Bereits im ersten Band konnte sich die Reihe durch ein von koreanischen und asiatischen Motiven durchzogenes Setting wohltuend von anderen Genre-Vertretern abheben. Dies beschränkt sich nicht nur auf die wirklich erfrischenden Völker (Lekon, Dokebi, Naga), die sich weit über den Namen hinaus von bekannten Vertretern der westlichen Mythologie unterscheiden.
Auch sind bestimmte Handlungsabschnitte wie die Zollstraße, die Bedeutung von Schwüren, Ehre und Pflichten und die Reaktionen und Handlungen der Figuren merklich asiatisch oder zumindest deutlich „nicht-westlich“ geprägt.
Unterschiedliche Gewichtung
In Sachen Figuren hat sich nicht sonderlich viel getan. Im Grunde haben wir es also mit dem gleichen interessanten Figurenensemble zu tun. Allerdings hat sich die Gewichtung der einzelnen Figuren ein Stück weit verlagert. Unverändert steht Kaygon Draka immer noch im Mittelpunkt der Erzählung und zumindest seine Vergangenheit wird endlich ein Stück weit ausgeleuchtet.
Die bisherige zweite Hauptfigur Ryun verliert hingegen deutliche Anteile zugunsten von Samo Pey und macht sich seitdem nur noch durch pausenlose Quengelei bemerkbar. Ansätze, um anderen Figuren mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen (Tinahan) sind erkennbar, verlaufen aber weitestgehend im Sande.
Schnörkelloser Stil
Handwerklich handelt es sich um ein solides Werk ohne große Ausschläge nach oben oder unten. Der Autor bedient sich einer einfachen und klaren Sprache und setzt auf die bekannte und bewährte Mischung aus Humor und Action, um uns bei Laune zu halten.
Der Humor scheint vor allem in den wirklich herrlichen und bisweilen sehr trockenen Dialogen unserer Heldengruppe durch, zeigt sich aber auch in bestimmten Abschnitten wie der Zollstraße. Die Action-Szenen sind wieder einmal dynamisch und abwechslungsreich beschrieben und enthalten an der einen oder anderen Stelle explizite Beschreibungen von Gewalt und ihren Folgen.
Negativ aufgestoßen sind mir hingegen die beinahe schon comichaften Reaktionen auf einfache Aussagen, die insbesondere im Zusammenhang mit den Versammlungen der Menschen gehäuft auftreten. Eine einfache Aussage eines Gegenübers wird nicht einfach normal aufgenommen, man ist sofort aufs Äußerte entrüstet, erbleicht sofort, ist von Erstaunen ergriffen und so weiter. Glücklicherweise halten sich diese Versammlungen in Grenzen.
Erzählung nimmt keine Fahrt auf
Enttäuschend ist zudem das immer noch sehr langsame Erzähltempo. Natürlich kann der zweite Band einer vierbändigen Reihe nicht jedes Ereignis vorwegnehmen, schließlich soll die Spannung gehalten werden. Und ohne Kenntnis des Gesamtwerks kann ich natürlich kein abschließendes Urteil fällen.
Aber es ist schon auffällig, dass immer, wenn die Geschehnisse Fahrt aufnehmen, etwas dazwischenkommt und die Figuren erst einmal hundert Seiten diskutieren müssen, bevor sie den nächsten Schritt wagen. Und leider passiert in dieser Zeit auch nichts wirklich Relevantes - oder zumindest scheint es bislang so.
Dies ist insbesondere schade, da Young-Do zum einen in den Zwischenabschnitten zeigen kann, dass er grundsätzlich ein höheres Tempo beherrscht. Zum anderen warten wir Leser nur darauf, die von ihm entworfene faszinierende Welt endlich weiter bereisen zu können – gerade die zweite Hälfte des ersten Bandes hat eindrucksvoll bewiesen, welches Potential in dieser Welt schlummert.
Was bleibt?
Der träumende Krieger von Lee Young-Do gelingt es nicht ganz, das hohe Niveau des Vorgängers zu halten, stellt aber immer noch ein unterhaltsames Fantasy Werk dar. Mein größter Kritikpunkt ist sicherlich das langsame Erzähltempo mit (vermeintlich) redundanten Stellen – ein Schicksal, das zugegebenermaßen beinahe jeden Zwischenband einer mehrbändigen Reihe trifft. Abschließend beurteilen lässt sich dies aber erst im weiteren Verlauf der Reihe.
