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wortschätzchen
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Kraichgau

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Insgesamt 46 Bewertungen
Bewertung vom 17.09.2014
Das Blubbern von Glück
Jonsberg, Barry

Das Blubbern von Glück


ausgezeichnet

Mal wieder ein total dämlich übersetzter Titel. „My life as an alphabet“ ist der Originaltitel, also sollte das Buch bei uns doch auch „Mein Leben als Alphabet“ lauten. Das würde auch schon ganz anders auf das Buch einstimmen, denn Candice bekam von ihrer Lehrerin Miss Bamford die Aufgabe, in 26 Absätzen, die die einzelnen Buchstaben des Alphabetes verkörpern, über ihr Leben zu schreiben.

Candice ist kein durchschnittliches Kind. Ihr Leben fordert viel von ihr, aber sie verarbeitet das auf ihre ganz eigene Art. Sie zeigt viele Züge vom Asperger-Syndrom. Nein, Krankheiten und Defizite sind nicht lustig, aber Candice zeigt, dass es immer Grund zur Freude gibt, ganz gleich, wieviele Zitronen das Leben verteilt.

Nach und nach erfährt der Leser, dass die Mutter von Candice krank (Brustkrebe, Depressionen) ist, ihr Vater vom Leben (und seinem Bruder) enttäuscht und der Onkel auf seine Weise über all das hilflos ist. Zudem hatte Candice eine Schwester, die am plötzlichen Kindstod gestorben ist. Candice ist ein Außenseiter, aber sie kommt damit bestens klar und erzählt emotionslos und doch voller Liebe ihre Geschichte so, wie es die Lehrerin wollte – nur fallen ihre Absätze dann doch länger aus als geplant. Das muss so sein, denn Candice ist immer ehrlich und korrekt! Und so wird auch immer alles ganz genau beschrieben, z.B. „Douglas Benson aus einer anderen Dimension“. Niemals ist es einfach nur „Douglas“. Schreiben geht auch prima, nur reden nicht. Deshalb hat sie für „Notfälle“ auch immer einen Notizblock und einen Stift dabei: dann schreibt sie, statt zu reden.

Dass ihre Brieffreundin Denille aus Amerika noch keinen ihrer Briefe beantwortet hat, nimmt Candice ihr nicht übel, sie lässt nämlich jeden so sein, wie er ist. Nur dass Danille gar nichts mit ihr zu tun haben möchte, das ist für Candice völlig unvorstellbar. Ob sie damit Recht hat?

Für Candice steht fest, dass sie alle Menschen um sich herum glücklicher machen möchte. Das ist ihr erklärtes Ziel und dafür nimmt sie auch sehr viel in Kauf.

Candice hat bei mir sofort den Mutterinstinkt geweckt und trotz ihrer manchmal anstrengenden Art wollte ich sie in den Arm nehmen und für sie da sein. Ein klein wenig war auch der Wunsch da, sie bei mir zu haben, um von ihr zu lernen. Ihre Sichtweise finde ich nämlich gar nicht so verkehrt. So schlimm vieles ist, sie bleibt positiv. Das ist eine Eigenschaft, die beneidenswert ist. Zunächst dachte ich, die Zielgruppe würde Candice nicht verstehen, aber ich denke, da habe ich mich geirrt. Kids um 10 verstehen sehr viel mehr, als man ihnen zutrauen mag. Aber ich finde, dieses Buch ist für jedes Alter eine Bereicherung! Barry Jonsberg hat ein wunderschönese Buch geschrieben, das man nicht mehr aus der Hand legen mag und gerne wieder und wieder liest. Alles rundherum ist mit so viel Liebe gemacht, dass ich sicher bin, es erreicht auch die Herzen der Zielgruppe im Flug!

Ich bin jedenfalls froh, dass Candice Phee aus Australien ihren Aufsatz so ausführlich geschrieben hat und finde ihre Idee am Ende des Buches grooooooooßartig! Von mir deshalb fünf blitzeblanke Sterne!

