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janina_el

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Insgesamt 58 Bewertungen
Bewertung vom 11.06.2025
Dunlay, Emily

Teddy


gut

Tolles Debut
In „Teddy“ von Emily Dunlay verfolgen wir das Leben von Teddy Huntley Carlyle im Sommer 1969 in Rom mit Fokus auf Anfang Juli und einigen Rückblicken auf vergangene Jahre, Monate oder Tage. Aufgewachsen in Dallas, Texas in einer sehr wohlhabenden, konservativen und einflussreichen Familie war sie froh, noch vor ihrem 35. Geburtstag David zu heiraten, einen Mann, den sie noch nicht lang kannte, aber für den sie nach der Hochzeit nach Rom zog, wo er in der amerikanischen Botschaft arbeitet. Wir lernen weitere Charaktere und Details kennen, u.a. Botschaftsmitarbeiter und den Wolf, Davids Chef und aspirierender Präsident, aber auch Menschen aus Teddys Vergangenheit, wie ihre Tante Sister oder einen ehemaligen russischen Liebhaber, Jewgeni/Eugene Larin, aber vor allem lernen wir mehr über die Ich-Erzählerin Teddy. Sie befindet sich in einer Art Verhör, über das wir am Ende erst erfahren, worum es sich tatsächlich handelt. Jedenfalls erzählt Teddy sehr ausschweifend und ausführlich mit viel Introspektive über ihr Leben vor und in Rom, was auf mich als Leserin schon fast tagebuchartig wirkte.
Was ich anfangs sehr unterhaltsam fand und mich schnell in die Geschichte reinkommen ließ, waren der wirklich ausschweifende und „stream of consciousness“-mäßige Erzählstil der Protagonistin und Erzählerin, die gerne diverse Ablenkungen und Abbiegungen nimmt, wenn sie von Ereignissen erzählt und sich in Details verliert. Oftmals wird lange und sehr genau beschrieben, was Teddy oder andere Personen trugen oder ihre vermeintlich unwichtigen Tätigkeiten, während mich als Leserin wirklich brennend interessierte, was denn bitte Anfang Juli geschah. Wirklich detailliert wurde es auch, wenn es um die Kunst und Kultur ging, vor allem in Italien, was ich aber ehrlich gesagt sehr interessant fand und half, dieses Dolce Vita Feeling der 60er Jahre irgendwie sehr gut zu vermitteln. Abgesehen davon wurde ich aber schon beinahe so ungeduldig, wie die Verhörer von Teddy. An manchen Punkten schwenkte meine Ungeduld auch in latentes Genervtsein um. Das ist auch einer der wenigen Kritikpunkte, die ich an dem Roman habe: das Stilmittel, dass so charakteristisch für die Protagonistin und den Erzählstil ist, diese Langatmigkeit und ewigen Ausschweifungen, haben mir weite Teile gut gefallen, aber waren für mich am Ende doch etwas zu viel und lang. Außerdem wurden viele Dinge, Erzählungen, Beschreibungen mehrmals wiederholt, was vielleicht gut zum Charakter der Erzählerin passt, mich aber im Endeffekt immer mehr gestört und genervt hat. Vor allem beim Mittelteil des Romans musste ich mich teilweise wirklich zwingen, weiterzulesen, weil ich hoffte, dass es sich lohnen wird und ich unbedingt das Buch zu Ende bringen wollte und auch wissen wollte, was geschah und wie es für Teddy ausgeht.
Obwohl ich Teddy stellenweise wirklich nicht mochte, was vielleicht wirklich dem zuvor genannten Genervtsein von ihrer Erzählart geschuldet ist, und ich sie manchmal zu naiv und abhängig und unselbstständig und oberflächlich empfand, wünschte ich mir trotzdem unbedingt ein glückliches Ende für sie und hoffte auf eine Art Gerechtigkeit in dieser stark patriarchal geprägten Zeit. Wirkliche Abneigung gegen sie empfand ich nie, ganz anders den Männern in dieser Geschichte gegenüber: Hal, David, der Wolf, Jewgeni/Eugene, Mauro und auch die Verhörer. Ich hatte auch nichts gegen Teddys Charakter, sondern fand eher abscheulich, in was für einer Welt und mit welchen Werten sie großgezogen wurde. In dem Sinne empfand ich ihre Entwicklung und ihren Charakter eher bewundernswert, wenn man bedenkt, mit was für Einflüssen sie aufwuchs und zu welcher Art Frau sie sich auch hätte entwickeln können. Leider war Teddys Selbstbewusstsein nicht gut genug, um das zu sehen und mit ihren Wünschen, Bedürfnissen und Taten gut zu leben und dazu zu stehen, wie sie ihr Leben lebt oder gerne leben würde. Und das ist eine Tatsache, die ich als Frau selbst in der heutigen Gesellschaft noch sehr gut nachvollziehen und mitfühlen kann und daher als besonders tragisch empfinde.
Umso überraschender fand ich das Ende des Romans und vor allem den Epilog. Woher kamen auf einmal der Sinneswandel und die komplette Lebensumstellung? Auch ihre Art zu erzählen, wirkte entspannter und sie hielt sich nicht länger mit unnötigen Details auf, sondern ließ essenzielle Details (Verbleib von David oder ihr Aufenthaltsort) sogar einfach offen. Ist Teddy überhaupt eine vertrauensvolle Erzählerin...?