Ansonsten macht der Band aber vieles richtig und kann durch eine klare Prosa, viel Humor, gelungene Action-Szenen, interessante Figuren und vor allem durch ein unverbrauchtes Setting überzeugen. Wer also bereits den ersten Band mochte, der kann bedenkenlos zum zweiten Band greifen.
Der Kampf um die Zukunft der Menschheit steht vor einem entscheidenden Wendepunkt. Idris ist es im Trubel der Ereignisse des zweiten Bandes gelungen, im Unraum die Brutstätte der planetenvernichtenden Architekten aufzuspüren.
Während eine brüchige Allianz verschiedener Gruppierungen alles daran setzt, den Krieg zu den Architekten zu bringen, sucht Idris verzweifelt nach einem Ausweg, um diesen Genozid zu verhindern. Die Architekten scheinen die Bedrohung zu erahnen und intensivieren ihre Angriffe auf alle bewohnten Planeten des Universums.
Gleichzeitig versuchen andere Gruppierungen als Weltraumnomaden die Architekten-Bedrohung zu umgehen und benötigen dazu ebenfalls die Fähigkeiten von Idris Telemmier. Wird es ihm gelingen, zu den wahren Urhebern der Architekten vorzudringen und weitere Todesopfer zu verhindern oder wird ein blutiger Krieg über die Zukunft allen Lebens entscheiden?
Parallele Entwicklungen
Die Handlung setzt kurze Zeit nach den Ereignissen des zweiten Bandes an und wir merken sofort, dass wir dem großen Finale entgegensteuern. Bündnisse geben sich zu erkennen, offene Fragen am laufenden Band beantwortet und die Karten werden auf den Tisch gelegt – allgemein scheint die Zeit der Handlungen gekommen zu sein.
Dabei gibt es zwei parallele Entwicklungen: Zum einen werden die Konflikte immer größer: Mehr Parteien, mehr Figuren, mehr Interessen. Es geht um nicht weniger als die Zukunft allen Lebens – mehr geht quasi nicht. Zum anderen wird unser Blickwinkel aber auch immer kleiner und persönlicher. Noch nie waren wir – mit einer Ausnahme – enger an unseren Figuren und nie erlebten wir ihre Ängste, Zweifel und Sorgen so hautnah mit, wie es hier der Fall war.
Akribisch vorbereitetes Finale
Die im ersten Band ausführlich behandelte Flüchtlingsproblematik und die politischen Ränkespiele des zweiten Bandes werden aufgegriffen und weiterentwickelt, spielen aber nur noch eine untergeordnete Rolle. Zum Glück möchte man sagen, schließlich benötigen die abschließenden Erkenntnisse um die Herkunft der Architekten so schon genug Raum.
Hier wird auch deutlich, wie akribisch Tchaikovsky sämtliche Entwicklungen vorbereitet hat. Auch wenn wir immer mehr sehen und erfahren, so stellen alle neuen Erkenntnisse letztlich eine Weiterentwicklung bereits bekannter Elemente dar – alles wirkt sehr organisch und nichts musste im letzten Moment noch aus dem Nichts hinzugefügt werden.
Würdiger Abschluss?
Und tatsächlich gelingt es ihm, viele Handlungsstränge zu einem befriedigenden Ende zu führen und die meisten offenen Fragen zu beantworten. Soweit ich es überblicken konnte, wurde keine Figur zurückgelassen und eine Fortsetzung scheint so gut wie ausgeschlossen.
Möchte man etwas kritisieren, dann den doch ein Stück weit repetitiven Charakter der ersten Hälfte, die zu stark an den zweiten Band erinnert. Aus Effizienzgesichtspunkten heraus hätte man die gesamte Handlung wohl in zwei große Bände quetschen können – aber seit wann beurteilt man Bücher aus der Perspektive eines BWLers?
Endlose Action-Szenen
Unser Autor bedient sich dabei einer gewohnt eher einfachen Sprache und setzt auf viele Dialoge und eine actionreiche Handlung, die von Anfang an für ein unglaublich hohes Erzähltempo sorgen – nur selten flog ich so schnell durch einen Roman wie hier.