Bewertung vom 14.09.2014
Unter Strom / Rock War Bd.1
Muchamore, Robert

Unter Strom / Rock War Bd.1


gut

Wer weiß, vielleicht ist der erste Band nur ein wenig lahm, weil man die Protagonisten kennenlernt. Aber es sind ja genug Seiten – da hätte doch etwas mehr Spannung aufgebaut werden können. Die Lebensgeschichten (klingt bei Teenies schon arg grotesk, aber mir fällt kein anderer, passender Ausdruck ein) der einzelnen Kids sind sehr unterschiedlich, meist auch wirklich bewegend, aber ein wenig überzeichnet und zu extrem. Man versucht, für einzelne Figuren besondere Sympathien zu entwickeln, aber das klappt am Ende dann doch nicht so richtig.

Der erste Band beschreibt hauptsächlich, wie drei völlig unterschiedliche Protagonisten ihren Platz in einer Band finden. Das läuft bei allen dreien natürlich komplett unterschiedlich ab. Aber am Ende bewerben sie sich alle bei einem Wettkampf, dem „Rock War“ ...

Für meinen Geschmack werden zu viele verschiedene Problematiken auf einmal verarbeitet: Einzelkind, das als Waise bei der kranken Oma aufwächst und diese unterstützen muss, Großfamilie mit zu Aggressionen neigenden Söhnen, autostehlende, kleinkriminelle Jugendliche, reiches Söhnchen, das sein Potenzial nicht nutzt und faul ist, musikbegeisterte Kids, die „entdeckt“ werden wollen, übereifrige Lehrer und Rektoren, die an der falschen Stelle aktiv werden, überforderte Eltern usw.

Insgesamt für die Zielgruppe recht gut geschrieben, aber doch nicht spannend genug, um einen Hype auszulösen, finde ich. Zu viele Längen und Vorgeschichten, zu wenig musikbezogene Action. Gegen Ende dann ein Drama nach dem nächsten – ein wenig zu konstruiert für meinen Geschmack. Straftaten werden als „notwendig“ hingestellt und der „Rock War“ findet eindeutig frühestens im zweiten Band statt. Für mich bleibt es beim ersten Band. Interesse für den zweiten wurde bei mir nicht geweckt. Und ob dieses Buch „pädagogisch wertvoll“ ist, wage ich auch zu bezweifeln. Somit von mir drei Sterne!

Bewertung vom 11.09.2014
Mein Gott, Wanda, 1 MP3-CD
Herwig, Ulrike

Mein Gott, Wanda, 1 MP3-CD


sehr gut

Wanda, frische 63, hat ihren Teeladen verkauft und möchte ihren Ruhestand genießen, kann aber doch nicht so ganz loslassen. Deshalb geht sie nach wie vor jeden Morgen in den Teeladen und nervt den neuen Besitzer. Ihre Freundinnen haben tausend Ideen für sie, aber Wanda kann sich nicht so recht für alles begeistern. Da lädt Bertram, der attraktive Rentner, der auch immer bei ihr Tee gekauft hat, sie zu einer Australienreise ein. Wanda ist hin- und hergerissen, nimmt aber an. Doch da kommt der Anruf ihres Sohnes – er hat sich beim Snowboarden den Fuß gebrochen und fällt für drei Monate aus. Mama Wanda soll doch bitte so nebenher nach seinem Fitness-Studio sehen.

Wanda sagt schweren Herzens die Reise ab und wagt sich in die Mucki-Bude. Dort stellt sie fest, dass ihr Sohn weniger als Null Geschäftssinn hat und der Laden hart an der Grenze zur Insolvenz steht. Jeder macht, was er will, keiner zahlt Beiträge, alle bedienen sich einfach so an Getränken und Snacks. So geht das nicht, findet Wanda. Und schon steckt sie Hals über Kopf im Kampf um das „Herkules“. Aber Wanda ist ja auch nicht allein – die „Armee“ aus Rentnern, die jetzt Senioren heißen, Gartenzwergen, die so manchen Rentner überragen, schwerhörigen Nachbarn, die mehr auf dem Kasten haben, als Wanda je gedacht hätte, Hells-Angels-Mitgliedern, die gar keine sind und Freundinnen, die manchmal schon eine Plage sein können und der Kraft des zweiten Frühlings lassen das ruhige Rentnerdasein, das sie geplant hatte, zu einem turbolenten Abenteuer werden!