Bewertung vom 11.06.2025
Serle, Rebecca

Als ich dich traf


gut

Gedankenstarter
In „Als ich dich traf“ von Rebecca Serle bekommen wir in diversen Gegenwarts- und Vergangenheitserzählungen Einblicke in das Liebesleben von Daphne. Dabei gibt es 2 Besonderheiten. Erstens bekommt sie, laut eigener Aussage vom Universum, jedes Mal, wenn sie einen love interest kennenlernt, auf irgendeine Art und Weise einen Zettel, auf dem steht, wie lange diese Liebschaft dauern wird, von einer Nacht bis hin zu mehreren Jahren. Zweitens, und das ist ein Spoiler, da wir diese Tatsache erst in der zweiten Hälfte des Buches erfahren, hat Daphne einen Herzfehler, weshalb es jeden Moment zu schlagen aufhören könnte. Beide Gründe führen dazu, dass Daphne sich nie wirklich auf ihre Beziehungen einlässt, da sie ja sowieso weiß, wann sie enden und wie viele Gefühle und Energie sie entsprechen investieren sollte und da ihr Leben und die Zukunft durch ihren Herzfehler ja irgendwie auch begrenzt und nicht langfristig planbar erscheinen.
Ich fand die Prämisse und das Gedankenspiel spannend und habe mit viel Interesse die verschiedenen Beziehungen Daphnes in der Gegenwart und Rückschau verfolgt, allerdings empfand ich die tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Konzept und was das innerlich mit Daphne macht, manchmal ein bisschen zu flach. Ich stelle mir vor, dass beide besonderen Tatsachen in Daphnes Leben noch viel mehr Gedanken und philosophische Fragen in ihr hervorrufen, mit denen ich mich als Leserin gerne mit ihr auseinandergesetzt hätte.
Das Ende des Buches habe ich so nicht erwartet, was mir sehr gefiel. Allerdings war der Weg da hin und vor allem die entscheidenden letzten Kapitel echt sehr knapp gehalten und ich hatte ein etwas unbefriedigtes Gefühl nach der schnellen Resolution der Geschichte.
Gleichzeitig hat das Buch mich trotzdem nachhaltig beschäftigt, da ich merke, dass ich mir immer noch Gedanken um das Konzept und die möglichen Auswirkungen mache – das Gedankenspiel also auch außerhalb des Buches noch weiterspiele. Genau solche Wirkungen wünsche ich mir von Büchern, weshalb ich sehr froh bin, dieses hier gelesen zu haben. Es war trotz der teilweise schweren Themen ein kurzweiliges und unterhaltsames Leseerlebnis.