Action ist auch das richtige Stichwort. Wir dürfen uns hier über zahlreiche handwerklich gut gemachte Action-Szenen freuen – schnell, wendungs- und abwechslungsreich und immer ganz nah an den Agierenden.
Das Problem: Leider sind uns so gut wie keine Pausen vergönnt. Bis auf eine kurze Ruhephase in der Mitte des Romans und den Abschnitten im Unraum stehen wir permanent unter Strom. Logisch, dass dies irgendwann zu viel wird und ein unvermeidbarer Ermüdungseffekt eintritt.
Irrelevante Einzelschicksale
Das Rückgrat der Reihe bildete das bis zur letzten Nebenrolle stark besetzte Figurensammelsurium. Im abschließenden Band scheint es beinahe so, als ob der Autor allen Überlebenden noch einen kurzen Auftritt als Erzähler gönnen wollte. Sogar ehemals im Hintergrund agierende Nebenfiguren wie die Uskaros erhalten einige kurze Kapitel für sich – der Umfang ist aber immer noch absolut vertretbar für den durchschnittlich aufmerksamen Leser.
Charakterentwicklung findet hingegen so gut wie gar nicht mehr statt. Die Handlung konzentriert sich auf einen recht kurzen Zeitraum und es geht auch nicht mehr um das Schicksal des Einzelnen, sondern um viele kleine Beiträge zur Lösung eines gewaltigen Problems.
Eine Ausnahme gilt für Olli, die die wohl überraschendste Wendung der gesamten Trilogie vollzieht und sich im Laufe der Bände nach und nach zu meiner Lieblingsfigur gemausert hat – aber diese Überraschung werde ich auf keinen Fall verderben.
Fazit: Die Herren des Abgrunds von Adrian Tchaikovsky stellt einen gelungenen Abschluss einer unterhaltsamen Space Opera dar, die auf beinahe allen Ebenen vollumfänglich überzeugen kann. Pflichtlektüre für Genre-Fans!
Mit Das Blut der Herzlosen veröffentlichte der Koreaner Lee Young-Do im Jahre 2003 den ersten Band einer Fantasy-Reihe, die in seiner Heimat ein Millionenpublikum fand. Nun liegt der Auftakt auch hierzulande vor - Doch hat sich das Warten gelohnt?
Moderne koranische Fantasy
Die Handlung selbst ist dabei (bislang) nicht sonderlich innovativ: Unterschiedliche Charaktere bilden eine heterogene Gruppe, die einen klar umrissenen Auftrag durchführen muss, dazu viel unterwegs ist und dabei eine Reihe von Problemen lösen muss – soweit so bekannt.
Faszinierendes Setting
Was dieses Buch von anderen Genre-Werken hervorhebt, ist das Setting. Young-Do gelingt es, bekannte westliche Motive mit der koranischen und asiatischen Mythologie zu verweben und den Leser dadurch mit vielen außergewöhnlichen Ideen begeistern zu können.
Dies beginnt bereits mit den verschiedenen Völkern: Anstatt auf Zwerge, Elfen und Co. zu treffen, dürfen wir uns mit Lekons, Nagas und Dokebis herumschlagen. Während es sich bei Lekons um drei Meter große, unglaublich starke und gefiederte Wesen handelt, kann man sich Dokebis wohl als magisch begabte Goblins vorstellen, die zu allerlei Späßen neigen.
Im Mittelpunkt dieses Bandes steht jedoch das Volk der Nagas, reptilienartige Wesen, die als Kaltblüter im Dschungel dominieren, außerhalb dessen jedoch kaum überlebensfähig sind. Wir dürfen dabei relativ tief in ihr Leben eintauchen und dabei Kultur, Politik, Religionen und Wirtschaft in allen Spielarten kennenlernen. Interessant sind dabei insbesondere die „vertauschten“ Geschlechterrollen: Bei den Nagas stellen die Frauen das starke Geschlecht dar, während Männer ohne wirkliche Rechte ausgestattet sind und lediglich der Fortpflanzung dienen.
Möchte man daran etwas kritisieren, dann allenfalls, dass die Verteilung von Schwächen künstlich wirkt. Während die panische Angst der Dokebis vor Wasser zumindest ein Stück weit nachvollziehbar ist, wirkt die („bloße“) psychische Angst eines ganzen Volkes vor Blut nicht besonders glaubwürdig.
