Ist „Verlassen“ von Eva Björg Ægisdóttir ein Krimi oder eine spannende Familiengeschichte?
Die Familie Snæberg, durch die Fischerei schwerreich geworden, trifft sich zu einer Feier in einem abgelegenen Hotel im äußersten Westen Islands. Eine Person verschwindet aus dem Hotel, eine tote Person wird aufgefunden. Handelt es sich um dieselbe Person? War es ein Unfall oder Mord? Die Kriminalpolizei ermittelt.
Interessant ist der Aufbau der Geschichte. Durch die ständig wechselnden Zeitebenen „Jetzt“ und „Zwei Tage, Ein Tag, Vorabend, Stunden vorher, Jetzt“ springt die Geschichte hin und her. Die Vergangenheit wird aus der Ich-Perspektive der Familienmitgliedern geschildert. Die polizeilichen Ermittlungen in der Gegenwart, sind in der 3.Person geschrieben.
Die Ermittlungen bilden nur einen kleinen (Krimi-)Teil der Geschichte ab. Den weitaus größeren Teil macht der Familienclan und die Abgründe der Familienmitglieder aus. Um den Überblick über die Familie und deren Verbindungen zu behalten, ist der Stammbaum der Familie am Anfang des Buches sehr hilfreich.
Die Geschichte beginnt langsam und man lernt die verschiedenen Charaktere kennen. Jeder Charakter, hat sein Geheimnis und persönliches Päckchen zu tragen. Nichts wird ausgelassen. Je mehr Geheimnisse gelüftet werden, desto schneller wird das Tempo der Geschichte. Zum Ende des Buches werden die Fäden zusammengeführt. Für mich waren es allerdings zu viele Fäden und die Wendungen ein bisschen zu konstruiert.
Die Atmosphäre ist fantastisch eingefangen. Die Lavafelder, der Schneesturm, die Kälte, die Dunkelheit, die Felsformationen - beeindruckend. Mir haben nur die Elfen und Trolle in der Geschichte gefehlt.
Mein Fazit: Wenig Krimi, dafür eine düstere und spannende Familiengeschichte. Ich fühlte mich gut unterhalten.
In der fiktiven Stadt Ginsterburg lernen wir verschiedene Charaktere kennen, an deren Leben wir in den Jahren 1935, 1940 und 1945 teilhaben können. Wie verändert sich Deutschland in dieser Zeit und wie passen sich die Menschen an? Die ganze Bandbreite wird in dem Roman Ginterburg von Arno Frank abgedeckt. Das Ausnutzen der eigenen Macht, das Verstecken, das Mitlaufen, all die Zweifel, die Euphorie und die Bösartigkeiten werden glaubwürdig dargestellt. Wirklich bedrückend finde ich die Geschichte um Fritz, mit seiner geistigen Behinderung und der Umgang damit. Wobei - es gibt so viele Stellen im Buch, die mich fassungslos machten.
Der Aufbau des Buches ist zunächst verwirrend. Einzelne Handlungen werden erzählt oder auch nur angerissen. In einer schnellen Abfolge werden Bruchstücke aneinandergereiht, deren Zusammenhänge sich erst nach und nach ergeben. Zwischendurch wird die Geschichte durch Zeitungsartikel, Gesetze, Briefe ergänzt. Das war schon sehr gut gemacht, als das Bild dann komplett war.
Schade finde ich, dass es keinen Hinweis darauf gibt, dass reale Personen in den Roman eingebunden wurden. Als wäre z.B. Lothar Sieber in Ginsterburg aufgewachsen und hätte dort gelebt. Diese Vermischung finde ich schwierig. Andere Ungenauigkeiten wie z.B. Pervitin oder die Umrechnung von MDXCVII finde ich nicht schön, kann ich aber verschmerzen.
Ich konnte mich mit keiner Figur richtig anfreunden. Vielleicht waren es zu viele, ich konnte sie nicht gut genug kennenlernen oder sie waren nicht genau genug herausgearbeitet.
Mit dem Schreibstil habe ich mich wirklich schwergetan. Fragmente, zeitliche Sprünge, kein Rhythmus, lange Sätze und einige Längen. Es fiel mir schwer, an dem Text dranzubleiben. Vielleicht hab ich auch zu sehr auf die Leichtigkeit vom Vorgängerbuch gehofft, was thematisch aber nicht machbar ist.