Bewertung vom 19.05.2025
Dorne, Juli

Play of Hearts / The Hearts Duet Bd.1


sehr gut

Düster und magisch
Im Buch „Play of Hearts” von Juli Dorne geht es um die junge Evie, die mit einem Fluch zu kämpfen hat: Ihre Berührung ist tödlich, seit sie in einem unbekannten Jungen im Spiegelkabinett von ihrer Oma ihr Herz versprach. Nachdem sie jahrelang damit gelebt hat, verliebt sie sich aber in Arthur, obwohl ihre Liebe unmöglich scheint. Als sie sich näherkommen, zahlt Arthur einen hohen Preis. Nur Rémi kann helfen, es wirkt aber von Anfang an so, als hätte dieser seine ganz eigenen Geheimnisse. Soweit ganz grob zum Inhaltlichen, alles weitere wäre ja schon ein Spoiler :)
Dieses erste Buch der neuen Romantasy Reihe war mein erstes von Juli Dorne, aber ich war sehr angetan von ihrem Schreibstil und kam sehr schnell in die Geschichte und diese Fantasywelt rein. Außerdem habe ich schnell eine emotionale Bindung zu Evie hergestellt, die sehr sympathisch wirkt, wenn auch durch viele Selbstzweifel und permanentes Hadern geplagt. Dass sie diese Art von Gedanken und Selbstreflexion im Laufe des Buches und der persönlichen Weiterentwicklung ihres Charakters nicht wirklich ablegen oder abmindern kann, hat manchmal ein bisschen irritiert und mich teilweise ein etwas verloren. Allerdings ist dies ja auch erst der Auftakt einer Reihe und da bleibt viel Platz für Weiterentwicklung dieser tollen jungen Frau :)
Stilistisch bewegt sich der Roman für mein Gefühl sehr gekonnt zwischen darker Romantasy und natürlich purer, gut geschriebener Fantasy.
Insgesamt kann ich das Buch guten Gewissens echten Romantasyfans weiterempfehlen. Vor allem über deutschsprachige und junge, weibliche Stimmen in dem Genre freue ich mich immer sehr.
Zuletzt noch ein paar Worte zur Gestaltung des Buches: Das Cover sieht nur nicht farblich toll von vorne und von der Seite aus, es fühlt sich auch von der Textur her sehr gut an. Natürlich darf auch das tolle Gimmick dieser Auflage nicht unerwähnt bleiben: Das schöne Lesezeichen, das Blumensamen eingewoben hat und einfach eingepflanzt werden kann. Was für eine tolle Beilage, vor allem für ein Buch, das im Frühling erscheint.