Interessante Charaktere
Nicht sonderlich überraschend besteht unsere Heldentruppe jeweils aus einem Vertreter eines Volkes. Während die Gruppe als Ganzes recht harmonisch erscheint und sich die Einzelnen in ihren Eigenschaften und Fähigkeiten gut ergänzen, liegt der Fokus auf zwei Figuren.
Relativ viel Zeit wird etwa Kaygon Draka gewidmet, der neben seiner interessanten Vergangenheit und seinen Fähigkeiten beinahe schon unglaubwürdig wirken würde, wenn nicht immer wieder eine verborgene Seite hervorscheinen würde. Die zweite Hauptfigur stellt Ryun Pey dar, ein sogar für Naga-Verhältnisse schwacher Mann, der mehr oder weniger freiwillig in seine Rolle gedrängt wurde und nun zerrissen wird vom Kampf zwischen Tradition und Moderne.
Klare Prosa
Sprachlich handelt es sich um ein solides Werk. Der Autor verwendet eine klare und präzise – niemals zu komplizierte – Prosa und schafft es, Passagen sprachlich zu verdichten oder auszudehnen. Action-Szenen bilden dabei einen festen Bestandteil des Romans, sind abwechslungsreich ausgearbeitet und werden dynamisch und wendungsreich beschrieben. Gewalt steht niemals im Mittelpunkt, wird aber durchaus explizit beschrieben.
Langsames Erzähltempo
Das Erzähltempo ist – wie es sich für den Auftakt einer vierbändigen Reihe gehört - insgesamt recht behäbig. Zwar sorgen zahlreiche Dialoge für einen schnellen Lesefluss. Allerdings nimmt sich der Autor viel Zeit, um uns seine Welt vorzustellen. Bis es zu einem Treffen der Gefährten kommt, ist bereits die Hälfte des Romans vergangen und auch danach wird das eigentliche Hauptziel immer wieder durch kurzweilige und unterhaltsame Abenteuer aufgelockert.
Apropos auflockern: Humor ist ein entscheidender Faktor innerhalb der Reihe. So sorgen alleine schon die kulturellen Unterschiede innerhalb unserer Hauptgruppe für zahlreiche unterhaltsame Missverständnisse.
Wenn es wirklich etwas zu bemängeln gibt, dann ist es die Aufteilung des Bandes. Das Buch ist in mehrere Abschnitte unterteilt. Innerhalb eines Abschnittes wechseln wir jedoch häufig Figuren und Orte, ohne dass wir dies als Leser optisch bemerken. Das hätte man angenehmer organisieren können, ist aber auch nicht kriegsentscheidend.
Fazit
Das Blut der Herzlosen von Lee Young-Do bildet den erfreulich unterhaltsamen Auftakt einer Fantasy-Reihe, die frischen Wind ins Genre bringt. Die Handlung mag nicht sonderlich innovativ erscheinen und auch optisch hätte man das Buch leserfreundlicher gestalten können.
Doch dafür wird man als Leser mit einem unverbrauchten und von asiatischer und koreanischer Mythologie geprägten Setting belohnt, welches auch alte Hasen bei Laune hält. Ob der Autor das Niveau auch über vier Bände halten kann, bleibt abzuwarten – zuzutrauen ist ihm dies jedoch.
Ein westlicher Plot trifft auf ein asiatisches Setting – dieser Band ist damit jedem Genre-Fan ans Herz gelehnt, der sich nach Abwechslung in seinem Lesealltag sehnt. Eine der interessanteren Neuerscheinungen des Jahres.
Der Hintergrund unserer Erzählung unterscheidet sich dabei zunächst nicht grundlegend von dem anderer Science-Fiction-Romane: Einige Jahrhunderte in der Zukunft ist die Erde zu klein für die Menschheit geworden. Zwangsläufig hat sie sich im Weltraum ausgebreitet und unzählige Planeten besiedelt. Den Kitt dieser verstreuten Gesellschaft stellt der nach wie vor florierende Handel dar. Dieser wird vor allem durch die Großschiffe ermöglicht, die dazu mehrere Jahre am Stück unterwegs sind.
