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Jonas R
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Göttingen

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Insgesamt 56 Bewertungen
Bewertung vom 08.11.2024
Vejchar, Alfred; Urbanek, Hermann; Lukschandl, Eduard; Straßl, Hubert; Melhardt, Axel; Habeck, Reinhard; Franke, Herbert W.; Schneider, Gerhard; Zimmermann-Lasser, Verena; Schaffer, Bernhard; Eisfeld, Rainer; Braeg, Dieter; Langsteiner, Hans; Christ, Robert; Gaisbauer, Gustav; Rottensteiner, Franz; Ritter, Hermann; Soukup, Peter

VON ANDROMEDA BIS UTOPIA (eBook, ePUB)


sehr gut

Bunter Strauß persönlicher Erinnerungen aus der Geschichte des SF-Fandoms in Österreich

Das Buch ist eine Fundgrube an Geschichten aus dem deutschsprachigen (vor allem österreichischen) Science-Fiction-Fandom. Die meisten Texte stammen vom Herausgeber Alfred Vejchar, der seit den späten 1950ern im österreichischen Fandom aktiv ist. Gut ein Dutzend weiterer Autoren (und eine Autorin) tragen ebenfalls bei (teilweise als Wiederabdruck älterer Texte). So bekommen wir eine Reihe jeweils sehr persönlicher Perspektiven. Schade fand ich bei der Lektüre, dass diese Perspektiven insgesamt recht ähnlich sind. Lediglich in der Einschätzung der zeitweiligen Treffen des SFC Capella (S. 138ff. und S. 233) kann man Diskrepanzen finden, die aber wiederum sehr harmoniebetont auf persönliche Interessen reduziert scheinen. Ich hätte mir gewünscht, dass beispielsweise zu den mehrfach angeschnittenen Spannungen mit den "68ern" (AST, SerCon) nicht nur Vejchars Erinnerungen, sondern auch Positionen der Gegenseite einbezogen werden.

Insgesamt ist es eine extrem männliche, weiße Sicht auf dieses Fandom. Frauen werden in erster Linie als Mütter oder Partnerinnen männlicher Akteure erwähnt, obwohl zwischen den Zeilen herauszulesen ist, welche gewaltige Rolle sie in der Geschichte des Fandoms spielten und spielen - wenn auch teilweise mit anderen Aktivitäten als männliche Fans. Da wäre meines Erachtens mehr drin gewesen - zumindest eine deutlichere Reflektion der Verhältnisse, die der Band darstellt.

Auch etwas mehr Lektorat hätte ich mir gewünscht. In etlichen Beiträgen gibt es chronologische Sprünge und stilistische Schwächen. Expliziten Bezügen auf andere Beiträge im Buch fehlen die Seitenzahlen. Schade, aber verständlich ist, dass das Buch kein Register hat. Einen solchen Index zu erstellen ist ein hoher Aufwand. Trotzdem bedauere ich, dass verschiedene Erinnerungen an bestimmte Personen über das Buch verstreut und nicht leicht auffindbar sind. "Von Andromeda bis Utopia" ist also eher zum Schmökern, aber nicht zum Nachschlagen geeignet.

Bewertung vom 08.11.2024
Iden, Kaj;Is, June;Gerlach, Gerit Virginia Ariel

Queer*Welten 09-2022


sehr gut

Die neunte Ausgabe der Queer*Welten enthält fünf Kurzgeschichten, einen Essay, zwölf Mikrofiktionen (je neun Sätze lang) und eine handvoll Ausstellungshinweise und Rezensionen. Mein persönlicher Eindruck ist, dass es bereits stärkere Ausgaben gab. Manche Kurzgeschichten fand ich nett, aber nicht besonders stark, manche der 12 Mikrofiktionen zu "Queer Merfolk" gaben mir nichts. Aber natürlich: Die Mischung macht's, und was mich kalt lässt, dürfte andere berühren. Anregend, wenn auch schwer zugänglich, fand ich Gerit Virginia Ariel Gerlachs Geschichte "Vom Kinderkriegen", reizvoll auch Helen Fausts "Schwache Anziehung", in der sie eine egoistische, korrupte Perspektive und Stimme erzählen lässt und darüber interessante Einblicke in ihr Setting aus der nahen Zukunft vermittelt.
Das Layout ist klar und übersichtlich, das Lektorat überwiegend gut. (In ein oder zwei Geschichten werden Eigennamen nicht einheitlich geschrieben, was mich leicht gestört hat: Ellis/Elis (jeweils häufiger), Zsarh/Zsahr(nur einmal?). Die Worttrennung ist in Einzelfällen unschön.)

