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marcialoup

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Insgesamt 148 Bewertungen
Bewertung vom 25.05.2025
Peters, Amanda

Beeren pflücken


ausgezeichnet

Geschichte nicht so intensiv wie die Blaubeeren auf dem Cover

Die vierjährige Ruthie und ihre Familie verbringen ihre Sommer regelmäßig mit Blaubeeren pflücken in Maine, als Ruthie eines Tages spurlos verschwindet und das Leben ihrer Familie dadurch zerstört wird.
Rückblickend betrachtet erzählt Joe, ihr Bruder, die Geschichte aus seinem Erleben heraus während er auf dem Sterbebett die Gedanken endlich losläßt.

Ruthie dagegen verkörpert in Norma ein Mädchen, dass bei Eltern groß wird, bei denen sie sich zunehmend unwohl fühlt. Sie beginnt das Warum zu hinterfragen, bekommt aber keine Antworten… Gequält durch Träume, in denen immer wieder eine andere Frau als ihre Mutter auftaucht und Flashback-Erinnerungen an früheste Kindheit aufblitzen lassen, die nicht mit Fotos oder Geschichten „ihrer“ Eltern zusammenpassen, lassen Norma keine Ruhe.
Spannend, dass Norma eine fiktive Seelenfreundin namens Ruthie hat…
Auch ihre dunklere Hautfarbe wirft Fragen auf und läßt Zugehörigkeit schwinden.

Joe’s Geschichte empfinde ich als etwas zu langatmig und irgendwie ereignislos dargestellt, während ich die Kapitel um Norma alias Ruthie verschlungen habe.
Die Geschichte um das indigene Volk der Mi’kmaq, denen Joe und Ruthie angehören, ist eher mager eingearbeitet.
Das Ende geht einem zu Herzen, jedoch entwickelt es sich auf wenigen Seiten viel zu schnell und läßt wenig Raum zum Atmen.
Man hätte sicher etwas mehr aus allen Protagonisten herausholen können, das Potential dazu hat die Geschichte jedenfalls!

Der Roman hat mich nicht wirklich intensiv berührt.
Dafür ist das Cover appetitlich und hat mich erste leckere, knackig-süße Blaubeeren als Begleitung zur Lektüre naschen lassen!

Bewertung vom 25.05.2025
Armstrong, Tammy

Pearly Everlasting


gut

Rustikale Geschichte eines Mädchens, das mit einem Bärenbaby aufwächst

In diesem Roman hatte ich eine dichte Atmophäre erwartet, die den Leser tief in die Wälder Kanadas entführt. Am Anfang geht man auch mit auf die Reise in die 1930er Jahre. Irgendwie sind die Landschaftsbeschreibungen auch vorhanden und insgesamt mit guter Wortwahl bestückt, jedoch ist die Geschichte im Verlauf nicht so ergreifend wie gedacht. Die Figuren sind zwar sofort da, sie schwimmen aber zu sehr an der Oberfläche.

Die Geschichte des Mädchens Pearly Everlasting wird erzählt, sie wohnt mit ihren Eltern und ihrer Schwester Ivy in einem Holzfällercamp. Ihr Vater bringt kurz nach Pearly’s Geburt ein Bärenbaby mit nach Hause, das innerhalb kürzester Zeit wie ein Bruder für Pearly wird. Und fortan sind die beiden unzertrennlich. Das wird noch intensiviert, nachdem Ivy und Pearly’s Mutter sterben.
Doch eines Tages werden sie grausam getrennt, denn Bruno, der Bär, hätte angeblich einen Arbeiter des Camps getötet. Daraufhin wird Bruno weggebracht. Pearly weiß, dass Bruno das nicht getan hat und begibt sich auf die Suche nach ihm. Was sie dabei erlebt, wird auf gleiche unaufgeregte Weise erzählt, so fließt der Roman plätschernd durch die Seiten ohne echte Spannungsmomente aufzubauen.

Den Charme, den man bei einer Geschichte eines kleinen Mädchens, das mit einem Bärenbaby aufwächst, erwartet, hat dieser diogenes-Roman leider nicht. Die Geschichte bleibt eher rustikal, burschikos, ein bißchen zäh im Fortgang, bildet aber das raue Leben in der Wildnis in einem Holzfällercamp gut ab.

Das Cover gefällt mir gut. Bruno, mit den kühlen Farbtönen im Hintergrund, lassen auf die rustikale Geschichte schließen. Das Buch selbst ist in klassischem, leinenüberzogenem Hardcover-Einband in waldgrüner Farbe passend zum Inhalt ausgestattet.