Auf genauso ein Großschiff – in unserem Fall die „Athen“ – wirft uns Cameron zusammen mit unserer Protagonistin Nbara und nimmt sich dabei sehr viel Zeit, um uns in die Eigenheiten des Bordalltags einzuführen. Neben relativ aufregenden Tätigkeiten wie dem Kampftraining oder ersten Flugstunden erhalten auch eher banalere Angelegenheiten wie Probleme mit der Wäscherei, die Wahl der richtigen Kantine oder der Versuch, Langeweile auf einer langen Fahrt zu vermeiden, ausreichend Raum. Die Beschreibungen erinnern dabei im Grunde genommen an die eines Schiffes – kein Wunder, war der Autor doch selbst einmal Offizier bei der amerikanischen Marine und konnte damit aus eigenen Erfahrungen schöpfen.
Während der gemächliche Einstieg den Plot zunächst nur wenig voranbringt, sorgt er dafür, dass wir das Schiff und die Crew in unser Herz schließen und damit letztlich wirklich an ihrem Schicksal interessiert sind.
Auffällig ist zudem die starke militärische Prägung des Handelsschiffes. Auch wenn es sich bei der „Athen“ offiziell um ein Handelsschiff handelt, tragen die Crewmitglieder militärische Dienstgrade, sind in hierarchische Strukturen eingebunden und ganz grundsätzlich verfügt das Schiff über ein breites Waffenarsenal. Der Begriff Handelsschiff stellt also im Grunde genommen eine Mogelpackung dar. Natürlich werden Waren umgeschlagen, aber davon bekommen wir als Leser nur am Rande etwas mit. Zum Glück will ich hinzufügen, bleibt uns so zumindest ein zweiter Robinson Crusoe erspart.
Leider gelingt es dem Autor nicht, aus diesem vielversprechenden Setting Kapital für seine Figuren und die Charakterentwicklung zu schlagen. So ist etwa bei unserer Hauptfigur Marca Nbara Potential für eine tiefgründige Figur vorhanden, die eine interessante Entwicklung verspricht. Leider spielt ihre Vergangenheit abgesehen von den ersten Seiten keine wirkliche Rolle. Keiner ihrer Fehler hat Konsequenzen für sie als Person (allenfalls für ihr Umfeld, womit sie aber recht gut klar zu kommen scheint …) und sämtliche Herausforderungen gehen ihr ein Stück weit zu leicht von der Hand.
Darin liegt auch mein Hauptkritikpunkt: Natürlich macht es Sinn, dass die alleinige Erzählerin in alle relevanten Entwicklungen involviert ist. Aber wirklich glaubwürdig ist es nicht, wenn ein Frischling an Bord eines Schiffes innerhalb eines Jahres zur besten Pilotin, Teilzeit-Logistikerin, Spionageagentin, erfahrenes Kampfmitglied, Leiterin der Flugraumüberwachung, Sprachexpertin für außerirdische Rassen und Ausbildungsleiterin wird.
In einem begrenzten Rahmen von ein oder zwei Romanen und weil wir ihr doch ein Stück weit Sympathien entgegenbringen können – schließlich ist sie mit uns an Bord gekommen – kann man über diese Schwächen hinwegsehen. Leider handelt es sich bei ihr aber um keinen Sci-Fi Horatio Hornblower, diesen Weg hat bereits der erste Band nachhaltig verbaut.
Darüber hinaus gibt es noch eine überschaubare Anzahl von Nebenfiguren mit wiederkehrenden Auftritten. Auch diese sind nicht sonderlich gut ausgearbeitet, erwecken aber auch nicht den Eindruck, dass mehr als eine klar umgrenzte Aufgabe hinter ihnen steckt. Wenigstens sorgen Figuren wie eine sehr eigenwillige Schiffs-KI und ein Spionageoffizier, der eine Parodie sämtlicher männlicher Klischees darstellt, für viele unterhaltsame Momente.
Rein handwerklich profitiert der Roman von der jahrzehntelangen Erfahrung des Autors. Cameron weiß einfach, wie man einen Roman und die dazugehörigen Spannungskurven aufbauen muss – keine Selbstverständlichkeit für einen Roman mit einer einzigen Erzählfigur. Er weiß, an welchen Stellen er das Tempo anziehen muss und wann wir Leser wieder Zeit zum Durchatmen brauchen. So ist es kein Wunder, dass ich den Roman - trotz der schwachen Hauptfigur - kaum aus den Händen legen konnte. Die Action-Szenen verlaufen routiniert und dynamisch, stehen aber eindeutig nicht im Mittelpunkt des Geschehens und sind insgesamt rar gesät.