Für einen kleinen Preis bietet die Queer*Welten auch mit ihrer neunten Ausgabe wieder einen bunten Einblick in die queerfeministische Phantastik in deutscher Sprache.

Bewertung vom 08.11.2024
Ruttenberg, Danya

On Repentance and Repair


ausgezeichnet

We've all done harm. This book is about how to react - how to acknowledge and own the harm we cause, how to change for the better, how to make amends, apologize, and in the future in similar situations make different choices so we don't repeat the harm. Ruttenberg bases her work on the medieval philosopher and theologian Maimonides, specifically the Laws of Repentance he formulated in his Mishneh Torah.

She doesn't always agree with Maimonides, but she convincingly argues that the five steps he put forth are still a useful framework for repentance today, and not just in the context of Jewish communities and Rabbinic religious law that Maimonides had in mind. The experience of (having caused) harm and the need to repair and improve the state of our world is universal, and both the features of repentance and its effect are not tied to any particular culture or religion. Although the five steps of repentance are about what the perpetrator must do, the approach centers the victim's needs. The process aims not at returning to the status quo, stressing instead that repentance work must transform the harmdoer so that they won't repeat the harm.

Ruttenberg uses clear, calm language, with a few conversational sentences thrown in. Her writing is full of empathy - never mean, condescending, or judgmental from a self-proclaimed moral high ground. The book is well-structured and full of real-life examples used to great effect. Ruttenberg explores what useful repentance work might be (and what isn't) in various settings: interpersonal harm that concerns only few persons, harm that spreads into the public sphere, harm caused by institutions and even by nations.

I found the book illuminating and helpful. It encourages us to engage in the hard, but rewarding work of repentance and become a better version of ourselves.

Bewertung vom 08.11.2024
Owens, Delia

Der Gesang der Flusskrebse


gut

Owens' Debut hat viel Poesie, auch Romantik, aber ich fand verschiedentlich, dass Effekthascherei in den Vordergrund rückt. Kya, die Hauptfigur, ist größtenteils stimmig, aber in der Szene, in der sie sich die Besitzurkunde für ihr Grundstück holt, passte nicht zu ihren sonstigen Verhaltensmustern. Den Wunsch der Autorin, die Geschichte von Kyas Eltern unterzubringen, kann ich nachvollziehen, aber erzählerisch fiel es aus der Reihe - die einzigen Abschnitte im Buch, die von einer personalen Erzählperspektive ins Auktoriale wechseln. Andere Aspekte - die zeitlichen Sprünge zwischen dem mutmaßlichen Mord und der Vorgeschichte - fand ich gut gehandhabt. Das Ende hat mich nicht sonderlich berührt.

Bewertung vom 08.11.2024
Beagle, Peter S.

Das letzte Einhorn


gut

Ein moderner Klassiker des Fantasy-Genres, okay, aber so bemüht um poetische Sprache, dass ich es nicht mehr anmutig finde. Statt leichtfüßig-lyrischem Klang donnern und dröhnen die Stilmittel. Wenn man sich damit ab- oder gar Gefallen daran findet, bekommt man eine fantasievolle Geschichte, die durchaus selbstironisch einige literarische Standards inszeniert. Es dauert ein Weilchen, bis die Handlung Fahrt aufnimmt, und mir persönlich ist der Charakter Schmendrick zu empathielos, als dass ich so recht warm mit ihm werde. Bei ihm und Molly Grue zeigen sich aber auch starke Genderklischees, die dankenswerterweise in mancher Hinsicht gebrochen werden.

Beagle entwirft auch Nebencharaktere plastisch und unterhaltsam, mein Favorit ist wohl Räuberhauptmann Cully. Und die Idee, dass die Einhörner in die Brandung des Meeres gebannt sind, finde ich große Klasse.

Bewertung vom 08.11.2024
Diehl, Katja

Raus aus der AUTOkratie - rein in die Mobilität von morgen!


gut

Wichtiges Thema, leider fehlt Lektorat.