Bewertung vom 25.05.2025
Suter, Martin

Wut und Liebe


ausgezeichnet

Komplexes Liebesdrama

Martin Suter nimmt uns mit in die Beziehung von Noah und Camilla und in ihre Leiden und Unzufriedenheiten, die große Auswirkungen auf ihre Lebensgestaltung haben.

Camilla, in den Dreißigern und Buchhalterin, ist eine kühle, berechnende Frau, die Kopf vor Herz entscheiden lässt und sich in Oberflächlichkeiten verliert. Sie möchte sich von Noah trennen, denn sie „liebt das Leben mit ihm nicht“...
Noah, malender Künstler ohne regelmäßiges Einkommen, hat viel Herz im Spiel und seine Emotionen laufen über wenn es um Camilla geht.
Nach der Trennung trifft er die alte Dame Betty, auch mit Liebeskummer… und plötzlich verquirlen sich ihre Leben und Begegnungen in zufälligen Bahnen, die Martin Suter geschickt und überraschend wendungsreich miteinander verknüpft und ausschmückt, so dass man staunen kann, wie verwoben doch alles sein kann…

Dialogreiche Gespräche vertiefen die Charaktere und man kommt ihnen sehr nah.
Wut spürt man bei dem liebenswerten Noah, während man die eigene Wut gern auf Camilla projiziert ohne zunächst zu wissen, wie viel Wut man noch auf andere Protagonisten übertragen könnte... Ohne Liebe gäbe es diese Wut jedoch nicht und sie reist von einem zum nächsten!

Martin Suter hat ein interessant verschachteltes Konstrukt erbaut, dessen klugen Sätze man gern liest und dem man gebannt durch die Seiten folgt. Gute und spannende Unterhaltung ist bestens gewährleistet!

Bewertung vom 18.05.2025
Ben Saoud, Amira

Schweben


weniger gut

Schwebende Dystopie

Sasha lebt in der Siedlung. Die Siedlung die niemand verlässt, weil „draußen“ die Welt anders ist. Der Klimawandel ist vorbei, die Menschen, die überlebt haben, leben abgeschottet und untypisch. Sasha hat zum ersten Mal jemanden umgebracht, irgendwie…
Und dann schwenkt die Geschichte zu der namenlosen Frau, die ihr Geld damit verdient, in die Rolle anderer Frauen zu schlüpfen, die es nicht mehr gibt. Sie ersetzt Ehefrauen, Töchter, Schwestern, und imitiert diese für die Hinterbliebenen. Aktuell ist sie Ona, eine arme heruntergekommene Frau, die sich nun in Emma verwandeln muß, die das komplette Gegenteil von Ona ist. Bei diesem Auftrag, sich in Emma zu verwandeln, die die Siedlung angeblich verlassen hat, stößt sie auf Ungereimtheiten in der Beziehung zu Gil, Emma’s Mann, und betritt gefährliches Fahrwasser.
Und wer ist nun Sasha?

Ein dystopischer Roman dessen Cover im genauen Gegenteil erscheint. Die Farben und die Titelschrift versetzen einen eher in die Zeit der 1970er Jahre, fast wie ein erstes karges Computerspiel… Andererseits strahlt es auch eine gewissen Endzeitstimmung in leuchtenden Orangetönen aus!
Mir gefällt das Cover sehr gut, es hat etwas Ungreifbares. Aber der Roman selbst bleibt leider auch irgendwie ungreifbar. Er ist gar nicht so dystopisch wie zunächst gedacht, er hinterfragt Beziehungen und ihre Muster, Abhängigkeiten und Innenleben. Trotzdem sehr distanziert und mir fehlt eine gewisse Tiefe, die auf den wenigen Seiten sicher nicht so leicht herzustellen war, oder, wie es mir scheint, bewußt so gehalten wurde, damit der Leser sich selbst damit auseinandersetzen kann.
Mir hat der Roman leider nicht so gut gefallen!

Bewertung vom 18.05.2025
Moriarty, Liane

Vorsehung


sehr gut

Tod oder Leben?