Fazit
Artifact Space von Miles Cameron erfindet das Genre nicht, weiß aber durchgängig zu unterhalten. Das Setting mag nicht neu sein, dafür sorgen die Einblicke in den Alltag eines Schiffes aus der Perspektive eines Neulings für ausreichend Abwechslung. Einen Horatio Hornblower im Science-Fiction Gewand darf man angesichts des unrealistischen Werdegangs der Hauptfigur leider auch nicht erwarten. Damit handelt es sich um einen wirklich unterhaltsamen Science-Fiction Roman für zwischendurch, bei dem Genre-Fans sicherlich nichts falsch machen können.
Mit Red Team Blues hat Cory Doctorow einen Finanzthriller verfasst, der gegen so ziemlich jede Regel des modernen Romans verstößt und sich beharrlich den Konventionen jeglicher Genres verweigert. Was den Roman dennoch so unterhaltsam macht, erfahrt ihr in dieser Rezension.
Das rote Team greift an, das blaue Team verteidigt …
Alleine schon die Ausgangslage ist mehr als nur ungewöhnlich: Unsere Hauptfigur ist ein beinahe siebzig Jahre alter forensischer Buchhalter, der mithilfe seines Laptops die Finanzströme der Welt durchschaut, spielerisch mit Kryptowährungen und Co. umgeht, dabei Geldwäsche und andere kriminelle Aktivitäten aufdeckt und sich mit faulen Behörden, gierigen Tech-Start-ups und gnadenlosen Drogenbanden anlegt, während er wahlweise Whisky oder Hanf-Gummibärchen zu sich nimmt – Was kann da schon schief gehen?
Und tatsächlich scheint es auf den ersten Blick viele Punkte zu geben, die wir als Leser kritisieren könnten: So ist das Ausgangsszenario – abgesehen vom Krypto-Rahmen - nicht sonderlich innovativ: ein alternder Held, der einen allerletzten Job erledigen möchte, bevor er sich endgültig zur Ruhe setzt und dabei in große Schwierigkeiten gerät – das haben wir so oder so ähnlich schon öfters gehört.
Unkonventionelle Strukturen
Darüber hinaus scheint „Red Team Blues“ nicht dem üblichen Aufbau eines Romans zu folgen: So ist der eigentliche und größte Spannungsbogen nach gut der Hälfte des (viel zu kurzen) Romans abgeschlossen und die entscheidenden Fragen sind zu diesem Zeitpunkt bereits geklärt.
Hinzu kommt ein recht ungewöhnliches Verständnis des Autors für Timing und Beschreibungen. Während die meisten Action-Szenen und eigentlich alle relevanten Entwicklungen sozusagen „Off-Screen“ vonstattengehen, kommen wir in den Genuss vieler – dafür aber nicht sonderlich ausführlicher – Beschreibungen von Essen, Alkohol und Sex.
Irgendwo in einer nicht weit entfernten Zukunft
Und dennoch habe ich mich durchweg hervorragend unterhalten gefühlt. Doch woran liegt das? Vielleicht am interessanten Szenario, das Doctorow vor uns aufbaut. Dass sich der Roman dennoch wie ein Science-Fiction-Roman anfühlt, hat in erster Linie damit zu tun, dass unsere Handlung weitestgehend im Silicon Valley in San Francisco angesiedelt ist.
Wir bewegen uns also nicht in einer Zukunftsvision, sondern viel mehr in einer Parallelwelt. Als eine der bedeutendsten Keimzellen des technologischen Fortschritts zeigt die Region dabei ihre zwei bekannten Gesichter: Auf der einen Seite die glänzende Metropole, in der jede Woche neue Start-Ups entstehen von Abermilliarden von Dollars umgesetzt werden, auf der anderen Seite in direkter Tuchfühlung bitterste Armut und der alltägliche Kampf ums Überleben.
Die Untiefen der Finanzbranche
Diese Umgebung gibt auch die bestimmenden Motive des Romans vor. Doctorow zeigt uns dabei auf, wie neue Errungenschaften wie Krypto-Währungen von herkömmlichen Kriminellen und bekannten Institutionen missbraucht werden. Ich bin kein Experte auf dem Finanzmarkt und auch nicht vernarrt in Kryptowährungen, aber die von ihm entworfenen Szenarien sind auch für mich extrem faszinierend und haben dazu geführt, dass ich mich tiefer in das Thema eingelesen habe.
