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manjula

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Insgesamt 37 Bewertungen
Bewertung vom 15.02.2025
Anders, Florentine

Die Allee


sehr gut

Florentine Anders zeichnet ein Stück Familiengeschichte der Henselmanns nach. Hermann Henselmann war der von der Bauhaus-Architektur geprägte Architekt, der für einige der bekanntesten repräsentativen Bauten Ost-Berlins und der DDR verantwortlich zeichnete, unter anderem Prachtbauten auf der seinerzeitigen Stalinallee, das großartige Kongresszentrum am Alexanderplatz sowie die Entwurfsidee des Berliner Fernsehturms. Florentine Anders ist die Enkelin von Hermann Henselmann, so dass die biografische Erzählung einigermaßen authentisch sein dürfte. Die Geschichte geht zurück bis in die Jugend von Großmutter Isi und Mutter Isa und begleitet natürlich auch die Entwicklung von Hermann Henselmann ab der Weimarer Republik, durch die Zeit des Nationalsozialismus bis zu seiner Position in der DDR. Henselmann lebte bis 1995. Seine zeitgeschichtliche Rolle blieb mitunter umstritten, und seine Rolle in der Familie ließ einiges zu wünschen übrig. Es verwundert nicht so sehr, dass Florentines Fokus ganz wesentlich auch auf ihrer Mutter Isa liegt. Das Buch gibt also einen sehr interessanten Einblick nicht nur in Leben und Schaffen dieses bedeutenden Architekten, sondern auch in das soziale Umfeld, das ihn prägte und das wiederum er maßgeblich prägte. Ein sehr, sehr spannendes Buch für alle, die bisher schon ein Auge für Henselmanns Werk hatten - und sicher ein interessanter Zugang für alle, die zu diesem Werk erst durch die Erzählung etwas erfahren. Das Buch ist sehr eingängig geschrieben, ich war in Windeseile durch. Und sein Cover ein weiteres Meisterwerk von Kat Menschik - auch das toll!

Bewertung vom 11.02.2025
Pásztor, Susann

Von hier aus weiter


sehr gut

Die Erzählung wird aufgefächert aus Sicht von Marlene, einer ehemaligen Grundschullehrerin Ende 60. Sie hat nach 30 Jahren Ehe gerade ihren Partner verloren: Nachdem bei Rolf ein Hirntumor entdeckt wurde, hat er Suizid begangen. Die vereinsamte Marlene sucht nach Gelegenheiten, auch ihr Leben zu beenden, kann sich aber immer wieder nicht wirklich entschließen. Als ihr früherer Schüler Jack kurz nach Rolfs Beerdigung Klempnerarbeiten für sie ausführt, endet diese Begegnung damit, dass Jack in Marlenes Gästezimmer einzieht.
Marlene ist nicht nur traurig, sondern auch wütend. Susann Pásztor steigt direkt ein mit einer einigermaßen ausgefallenen und immer wieder sehr lakonischen Schilderung, wie Marlene die von Rolfs Kindern und Enkeln gestaltete Trauerfeier erlebt (und sie nur unter wohldosiertem Einsatz der erheblichen Valium-Vorräte, die Rolf angelegt hat, durchsteht). So etwas großartig skurril-klarsichtiges habe ich noch nie gelesen. Es folgen einige weitere unerwartete Wendungen, die hier natürlich nicht verraten werden.
Alles fügt sich auf wunderbare Weise, was mitunter das Buch leider etwas ins Triviale abrutschen lässt.
Andererseits fasziniert doch immer wieder, mit welchen Einfällen - und welcher Ironie und Lakonie - Susann Pásztor die Geschiche voranbringt.
Das wiederum führte dazu, dass ich das Buch im Eiltempo verschlungen habe und mich leichtgewichtig, aber gut unterhalten fühlte.