Eine alte Dame geht durch die Reihen eines Flugzeuges und sagt den Passagieren voraus, wann sie an welcher Krankheit sterben werden. Bis die Passagiere verstehen, was passiert, ist es schon passiert. Ausgesprochen und Fakt!
Wirklich Fakt?
Werden die Prophezeihungen wirklich eintreten?
Das Leben der Passagiere verändert sich maßgeblich, beeinflusst durch dieses Wissen verläuft es anders als geplant.
Durch die VORSEHUNG der alten Dame, die etwas unerwartet Schreckliches frei gelassen hat, herrscht untereinander Verbundenheit auch über die Flugreise hinaus.
Werden sie wirklich so sterben?
Manchen von ihnen wurde kein langes Leben vorhergesagt, so stünden sie schon kurz vor ihrem Tod…

Liane Moriarty hat in ihrem Roman vielen Protagonisten ein Leben gegeben. Erstaunlicherweise ist es keineswegs schwierig, alle zu verfolgen, denn sie alle lernen wir während des Fluges auf besondere Weise kennen, indem die Autorin sie auf einprägsame Art vorstellt. Es ist mutig von der Autorin, den Anfang des Buches so anders zu gestalten. Dadurch erscheint der Roman zu Beginn etwas außergewöhnlich – bitte von der anfänglichen Schreibweise nicht abschrecken lassen, es hat seinen Sinn und fließt über in eine normale Erzählform!
Die Kapitel wechseln zwischen den Passagieren, deren Leben (oder Sterben) man nach dem Flug weiter verfolgt, und der alten Dame, Cherry heißt sie … Durch ihre Lebensgeschichte entblättert sich nach und nach ihr Geheimnis und sie interagiert auch mit uns Lesern, indem sie uns direkt anspricht!

Liane Moriarty beweist ihr Können, einen seitenstarken Roman mit heikler Thematik spannend und detailliert auszuarbeiten ohne langatmig zu werden. Auch wenn das Thema Tod vorherrschend zu sein scheint, geht es doch hauptsächlich um Leben!

Das Cover gefällt mir außerordentlich gut – ich liebe diese farbspielenden Blautöne und Schmetterlinge sind meine Krafttiere!

Bewertung vom 01.05.2025
Pauss, Julia

Hide Me / Kodiak Echoes Bd.1


gut

Ein kleiner Ort in Alaska und seine Geheimnisse

Eine fesselnde Romantasy erwartet uns in Kodiak Echoes, die uns in den ersten beiden Dritteln des Buches mit moderater Spannung bei Laune hält, um uns im letzten Drittel atemlos von Seite zu Seite huschen zu lassen.

Blair Gallagher alias Brynn Callahan lebt als Software-Entwicklerin ein aktives Großstadtleben und wird durch ein Verbrechen in der Firma plötzlich in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen, das sie in einen kleinen abgelegenen Ort namens Echo Coves in Alaska verbannt. Zunächst macht es ihr zu schaffen, dass sie niemandem die Wahrheit sagen darf und als angebliche Geologie-Studentin in Echo Coves forscht und nebenbei im einzigen Café jobbt. Die Einwohner machen es ihr ebenfalls nicht leicht, Fuß zu fassen, fallen durch merkwürdiges Verhalten auf, und ihren direkten Nachbarn Archer findet Blair anfangs ziemlich uncharmant und so furcheinflößend wie ein Bär. Und ja, mit Bären hat man in Kodiak auch viel zu tun.
Einsamkeit und schlimme Erinnerungen plagen Blair. Echo Coves dagegen wird von einem Mord geplagt, der länger zurückliegt und die Einwohner mit Geheimnissen behaftet.
Blair kommt oft in Bedrängnis auch gefährlicher Begebenheiten und hat wie durch Zufall immer den gleichen Retter in ihrer Nähe.
Die erzählende Sichtweise wechselt zwischen Blair und Archer, die beide auf ihre Art sympathisch sind.
Mit wenigen Worten erfährt man etwas über das indigene Volk der Alutiiq, die in dieser Region ihre Heimat haben. Die Kulisse Alaska’s drapiert die Geschichte mit der nötigen Würze.
Auch wenn die Entwicklung der Spannung oft vorhersehrbar ist, verweben sich später Ungereimtheiten anders als gedacht und lassen Überraschungen zur Auflösung zu.

Das dunkel-waldige Cover zeigt die Undurchdringlichkeit, die wie für Geheimnisse gemacht ist. Mit den blau und grün angehauchten Baumspitzen gefällt mir das Cover sehr gut und ist ein Eyecatcher in der Buchhandlung!