Ulrike Herwig hat ein witziges Buch geschrieben, das für alle Generationen interessant und unterhaltsam ist. Es zeigt den Rentnern, dass sie nur so alt sind, wie sie sich selbst machen – und es zeigt den jungen Leuten, dass ältere Menschen nicht automatisch dumm sind! Miteinander kommt man am weitesten.

Nadine Nollau hat der Geschichte eine wunderbare Stimme gegeben und auch die einzelnen Protagonisten herrlich herausgearbeitet. Besonders witzig fand ich ihre „Otto-Stimme“. Auch wenn sehr vieles vorhersehbar war, fand ich das Hörbuch doch super witzig und habe es sehr genossen. So viele irre Sprüche wie „Turnen füllt Urnen!“ oder „Sixty is the new Sexy!“, die Komplimente von Wandas neuem Freund, der sie ständig mit Gebäuden vergleicht, Marianne, die sich einfach alles zurechtträumt – ich habe mich seeeeeeeeehr amüsiert! Das haben auch die anderen Badegäste im Schwimmbad gemerkt, denn ich musste ständig grinsen und/oder kichern (lautes Auflachen konnte ich gerade noch so unterdrücken), während ich meine Bahnen zog und dem Hörbuch mit dem wasserdichten MP3-Player lauschte.

Ich hatte Spaß, auch wenn die Story nicht besonders anspruchsvoll und überraschend war, aber gut war sie auf alle Fälle. Von daher von mir vier Sterne für dieses Hörbuch!

Bewertung vom 08.09.2014
Dein eines, wildes, kostbares Leben
Kirby, Jessi

Dein eines, wildes, kostbares Leben


ausgezeichnet

Parker Frost ist im letzten Highschooljahr, 17 Jahre und Hilfskraft des Englischlehrers Mr Kinney. Dieser lässt jedes Jahr die Schüler seiner Abschlussklassen in einem Notizbuch festhalten, was sie mit ihrem einen, wilden, kostbaren Leben anfangen wollen, bewahrt diese Bücher dann zehn Jahre auf und schickt sie ihnen dann zu, damit sie sehen können, was in diesen zehn Jahren aus ihrem Plan geworden ist. Parker ist in iher Funktion als Hilfskraft dafür zuständig, die aktuellen Adressen herauszufinden und die Bücher loszuschicken. Dabei stößt sie auf das Notizbuch von Julianna Farnetti. Das ist für Parker ein Schock – Julianna ist mit ihrem Freund Shane Cruz in der Nacht des Abschlussballes verunglückt. Ihre Leichen wurden nie gefunden. Man vermutet, sie sind im See, der unter der Oberfläche wie eine Sanduhr ist, ertrunken. Parker entschließt sich, das Notizbuch zu öffnen und zu lesen und erkennt bald, dass sie ein völlig falsches Bild von Julianna und Shane hatte – wie die ganze Stadt auch. Sie kommt einem Geheimnis auf die Spur und beschließt, das Rätsel zu lösen. Dabei überschreitet sie Grenzen und verändert sich. Sie begibt sich auf eine Reise, nach der alles anders sein wird, als es bis dahin war.

Jessi Kirby hat es geschafft, eine wunderbare Geschichte über das Erwachsenwerden und Sich-selbst-finden zu schreiben, die sich wunderbar leicht liest, aber lange nachhallt. Die Charaktere sind ohne ausschweifende Erklärungen und Beschreibungen so umrissen, dass sie der Leser mit seiner eigenen Phantasie ausarbeiten kann und junge Leser ganz sicher Ähnlichkeiten mit sich selbst und Mitschülern in diesem Alter finden werden. Die Autorin zeigt die Ängste und Kämpfe von Teenagern und auch deren Eltern sehr gut auf, aber auch, dass Teenager ihren Weg selbst finden dürfen müssen und man ihnen nicht alles vorschreiben darf. Sie zeigt auch, dass man sehr oft ein völlig falsches Bild von anderen hat und auch, wie es entsteht. Trotz allem ist in keiner Zeile der moralisch erhobene Zeigefinger zu sehen, aber unbeschreiblich viel Liebe zum Leben.