Bewertung vom 17.12.2024
Kleist, Reinhard

Low


ausgezeichnet

Ein Buch über David Bowie's Berliner Jahre und die Produktion des Albums "Low". Das Ganze in Form einer Graphic Novel von Reinhard Kleist.
Meine Erwartungen waren sehr hoch. Und zum Glück erfüllt Kleist mit dem Buch diese Erwartungen absolut. Bowie's Zeit in Berlin steht für eine seiner wichtigen Entwicklungsphasen. Zudem ist es spannend, das Mauer-West-Berlin der 1970er Jahre noch einmal aus Bowie's Perspektive vor Augen geführt zu bekommen - im wahrsten Sinn des Wortes. Kleist hat diese Graphic Novel atmosphärisch dicht angelegt, in seinem bewährten klaren Zeichenstil. Von Reinhard Kleist kenne und liebe ich schon einige Graphic Novels. Das Vorgängerwerk "Starman", in dem Bowie's Aufstieg als "Ziggy Stardust" abgehandelt wird, hatte ich aber noch nicht gelesen und habe mich gefragt, ob mir damit etwas zum Lesen von „Low“ fehlt. Aber ich denke: nein - jedes steht für sich.
"Low" sehe ich aber als nachdrückliche Einladung, auch "Starman" kennenzulernen.

Bewertung vom 26.10.2024
Brüggemann, Anna

Wenn nachts die Kampfhunde spazieren gehen


sehr gut

Unheilige Familie
Regina, in der Nachkriegszeit geboren, ist zu Beginn des Romans eine 50jährige Mutter von zwei Töchtern. Ihre als lieblos empfundene Kindheit und Jugend, in der sie nicht die für sie nötige Zuwendung, Anerkennung und Förderung erhalten hat, hängt ihr nach. Ihre Kompensation: Sie ist großartig, in allem. An dem, was in ihrem Leben nicht perfekt gelaufen ist, tragen andere Schuld. Nichts kann ihr wirklich genügen. Als Psychologin weiß Regina es - eigentlich - besser; aber eben nur, wenn es nicht um sie selbst geht. Also überträgt sie ihre unglückliche Prägung auf ihre Töchter Antonia und Wanda, indem sie bei aller vorgeblichen Fürsorge immer nur um sich selbst kreist, und stets fordert statt fördert. Beide Töchter könnten Regina im Grunde nichts recht machen. Antonia reagiert darauf, indem sie vor den an sie gestellten Erwartungen abtaucht und sich so wenig wahrnehmbar macht, wie sie sich fühlt. Wanda kämpft für die Liebe ihrer Mutter, indem sie sich ehrgeizig nach deren Vorstellungen verformt. Richtig interessant wird es auch, wenn aufgezeigt wird, was von ihrer Prägung Antonia und Wanda an die eigenen Kinder weitergeben.
Das Buch ist keine leichte Kost, tragisch und fesselnd zugleich: Eine messerscharfe Studie über eine (ganz bestimmt nicht so seltene) dysfunktionale, unheilige, Familie, bei der die Autorin hintergründig aufs allerschönste auf den Punkt bringt, woran es hakt. Für die Lesenden, die sich von all dem nicht gleich völlig abgestoßen fühlen, hat Anna Brüggemann ein großartiges Buch geschrieben, das absolut nicht kalt lässt. Von mir deshalb eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 07.10.2024
Benedict, Marie