Spezialwissen muss man übrigens nicht haben – auch ohne den entsprechenden Hintergrund kann man die Geschichten genießen, auch wenn es das Lesevergnügen steigert, wenn man beispielsweise weiß, was ein Ledger oder eine Blockchain ist.
Unterhaltsamer Erzähler
Es schadet sicherlich auch nicht, dass unser Autor ein unterhaltsamer Erzähler ist. Trotz des oben angeschriebenen ungewöhnlichen Poltaufbaus herrscht in der ganzen – alleine aus der Perspektive von Martin Hench erzählten – Geschichte ein hohes Erzähltempo vor. Neben vielen Monologen hilft es, dass Doctorow durchaus dazu in der Lage ist, zeitliche Abläufe sprachlich zu verdichten, wenn er denn nur will.
Freunde gepflegter Action-Szenen könnten hingegen enttäuscht werden. Trotz des Geldwäsche-Rahmens und der Verstrickung diverser Behörden und krimineller Vereinigungen sehen wir meist nur die Ergebnisse der zu erwartenden Eskalationen.
Sympathisches Figurenensemble
Das ist insoweit konsequent, als dass unsere Hauptfigur Martin Hench nun einmal auf die siebzig zugeht und keinen Expendables-Verschnitt oder auch nur einen Detektiv der alten Schule darstellt. Auch sonst handelt es sich bei ihm eine ungewöhnliche Figur. Hench bewegt sich seit der Dotcom-Blase im Fahrwasser bekannter Tech-Größen und verdient sein Geld als eine Art forensischer Cyber-/Krypto-/Finanzbuchhalter. Seine Aufgabe ist es dabei, in den Wirren finanzieller, tatsächlicher und rechtlicher Konstruktionen Daten und Informationen auf nicht immer ganz legalen Wegen zu beschaffen.
Fazit
Cory Doctorow spielt in Red Team Blues mit der Erwartungshaltung seiner Leser und liefert einen in jeglicher Hinsicht ungewöhnlichen, dafür aber nicht weniger unterhaltsamen, brisanten und hochaktuellen Roman ab!
„Das Herz der Sonne“ entstammt dem erfolgreichsten Kickstarter Projekt aller Zeiten (Secret Projects) und ist im Kosmeer-Universum angesiedelt – einem umfangreichen und mehr oder weniger stark verbundenen Romanuniversum, in dem Sanderson die meisten seiner Erzählungen spielen lässt.
Der Roman stellt Sanderson-Neulinge dabei vor einer Reihe von Problemen. Nicht nur, dass die zahlreichen Anspielungen und Easter Eggs wohl nur Fans der Sturmlicht-Chroniken verstehen dürften.
Noch viel mehr fällt ins Gewicht, das sich Sanderson zahlreicher wichtiger Elemente der Sturmlicht-Chroniken bedient und diese beim Leser als bekannt voraussetzt.
Dies gilt insbesondere für das Magiesystem, dass eine tragende Rolle in der Handlung einnimmt. Natürlich handelt es sich dabei um keine Raketenwissenschaft und ein geübter Fantasy-Leser wird sich das System in groben Zügen selbst erschließen können. Aber bis das geschieht, vergehen einige Seiten, die das Lesevergnügen doch deutlich trüben.
Unterhaltsame und überzeugende Welt
Dass wir den Roman nach und während dieser Eingewöhnungsphase dennoch genießen können, liegt vor allem daran, dass dieser Roman in einer futuristischen Version seiner Welten angesiedelt ist – und damit zu einer Zeit, in der noch nicht einmal die Hauptserie angelangt ist. Der Vorsprung der Stammleser ist demnach nur begrenzt.
Um eine Vorstellung von Sandersons Ideenreichtum zu entwickeln reicht es alleine schon, sich die Ausgangssituation zu vergegenwärtigen: Sanderson wirft uns unvermittelt auf einen absolut lebensfeindlichen Planeten, in dem Sonnenstrahlen den sofortigen Tod verheißen und auf dem sich dennoch viele verschiedene Lebewesen und Gruppierungen tummeln.