Durch das Buch habe ich viel nachgelesen, z.B. über die Natter, Radartäuschung oder das Kriegszittern. Dies ist für mich eine absolute Bereicherung, wenn das ein Schriftsteller schafft und ich unbedingt mehr wissen möchte.
Mein Fazit: Ein beeindruckendes Buch, an dem man dranbleiben muss. Keine leichte Kost.
Das zweite Kind von Marco de Franchi war eine Herausforderung für mich.
Zwei Verbrechen weisen Gemeinsamkeiten auf. Ein Junge wird nackt im Wald gefunden, nachdem er seinem Entführer entkommen konnte. Ein anderer Junge, der dem ersten Entführungsopfer zum Verwechseln ähnlich sieht, wird entführt, nachdem sein Vater ermordet wurde.
Die junge Polizistin Valentina ermittelt und braucht Unterstützung. Diese bekommt sie, mehr oder weniger gewollt, von Fabio. Bevor Fabio auf das Abstellgleis bei der Polizei geschoben wurde, war er ein sehr guter und erfahrener Ermittler. Nun kämpft er mit seiner Vergangenheit und mit sich selbst. Valentina und Fabio beginnen gemeinsam zu ermitteln und müssen sich mit den Abgründen der menschlichen Seele auseinandersetzen.
Das Buch kann in zwei Teile gegliedert werden. Nach der ersten Hälfte, scheint der Fall klar und gelöst zu sein. Dann wendet sich das Blatt und nimmt eine andere Richtung. Ich hätte gut nach der ersten Hälfte des Buches aufhören können. Das Buch ist verstörend und enthält grauenhafte Details. Auf den letzten 150 Seiten wird es sehr rasant, das Ende ist unerwartet und unbefriedigend.
Das Vokabular war manchmal etwas gewöhnungsbedürftig, z.B. die Trägheitskraft bei Messerstichen oder die Gaschromatographen. Da ist der echte Kommissar mit de Franchi durchgegangen.
Die Toskana hatte ich bisher immer als sonnige und liebliche Gegend vor meinem geistigen Auge. Nachdem das Buch in der kalten und dunklen Jahreszeit spielt, hat sich mein Blick auf die Toskana verändert.
Valentina erscheint mir ein wenig farblos. Sie schaut zu Fabio auf, legt viel Wert auf seine Meinung und macht sich und ihre Position als Ermittlerin klein. Das ist schade.
Ich musste mich durch das Buch quälen und würde eine Fortsetzung nicht lesen wollen. Das Buch würde ich nur hartgesottenen Thriller-Fans empfehlen
.
„Jemand, der gerade verstorben ist, ist nicht giftig oder gefährlich.“
Eric Wrede ist mit seinem Buch „Wenn wir ins Gras beißen“ etwas ganz Besonderes gelungen. In einer normalen und sehr sachlichen (manchmal sogar witzigen) Sprache beschreibt Wrede den Tod und die Trauer. Wie kann verabschiedet werden? Wie wird bestattet? Und warum ist Trauer so wichtig?
Kinder haben andere Fragestellungen, oftmals auch zu ganz praktische Dingen. Ihre Fragen bleiben oft unbeantwortet, weil Erwachsene sprachlos sind, weinen oder das Thema tabuisieren. Oder vielleicht selbst keine Antwort haben. Das Buch enthält tolle bildliche Darstellungen zum Thema . Wie sieht der Körper lebendig und tot aus und was passiert einige Stunden nach dem Tod? Das ist doch wirklich hilfreich!
Das Buch enthält farblich gekennzeichnete Info-Texte mit Hilfestellungen und Tipps für Erwachsene. Kinder werden angeregt, sich am Gelesenen zu beteiligen. Dieses Buch stiftet zum Nachdenken und Fragen stellen an! Was denken Robben und Fische über Seebestattungen? Wie wäre es, die Rezepte der Oma aufzuschreiben die sie so gut kochen konnte, damit sie nicht in Vergessenheit geraten?
Hilfreich ist auch das Glossar am Ende des Buches sowie Links zu weiterführenden Informationen für Erwachsene.
Das Buch ist dazu geeignet, einzelne Themen zu lesen und zu besprechen. Zum Durchlesen in einem Stück ist es sicherlich nicht gedacht.
Ich wüsste nicht, wem ich das Buch nicht empfehlen würde. Daher eine uneingeschränkte Leseempfehlung von mir.