Die Mitford Schwestern / Starke Frauen im Schatten der Weltgeschichte Bd.6


ausgezeichnet

Politische Familiengeschichte
Das Buchcover zeigt Fotos von vier der sechs Mitford-Schwestern. Die Mitford-Sisters waren Mitglieder einer britischen aristokratischen Oberschichtfamilie, die besonders vor und zu Beginn des zweiten Weltkriegs für Aufsehen sorgte.
Während die älteste, Nancy, als Schriftstellerin Bekanntheit erlangte und die zweitjüngste, Jessica, genannt Decca, entgegen aller Familientradition Kommunistin wurde, wandten sich die übrigen Familienmitglieder in unterschiedlicher Ausprägung dem Faschismus zu.
Marie Benedicts Roman kreist vor allem um Unity (genannt Bobo), Diana und Nancy Mitford. Aus deren Perspektive, abwechselnd und zu bestimmten Stichtagen von 1932 bis 1941, wird die Geschichte entfaltet, wobei Nancy die einzige Ich-Erzählerin ist.
Unity begeisterte sich früh für den Faschismus und ging Mitte der 1930er Jahre nach München, wo sie durch Beharrlichkeit nicht nur Adolf Hitler persönlich kennenlernte, sondern es schaffte, in seinen engeren Kreis aufgenommen zu werden, und – auch um ihn zu beeindrucken – stärker und stärker in den Nationalsozialismus einstieg. Nicht nur die Nationalsozialisten bedienten sich ihrer zu Propaganda-Zwecken. Auch ihre Schwester Diana nutzte die von Unity hergestellte Verbindung zu Hitler, um die britische faschistische Partei zu stärken und so ihren Partner Oswald Mosley, deren Gründer, enger an sich zu binden.
Nancy steht dem Faschismus als eine der wenigen Mitglieder der Familie kritisch gegenüber und sieht sich schließlich vor der Frage, wie weit sie angesichts der Aktivitäten ihrer Schwestern gehen will.
Die Autorin scheint den literarischen Stil der Zeit treffen zu wollen. Konventionell nach den damaligen für sie geltenden gesellschaftlichen Normen waren die Mitford-Töchter Nancy, Diana, Unity und Jessica aber definitiv nicht.
Das Buch von Marie Benedict ist trotz seines historisch und politisch hochbrisanten Themas eher ein Gesellschaftsroman als ein politischer Roman. Liest sich leicht und wer bislang wenig über die Mitford-Sisters wusste, findet hier einen eingängigen, emotionalen Einstieg.

Bewertung vom 11.09.2024
Burseg, Katrin

Tage mit Milena


gut

Aktueller Aufhänger, interessanter Plot

Die Mittfünfzigerin Annika lebt in Lübeck, wo sie den Familienbetrieb ihres Ehepartners, eine Papeterie, führt. Eines Tages taucht die junge Klimaaktivistin Luzie in ihrem Laden auf, kauft Sekundenkleber und klebt sich damit auf die Straße. Annika solidarisiert sich mit ihr und bricht danach aus ihrem Alltag aus, folgt Luzie nach Hamburg in ein Klimacamp. Annika ist durch Ereignisse in ihrer eigenen Jugend traumatisiert und fühlt sich für Luzie verantwortlich, bis zur Übergriffigkeit. Diese quittiert das mit gebremster Begeisterung. Letztlich brauchen die beiden sich gegenseitig. Annika begibt sich auf eine Reise in ihre Vergangenheit, die sie in den letzten Jahrzehnten verdrängt hatte. Auch Luzie hat ihre Geheimnisse. Die Romanhandlung, die Katrin Burseg sich ausgedacht hat, ist interessant und aktuell. Sie verflicht Ereignisse eines Klimacamps, das im August 2022 wirklich in Hamburg stattgefunden hat, Fridays for future, Aktionen der Letzten Generation und anderer Klimaaktivist:innen, Lützerath, Hambacher Forst, vor dem Hintergrund realer Pandemie-Erfahrungen mit der Besetzung der Hamburger Hafenstraße in den 1980er Jahren und erlebter Gewalt in diesen Kontexten. Die Geschichte wird sehr gemächlich aufgerollt. Den in großen Teilen anschaulichen Erzählstil fand ich an vielen anderen Stellen hölzern. Und leider ist mir keine Identifikation mit den beiden Hauptprotagonistinnen gelungen. Ihre Beweggründe, soweit erkennbar, waren für mich oft nicht nachvollziehbar, vieles blieb oberflächlich, konventionell oder klischeehaft, einiges wirkte auf mich zu konstruiert. Ein unpolitisch politisches Buch. Schön gestaltet ist der Einband mit dem Hafenpanorama. Der Roman hat mich neugierig gemacht auf die weiteren Veröffentlichungen von Katrin Burseg.

