Rache deluxe, Tiefgang light
Irgendwie hatte ich mir mehr versprochen von Julia Bährs Roman Hustle. Das Cover ist stark, der Klappentext macht neugierig:
„Doch nach einer Weile kommen ihr Zweifel: Wie viel Geld braucht man wirklich für ein gutes Leben? Und wie viel Risiko ist sie bereit, dafür einzugehen?“
Ich hatte erwartet, dass die Story genau diesen Fragen nachgeht, dass das Risiko wirklich ausgeleuchtet wird und Leoni am Ende zu einem greifbaren Ergebnis kommt. Leider blieb das für mich eher oberflächlich.
Die Protagonistin Leoni ist zunächst eine reizvolle Figur mit spannenden Charakterzügen. Besonders die immer wieder eingestreuten naturwissenschaftlichen Themen fand ich interessant und eine tolle Abwechslung. Vor allem ihr Hobby, die Schleimpilze, hat mich fasziniert.
Ihre Clique und ihr bester Freund blieben für mich dagegen etwas blass, hier hätte ich mir mehr Tiefe und Entwicklung gewünscht. Auch die Eltern waren für mich nicht ganz so ausgearbeitet (was nicht dramatisch ist bzw wäre, hätten sie nicht auch irgendwie einen gewissen Plot bekommen)
Leonis Nebenverdienst mit den Rachatkionen war zunächst spannend und witzig beschrieben. Und auch die Sozialkritik, die durch einige Gespräche unter den Figuren geäußert wurde ist super eingearbeitet. Allerdings bleibt diese für mich zu sehr an der Oberfläche hängen und wiederholt eher bekannte Plattitüden (etwa das Beispiel mit dem Hundefutter und den Babyglässchen). Teilweise fand ich die moralischen Aussagen sogar fragwürdig, wenn z. B. Diebstahl bei großen Konzernen quasi fast schon abgenickt wird. Auch bei den Racheaktionen und Geschäften der Clique hätte ich mir deutlich mehr Reflexion bzw Entwicklung gewünscht.
Viele angerissene Themen und Szenen wurden leider nicht konsequent weitergeführt, obwohl darin viel Potenzial steckte. (SPOILER: Leoni wird einmal fast erwischt, aber wirkliche Konsequenzen oder Entwicklung bleiben aus./Ihre Eltern sind nur am Streiten plötzlich nicht mehr, wie kommts?/Wer klaut im Museum und warum? SPOILER ENDE).
Insgesamt wirkt die Handlung dadurch etwas richtungslos, und das Ende bricht eher ab, ohne eine spürbare Spannungskurve aufzubauen.
Der Schreibstil selbst ist großartig: Flüssig, leicht, die Seiten fliegen nur so dahin. Lesen macht definitiv Spaß, aber inhaltlich hätte ich mir mehr Tiefe, Entwicklung und weniger lose Handlungsfäden gewünscht.
Alles in allem ein Roman, den man durchaus mal zwischendurch lesen kann, aber nicht unbedingt muss.
Perfekt unperfekt: Warum Joana Junes Bestie so beeindruckt
In Bestie begleiten wir zwei Frauen durch ihren Alltag. Doch wäre es nur das, wäre dieser Roman nicht so eine Wucht.
Anouk ist Influencerin, Delia ihre Mitbewohnerin. Als Delia bei ihrem Einzug zu „Lilly“ wird, beginnt eine intensive, psychologisch dichte Geschichte über zwei Frauen, die verzweifelt versuchen, ihren Platz im Leben zu finden.
Joana Junes Sprache ist eindringlich und zugleich fließend, sodass man kaum merkt, wie die Seiten dahingleiten. Plötzlich sind hundert Seiten vorbei, ohne dass man die Zeit gespürt hat.
Die Charaktere sind authentisch, schmerzhaft echt und gerade dadurch berührend. Durch die abwechselnd erzählten Kapitel taucht man in beide Perspektiven ein, versteht Anouk wie Delia und baut zu beiden eine enge Beziehung auf.