Bewertung vom 27.04.2025
George, Nina

Die geheime Sehnsucht der Bücher


ausgezeichnet

Wortakrobatikreiches Seelenheil durch Bücher


Ich bin wort-verliebt!
Nina George lesen ist wie nach Hause kommen und in einer Bücherblase verschwinden, sich einzukuscheln in eine Decke aus Worten.
Kaum sind die Worte gelesen, saugen sie sich aus den Seiten in die Leser/innen hinein und man ist entzückt und froh über so viel schöne Wörter in Nina’s einzigartiger Tonlage und außerirdischem Wortschatz, dass man sie sich wie ein Kleid überziehen möchte, um sie jederzeit bei sich zu haben.

Man kann sie nur ins Herz und auch in die Arme schließen, die mutige kleine Françoise, die ihr Leben mit einer depressiven Mutter und ohne Vater meistern muß, ohne dabei den Schulkameraden gegenüber befremdlich zu wirken, um nicht in den Mobbingfokus zu geraten. Françoise weiß wenig vom Leben ihrer Mutter, sie muß ihr (Zitat) „die Wahrheit wie lichtscheues Gedärm hervorziehen“.
Françoise, die tapfere Elfjährige, die Wörter und Sprache liebt und ganz viel liest, findet den Weg auf das Bücherschiff, in der Hoffnung Jean Perdu könne mit dem richtigen Buch die Krankheit ihrer Mutter heilen. Doch so einfach ist die Sache nicht.
Pauline, die mit Herz und Seele auf dem Bücherschiff arbeitet, denkt eher daran, ein passendes Buch für Françoise zu finden… obschon sie mit sich selbst genug zu tun hat mit den Schmetterlingen im Bauch, die gleich wieder davonfliegen wollen, während sie mit ihrer Vespa durch Paris fährt und Stammkunden mit Lesestoff beliefert.
Plötzlich ist man selbst dort, träumt sich nach Paris, verzaubert von der Literarischen Apotheke und kehrt so tief in sich selbst ein, um sich zu fragen, welches Buch ist mein eigenes Seelenheil?
Zum Beispiel die Empfehlung an Nadine über drei Bücher, die sie in einer gewissen Reihenfolge lesen soll, um als gestresste Mutter dreier Kinder am Ende doch mal einige Minütchen für sich zu klauen, ist ziemlich nachvollziehbar und gegen alle Arten von Stress wirksam.
Den Büchern wird hier so viel Seele eingehaucht, dass sie beinahe als eigenständige Charaktere daherkommen.
Und dann geht Jean Perdu in sich, um sich der Dame mit Hut zu zeigen. Er erzählt aus seinem Leben, als sei es die Hut-Dame, die ihm ein Buch empfehlen sollte…
Gemeinsam haben sie viele Ideen (gibt es einen solchen Podcast, warum kenne ich ihne nicht?) und man liest sich gern durch ihre Erlebnisse und Schicksale, die allesamt in bewundernder Sprache von Nina George ausgezeichnet komponiert werden.

Den ein oder anderen Abschnitt liest man bewußt und gern mehrmals, weil man Wörtern begegnet, die keinem Alltagsgebrauch unterliegen, die gerade deshalb in einem herzhüpfend Neuronen tanzen lassen, neue Verknüpfungen im Gehirn bilden und Glückseligkeit entstehen lassen.
Ganz viele Sätze wandern zitierend in mein Notizbuch der Unvergessenheit:
(„Ohne dich wäre ich nicht ich oder zumindest ziemlich zerzaust und unfroh“)… (Zitat Widmung), und ich bin um ein weiteres Nina-Buch bereichert, bei dem es schwerfällt, es nach der letzten Seite beiseite zu legen.
Aber dann kann man ja immer noch das Cover stundenlang anschauen, das wie gewohnt mit nur zwei Farbtönen auskommt, wovon eine Farbe immer lila ist!

Bewertung vom 21.04.2025
Dicker, Joël

Ein ungezähmtes Tier


ausgezeichnet

Die Juwelen der Pantherin

Joel Dicker ist wieder da und hat eine herrlich verwobene, spannend verstrickte Geschichte mitgebracht, in der die Protagonisten zunächst wie Nachbarn um die Ecke erscheinen, bei denen man einkehren kann und fast wie Freunde aufgenommen wird.
In verschiedenen Zeitebenen erfahren wir genug, um den hochkarätigen Juwelenraub mitzuerleben und den wahren Hintergrund häppchenweise aufzuspüren. Joel Dicker’s Romane umfassen immer einen gewissen Zeitrahmen, in dem wir hin- und herspazieren, um die Protagonisten in ihrem Werdegang zu begleiten und besser zu verstehen. Doch wer wie wo inwiefern involviert ist, bleibt bis zur vorletzten Seite spannend, um auf der letzten Seite aufzuatmen…