Der Jubiläumsband „Mein Sachen suchen Lieblingsbuch“ von Anne Ebert, Stefan Seidel, Ursula Weller und Susanne Gernhäuser beinhaltet alle Themen, die junge Menschen ab 2 Jahren interessieren könnten. Es geht querbeet durch die Themen Bauernhof, Stadt, Kindergarten, Wald, Zoo, Baustellen, Ausfahrt im Schnee, Wochenmarkt, u.s.w. Meine Favoriten sind der Waldkindergarten mit den Blätterkronen und der Bauernhof, auf dem sich Pferde gegenseitig am Rücken knabbern. Toll. Es können Bilder gesucht, Worte gelernt, Gegenstände benannt oder Geschichten erfunden werden. Was wohl der Igel denkt, während er die Ameise beobachtet? Für meinen Geschmack gab es zu viele Autos, Baufahrzeuge und Schiffe. Bei den Baufahrzeuge könnte ich jedenfalls nicht die ganzen Details benennen.
Die Illustrationen sind detailreich, farbenfroh und niedlich. Das Buch ist sehr stabil und hat ein gutes Format. Kinder werden ihren Spaß daran haben.
Mukiza, geschrieben von Hannes Jaennicke und illustriert von Julius Brümmer, ist ein wahrer Schatz.
Das Buch erzählt die wahre Geschichte des Gorillas Mukiza von seiner Geburt 1999 bis heute. Das liebevolle Aufwachsen in der Familie, das Herumtollen mit den Freunden, die Gefahren durch die Menschen, das Durchsetzen in der Gruppe - alles ist dabei. Die Geschichte wird kind- und altersgerecht erzählt. „Wie ein Gorillaball mit vier Armen und Beinen ...“ Da braucht es fast keine Bilder mehr.
Man kann beim Vorlesen tief in die Geschichte eintauchen und auf einzelne Themen eingehen. Die Illustrationen sind eindrucksvoll . Sie spiegeln Freude, Stolz, Angst, Trauer wider. Die Stimmungen sind wunderbar eingefangen.
Wirklich schön finde ich auch die Fotos am Ende des Buches, wo auch der echte Mukiza beschrieben wird.
Ein sehr schönes Buch, um mit Kindern über Tierschutz und Umweltschutz ins Gespräch zu kommen.
Tina Harnesk nimmt uns in ihrem Buch „Als wir im Schnee Blumen pflückten“ mit auf eine Reise nach Nordschweden. Zwei parallele Geschichten über zwei Paare, die (auf den ersten Blick) unterschiedlicher nicht sein könnten.
Es ist die Geschichte von Mariddja und Bierra, einem alten samischen Ehepaar, das zurückgezogen und in ärmlichen Verhältnissen lebt. Biera leidet an Demenz und merkt, dass sich etwas verändert. Bei Mariddja wird Krebs diagnostiziert. Ihre Uhr tickt. Wie kann sie ihre Krankheit vor Biera verbergen? Und wer kümmert sich um ihn, wenn sie nicht mehr da ist? In den wenigen hellen Momenten erinnern sie sich an ihr gemeinsames Leben, an ihre Vergangenheit, an die Zeit mit ihrem Neffen Heajki-Jona. Wie um einen eigenen Sohn haben sich Mariddja und Biera um Heajki-Jona gekümmert, bis er plötzlich mit seiner Mutter verschwand. Verrückt, etwas schrullig und mit viel Humor setzt Mariddja alles daran, ihren Neffen wiederzufinden.
Kay und Mimmi sind ein junges Ärztepaar, dass der Stadt den Rücken zugewendet hat. Sie ziehen in eine kleine Gemeinde in den Norden und arbeiten dort als Ärzte. Kay hat gerade erst seine Mutter bis zu ihrem Tod begleitet. Aus ihrem persönlichen Nachlass wird er nicht schlau und seine Mutter hat all ihre Geheimnisse mitgenommen. Beide Erzählstränge wechseln sich im Buch ab und es gibt immer wieder Zeitsprünge.
Das Buch ist etwas Besonderes. Die Sprache ist wunderschön und beschreibt die Landschaften und Stimmungen sehr bildhaft. Die Geschichte baut sich sehr langsam auf und die Charaktere werden in Ruhe entwickelt. Ich habe viel Neues über die Samen, ihre Geschichte und ihre Traditionen gelernt. Über das Joiken und die Geisterwelt bin ich auf ganz neue Themen gestoßen.