Das zentrale Thema, das Streben nach Perfektion, nach der „besseren Version“ seiner selbst, zieht sich kraftvoll durch den Roman und regt zum Nachdenken an. Wer bin ich? Wer will ich sein? Und was bedeutet es, im Zeitalter von Social Media ein „Ich“ zu haben? Muss man anderen etwas vorspielen, um geliebt zu werden?
All diese Fragen werden in Junes Debüt aufgewühlt und hinterlassen die Leser:innen nach dem Zuklappen des Buches mit neuen Impulsen und Gedanken. Dabei gelingt der Autorin der Balanceakt: Wer es philosophisch mag, findet Tiefe. Wer einfach nur gut unterhalten werden möchte, bekommt eine ebenso gelungene Geschichte über Freundschaft und Identität.
Einziger Wermutstropfen: Das Ende wirkt etwas abrupt. Ich wäre gerne länger an Anouks und Delias Seite geblieben.
Vom Teufel besessene Kloschüsseln und andere ganz normale Nachrichten
Dass C.K. McDonnell schreiben kann, dabei pointiert und witzig ist und immer wieder haarsträubende Einfälle in seine Bücher packt, ist nur einer der Gründe, warum seine Werke so genial sind. (Und ja, der Mann ist auch noch unglaublich sympathisch. Glaubt mir, ich durfte ihn treffen!)
Mit der Redaktion der Stranger Times hat er sich selbst übertroffen. Seine Figuren sind so liebevoll ausgearbeitet und gerade so überzogen, dass man fast glauben könnte, sie sitzen wirklich in einem Paralleluniversum und suchen nach den Nachrichten, über die sonst niemand berichten würde.
Ich jedenfalls hätte nie gedacht, dass ich einmal einen absolut cholerischen Chef nicht missen wollen würde.
Zusammen mit Hannah steigt man im ersten Band in die Welt der „verrückten“ Nachrichten ein und fühlt sich sofort zuhause. Die Geschichte fliegt nur so dahin, und von Seite zu Seite gibt es mehr zu entdecken: ob nun vom Teufel besessene Toilettenschüsseln oder das obligatorische Ufo am Himmel. Ein bisschen Wahnsinn sollte man als geneigte:r Leser:in also schon aushalten können. Schließlich müssen die Journalist:innen der Stranger Times das auch.
Dass die bunt zusammengewürfelte Truppe dann auch noch über ein echtes übernatürliches Ereignis stolpert, hätten allerdings selbst sie nicht gedacht. So bekommt die Geschichte genau die richtige Prise Spannung, die die schrägen Einfälle abrundet und das Ganze von einer reinen Gag-Parade zu einer richtig guten Story macht.
Fazit: The Stranger Times ist perfekt für alle, die schräge Charaktere, übernatürliche Ermittlungen (okay, sehr viel Übernatürliches!) und originelle Ideen lieben. Ein Buch, das sich nicht zu ernst nimmt. Und genauso sollte man es auch lesen.
Bodyguard gesucht? Hauptsache er sieht gut aus und ist gezeichnet von Andriyenko
Eins Vorweg: Allein wegen dem unglaublich tollen Zeichenstil lohnt sich diese Graphic Novel absolut!
„Kiss me once“ ist eine Graphic Novel, gezeichnet von Olga Andriyenko, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Stella Tack.
Den Roman kenne ich nicht, bin aber seit Jahren ein riesen Fan von Andriyenkos Kunst. Somit war auch klar, dass diese Graphic Novel ganz weit oben auf meiner „Muss ich bei Erscheinen haben“ Liste stand.
Und was soll ich sagen? Ich wurde definitiv nicht enttäuscht. Jede Seite brachte mich entweder zum Staunen, wie man so wunderschön eine Geschichte in Szene setzen kann oder zum schmunzeln weil es einfach zu putzig aussieht, wie zb Ivy sich schnell was zu essen rein schaufelt.