Gekonnt spinnt Joel Dicker ein Netz aus normalen Verhältnissen, die nach und nach aufbrechen und Geheimnisse zu Tage bringen.
Greg arbeitet bei der Polizei im Sondereinsatzkommando. Seine Frau Karine kümmert sich um ihre Kinder, Haushalt und eigene Arbeit und beide leben zufrieden im Vorortbereich des Villenviertels. Im Gegensatz zu Sophie und Arpad, die sich im Villenviertel in einem abgelegenen Glashaus am Waldrand gemütlich eingerichtet haben, um ihren Reichtum zu leben. Arpad arbeitete bei einer Bank und Sophie kommt aus reichem Elternhaus. Die beiden Paare kennen sich über deren Kinder und Greg kennt alle noch ein bißchen mehr... Es entsteht Freundschaft zwischen den Paaren und Sophie und Karine werden zu Freundinnen, bis Wahrheiten herauskommen, mit denen niemand rechnet.
Im Hintergrund dieser vorgelebten zunächst heilen Welt wird der Raubüberfall geplant. Wer ihn plant, ist völlig unklar, doch die Täter begleiten uns permanent durch die Seiten.
Zwanzig Tage vor dem Raubüberfall und einige Tage vor Sophie’s vierzigstem Geburtstag geschehen außergewöhnliche Dinge, die den Spannungsbogen stützen. Neunzehn Tage… Harmlose Hundespaziergänge, kleine Ausflüchte um den Schein des Wohlhabenden zu wahren, Stalker und Affären sind vordergründig, abgrundtiefe Intrigen und Geheimnisse verstärken die spätere Entwicklung. Achtzehn Tage…
Siebzehn Tage...

Joel Dicker’s Romane erhalten durch kleine Nebensätze eine besondere Lebendigkeit.
„Mittags in der Boutique“.
Oder „Greg parkte vor der Tür“.
„5.45 Uhr in der Nähe des Glashauses“.
Diese Sätze zu Beginn eines Abschnitts leiten einen Szenenwechsel ein wie er aus einem Drehbuch anmutet und vermittelt so eine bedeutungsvolle Atmosphäre, in der man nahtlos in die neue Situation gleitet.
Die Zeitsprünge sind immer gut nachvollziehbar und vertiefen die Charaktere und Zusammenhänge.
Zwischendurch flachte der Spannungsbogen kurzfristig ab, doch überraschende Bekenntnisse lassen ihn im nächsten Abschnitt schon wieder aufflammen.

Ein ungezähmtes Tier spielt auch eine Rolle, dessen Geschichte mit denen der Protagonisten genauso verwoben ist, wie die anderen ungezähmten Tiere, die nach und nach aus den Seiten springen.
Ein ungezähmtes Tier bekleidet das Milieu der Reichen und Schönen, ähnlich dem Format des Vor-Vorgänger-Buchs Das Geheimnis von Zimmer 622.
Mir gefallen jedoch Joel’s Romane um Marcus Goldman eine Spur besser, nichtsdestotrotz hat er sich schon längst als mein lebensbegleitender Lieblingsautor bewährt!

Ich freue mich schon auf dein Nächstes, Joel!

Bewertung vom 21.04.2025
Strohmeyer, Anette

Die Frau und der Fjord


ausgezeichnet

Wahre Einsamkeit

Die Frau vom Fjord, Gro, hat sofort Spuren in mir hinterlassen und ihren Spuren bin ich in diesem Roman gern gefolgt.
Einzigartige Naturbeschreibungen übermitteln die Stille, die in diesem Fjord, ganz im Norden, in den Lofoten, herrscht und wirken sich beruhigend und geborgen aus.
Sympathisch berührt gleich zu Beginn die Aufnahme des verletzten Vogels, einem Birkenzeisig, in Gro's Obhut und ein zartes Band zwischen Mensch und Tier wird gesponnen.
Überhaupt wird ein beeindruckender Faden gesponnen, der einen in die Geschichte verwickelt.

Gro ist ausgewandert an diesen Fjord, nachdem ihr Mann gestorben war. Sie kehrte der Welt und dem Lärm, der Hektik und der Menschheit den Rücken um sich in Abgeschiedenheit einzunisten. Doch auch hier gibt es ungeahnte Störungen, die den Lebenslauf beeinflussen.