Die Mobilitätswende finde ich nicht nur wegen ihres massiven Einflusses auf unser Klima wichtig, sondern auch, weil soviel Lebensqualität darin steckt. Katja Diehl berichtet in "Autokratie" von dutzenden Gesprächen mit Fachleuten und Macher:innen, die oft mit ausgiebigen Zitaten zu Wort kommen. Ein Großteil des Buches geht auf den frustrierenden Zustand der Fixierung unserer Verkehrswelt auf das Auto ein, ein geringerer Teil stellt Personen ins Spotlight, die sich für die Diversifizierung und nachhaltige Umgestaltung unserer Mobilitität einsetzen.

Ich bin für die Mobilitätswende und fand das Buch interessant. Gleichzeitig fand ich es unbefriedigend. Das Buch verwendet viel Platz auf das Ausbreiten der Misere und die Schilderung von angestautem Frust. Aber vor allem störte mich, dass dem Buch ein gründliches Lektorat fehlt, um den Textfluss zu verbessern. Oft geht zwischen Absätzen der rote Faden verloren. Gedankensprünge haben meine Lektüre gehemmt. Mehrmals hatte ich das Gefühl, dass Text umgestellt wurde, ohne dass anschließend an der Kohärenz gearbeitet wurde. Die Kapitel waren unterschiedlich lang und die längeren wirkten auf mich zu wenig strukturiert. Die Unmutsäußerungen über Politiker:innen, die primär auf Machterhalt bedacht sind und die Gestaltung einer für die Gesamtgesellschaft lebenswerten Zukunft vernachlässigen, wiederholten sich zu oft. Manche Infos kamen an unerwarteter Stelle im Text. Das hat meine Lesefreude geschmälert.

Bewertung vom 08.11.2024
Lüders, Carolin;Mira, Aiki;Geiger, Linda-Julie

Queer*Welten 08-2022


sehr gut

Am besten gefielen mir in dieser Ausgabe "Der Zustand der Welt" von Aiki Mira und "Sonnenaufgang, Sonnenaufgang, Sonnenaufgang" von Lauren Ring. Rings Kurzgeschichte fand ich erzählerisch besonders souverän: Minimalistisches Konzept, aus dem dann gekonnt richtig viel rausgeholt wird. Miras "Zustand der Welt" ist sehr eindringlich, wirkte für meinen Geschmack aber zu gedrängt, beinahe gehetzt. Die Charaktere bleiben flach, der Fokus liegt vor allem auf einem Wendepunkt des Settings.

Was hat Queer*Welten Nr. 8 noch zu bieten?
"Hinter den Sternen" von Sonja Lemke vermittelt sehr gekonnt die zersetzende Entmenschlichung einer allein auf Leistungsdruck ausgerichteten Gesellschaft. Die Geschichte ist routiniert erzählt, aber ich konnte zu den Charakteren nicht so recht eine Verbindung aufbauen.
An "Ritorna Vincitor" von Carolin Lüders gefällt mir, wie Lüders mir erst die Ordnung ihrer Urban-Fantasy-Welt beibringt und dann Zweifel daran sät. Die Handlung wirkt ein wenig forciert, und ausgerechnet das Thema, über das die beiden Figuren sich näher kommen (Oper), wird im Dialog der beiden für mein Empfinden unbefriedigend behandelt, denn die beiden kommen in dem Gespräch nicht wirklich kenntnisreich herüber.
Linda-Julie Geigers Geschichte "Ein Regenbogen aus Gold" ist irgendwie cute, gleichzeitig fand ich sie erzählerisch verbesserungswürdig. Die Gefährlichkeit einer Situation wird nur behauptet, aber nicht unterfüttert. Manche Details und Nebenfiguren sind für die Erzählung irrelevant. Und mehrfach waren Einzelheiten unklar beschrieben, ohne dass ich den Eindruck hatte, dass die Unklarheit gewollt war.

Des weiteren enthält die Ausgabe einen soliden Essay von Christian Vogt über toxische Nostalgie, ein anderthalbseitiges "Prosagedicht" von Claudia Klank, das mich nicht besonders ansprach, und 13 Mikrofiktionen (jeweils 100 Wörter lang), die das Heft sehr schön auflockern.