Bewertung vom 25.04.2025
Hall, Clare Leslie

Wie Risse in der Erde


ausgezeichnet

Fesselnde Tragödie
Im Buch "Wie Risse in der Erde" von Clare Leslie Hall verfolgen wir die tragische Geschichte und die Beziehungen zwischen Beth, Gabriel, Frank und ihren Familien. Dabei überspannt das Erzählte einen Zeitraum von fast 15 Jahren (spielt hauptsächlich in den Jahren 1955 und 1968) und beinhaltet eine leidenschaftliche Dreiecksbeziehung, Liebe, Trennungen, einige Tragödien und gipfelt schließlich in einem spannenden Todesfall mit Mordprozess. Wir springen immer wieder in den Zeitebenen und wissen von Anfang an vom Mordprozess, aber erfahren erst gegen Ende, wer in diesem Todesfall gestorben ist, was der Verwurf und Tathergang sind und vor allem, wer unter Anklage steht, was das Buch wirklich bis zum Ende sehr spannend macht und nicht nur mit einem, sondern mit 2 großen und eher unerwarteten Plottwists aufgelöst wird.
Wie bereits erwähnt, empfand ich das Buch als sehr spannend und ich war von Anfang bis Ende sehr gefesselt. Nicht zuletzt, weil ich wirklich mit allen Hauptcharakteren mitgefühlt und quasi für alle gerootet habe. Das hat mich natürlich sehr mitfiebern lassen, für wen es am Ende ein Happy End oder eine Tragödie gibt, sowohl in Liebesdingen, als auch vor Gericht. Ich möchte gar nichts spoilern, weil mich die Plottwists wirklich kalt erwischt haben (zumindest einer davon, den anderen habe ich so schon vorgeahnt/befürchtet), aber so viel kann ich sagen: Ich habe auf jeden Fall ein paar Tränen verdrückt, was schon alles darüber aussagt, wie sehr ich in der Story drin war.
Einziger Kritikpunkt ist vielleicht, dass der doch modern wirkende Schreibstil einen immer wieder vergessen lässt, dass die Geschichte eigentlich in den 50er und 60er Jahren spielt, was vielleicht für ein paar Handlungsstränge wichtig und sinngebend ist, aber ansonsten auch kein großer Störfaktor ist. Deshalb auch nur ein winziger Kritikpunkt :)
Alles in Allem empfehle ich das Buch auf jeden Fall weiter und habe es auch schon an Freundinnen weiterverliehen, die solche Geschichte immer zu schätzen wissen und nicht unbedingt immer ein hundertprozentiges Happy End brauchen. Ähnlich wie beim „Gesang der Flusskrebse“ mit dem dieses Werk meines Erachtens guten Grundes oft verglichen wird, werde ich Leseerfahrung nicht so schnell vergessen und noch eine Weile darauf herumzukauen haben. Und das meine ich als absolutes Kompliment.