Zudem habe ich den Kniff mit dem Schwarz/Weißen-Stil der durch Pinke Highlights, nicht nur in Ivys Haaren, einen ganz eigenen Charakter bekommt sehr geliebt.
Bei der Story muss ich zugeben, dass ich zunächst etwas skeptisch war, da ich doch ganz starken Kitsch erwartet habe.
Wenn man aber einfach mal die Tatsache außer acht lässt, dass Ivys Vater nicht sehr weit gedacht zu haben scheint seiner 18-jährigen Tochter einen 19-jährigen, sexy Traumtypen-Bodyguard zur Seite zu stellen, kann man sich vollkommen in sie fallen lassen.
Klar, manches ist einfach sehr Klischeehaft (die „hotten“ Girls, die über Ivys Statur lästern und finden, dass sie keinen so sexy Typen daten könnte; der sexy Typ in all seinen sexy Typ-Posen und seinem sexy Typ Gehabe an sich; die liebenswerte, tollpatschige Protagonistin), funktioniert hier aber ganz wunderbar. Und sind wir mal ehrlich, manchmal müssen es genau solche Geschichten sein, die uns aus unserem Alltag reißen.
Fazit: Allein der Ästhetik wegen ein absolutes Muss für jeden der Graphic Novels mag!
Und wer sich beeilt hat vielleicht das Glück noch eine der Erstauflagen zu erwischen, denn die hat zusätzlich noch einen absolut genialen Farbschnitt! Ich sage nur: Chibis!
In ihrer Autobiografie „Emotional Female“ nimmt uns Yumiko Kadota mit auf ihren Weg zur Chirurgin: Ein Weg, der (und das ist kein Spoiler) in einem massiven Burnout endete.
Kadota erzählt ihre Geschichte in einem sachlich-nüchternen Ton, der überraschend fesselnd wirkt. Der Text umfasst viele Jahre ihres Lebens und beginnt mit ihrer Kindheit und Jugend. Diese Passagen helfen dabei, bestimmte Verhaltensmuster und Prägungen besser nachzuvollziehen. Kadota wurde zwar nicht in Japan groß, aber nach streng japanischen Werten erzogen. Ein Umstand, der sich im gnadenlosen Klinikalltag nicht immer als Vorteil erweist.
Trotz der zahlreichen medizinischen Fachbegriffe lässt sich das Buch erstaunlich flüssig lesen. Die nüchterne Sprache trägt dazu bei, dass man die vielen Rotationen, die endlosen Ausbildungsjahre und die stetig steigende Belastung wie in einem beschleunigten Strudel erlebt. Ereignisse und Jahre verschwimmen zunehmend, bis am Ende ein grauer Schleier aus Überforderung und Erschöpfung zurückbleibt (im Ernst, ich hatte nicht mal annähernd eine Ahnung, wie hart die Ausbildung wirklich ist). Kadotas Schreibstil verstärkt dieses Gefühl, man liest sich fast selbst in eine emotionale Abstumpfung hinein, ohne es zunächst zu merken. Umso eindrücklicher ist die Wirkung beim Innehalten.
Was mich beim Lesen gestört hat, war Kadotas immer wieder betonte Selbstüberhöhung. Sie ist durchweg die Beste und das wird sie auch nicht müde zu erwähnen. Natürlich erklärt das viel über ihr Selbstbild und die Anforderungen, die sie an sich selbst stellt. Dennoch: Beim fünfzehnten „Ich war wieder die Beste“ fiel es mir schwer, nicht die Augen zu verdrehen.
In wie weit dies bewusst als Stilmittel eingesetzt wird oder doch aus der Überzeugung der Autorin kommt mag ich an dieser Stelle nicht urteilen.
Zudem wirkten einige Aussagen, zumindest in der deutschen Übersetzung, irritierend. So beschreibt Kadota, dass sie erst „mädchenhafte Gespräche“ mit den Krankenschwestern führen musste, um als Ärztin so respektiert zu werden wie ihre männlichen Kollegen.