Ich gehöre vom Alter her zur Generation, die Parker Frosts Mutter sein könnte. Trotzdem hat Jessi Kirby es geschafft, mich mit Parker zu identifizieren. Insofern hat sie mich wirklich verzaubert und auf die Reise von Parker, Kat und Trevor mitgenommen. Das ist eine großartige Leistung!

Es gibt ein paar Wendungen, die den Spannungsbogen immer wieder hochschnallen lassen und mit denen ich so nicht gerechnet hätte, die ich aber sehr erfreulich fand. Nichts ist mit Mühe konstruiert und das Ende ist kein bißchen überzuckert.

Sehr schön herausgearbeitet ist, dass Teenager total unterschiedlich sind, aber so ziemlich alle die exakt identischen Ängste, Sorgen und Probleme haben. Allerdings gehen sie eben alle unterschiedlich damit um. Die einen wachsen daran, die anderen resignieren. Es gibt selten eine Patentlösung und auch Eltern machen Fehler.

Von mir fünf Sterne für ein Jugendbuch, das mir als Erwachsener auch extrem viel gegeben hat und das ganz sicher der Zielgruppe auf positive Weise zu denken gibt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.09.2014
Winterkrieg
Teir, Philip

Winterkrieg


gut

Finnland – Familie Paul und ihre kleinen und großen Krisen.
Max Paul, erfolgreicher Soziolog, Autor und Professor, beginnt eine Affaire mit einer ehemaligen Studentin, die jetzt Journalistin ist und ihn interviewte.
Seine Tochter Helen in einer typischen, völlig normalen Ehe, zwei Kinder, Beruf (Lehrerin), aber unzufrieden und sie hat sich selbst verloren.
Seine Tochter Eva, bald 30 und noch nicht ihren Platz im Leben gefunden, unter Erfolgsstress und ohne Ziel, fängt ein Kunststudium an und hat ein Verhältnis mit ihrem Professor und wird schwanger.
Seine Frau Katriina stürzt sich in Arbeit – beruflich und privat und wünscht sich eine neue Küche.
Helen und Katriina sind etwas zurückgezogener, Max und Eva aktiver, mehr kämpfend (obwohl das nicht so richtig der passende Ausdruck ist).

Insgesamt alles total banal. Man erfährt keine weltbewegenden Gedanken oder Lösungen, es plätschert alles spannungslos dahin – und doch liest sich „Winterkrieg“ unfassbar gut und flüssig. So lässt mich das Buch komplett ratlos zurück. Was soll ich nun davon halten? Es war irgendwie langweilig, aber trotzdem habe ich es bis zum Ende gelesen und nicht weggelegt. Noch dazu habe ich es in einem Tempo gelesen, das mich erstaunt. Okay, hin und wieder gab es kleine Highlights, die mich amüsiert haben, aber eigentlich reißen die es dann doch nicht wirklich raus.

Gespickt wird die Story noch mit Ansichten über Emanzipation und Feminismus, die englische (londoner) Kunstszene, die Occupy-Bewegung, Kapitalismus usw. Und natürlich kommt auch noch der Nazionalsozialismus kurz vor. Am Rande noch die im Altersheim lebende Mutter, die man nur sehr sporadisch besucht, aber gern als Alibi fürs Schäferstündchen nutzt. Klischeés ohne Ende also.