Was mir nach wie vor an den Queer*Welten gefällt, ist die Bandbreite an Repräsentation marginalisierter Perspektiven. Da sie zum Konzept der Zeitschrift gehört, gehe ich hier vielleicht zuwenig darauf ein, aber als niedrigschwelligen Einstieg in deutschsprachige progressive, queerfeministische SFF funktioniert Queer*Welten sehr gut.

Bewertung vom 08.11.2024
Benitez, Joe

Lady Mechanika Volume 1


gut

Stylisher Steampunk-Comic, aber auch auffällige visuelle Fixierung auf den Körper (Busen, Taille) der Protagonistin.
Der Comic erzählt von Lady Mechanika, die das Geheimnis ihrer Herkunft lüften will, da sie nicht weiß, wer ihr mechanische Körperteile gegeben hat und warum. Die psychologische Seite der Figuren bleibt letztlich flach und dient nur als Folie für die Begegnungen, Rätsel und Kämpfe der Hauptfigur. Mit gutem Gespür für das Steampunk-Flair, für die düsteren Seiten der Geschichte, und mit einprägsamen Nebencharakteren bekommt man aber eine unterhaltsame Mischung.

Bewertung vom 08.11.2024
Chen, M. M.

Lady Mechanika Volume 2


weniger gut

More pseudoarchaeology, less clockwork steampunk

The stylish and, I think, somewhat fetishizing artwork continues, but as another writer takes the helm, Lady Mechanika is partnered with new supporting characters. The plot and motivation of the first collected volume are dropped, and Mechanika is set in a different track, to rescue a child and her grandfather. You get secret societies, Babylonian high technology and alchemy, ancient superweapons, lizardmen, and some exotism thrown in. A good part of the story takes place in "Africa", blissfully unspecific.
This felt a bit like a Tomb Raider story, although the ancient ruins are not explored by Lady Mechanika, but by the supporting characters. Neither Mechanika's artifical body parts nor her mysterious history were of particular importance.

Bewertung vom 08.11.2024
Ernst, Max; Appelbaum, Stanley

Semaine de Bonte


gut

Meine Rezension bezieht sich auf die deutsche Ausgabe von 1975, nicht die englische von 1976. Das Werk besteht aber weitgehend aus wortlosen Graphik-Collagen.

Max Ernsts Une Semaine de Bonté ist schwer zu beschreiben. Er hat zahllose Elemente aus verschiedenen Bildern ausgeschnitten und neu angeordnet. Menschen mit Tierköpfen, herumliegende Riesenegel, Meereswogen im Schlafgemach... Die 182 surrealen Collagen sind in sieben Gruppen als Woche strukturiert, jedem Tag ist ein Element zugeschrieben. Die Gruppen werden auch durch bestimmte Bildmotive zusammengehalten. So ist ihnen nicht nur durch die materielle Anordnung im Buch, sondern auch durch den konstruierten Wochenrahmen eine Sequenz, wenn schon keine Konsequenz gegeben. Für die deutsche Ausgabe (1963/1975) hat Max Ernst die kurzen Begleittexte/Zitate für jeden Wochentag neu gefasst/zusammengestellt. Das Buch ist ein berühmtes Werk des Surrealismus; als Comicfan frage ich mich aber auch, ob die wortlosen Bildgeschichten der Zeit (von Frans Masereel, Lynd Ward, Otto Nückel u.a.) Ernst beeinflusst haben.

Einerseits ist das Buch ein absolutes Fest des Surrealismus, der Phantastik und der graphischen Kunst. Andererseits verweigert es sich bestimmten Zugängen - zum Beispiel dem rationalen Verstehen. Ich habe mich oft gefragt, was bestimmte Bildelemente in der Collage eigentlich zeigen. Ist es Absicht, dass nicht wirklich zu erkennen ist, was die Figur da auf dem Bauch hat (oder was auch immer), oder bin ich zuwenig vertraut mit der Bildsprache des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts, um die rekontextualisierten Schnipsel zu verstehen?
Mir fiel es nicht ganz leicht, mich davon zu lösen und der (alp-)traumhaften Fluidität dieser Bildwelt einfach hinzugeben. Ich suchte die Zusammenhänge (die reichlich vorhanden sind, deren Sinn sich aber dem Zugriff entzieht) und verpasste dabei vielleicht das unprätentiöse Staunen über die Chimären und das Rauschen des Sturms.
Persönliche Highlights: Der Mittwoch, und die Knochen im freitäglichen Liebeslied.