Bewertung vom 27.03.2025
Silver, Elsie

Wild Love / Rose Hill Bd.1


sehr gut

Smarter Humor und erfrischende Dynamiken
„Wild Love“ war tatsächlich mein erster Roman von Elsie Silver, aber keine Sorge, noch während ich es las, habe ich mir die vorherigen Bücher aus dem Elsie-Silver-Universum von einer Freundin ausgeliehen, die diese bereits gelesen hatte. Denn, noch während ich „Wild Love“ regelrecht verschlang, hatte ich schon Lust auf mehr und war natürlich heilfroh, dass es schon so viele Bücher aus der Chestnut-Springs Reihe gibt.
Zurück zum eigentlichen Thema: In Wild Love kehren sowohl der „heißeste Milliardär der Welt“ Ford Grant Junior als auch die Schwester seines besten Freundes Rosie Belmont zurück in die Heimat ihrer Jugend Rose Hill und beide befinden sich in einer Phase des Umbruchs und der Neufindung. Sie begegnen sich dort nicht nur einander wieder, sondern auch einigen kleineren bis größeren Überraschungen, wie z.B. der biologischen, 12-jährigen Tochter von Ford, Cora, die aus einer Samenspende stammt und gerade ihren Vater verloren hat. Wir begleiten die Protagonisten und Nebencharaktere (potenzielle Hauptcharaktere in künftigen Romanen des Elsie-Silver-Universums…? 😉) bei diversen persönlichen, inneren Kämpfen sowie bei den Beziehungen und Dynamiken untereinander und die sie zueinander aufbauen.
Die Handlung bewegt sich eher langsam und vielmehr liegt der Fokus auf den Figuren, ihren inneren Gedanken, Zweifeln und Kämpfen. Dabei betreiben die Figuren viel emotionale Aufarbeitung in den eigenen Gedanken oder in Gesprächen, Streits, Konflikten miteinander. Obwohl viele Selbstzweifel, Konflikte oder andere eher dunkle Themen oftmals eine Rolle spielen, schafft es die Autorin, eine unterhaltsame, aufmunternde und wirklich Trost spendende Geschichte aufs Blatt zu zaubern. Dies vor allem durch die tolle und erfrischende Dynamik zwischen den Figuren, und zwar zwischen allen Figuren und nicht nur zwischen den Love Interests Rosie und Ford, sondern auch zwischen Eltern und Kindern, zwischen Geschwistern und Freunden. Großartiger, trockener bis darker Humor und schnelle Schlagabtausche ziehen sich durch smarte, unterhaltsame Dialoge und Bemerkungen.
Zusätzlich empfand ich die Charakterzeichnungen als richtig erfrischend. Der heiße Milliardär ist ein eher nerdiger, socially awkward Misfit mit wirklich phänomenalem Musikgeschmack und die weibliche Hauptperson lässt aus sich keine Damsel in distress machen, sondern beweist sich als stark und impulsiv, wenn auch nicht immer rational und vernünftig – nachvollziehbar eben. Beide passen nicht 100-prozentig in die klassischen Tropen und Romance-Charaktere, aber sie passen in die Geschichte und, viel wichtiger, zueinander. Sie ergänzen sich, sie fordern und lieben sich. Für mich ergibt die Liebesgeschichte und die Beziehung irgendwie Sinn, auch wenn ich mir bei vielen Aktionen und Reaktionen beider oftmals dacht: „WTF? Warum?“ :D
Hier nun ein „Kritikpunkt“ und der richtet sich nicht an das Buch selbst, sondern eher an die Übersetzung. Die Übersetzung, vor allem des Erzählers, wirkt für mich etwas steif, hochgestochen und altbacken. Die direkten Reden sind zwar locker, cool und tragen den tollen Humor auch ins Deutsche, aber selbst diese wörtlichen Reden beinhalten Wörter und Idiome, die heutzutage niemand benutzen würde, der in Rosies, Fords oder vor allem Coras Alter ist. Da das aber wahrscheinlich einfach Geschmackssache ist, würde ich das dem Buch nicht als Negativpunkt ankreiden und freue mich schon darauf, die nächste Bücher von Elsie Silver auf Englisch zu lesen, schon alleine, um einen Vergleich zu haben, wie ihr Humor und Schreibstil in Originalsprache klingt.
Gegen Ende des Buches fiel die Handlung etwas ab und ich empfand sie gleichzeitig als gehudelt und zäh. Nachdem Rosie und Ford zueinander gefunden haben, hat sich die Autorin gefühlt ein paar leicht und schnell überwindbare Hürden für die junge Liebe aus den Fingern gezogen und das Ende wurde gleichzeitig ohne große Bewandtnis rausgezögert und trotzdem abrupt beendet. Im Vergleich zu den langen, tiefgründigen Gedanken und daraus resultierenden Handlungen des bisherigen Buches, wirkten die letzten ca. 100 Seiten wie eine Fast-Forward-Montage und Abspann.
Trotzdem ist das Buch eine absolute, solide Empfehlung für alle Liebhaber*innen des Genres. Ich hab das Lesen genossen, das Buch förmlich verschlungen und die Tatsache, dass ich direkt die nächsten Bücher der Autorin auf dem Lesestapel habe, sagt ja schon alles :)