Die einzelnen Protagonisten haben sich gar nicht groß voneinander unterschieden. Mag sein, dass dies Absicht war: sie sind ja miteinander verwandt. Aber trotzdem – das macht alles so farblos und zum Einheitsbrei. Es fehlt einfach der Tiefgang. Man sympathisiert mit keiner einzigen Figur, schaut nur unbeteiligt dabei zu, wie diese Finnische Familie aneinander vorbei lebt und sich Probleme schafft, wo keine waren. Soll uns „Winterkrieg“ zeigen, wie gut es uns geht und welche Wohlstandsprobleme wir haben? Dass es anderswo echte Probleme gibt? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich mich frage, ob auch ich in Ansätzen so oberflächlich bin – ich hoffe es nicht!

Nach endlosem Geschwafel kommt das Ende des Buches dann sehr kurzfristig und ohne echten Abschluss. Wirklich Sinn hat am Ende nichts gemacht und das ist dann reichlich unbefriedigend.

Wie im historischen Winterkrieg zwischen Finnland und Russland 1939/1940 gibt es auch im Winterkrieg der Familie Paul keinen Gewinner, aber auch keinen Verlierer. Krieg ist immer sinnlos – so auch hier.

Fazit: drei Sterne, denn schlecht war es ja nicht, aber auch kein Buch, das ich auf den Bestsellerlisten sehe.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.08.2014
Ein Mann namens Ove
Backman, Fredrik

Ein Mann namens Ove


ausgezeichnet

Ove ist ein kleiner „Siedlungs-Sheriff“ und fährt sofort aus der Haut, wenn jemand die „Regeln“ nicht einhält. Ganz besonders heftig reagiert er darauf, wenn sich die Leute nicht daran halten, dass sie in der Siedlung nicht autofahren dürfen. Man hat gefälligst das Auto auf dem dafür vorgesehenen Parkplatz abzustellen und in die Siedlung zu Fuß zu gehen! Da interessiert es ihn auch nicht, dass neben ihm eine hochschwangere Frau mit zwei kleinen Mädchen und ihrem Mann einziehen möchte. Er dreht fast durch, weil dieser Trottel nicht rückwärts einparken kann mit Hänger und nimmt die Sache einfach selbst in die Hand. Doch die Hochschwangere, Parvaneh, lässt sich von Ove kein bißchen beeindrucken und schon gar nicht erschrecken. Sie und die Katze, die immer wieder bei Ove auftaucht, erreichen nach und nach sein Herz.

Fredrik Backman schreibt herrlich frech und liebevoll, humorvoll und herzlich, federleicht und tiefgründig – alles in einem. Er lässt uns zunächst über Ove den Kopf schütteln, nur im ihn dann ganz tief in unsere Herzen zu lassen. Übertriebene Vorschriften und Regeln? Kontrollzwang? Festgefahrene Überzeugungen? Stocksteife Rituale und Zwangshandlungen? Macht nix – Hauptsache, Ove ist da! Ganz so schräg sind seine Aktionen bei näherer Betrachtung gar nicht. Besonders dann nicht, wenn man mehr über ihn erfährt: über seine Kindheit, seine Jugend, sein Arbeits- und Berufsleben, sein ewiger Kampf gegen Ungerechtigkeit. Und besonders: über seine große Liebe zu seiner Frau Sonja und was sie ihm bedeutet hat, wie sehr er um sie trauert und wie unvollständig er sich ohne sie fühlt.

Backman lässt uns und die anderen Protagonisten im Buch den Blickwinkel ganz allmählich ändern und Ove verstehen lernen. Ganz ohne moralisch erhobenen Zeigefinger legt er uns doch nahe, alles einmal mit anderen Augen zu betrachten. Und er zeigt uns, dass man sich dabei gar nicht gegenseitig erdrücken muss, sondern auch mit Respekt eine Form von Liebe leben kann. Und die Fangemeinde von Ove wächst in der Siedlung heimlich und unmerklich an. Ich werde das Gefühl nicht los, dass das auch bei den Lesern so sein wird.

Der Stil ist herrlich frisch und unverbraucht, lässt den Leser immer wieder lachen und die Umwelt mit Zitaten belästigen, macht aus Übertreibungen ganz logische Fakten und zwingt den Leser nahezu, das Buch zu verschlingen.

