung von mir!

Bewertung vom 26.08.2023
Schwarzvogel / Fredrika Storm Bd.1
Skybäck, Frida

Schwarzvogel / Fredrika Storm Bd.1


ausgezeichnet

Solider skandinavischer Krimi
Das für skandinavische Krimis typische, eher düstere und unheilverkündende Cover weist schon darauf hin, dass ein Gewässer hier eine entscheidende Rolle spielt.
Nachdem die Kriminalbeamtin Frederika Storm nach einem Vorfall in Stockholm sich auf eine Stelle in ihrem Geburtsort Lund hat versetzen lassen, wird sie gleich mit einem tragischen Todesfall konfrontiert, bei dem ihre Großmutter Gun Zeugin war. Ob es sich um einen Unglücksfall handelt, dass die junge Frau in das Eis des Sees Vombsjön eingebrochen und ertrunken ist oder ob mehr dahintersteckt, wird sich im Laufe des Buches herausstellen. Im Zuge der Ermittlungen in dem kleinen Ort stößt Frederika immer wieder auf Spuren, die bis in ihre Familie hineinreichen, ein Spagat zwischen Loyalität der Familie gegenüber und ihren beruflichen Verpflichtungen, wobei ihre intuitiven Ermittlungsansätze mich nicht immer ganz überzeugt haben
Zudem muss Frederika sich mit einem neuen Ermittlerteam arrangieren. Ihr wird Henry Calment zugeteilt, der auf den ersten Blick mehr an Sherlock Holmes erinnert und recht anspruchsvoll zu sein scheint, sich im Lauf des Buches jedoch als zuverlässiger, wenn auch etwas geheimnisvoller Kollege herausstellt. Sowohl er als auch Frederika haben mit persönlichen Problemen zu kämpfen, überzeugen jedoch aufgrund der authentischen Schilderung als neues, interessantes Ermittlerduo mit Potenzial für weitere Bücher.
Die Autorin hat einen flüssigen und interessanten Schreibstil, sowohl im Hinblick auf die beschriebene Natur als auch im Hinblick auf die Akteure, so dass die Handlung ohne große Längen vorangetrieben wird. Frida Skybäck schafft es zudem, den Spannungsbogen durch viele Wendungen im Geschehen bis zum Schluss konstant aufrecht zu erhalten.
Ungewöhnlich empfand ich persönlich die Vielzahl kurzer Kapitel, so dass es relativ viele „ Leerflächen“ gibt, was vielleicht nicht jedem zusagt- ich selbst mag eher eine kompakte Druckdarstellung.
Dessen ungeachtet ein spannender Anfang einer nordischen Krimiserie, den man flott lesen kann und der sich nicht in grausamen Details verliert.

Bewertung vom 13.08.2023
Bei euch ist es immer so unheimlich still
Schröder, Alena