Bewertung vom 02.09.2024
Ramstedt, Frida

Das Möbel-Handbuch


sehr gut

Auf ein solches Möbel-Handbuch hatte ich schon lange gewartet. Die anerkannte schwedische Inneneinrichtungsexpertin Frida Ramstedt gibt in ihrem tollen Buch nicht nur wertvolle Tipps für die Inneneinrichtung, sondern auch zur Materialwahl und -pflege. Und vor allem erklärt sie, welche Abmessungen, Passformen und Eigenschaften Möbel haben müssen, um zu ihren Bewohnern und in die Wohnungen zu passen. Das Buch geht ausführlich auf alle denkbaren Kategorien von Möbelstücken ein und erläutert außerdem noch Planungsgrößen und -konzepte.
So lassen sich Fehlanschaffungen vermeiden und aus schönen Stücken das Beste rausholen.
Das Buch ist also mehr als nutzbringend. Und zusätzlich ist es auch noch wunderschön und wertig aufgemacht, mit seinem Textileinband, ansprechenden minimalistischen Grafiken und einer tollen Farbgestaltung.

Bewertung vom 30.08.2024
Böttger, Miriam

Aus dem Haus


ausgezeichnet

Unglaublich komisch, eigentlich tragisch

Die mitreißend geschriebene Geschichte einer Frau, die sehr eng mit ihren ziemlich komplexen Eltern verbunden ist. Das HAUS ist nur der Token, die Verkörperung einer emotionalen Unstimmigkeit.

Das dem Buch vorangestellte, auch noch doppeldeutige, Zitat von Wes Anderson: „Family isn’t a word - it’s a sentence“ verdeutlicht sehr gut, worum es hier geht.

Die Familie der Ich-Erzählerin wird stark durch die Mutter geprägt, die an Migräne und „Zeitpanik“, einer Art Fassungslosigkeit gegenüber dem schnellen Verstreichen der Lebenszeit, leidet, und in einer Grundhaltung steckt, die sie ständig Negatives erwarten und erleben lässt. Alle anderen Familienmitglieder treten angesichts dessen mit ihren Bedürfnissen in den Hintergrund, niemand beklagt sich darüber. (Eine küchenpsychologische Anmaßung wäre es, bei der Mutter eine Depression zu vermuten und auch im Zusammenspiel aller Familienmitglieder eine dazu komplementäre interessante Konstellation zu sehen.)

Das klingt wie ein finsteres, sogar tragisches Setting. Das Buch liest sich aber nicht vorrangig als Beschreibung eines emotionalen Mangelzustands, sondern als scharfgezeichnete, urkomische, teilweise absurde, nur manchmal resignative Skizze eines Familienlebens. Und als schonungslose Abrechnung mit Kassel.

Für mich ein tolles Buch. Interessante Reflexionen über Familie. Die Protagonist:innen sind mir in ihrer Kompliziertheit sehr schnell ans Herz gewachsen. Schon der Einstieg ist atemberaubend und ungewöhnlich, in fesselnder Atemlosigkeit geht es weiter. Ich konnte nicht aufhören zu lesen und bin jetzt nach ein paar Stunden mit dem Buch durch, aber immer noch gedanklich drin. Vielleicht muss ich es auch gleich nochmal lesen.

Bewertung vom 26.08.2024
Engelstädter, Vanessa

Lass die anderen reden


gut

Gut für Hund und Mensch
Die Verfasserin dieses Buches, die Resilienztrainerin Vanessa Engelstädter, ist nicht nur Hundetrainerin, sondern auch (Menschen-)Coach. Und weil im Umgang mit Tieren die Befindlichkeiten und psychischen Herausforderungen, Belastungen und Probleme sowie die Stressbelastung ihrer Menschen eine immens wichtige Rolle spielen, geht es in diesem Sachbuch eben nicht nur darum, wie Hunde möglichst effektiv zu trainieren sind. Vielmehr verdeutlicht die Autorin im Detail, welchen Einfluss auf die Hunde die Verfassung, die Erwartungen (positiv wie negativ) und das Stresslevel der besten Freunde der Hunde, also ihrer Menschen, haben. Das schlägt sich unter anderem darin nieder, dass die Betrachtungen des „du“ (also der das Buch lesenden Hunde-Menschen) deutlich mehr Raum einnehmen als der thematische Schwerpunkt „du und dein Hund“. Das Buch ist deshalb wahrscheinlich auch ein interessanter Ratgeber für stressgetriebene Menschen ohne Hund. Vor allem gefällt mir aber, dass der Ansatz von Engelstädter, bei herausfordernden Hunden auch ihre Menschen deutlich in den Blick zu nehmen, so deutlich formuliert wird; oft genug gilt „nicht der Hund ist das Problem, sondern sein Mensch“, wird aber gern verdrängt. Das Buch ist gut lesbar und anschaulich geschrieben. Negativ aufgefallen sind mir auch die vielen fehlerhaften, den Lesefluss behindernden Satzkonstruktionen, die ein Lektorat eigentlich hätte finden und korrigieren sollen.