Das Adjektiv „mädchenhaft“ klingt hier mindestens unglücklich gewählt und wirft für mich Fragen auf. Ich hoffe sehr, dass es sich dabei um eine misslungene Übersetzung handelt, andernfalls bleibt ein fader Beigeschmack mit einer feinen Note aus internalisierter Misogynie im Abgang.
Im Nachwort der deutschen Ausgabe folgt noch eine Information, die viele ihrer Handlungen und Aussagen in einem ganz neuen Licht erscheinen lässt. Ohne zu viel zu verraten: Diese zusätzliche Kontextualisierung hat meinen Blick auf Kadota und ihre Geschichte sehr verändert. Ohne zu viel zu sagen: Aufgrund der Tatsache, dass sich manche Dinge erst nach erscheinen der englischen Originalausgabe ergeben haben kann ich verstehen warum dies im Nachwort aufgeführt wird. So haben wir Leser die Möglichkeit das Buch genauso zu lesen, wie es ursprünglich war.
Insgesamt kein „schönes“ Leseerlebnis im klassischen Sinne, dafür ist das Thema zu schwer, aber definitiv ein wichtiges.
„Emotional Female“ ist eine bereichernde Lektüre für alle, die wissen möchten, wie ein Klinikalltag jenseits von Grey’s Anatomy wirklich aussieht. Und für alle, die bereit sind, sich auf eine komplexe, widersprüchliche und nicht immer sympathische, aber sehr menschliche Erzählerin einzulassen.
Wenn Buffy gemeinsam mit ihren, ebenfalls magisch begabten, Freundinnen in Köln durch die Gegend läuft, um uns alle vor einer Horde untoter Hunnen zu beschützen hat C. K. McDonnall ein neues Buch herausgebracht. Diesmal gemeinsam mit seiner wundervollen Frau Elaine Ofori.
Die von Ihnen erschaffenen Charaktere sind so lebendig & liebenswert (naja, die meisten ;) ), dass ich gerne mal mit ihnen im belgischen Viertel ein hippies, koffeinhaltiges Getränk einnehmen würde, um entspannt ein bisschen über die neuste Weltenrettung zu plaudern.
Wirklich erstaunlich dabei ist, wie bei der Menge an unterschiedlichen Protagonistinnen (& Protagonisten) jede & jeder einen unverkennbaren, eigenen Charakter hat. Wirklich jede Figur hat Wiedererkennungswert und ist liebevoll ausgearbeitet (sogar die "bösen").
Beim lesen begleiten wir immer mal wieder unterschiedliche Charaktere und hier haben wir tatsächlich eines der super seltenen Bücher bei denen mir jede Perspektive gefallen hat & ich nicht schneller gelesen habe, um wieder bei meinen Lieblingsfiguren zu sein.
Wo wir gerade bei Charakteren sind: Auch Köln selbst ist irgendwie mehr als nur der Schauplatz der Handlung.
Köln hat Charakter, das ist klar. Aber hier heißt es irgendwie: Köln IST Charakter!
Die Köln-Liebe & Verbundenheit des Autorenpaars spürt man auf jeder Seite (vor allem schön, wenn man die Schauplätze wiedererkennt).
Es passiert so unglaublich viel zwischen diesen beiden Buchdeckeln, dass man nur so durch die Seiten fliegt, die Geschichte am Ende zuschlägt und während dem Lesen vollkommen aus der Raum-Zeit-Achse gefallen war.
Ein skurrile Idee jagt die nächste und so kommt man als Leser aus dem Staunen, Freuen und atemlos mit den Mädels & Adam durch die Stadt hetzen nicht heraus. Jeder Twist, jeder Turn, jeder Spannungsbogen... Alles fügt sich perfekt zusammen und lässt am Ende zum Glück genug Platz aus diesem wunderbaren Fiebertraum eines Buches einen zweiten Teil zu machen oder vielleicht einen dritten, vierten... Wie wärs mit einer ganzen Reihe?!
Für jeden Urban Fantasy Fan mit Humor.
Kann man auch lesen ohne Köln cool zu finden.
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