Bei euch ist es immer so unheimlich still


ausgezeichnet

Mütter-Töchter und Erwartungen !
Das Buch von Alena Schröder mit dem wunderschönen Cover stellt eins meiner Highlights in diesem Lesejahr dar!
Ich hätte diese wunderbare Familiengeschichte der Borowskis in einem Rutsch durchlesen können, habe mich aber gezwungen langsam und in Abschnitten zu lesen, um ein längeres Leseerlebnis zu haben!
In der Geschichte, die auf 2 Zeitebenen spielt, 1989 und der Entwicklung seit 1950, handelt es sich im Kern um ein Buch, dass sich mit gesellschaftlichen und persönlichen Erwartungen auseinandersetzt- Erwartungen an den Bruder der traumatisiert aus dem Krieg heimkehrt, an die Freundin, die sich durch Heirat verändert, an die Töchter, die sich nicht den gesellschaftlichen Konventionen anpassen und auch an die Mütter, denen es an Zuneigung und Innigkeit mangelt.
Im Kern geht es um Folgendes:
Die frisch gebackene junge Mutter Silvia - enttäuscht und wütend von der abweisenden Haltung des Vater des Kindes und über die Rücksichtslosigkeit ihrer Mitbewohner -flüchtet überstürzt mit ihrer kleinen Tochter Hannah aus ihrer alternativen Berliner WG zu ihrer Mutter in das Dorf Ildingen ihrer Kindheit, dem sie eigentlich zu entfliehen gedachte. Dort trifft sie auf die im Gegensatz zu Berlin kleinbürgerliche, beklemmende Atmosphäre, und ihre abweisende Mutter; die greifbare Spannung zwischen Mutter und Tochter hat die Autorin hervorragend eingefangen. Wer in einer Kleinstadt aufgewachsen ist, wo jede Veränderung bzw. Abweichung mit Argusaugen beobachtet wird, wird an den subtilen Schilderungen der Autorin großen Gefallen finden.
Der parallel dazu geschilderte Rückblick in die 50 er Jahre befasst sich mit zunächst mit der Eheschließung von Silvias Eltern und deren familiärem Umfeld, wobei deutlich wird, wie tiefgreifend die Kriegserlebnisse die Familie geprägt haben. Einfühlsam schildet Alena Schröder die berufliche Entwicklung von Silvias Mutter, die trotz absolvierten Medizinstudiums und Doktortitels in den 60er Jahren nicht die berufliche Anerkennung und Selbstverwirklichung erfährt, die sie sich vorgestellt hat. Als den allgemeinen Erwartungen entsprechend sich endlich das erwünschte Kind einstellt, entwickelt sich dieses nicht wie von der Mutter erwartet, so dass die Frustration der Mutter, die in die Hausfrauenrolle gedrängt wird, die Kindheit Silvias überschattet.
Die gesamte Entwicklung der Mutter - Tochter Beziehung ist genau beobachtend, höchst einfühlsam geschildert und man fühlt und leidet mit den Romanfiguren, die die Vergangenheit, verschwiegene Geheimnisse und die Sprachlosigkeit überwinden müssen.
Neben diesen beiden zentralen Figuren gibt es weitere interessante Protagonisten, wie z.B. die leicht verbitterte und vom Leben enttäuschte aber unkonventionelle Tante Betti, die sich den Mund nicht verbieten lässt „Pfeif auf die Leut“ und die für Silvia in ihrer Jugend zu einem festen Halt wird.
Die Autorin hat nicht nur die Figuren des Buches authentisch wiedergegeben sondern auch den Zeitgeist und die Atmosphäre auf beiden Zeitebenen perfekt eingefangen und die Feinheiten und Schwierigkeiten des Miteinanders genau beobachtend geschildert, so dass das Lesen des Buches eine reine Freude ist!
Ein unterhaltsamer Roman mit Tiefgang- unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 22.07.2023
Perlenbach
Caspari, Anna-Maria

Perlenbach


ausgezeichnet

Ein großartiger, einfühlsamer Roman!
Dieser Roman hat gehalten, was die Leseprobe versprochen hat!
Das einfühlsam geschriebene Buch schildert die Lebenswege dreier Freunde aus unterschiedlichen sozialen Schichten, die sich 1865 in ihrer Heimat, der Nordeifel, kennenlernen. Wilhelm jüngster Sohn eines Schafzüchters, aufgewachsen unter einfachen Verhältnissen im Rahmen einer Großfamilie und Jacob, Sohn eines wohlhabenden Tuch- Produzenten, gehandicapt durch eine verwachsene Hand.
Nach dem ersten Zusammentreffen auf dem Hof von Wilhelms Eltern wird dieser in den darauffolgenden Wintern von Jacobs Eltern eingeladen, Jacob über die Wintermonate hinweg Gesellschaft zu leisten. Ergänzt wird das Duo durch Luise, einem naturverbundenen Wildfang, Tochter des ortsansässigen Arztes. Für Wilhelm, mit völlig neuen Verhältnissen konfrontiert, sind diese Wintermonate die schönste Zeit der ansonsten arbeitsreichen und kargen Jahre, der er erwartungsvoll entgegenblickt und die Freundschaft der drei vertieft sich über die Jahre hinweg und alle gehen davon aus, dass dieses Freundschaftsband niemals reißen wird.
Während die Jugend noch geprägt ist von hoffnungsvollen Erwartungen holt die Lebensrealität die drei ein und jeder muss „seinen Weg im Leben alleine suchen“. Wie belastbar Freundschaft ist und welche Einflüsse Herkunft und soziale Zwänge auf die Entwicklung eines Menschen haben, hat die Autorin äußerst einfühlsam geschildert, wobei aus meiner Sicht auch die damaligen Lebensverhältnisse äußerst realistisch wiedergegeben werden. Die kargen und bitteren Bedingungen unter denen die armen Bauern lebten, werden genauso berücksichtigt wie die einengenden Strukturen der Fabrikantenfamilie und die rigiden Einschränkungen unter denen Frauen litten, die ein Leben in Selbständigkeit anstrebten. Durch die kurzen eingeschobenen Tagebuchaufzeichnungen der Hauslehrerin wird der historische Kontext berücksichtigt, was das Buch noch interessanter macht.
Ein wunderbarer, gut geschriebener Roman mit Tiefe über Freundschaft, Hoffnungen und Träume!