Bewertung vom 18.08.2024
Taschler, Judith W.

Nur nachts ist es hell


sehr gut

Beeindruckende Frau, ereignisreiches Leben

Eine äußerst interessante Lebensgeschichte, die mehrere für Österreich (und Deutschland sowie ganz Europa) prägende, dramatische historische Phasen überspannt, wird hier dargestellt. Elisabeth Brugger, eine österreichische Ärztin, die noch in der k.u.k. Monarchie aufwuchs, erzählt Anfang der 1970er Jahre ihre eigene und die Familiengeschichte vor dem Hintergrund der Weltgeschichte.

Um 1895 geboren ist sie die einzige Tochter einer wohlhabenden Familie im Mühlviertel. Weil die Familie Wert auf Bildung legt, kann sie in Wien die Matura machen. Die Möglichkeit, ihren Traumberuf als Ärztin zu leben, muss sie sich aber gegen Widerstände in der Familie erkämpfen, auch an der Universität und von Patient:innen wird Frauen das Leben schwer gemacht. Sie erlebt beide Weltkriege, im 1. Weltkrieg geht sie als Krankenschwester in ein Lazarett, im 2. Weltkrieg führt sie schon ihre eigene Arztpraxis, geht aber nach dem Tod ihres Mannes erneut in ein Feldlazarett. Sowohl die Kriegszeiten als auch die Zwischenkriegszeit durchlebt sie sehr intensiv, auch in ihrer Familie gibt es einige dramatische Entwicklungen. Sie verliert ihren Lieblingsbruder an den Krieg, und den Mann, den sie liebt.

Elisabeth ist eine sehr fortschrittliche und starke Frau, die sich nimmt, was sie will - in ihrer Zeit eher ungewöhnlich. Sie ist als Individuum also durchaus emanzipiert, allerdings keine feministische Kämpferin. Nach dem Klappentext hätte ich hier mehr Substanz erwartet. Auch, was weitere Geschehnisse betrifft, führt der Klappentext meiner Meinung etwas in die Irre.

Die Geschichte ist verpackt in einen vorgeblichen Dialog Elisabeths mit ihrer Großnichte. Tatsächlich handelt es sich aber um einen langen, langen Monolog, weil die angesprochene Zuhörerin nie zu Wort kommt; sie tat mir am Ende fast leid, einem solchen Schwall an Worten ausgesetzt.

Die Erzählung ist stark von Melancholie geprägt, obwohl die Protagonistin Elisabeth durchgängig sehr sachlich schildert, als solle ein Befundbericht erstattet werden. Diese Sachlichkeit gefällt mir sehr gut. Da die Geschehnisse allerdings zum Teil sehr gemächlich ausgeführt werden, tröpfelt die Erzählung an einigen Stellen etwas langatmig vor sich hin und enthält auch Schilderungen, deren Belang sich nicht erschließt. Längen ergeben sich zudem daraus, dass Geschehnisse mehrfach abgehandelt werden, weil in Zeitschleifen erzählt wird, vorwärts, rückwärts, es gibt immer wieder große Sprünge. Letztlich ist auch der etwas antiquiert wirkende sprachliche Ausdruck der Protagonistin nicht ganz meins (das ginge vielleicht auch anders, wenn man sich z.B. die Texte von Irmgard Keun anschaut); es scheint mir aber vorstellbar, dass eine auf die 80 zugehende Frau in den 1970er Jahren so erzählt hätte.

Trotz dieser Kritikpunkte: Alles in allem ein interessantes Buch, in dem Zeitgeschichte verwoben wird mit der persönlichen Geschichte einer starken Person, die - gemessen an dem, was Frauen ihrer Generation durften und konnten - ein ereignisreiches und engagiertes Leben geführt hat.