Mir gefällt sehr, wie der Autor für jedes nummerierte Kapitel eine Überschrift gewählt hat, die mit „Ein Mann namens Ove ...“ beginnt und einen Hinweis auf den Inhalt, der folgt, gibt. Auch die letzten Sätze jedes Kapitels sind besondere Bonbons: fast immer sind es kurze, einzelne Sätze, die betonen, dass Ove mal wieder im Recht war, obwohl es vorher keiner glauben wollte.

Es ist schwer, nicht das komplette Buch nacherzählen zu wollen, wenn man über „Ein Mann namens Ove“ spricht. Es beinhaltet so viel Liebe und Weisheit – da läuft mir das Herz über!

Ich habe mit Ove gelacht und geweint. Ove hat mich sehr beeindruckt und auch verändert. Dieses Buch wird immer einen Ehrenplatz bei mir haben und ist jetzt schon das nicht mehr einzuholende Highlight meines Lesejahres! Ganz sicher wird es viele Leser geben, die Ove nicht mögen werden – aber ich liebe ihn!

Mir persönlich hat er auch noch zusätzlich bei meiner eigenen Trauer ein kleines Stückchen helfen können. Er hat mir wieder gezeigt, dass ein Mensch nie wirklich weg ist, wenn er stirbt, und ganz viel von ihm dableibt – wenn man an ihn denkt und anderen Menschen von ihm erzählen kann.

Auch Parvaneh, Jimmy, Patrick, Mirsad, Anita, Rune, Adrian, die Mädchen und besonders Sonja sind mir ans Herz gewachsen. Das ist eine Nachbarschaft, die sich wohl jeder wünschen würde!

Bleibt zu hoffen, dass Fredrik Backman noch viele Ideen für weitere Bücher hat, denn sein Stil ist bezaubernd und bringt ein wenig Sonne in jeden trüben Alltag. Er hat bewiesen, dass nordische Bücher nicht unbedingt dunkel und düster sein müssen und man auch in Schweden sonnige Tage

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.08.2014
Unterwegs mit Hector
Ortiz, Álvaro

Unterwegs mit Hector


weniger gut

Polly, Moho und Piter waren mal die besten Freunde, haben sich aber aus den Augen verloren. Ihr gemeinsamer Freund Hector ist verstorben und wurde eingeäschert. Sein letzter Wunsch: die Freunde sollen seine Asche an einen Ort bringen, den er mit einem X auf einer Landkarte markiert hat. Die drei, alle völlige Chaoten, jeder mit seinem eigenen Problem machen sich auf den Weg und stolpern von einem Problem ins nächste. Verfolgt werden sie noch dazu von zwei zwielichtigen Gestalten. Am Ende steht eine völlig unerwartete Überraschung ....

Die Story hätte sicher toll sein können, wäre sie nicht so laaaaaaaaaaaangweilig erzählt. Die Bilder - ich finde da keine echte Kunst. Auch nicht mit der Verpackung "minimalistisch" oder welch hochtrabendem Attribut auch immer. Schlichte Zeichnungen, ohne Herzblut, Charaktere ohne Tiefgang, Klischeés bis zum Abwinken. Noch dazu Rückblenden, die den "Lese"-Fluss immer wieder bremsen, Zwischenspiele, die keinen Sinn machen und Situationen, die echt mal sowas von daneben sind. Gut gefallen haben mir die Einschübe über die Geschichte der Kremation. Aber der Rest ... naja. Ich lese seit Jahren keine Comics mehr, aber ab und an Graphic Novels. Und ich muss sagen, für mich ist "Unterwegs mit Hector" eher Comic denn Graphic Novel. Dafür fehlt einfach zu viel.

Irgendwie hätte ich mehr Richtung "Immer Ärger mit Harry" erwartet. Selbst dieser Klamauk hatte mehr Tiefgang und mehr Sinn. Schade, denn die Grundidee ist gar nicht so übel.