Bewertung vom 03.07.2023
Schönwald
Oehmke, Philipp

Schönwald


ausgezeichnet

Bei Schönwalds ist nicht alles schön...
Diesen Familienroman zu beschreiben, fällt mir schwer, da dieser laut Klappentext „große, souveräne Roman einer deutschen Familie“ dermaßen vielschichtig sowohl komplizierte Familienkonstellationen als auch gesellschaftliche Probleme der Gegenwart und auch der Vergangenheit beschreibt, dass man aus diesem wunderbaren Buch auch gut mehrere Bücher hätte machen können. Der Autor hat mit seiner ungemein scharfen Beobachtungsgabe die Charaktere des Romans so pointiert angelegt, dass man förmlich in diese Familienkonstellation hineingezogen wird!! im Kern geht es um folgendes:
Es treffen drei erwachsene Kinder mit ihren Eltern in Berlin zusammen anlässlich der Eröffnung eines queeren Buchladens der mittleren Tochter zusammen . Die Eltern, Mitte 70, ein ehemaliger Staatsanwalt und eine Literaturwissenschaftlerin sehen diesem Anlass und dem damit verbundenen Familientreffen erwartungsvoll entgegen, zumal auch der älteste Sohn, ein Literatur Professor aus New York anreisen wird, auf den die Eltern besonders stolz sind. Doch bereits die Eröffnung des Buchladens gestaltet sich anders als gedacht, da eine Gruppe von demonstrierenden Instagrammern mit sogenannten Migrationshintergrund beanstanden, dass der Buchladen mit einem Nazierbe finanziert worden sei. Dieser plötzlichen Konfliktsituation stellt sich jeder der Beteiligten auf seine ihm eigene Art: während der Vater alles in Ruhe besprechen möchte, hält Ruth, die Mutter an ihrem lebenslangen Standpunkt fest, Konflikte auf sich beruhen zu lassen: “ erkläre niemals dein Verhalten, ignoriere Konflikte" fest.
Chris, der Literatur Professor hingegen stürzt sich in die Diskussion mit den Demonstranten und will diese verbal niederringen, geschult durch seine aktuelle Tätigkeit in New York. Die Buchladen Inhaberin Carolin selbst, bemüht um Aufklärung, bleibt hilflos, der jüngste Sohn Benni - hin und hergerissen zwischen an ihn herangetragenen Erwartungen- beschränkt sich auf die Reinigung des Ladens nach dem Farbbeutel Angriff.
Doch allein bei dieser Konfliktsituation bleibt es nicht, denn es stellt sich heraus, dass das Schweigen und die Sprachlosigkeit in der Familie Schönwald großen Raum einnimmt und sich letztlich die Frage stellt, wie gut man einander kennt- wie verhält es sich mit Erwartungshaltungen? Den eigenen und denen der Eltern, des Partners? Kann man aus seiner erziehungstechnisch angelegten Rolle ausbrechen? Wieviel Wahrheit verträgt Familie?
Der Autor beleuchtet die Probleme der einzelnen Beteiligten und die Situation, in der sie sich gefangen sehen, sehr genau, wobei er in gewanderter Sprache, teilweise höchst ironisch und äußerst unterhaltsam nicht nur Beziehungsprobleme sondern auch diverse gesellschaftspolitische Aspekte zur Sprache bringt.
An viel Stellen des Buches trifft man auf Situationen, Meinungen, Vorurteile, die die einem bekannt erscheinen - hoher Wiederkennungswert was das eigene Erleben anbelangt - ein rundum toller Roman, der ein ungeschöntes Bild deutscher und auch amerikanischer Realität abbildet! Unbedingte Leseempfehlung!!