Bewertung vom 16.03.2025
Brodesser-Akner, Taffy

Die Fletchers von Long Island


ausgezeichnet

Unterhaltsam und gedankenanregend
Ich bin wirklich begeistert und habe Lust auf mehr von Taffy Brodesser-Akner! Ihr gelingt mit "Die Fletchers von Long Island" ein eindringlicher und vielschichtiger Blick auf das Leben einer Familie, die in der wohlhabenden Vorstadt von New York lebt. Die Geschichte dreht sich um die Fletchers, eine Familie, die auf den ersten Blick das perfekte Leben führt, doch hinter der Fassade brodeln Konflikte und Geheimnisse.
Die Charaktere sind mit einer bemerkenswerten Tiefe und Komplexität gezeichnet und mir gefiel, dass jeder von ihnen seine eigenen Träume, Ängste und Enttäuschungen hat, die im Laufe der Handlung ans Licht kommen. Besonders beeindruckend ist die Art und Weise, wie die Autorin die Dynamik innerhalb der Familie und die gesellschaftlichen Erwartungen thematisiert. Sie schafft es, die Herausforderungen des modernen Lebens, die Suche nach Identität und die oft schmerzhaften Realitäten des Erwachsenwerdens auf eine sehr einfühlsame Weise darzustellen.
Den Schreibstil empfand ich als lebendig und fesselnd, mit einem feinen Gespür für Humor und Ironie, vor allem, wenn man einmal die ersten, etwas zähen Kapitel hinter sich hat. Brodesser-Akner gelingt es ab dann immer mehr, ernste Themen mit einer Leichtigkeit zu verbinden, die mir half, über die tiefere Bedeutung der Ereignisse nachzudenken. Die Dialoge sind auch in der deutschen Übersetzung authentisch (was ich nicht oft so gelungen erlebe bei übersetzten Büchern) und tragen zur Entwicklung der Charaktere bei, während die Beschreibungen der Umgebung und der sozialen Interaktionen ein klares Bild der Welt der Fletchers zeichnen, die mir andernfalls sehr fremd und entfernt erscheinen würde.
Insgesamt ist "Die Fletchers von Long Island" ein packender Roman, der sowohl unterhält als auch zum Nachdenken anregt. Brodesser-Akner gelingt es, die Komplexität menschlicher Beziehungen und die Herausforderungen des Lebens in einer wohlhabenden Gesellschaft eindrucksvoll zu erfassen. Eine absolute Empfehlung von mir für Leser, die an tiefgründigen Familiengeschichten interessiert sind.

Bewertung vom 27.02.2025
Lovrenski, Oliver

bruder, wenn wir nicht family sind, wer dann


sehr gut

Roh,rau, real
Den Roman "Bruder, wenn wir nicht Family sind, wer dann" von Oliver Lovrenski habe ich so rasant durchgelesen, nicht nur, weil der Schreibstil schon fast Poesieanleihen hatte und dadurch die Kapitel sehr knapp, aber prägnant geschrieben sind, fast schon wie kurze Gedichte. Ich wollte einfach auch immer wissen, wie es weitergeht, ob sich die nächste Momentaufnahme in eine positivere oder noch negativere Richtung bewegt als die vorherige. Man hofft ersteres, aber erwartet ehrlich gesagt letzteres, was wahrscheinlich auf die Mehrheit der Gesellschaft im realen Leben zutrifft, wenn es um Charaktere wie Ivor und seine Freunde in Oslo geht und was so gleichzeitig sehr gut die Ausgangssituation des Buches zusammenfasst.
Immer scheint die Hoffnung durch, wobei es mehr ein Träumen als Hoffnung ist, weil das Erreichen dieser Ziele viel unwahrscheinlicher und weniger greifbar erscheint als eine reale Chance auf Verbesserung der Umstände und Lebensrealitäten. Als würden sich die Charaktere gar nicht erst erlauben, richtig zu hoffen und eine Veränderung anzustreben, weil es so unwahrscheinlich ist. Unerfüllte imaginäre Träume sind wahrscheinlich weniger enttäuschend und niederschmetternd als unerfüllte reale Ambitionen.
Es ist kein Buch, das ich jedem empfehlen würde oder selbst mehrmals lesen würde, weil der Schreibstil schon sehr von meinen Gewohnheiten und Vorlieben abweicht und dadurch auf Dauer etwas anstrengend wird. Dennoch bin ich sehr froh über die Erfahrung und den Reality Check des Gelesenen.

