“Sobald wir angekommen sind” von Micha Lewinsky ist so ein Buch, bei dem ich nach dem Lesen nicht weiß, ob es mir gefällt oder nicht.
Ben ist ein eins gefeierter Autor, der nach seinem Debüt kein weiteres Werk zustande bringt. Außerdem steckt er gerade mitten in der Scheidung von der Mutter seiner beiden Kinder und in einer Liebesbeziehung mit einer erfolgreichen Künstlerin. Neben dieser ohnehin angespannten Situation belastet ihn der Krieg zwischen Russland und der Ukraine so sehr, dass er den Atomkrieg kommen sieht und mit Frau und Kindern nach Brasilien flieht.
Die Themenwahl hat mir sehr gut gefallen. Ben ist Jude und kämpft stark mit dem Generationentrauma, das sich bei ihm immer wieder in Form von Angst und Panik zeigt. Micha Lewinsky macht dieses komplexe Thema in seinem Roman sehr greifbar. Die Geschichte von Bens Familie gibt Einblicke in eine Geschichte, die ich nur aus Geschichtsbüchern kenne. Trotz des ernsten Themas bleibt Lewsinky durch seine humorvolle Art locker und baut mit der Flucht und der Beziehung zu den beiden Frauen einen Spannungsbogen auf, der mich durch das Buch gezogen hat.
Was mich davon abhält, das Buch wirklich gut zu finden, ist besagter Humor. Ich finde es einfach nicht lustig, wenn ein ‘Verlierertyp’ falsche Entscheidungen trifft und damit vor die Wand fährt. Da muss ich immer an diese Bananenausrutscher-Sketche denken. Ben ist ein Typ, bei dem einfach nichts so klappt, wie es soll und der meistens auch nicht weiß, was er eigentlich will. Solche Figuren finde ich meistens nervig und eintönig.
Wenn man diese Art von Humor und Leichtigkeit mag, kann ich das Buch empfehlen. Das Thema und der Schreibstil sind durchaus gelungen.
Puh, what a ride. In Die Sache mit Rachel, übersetzt von Christian Lux, schreibt Caroline ODonoghue über das Erwachsenwerden, Freundschaft und die erste große Liebe. Aber irgendwie auch über so viel mehr. Die 21-jährige Rachel lebt zusammen mit ihrer Familie im irischen Cork, studiert Anglistik und jobbt in einer Buchhandlung. Dort lernt sie den charismatischen James kennen, mit dem sie eine intensive Freundschaft eingeht. Das Besondere an diesem Roman ist sein Setting. Die Geschichte spielt in Irland im Jahr 2010, kurz nach der großen Finanzkrise. Immer wieder greift die Autorin die allgemeine Stimmung dieser Zeit auf und lässt sie geschickt in den Roman einfließen. Ein weiteres zentrales Thema ist die Sexualaufklärung und das Abtreibungsverbot in Irland. Ähnlich wie die wirtschaftliche Situation in Irland wird dieses Thema immer wieder hintergründig aufgegriffen und beeinflusst die Handlung im Nachhinein mehr, als man beim Lesen denkt. Diese beiden Aspekte und die Ausarbeitung der Figur Rachel fand ich super stark. Was mir allerdings gefehlt hat, war etwas zum Thema Freundschaft. Über James erfährt man immer wieder etwas, aber nie wirklich viel. Auch die Freundschaft der beiden wird immer wieder angerissen, aber nie besonders tief. Ich hätte gerne mehr über die beiden zusammen erfahren. Der Schreibstil von Caroline ODonoghue hat mir sehr gut gefallen. Sie schreibt sehr direkt und manchmal auch etwas derb, was mich beim Lesen aber nicht gestört hat. Die Sätze sind klar strukturiert und haben eine angenehme Länge. Es hat wirklich Spaß gemacht, das Buch zu lesen. Für mich war es teilweise eine lehrreiche, aber auch spannende Lektüre. Auch das Cover ist ein absoluter Eye-Catcher, bei dem sich viel Mühe gegeben wurde. Der Einsatz der CMYK-Farben ist auffällig und selten. Wer Lust auf eine Coming-of-Age Geschichte aus Irland hat, wird sich über dieses Buch freuen. Das Buch bekommt von mir eine gute 3,5 von 5.
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