Bewertung vom 23.05.2023
Die verlorene Tochter / Die verlorenen Töchter Bd.1
Lane, Soraya

Die verlorene Tochter / Die verlorenen Töchter Bd.1


gut

Leichte Sommerlektüre
Obwohl ich aufgrund des Covers allein, welches mir persönlich etwas zu kitschig ausfällt, das Buch nicht gekauft hätte, war ich von der Leseprobe doch zunächst positiv überrascht.
Die Autorin schildert zwei Handlungsstränge aus verschiedenen Epochen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben scheinen. Jedoch sind beide so angelegt, dass sie ein Spannungspotenzial enthalten und neugierig darauf machten, wie beide letztendlich verknüpft werden beziehungsweise zusammen hängen. Zum einen ist da die Winzerin Lily, die nach einer Neuseeland Reise zurück im heimischen London mit einem mysteriösen kleinen Kästchen, welches im Zusammenhang mit ihrer Großmutter steht, konfrontiert wird; zum anderen wird der Beginn der Karriere der kleinen Zwölfjährigen Estee beschrieben, die von ihrer ungeliebten Mutter auf Perfektion hin gedrillt wird und die im Rahmen eines Auftritts 1937 in Italien dem Jungen Felix begegnet, in den sie sich offenbar sofort verliebt, ungeachtet der strengen Beobachtung durch die Mutter.
Nach diesem durchaus interessanten und gut geschriebenen Anfang war ich auf eine sehr spannende und verwickelte Familiengeschichte gespannt.
Leider hat die Autorin aus meiner Sicht das vorhandene Potenzial nicht hinreichend genutzt; die Geschichte enthält zwar einige Wendungen, verläuft aber insgesamt relativ geradlinig, ohne große Überraschungen. Die Charaktere bleiben aus meiner Sicht zu oberflächlich dargestellt,
einige Brüche hätten dem Buch gut getan. So bleibt es insgesamt eine schöne Geschichte im sommerlichen Italien, wo schöne und erfolgreiche Menschen aufeinandertreffen und sich den Geheimnissen ihrer Vergangenheit stellen. Locker geschrieben, handelt es sich aus meiner Sicht um eine leichte, unterhaltsame Sommerlektüre.

Bewertung vom 11.04.2023
Abschied auf Italienisch / Commissario Grassi Bd.1 (eBook, ePUB)
Bonetto, Andrea

Abschied auf Italienisch / Commissario Grassi Bd.1 (eBook, ePUB)