Bewertung vom 25.02.2025
Ferguson, Lana

The Fake Mate - Die Liebe ist eine Bestie für sich


sehr gut

Erfüllt alles, was es verspricht
In dem Liebesroman „The Fake Mate“ von Lana Fergusen verfolgen wir das Kennen- und, mit ein paar Hürden versehen, Liebenlernen der Assistenzärztin Mackenzie und des im selben Krankenhaus praktizierenden Kardiologen Noah. Sie sind beide Werwölfe und leben in einer fiktiven Version unserer Welt, in der Werwölfe bekanntermaßen unter Normalsterblichen in aller Friedlichkeit leben und lieben. Alles beginnt damit, dass die beiden fake daten, wovon beide aus unterschiedlichen Gründen profitieren und sich langsam aber sicher körperliche und emotionale Zuneigung zueinander entwickeln.
Mir hat gut gefallen, dass in dem Roman die Existenz von Werwölfen unter uns einfach als Prämisse etabliert war und dadurch keine hanebüchenen Erklärungen oder Verschleierungen gesponnen wurden und man sich einfach auf das konzentrieren konnte, was es war: eine sehr süße Romance Story, mit der man gut unterhalten dem Alltag entkommen kann, die lockere Schreibweise und den smarten Humor genießen kann, ohne alle Plotpunkte allzu ernst oder kritisch zu sehen. Genau das hatte ich mir von diesem Buch erhofft und es wurde die ganze Checkliste erfüllt, weshalb ich solche Geschichten immer wieder gerne lese, ohne zu viele Erwartungen zu haben, was Innovativität oder erschreckende/überraschende Wendungen oder Endungen angeht. Zu dieser Checkliste gehören liebenswürdige und smarte Charaktere, romantische bis spicy Begegnungen und die Entwicklung von zwischenmenschlichen (in diesem Fall zwischenwolfischen) Beziehungen, denen man gerne und mit gemäßigter Spannung folgt. Und am Ende geht natürlich alles gut aus, man legt das Buch genügsam und befriedet weg, ohne dass einem das Gelesene noch lange nachlastet und das tut manchmal einfach gut. Alle Erwartungen erfüllt und befriedigt :)
Die einzigen Kritikpunkte, die ich anzubringen hätte, wäre das (mir zumindest fehlende) Wissen über Werwölfe und die Terminologie und die Lore rund um das Thema, das stellenweise vorausgesetzt wurde. Einiges wurde im Laufe der Geschichte zum Teil erklärt und man konnte sich das irgendwie zusammenreimen, aber beispielsweise die Rangordnung von Alpha bis Omega und alle darin enthaltenen „Richtlinien“ und Implikationen oder was es mit diesem oft erwähnten und ominösen „Knoten“ auf sich hat, war mir nicht immer ganz klar. Es gibt noch ein paar weitere Beispiele, aber all das hat, um ehrlich zu sein, dem Verständnis der Geschichte keinen Abbruch getan und ist deshalb auch nur ein kleiner Kritikpunkt. Ein zweiter Kritikpunkt ist auch eher nur eine persönliche Präferenz, da ich solche Bücher in englischer Sprache immer lieber lese, weil ich die deutsche Sprache bei romantischen und/oder expliziten Inhalten oftmals zu hölzern, unauthentisch oder hochgestochen, teilweise sogar unangenehm finde. Häufig leidet auch der Humor unter der Übersetzung ins Deutsche, wobei ich finde, dass die Übersetzung hier wirklich sehr gut gelungen ist, wodurch dieser Kritikpunkt schon fast wieder positiv ist.