Gro kämpft in der nordisch-abgelegenen Einsamkeit mit sich selbst, aber auch mit den Geistern der Vergangenheit und muss ihre Überwindung begehen, um Menschen, die zu ihr dringen, zu ertragen.
Gro arbeitete als Explorationsforscherin und hatte ein gutes Gespür für Ölvorkommen. Langen Zeiten auf Ölplattformen folgten früher Zeiten Zuhause mit ihrem geliebten Mann Niklas, die im Nachhinein jedoch verschwindend zu wenig waren, nun nachdem Niklas so früh gestorben ist.
Ein Geheimnis nahm er dabei mit, was alles noch schlimmer für Gro macht.
Entgegen ihres Willens sich in ihrem Fjord auf Leute einzulassen, hat Gro doch viele auch wertvolle Begegnungen, die sie unbewusst heilen lassen.

In eleganter Sprache, mit ruhigen Sätzen und bildhaften Beschreibungen formt die Autorin Anette Stromeyer einen imposanten Roman, der in tiefe Entschleunigung entführt.
Durch das Nachwort der Autorin erhält die Geschichte nochmals eine stärkere Bedeutung.

Das Cover hat eine angenehme Ausstrahlung, erinnert an ähnliche Cover mit ebenfalls großartigen Geschichten, und fängt das besondere Farben-Lichtspiel der nördlichen Sphäre ein.

Anette Strohmeyer kommt aus Göttingen, was auch meine Heimatregion ist... Dieses kleine Detail finde ich sympathisch.
Ich hoffe, ihr gelungener, wirklich schöner Roman findet viele Leser/innen!

Bewertung vom 13.04.2025
Stern, Anne

Wenn die Tage länger werden


sehr gut

Sprachlich feine Qualität

Zwei Erzählstränge schildern Lebensgeschichten, die schon bald zusammenfinden und sich gegenseitig beeinflussen, die Erinnerungen der jeweiligen Protagonisten hervorrufen oder Geheimnisvolles aufdecken und teilweise zeitlich weit zurückreichen.
Anne Stern läßt in ihre Romane gern Aufarbeitungen aus Kriegsjahren einfließen, die daraus prägende Lebensgeschichten entstehen lassen.
In angenehmer Sprache und mit gut gefülltem Wortklang wird ein fast melancholischer Sommer in zwei Melodien angestimmt, eine für die Musiklehrerin Lisa, eine für die Obstbäuerin Ute deren Wege sich in den Sommerferien kreuzen. Gut komponierte Sätze entführen uns in diesen Roman, den man gern in Ruhe lesen möchte, mit einem Apfel im Duft einer Frühsommerwiese, deren Sehnsucht durch das Cover ausgelöst wird, auf dem sich eine in Gedanken versunkene Frau befindet.

Lisa verbringt zum ersten Mal die Sommerferien ohne ihren Sohn Paul, der dieses Jahr mit seinem Vater Janusz nach Polen fährt. Somit hat Lisa einen Sommer für sich allein, den sie zunächst einsam vor sich liegen sieht, bis sie sich ihrer Geige widmet, die repariert werden muß. Die Reparatur führt Hans durch, ein alter Mann, der mit seiner Tochter Ute auf einem abgelegenen Hof wohnt. Ute ist schwer erkrankt, unter anderem durch Pestizide, die ihren Körper schwach und kraftlos machen, und Ute durch dieses Schicksal eigenbrötlerisch werden ließ. Sie ist am liebsten allein, obwohl sie die Arbeit auf dem Hof nicht mehr allein schafft. Lisa dringt unbewußt in diese zweisame Einsamkeit von Ute und ihrem Vater ein und es eröffnen sich Geheimnisse, die geklärt werden wollen. Hans stellt fest, dass das Etikett auf Lisa’s Geige nicht das echte Etikett ist und die Geige eventuell von hohem Wert, vielleicht eine Stradivari, sein könnte, wenn er denn nur das Etikett mal entfernen dürfte. Das möchte Lisa aber nicht und fängt an, in der Vergangenheit ihres Großvaters zu forschen, dem die Geige zu Kriegszeiten gehörte. Ihre Mutter ist jedoch keine große Hilfe, um etwas von früher zu erfahren, ihre Beziehung zueinander ist zwiespältig, kühl und reserviert.
Aber auch Hans ist aufgeregt ob der Tatsache, dass mit der Geige irgendetwas nicht stimmt… Ob das Geheimnis um die Geige gelüftet werden kann?