gut

Klassischer Regionalkrimi
Aufgrund der Leseprobe, die ich sehr ansprechend fand, hatte ich entsprechend hohe Erwartungen an den Fortgang der Geschichte.
Der römische Ermittler, der sich spontan entschließt, sich nach La Spezia versetzen zu lassen, obwohl bereits klar ist, dass seine Ehefrau ihren Gartenbaubetrieb nicht aufgeben würde, trifft bei seinem Neuanfang auf die quasi Hausbesetzerin Toni, die noch in der Immobilie seines verstorbenen Vaters wohnt, die er eigentlich alleine zu beziehen gedachte. Dieses erste Zusammentreffen des Römers mit der eher lässigen und undurchsichtigen Toni, die zunächst nichts von sich Preis gibt, versprach eine interessante Hintergrundgeschichte zu der eigentlichen Krimihandlung. Leider blieben aus meiner Sicht die mit Potential angelegten Charaktere zu blass und nicht überzeugend gezeichnet. Grassi als Ermittler benimmt sich bei Dienstantritt aus nicht nachzuvollziehenden Gründen arrogant, obwohl ihm dies bereits in Rom keine Freunde eingebracht hat; dazu tritt er seiner neuen Mitarbeiterin gleich auf die Füße, insgesamt wirkt er auf mich daher eher unsympathisch, auch die flachen Witze ändern daran nichts. Im weiteren Verlauf des Buches stellt er zwar seine Ermittlerfähigkeiten unter Beweis, wobei ihm jedoch auch der Zufall in die Karten spielt. Insgesamt hat mich jedoch seine Darstellung nicht überzeugt.
Die Krimihandlung besteht aus einem Tötungsdelikt, wobei die Tätersuche in klassischer Krimimanier erfolgt und handwerklich sicherlich gut gemacht ist, das Ergebnis der Ermittlungen war für mich allerdings nicht überraschend.Der Schreibstil des Autos ist zwar flüssig und gut lesbar, mein Interesse an einem weiteren Band, konnte er jedoch leider nicht wecken.

Bewertung vom 11.03.2023
Fünf Winter
Kestrel, James

Fünf Winter


ausgezeichnet

Nach der Leseprobe war ich zunächst "nur" auf einen spannenden Krimi eingestellt. Meine Erwartungen an das Buch wurden jedoch bei weitem übertroffen. Bei “ Fünf Winter" handelt es sich nicht nur um einen Thriller, in welchem die Aufklärung eines Verbrechens im Vordergrund steht, sondern um einen vielschichtigen Roman, der neben der Spannungsebene des Thrillers auch Elemente eines Liebesromans aufweist und zudem Einblicke in das Kriegsgeschehen zwischen Japan und Amerika gibt, und damit auch historische Züge hat, die nicht unbedingt typischerweise Krimibestandteile sind. Der Autor versteht es, diese drei Ebenen so interessant miteinander zu verknüpfen, dass man das Buch kaum aus der Hand legen möchte.
Im Mittelpunkt des Geschehens steht der ehemalige Armeesoldat in McGrady, der als Polizist in Honolulu, von seinem - ihm distanziert gegenüber stehenden Vorgesetzten- mit der Aufklärung eines bestialischen Doppelmordes an einem jungen Paar beauftragt wird.
Die Suche nach dem bzw. den Tätern gestaltet sich als schwierig und gefährlich und führt McGrady bis nach Japan, wo ihn der Ausbruch des Krieges zwischen Amerika und Japan überrascht und er in Gefangenschaft gerät. Sein Ziel, den Mord aufzuklären, verliert er jedoch auch über die Kriegszeit hinweg nicht aus den Augen. Wie und ob und unter welchen Umständen er die Kriegszeit übersteht, und ob es ihm gelingt, die zwischenzeitlich erkaltete Spur des Täters wieder aufzunehmen, soll an dieser Stelle nicht verraten werden.
Der Autor versteht es, ohne weitschweifende Ausführungen, Charaktere prägnant zu schildern und die Spannung das ganze Buch hindurch, auch im Hinblick auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, die das Buch durchziehen, aufrecht zu erhalten.
Es handelt sich definitiv um einen Roman, den man auch ein zweites Mal lesen kann und der bei mir einen festen Platz in Buchregal bekommen wird. Kurzum ein Thriller mit echtem Tiefgang, der den Edgar Award 22 zu Recht erhalten hat und den ich uneingeschränkt weiter empfehlen würde, weil er sich positiv von vielen Krimis abhebt, die sich ausschließlich auf die Tätersuche und die Schilderung der Handelnden beschränken.
Ich hoffe sehr, dass Kestrel nochmal ein solcher literarischer Wurf gelingt!