Bewertung vom 04.02.2025
Fabbri, Camila

Dancing Queen


gut

In „Dancing Queen“ von Camila Fabbri lernen wir die junge Frau Paulina kennen, die zu Beginn des Romans nach einem Autounfall verletzt und desorientiert aufwacht. In den folgenden Kapiteln erleben wir ihr Leben, ihren Alltag und alle Hochs und Tiefs in Ausschnitten und verschiedenen Situationen und Begegnungen. Insgesamt sind alle ihre Erlebnisse und Stimmungen sehr schwankend und sie wirkt sehr lost und gleichzeitig schon fast resigniert gegenüber ihrem Leben und in welche Richtung es sich entwickelt hat.
Obwohl man viele verschiedene Situationen ihres Lebens erkundet, ist der Schreibstil doch eher figuren- anstatt handlungsfokussiert, da nicht wirklich viel geschieht, aber dieses Alltägliche und die Stagnation schon sehr viel über die Figuren und vor allem Paulina aussagen. Einerseits gibt dieser detailreiche und gute Schreibstil sehr tiefe Einblicke und ich fühlte oft sehr mit der Protagonistin und verstand sie sehr gut, ohne wirklich erklären zu können, wieso sie mich so ansprach – vielleicht einfach ein grundlegendes Verständnis und eine Gefühlsverbundenheit einer Frau derselben Generation. Andererseits fehlt mir dann doch etwas mehr Handlung und Entwicklung in diesem mit 170 Seiten eher kurzweiligen Buch.
Das Lesen fällt durch die moderne Sprache und kurzen, prägnanten Sätze sehr leicht und fühlt sich relativ natürlich, wobei das relativ wohl etwas mit der Übersetzung aus der Originalsprache zu tun hat, was ja meist etwas Steifheit mit sich bringt oder sich nicht 100% natürlich anfühlt. Jedenfalls hat die Geschichte (auch durch ihren Schreibstil) an einigen Stellen viel mit mir gemacht und sie wird mich auch nicht so schnell loslassen oder aus dem Sinn verschwinden, deshalb würde ich das Buch auf jeden Fall weiterempfehlen, vor allem wenn man einen gesellschaftlichen Denkanstoß, das Eintauchen in die Gefühle und Gedanken einer jungen Frau/Gleichgesinnten oder einfach einen interessanten und modernen Schreibstil zu schätzen weiß.
Zuletzt noch zum Cover, das ich sehr schön und geschmackvoll finde und das zuallererst mein Interesse an dem Buch geweckt hat: Es ist auch „in echt“ ein sehr ansehnliches und hochwertiges Buch, das ich mir gerne ins Bücherregal stelle!

Bewertung vom 30.12.2024
Bregman, Rutger

Moralische Ambition


ausgezeichnet

Unbehaglich und gleichzeitig so interessant und inspirierend
Rutger Bregman hat mit "Moralische Ambition" ein tolles Werk geschaffen, das den Leser dazu anregt, sehr viel und tiefgehend über die ethischen Herausforderungen unserer Zeit nachzudenken. Ich kannte Bregman bereits durch diverse Videos und Interviews und bin großer Fan seiner provokanten Thesen und seiner Fähigkeit, komplexe Themen verständlich zu machen und gekonnt in Diskussionen einzubinden. Er beleuchtet in diesem Buch die moralischen Dilemmata, mit denen wir in einer zunehmend komplexen Welt konfrontiert sind und schafft es dabei, eine Brücke zwischen Theorie und Praxis zu schlagen, indem er sowohl historische als auch zeitgenössische Beispiele heranzieht, um seine Argumente zu untermauern. Seine Schreibweise ist (wie auch schon in seinen Videos) klar und trotzdem raffiniert, was das Lesen zu einem wahren Vergnügen macht und dabei viel Verständnis schafft. Besonders beeindruckend finde ich an Bregmans Art zu denken und zu schreiben, dass er schwierige Fragen aufwirft, ohne dabei den Leser zu verurteilen oder in eine bestimmte Richtung zu drängen. Stattdessen ermutigt er uns, selbst zu reflektieren und unsere eigenen moralischen Überzeugungen zu hinterfragen.
Ein weiterer Pluspunkt des Buches ist die positive Grundhaltung, die Bregman vermittelt. Er zeigt auf, dass moralische Ambition nicht nur notwendig, sondern auch erreichbar ist. Dies gibt dem Leser Hoffnung und inspiriert dazu, aktiv an einer besseren Welt mitzuarbeiten, auch wenn er selbst im Prolog sagt: „Es ist ein Buch, das Ihnen keinen Trost spendet, sondern Unbehagen bereitet“. Beides kann gleichzeitig wahr sein, so wie das Buch beweist.
Insgesamt ist "Moralische Ambition" ein wichtiges und anregendes Buch, das nicht nur für Philosophie-Interessierte von großem Wert ist. Es regt zum Nachdenken an und bietet wertvolle Einsichten, die in der heutigen Zeit besonders relevant sind. Ich hoffe, dieses Werk erreicht ganz viele Menschen und hilft damit, die Welt ein bisschen besser zu machen, gerade in Zeiten wie diesen.