Die Themen um den Verfall des Körpers, die Auseinandersetzung mit der eigenen Endlichkeit und die Zwangsumsiedlungen führen dazu, dass man dieses Buch nicht mal zwischendurch liest. Es ist jedoch immer wieder sehr amüsant und verfügt über eine gewisse Leichtigkeit.
Maya freut sich auf das Yoga Retreat, dass ihre Freundin Emely leiten wird. Abschalten vom Polizeialltag, eintauchen in die Meditation, atmen, das Essen und die einfache Unterkunft auf einer Schäreninsel genießen . Wäre da bloß nicht Mayas Ex, der plötzlich auch als Teilnehmer auftaucht und zwei Morde auf der Insel. Ein Zusammenhang zum Yoga Retreat ist wahrscheinlich und Maya beginnt Undercover zu ermitteln.
Der Krimi ist teilweise spannend und düster. Dies insbesondere durch die bildhafte Beschreibung der Landschaft, des Wassers, des Sturms, der Stimmung. Dieser Teil ist wirklich gut gelungen. Der Prolog und das Finale konnten mich überzeugen. Die Ermittlungen waren eher zäh und von zu vielen Eingebungen begleitet. Einen zu großen Anteil hatten für mich die Spiritualität, sowie die persönlichen Dramen.
“Er wurde eins mit den Elementen.”
Ein Vertrauensbruch zwischen Freundinnen, eine Affäre der Mutter, eine offene Beziehung und zwischendurch zur Erdung das Prithivi Mudra.
Wer sich daran nicht stört, wird nett unterhalten. Für mich war das nicht überzeugend.
Schon mal extra losgegangen, um mit der U-Bahn zu fahren?
“Berlin mit der U2 entdecken “ von Harald Neckelmann lädt dazu ein, die Stadt aus einer anderen Perspektive zu entdecken. Der Städteführer umfasst die gesamte Linie U2, mit ausführlichen Beschreibungen der Umgebung. Es heißt also 29 Bahnhöfe, 21 km Strecke und vier Bezirke (wenn ich richtig gezählt habe) in ihrer Vielfalt zu erkunden.
Pro Station wird die nähere Umgebung beschrieben. Da geht es thematisch querbeet von Politik, Kultur, Architektur, Gastronomie, Kunst, Natur, … Die Details haben mich dabei sehr beeindruckt. In der Nollendorfstraße gibt es eine historische Fußgängerzone, in der die Bäume und der Brunnen in der Straßenmitte stehen. Oder die Bronzefigur “Der Schreitende” in der Vinetastraße. X-mal daran vorbeigelaufen - und nie gesehen, worauf er steht! So gibt es einige Kuriositäten und Schönheiten, die in der täglichen Eile untergehen. Es lohnt sich also, mit offenen Augen die Bahnhöfe und Gegenden zu erkunden.
Eine unbedingte Leseempfehlung für alle, deren Herz hüpft, wenn aus der U-Bahn eine Hochbahn wird und für alle neugierigen Berliner und Besucher.
Spielerische Anleitung zum Vogelgucken - gespickt mit ganz viel Wissen.
Solch ein Buch hätte ich mir als Kind auch gewünscht. Endlich ein Buch, das einem Vögel auf eine interessante Weise nahebringt. Wie lernt man Vogelstimmen, was verrät der Schnabel und was sind Nestflüchter?
Silke Hartmann formuliert fabelhafte Texte, spannend und interessant. Dazu gibt es wunderschöne und lebendige Illustrationen. Das Buch beinhaltet viele kleine Aufgaben und Rätsel, die gar nicht so einfach sind. Wirklich gelungen finde ich beispielsweise die hörbaren Vogelstimmen, zu denen man ganz einfach über die QR Codes gelangen kann. Das wirkt schon anders, ob man den Gesang liest oder hört. Dazu gibt es noch Bastelanleitungen, Suchbilder, Ausmalbilder und vieles mehr. Und lernen können nicht nur die Kinder. Hand aufs Herz. Wer weiß schon, was ein Kotsack ist?
Viel braucht man nicht für die Vogelbeobachtung. Einige Regeln und ab vor die Haustür.
Ein wunderschönes Buch mit LIebe zum Detail. Klasse.
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