Bleiben von meiner Warte aus leider nur zwei Sterne.

Bewertung vom 10.08.2014
Leide! / Sabrina Lampe Bd.1
Langer, Siegfried

Leide! / Sabrina Lampe Bd.1


sehr gut

Sabrina Lampe ist klein, blond und gutmütig. Sie verdient den Unterhalt für sich und ihre Tochter als alleinerziehende Mutter als Privatdetektivin hauptsächlich durch Observierungen untreuer Ehemänner und als Ladendetektivin. In beiden ist sie sehr erfolgreich - aber nicht unbedingt beliebt ....! Sie bekommt Drohbriefe, die sie fein säuberlich abheftet, aber nicht allzu ernst nimmt. Als die "sehr spezielle" Nachbarin Schimmelpfeng sie beauftragt, nach ihrem Neffen (der zufälligerweise monatlich Finanzspritzen liefert) zu sehen, der seit Wochen verschwunden ist, fällt ihr nicht rechtzeitig eine Ausrede ein und so kümmert sie sich tatsächlich darum. Und ahnt nicht, wie weit das führen wird ...

Siegfried Langer hat mich schon mit "Sterbenswort" immens beeindruckt. "Leide!" führt diesen Eindruck noch fort. Auch wenn ein paar Kritikpunkte auftauchen und ich einen Stern abziehe, bin ich total begeistert vom Serienstart - denn es werden noch weitere Fälle für Sabrina und Niklas folgen. Ich bin mir sicher, dann erfährt der Leser auch mehr von Niklas, der im ersten Band nur eine Randfigur war und von dem ich sehr gern mehr erfahren möchte. Sabrina selbst ist eine Frau, die man gern als Nachbarin hätte. Die Schimmelpfeng allerdings dann definitiv nicht!

Ja, es fällt gleich auf: in "Leide!" findet man Protagonisten, die man mag und andere, die man nicht leiden kann. Genau das muss ein Autor schaffen! Auch wenn ich die Motivation einiger Personen nicht verstehe und mir da mehr Info gewünscht hätte, bin ich sehr begeistert, wie individuell Langer die Protagonisten erschaffen hat. Jede Person hat ihre eigene Tiefe und man hat als Leser keine Probleme, das Kopfkino anzuwerfen und alle bildlich vor Augen zu haben. Trotzdem verliert sich Langer nicht in endlosen Beschreibungen. Im Gegenteil: mit wenigen Pinselstrichen nehmen die Figuren im Kopf Form an. Prima! Allerdings fehlen mir bei einigen Personen dann doch Infos, warum sie so handeln, wie sie handeln.

In einem großen Bogen schließt sich am Ende der Kreis. Das ist super gut gelungen, auch wenn - wie bereits erwähnt - ein paar Lücken übrig bleiben, die ich gern geschlossen hätte.

Man muss beim Lesen sehr genau aufpassen, in welchem Faden man gerade ist: Langer wechselt die Zeiten mehrfach. Anfang Juni, Ende Mai, eine länger zurückliegende Vergangenheit, Pfingsten, Mitte Mai, kurz nach Pfingsten - der Wechsel ist quasi in jedem Kapitel. Außerdem wechselt der Handlungsort vom Hauptort Berlin auch nach Hamburg und Rügen. Man muss also gut aufpassen, wann und wo man sich gerade befindet! Die Kapitel sind kurz, aber unterhaltsam. Der Lesefluss wird nicht gestört, weil man einfach nicht aufhören kann zu lesen. Immer neue skurrile Figuren, immer neue witzige Momente - ein Krimi, der spannend und zugleich witzig ist! Mir hat das wirklich extrem gut gefallen!

Trotzdem bleibe ich dabei und gebe vier statt fünf Sterne, da ich mir sicher bin, diese Serie ist ausbaufähig und steigert sich noch. Dann kommt auch der fünfte Stern dazu!

Vom mir von daher trotz "meckern auf hohem Niveau" eine absolute Leseempfehlung für Thrillerfans mit Humor!