Und auch wenn die Science-Fiction Elemente eindeutig überwiegen, kommt auch der Fantasy-Anteil nicht zu kurz – etwa, wenn es um die grausame Gewinnung von Energie oder das Magiesystem geht. Kurzum – es handelt sich um eine überaus interessante Welt, bei der man sich als Leser wünscht, noch länger dort verweilen zu dürfen und die zahlreichen Abzweigungen zu betreten, die der Autor immer wieder andeutet– und das erinnert wiederum stark an das Worldbuilding eines Jack Vance.
Western mit Sci-Fi Elementen
Da fällt es auch nicht allzu schwer ins Gewicht, das der Plot nicht sonderlich innovativ wirkt: Ein abgehalfterter Held kommt in ein heruntergekommenes Dorf, freundet sich mit den Bewohnern an und hilft ihnen beim Kampf gegen den örtlichen Tyrannen. Lässt man die Science-Fiction Elemente weg, so fühlt man sich nicht von ungefähr an einen alten Western erinnert.
Hohes Erzähltempo …
Die Geschichte weist dabei ein geradezu absurd hohes Erzähltempo auf. Nicht nur, dass die Handlung nur wenige Tage umfasst. Sanderson gibt uns als Leser keinerlei Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen. Nahtlos reiht er Actionszene an Actionszene und in den seltenen Pausen wird man mit Informationen überhäuft. So vergeht die Zeit wie im Fluge – erstaunlich für ein Buch, dass nicht außergewöhnlich viele Dialoge aufweist.
… unter dem die Charaktere leiden
Opfer dieses Erzähltempos und des begrenzten Zeitraums sind in erster Linie die Charaktere. Wir haben einfach zu wenig Zeit, um sie alle kennenlernen zu können und noch viel weniger, um Entwicklungen oder Ähnliches feststellen zu können.
Im Mittelpunkt der Handlung steht die Figur Nomad. Nomad besitzt magische Kräfte und ist theoretisch dazu in der Lage, ganze Welten zu durchqueren. Dummerweise hat er mit seinem Sprung auf den Planeten all seine Kräfte verbraucht und steht nun vor einer schwierigen Entscheidung: Soll er eine Kraftquelle suchen und einfach verschwinden oder den hilfsbereiten Bewohnern der Stadt Biike helfen?
Begleitet wird Nomad von Auxilium, eine Art Werkzeug, das in Nomads Verstand wohnt und sich äußerlich zu jedem beliebigen Gegenstand manifestieren kann. Auxilium ist aber nicht nur Werkzeug, sondern besitzt auch eine eigene und eigenwillige Persönlichkeit. So kommt es immer wieder zu höchst humorvollen Buddy-Szenen, die das ganze Geschehen auflockern.
Nebenfiguren sind en masse vorhanden, erhalten aber in den seltensten Fällen so viel Raum, dass sie einer Erwähnung wert wären. Auch der Antagonist dieses Bandes – der Zunderkönig – ist nicht wirklich gut ausgearbeitet und wirkt so, als sei er einem B-Movie entnommen worden. Aber auch hier gilt: Wirklich wichtig wäre eine genaue Ausarbeitung so oder so nicht geworden, von daher kann man diesen Umstand getrost verkraften.
Fazit
Das Herz der Sonne von Brandon Sanderson ist ein solider Roman, der sich in erster Linie an Fans der Sturmlicht-Chroniken richtet. Wer bereits Vorkenntnisse besitzt, wird mit einer temporeichen und actionreichen Geschichte belohnt, die die Wartezeit zum nächsten Sanderson-Abenteuer verkürzt. Neueinsteiger können die Geschichte ob des gefälligen Schreibstils und Ideenreichtums auch genießen, müssen aber einige Abstriche beim Verständnis machen und sich erstmal in der Welt von Sanderson zurechtfinden.
Weit über der smaragdgrünen See kann einen idealen Einstieg in Sandersons Werk bieten, bekommt man dadurch doch die rare Gelegenheit, in sein Schaffen zu schnuppern, ohne sich gleich für eine mehrbändige Reihe verpflichten zu müssen. Denn auch wenn der Roman im Kosmeer-Universum angesiedelt ist, lässt er sich problemlos als Einzelband lesen und genießen.
Doch worum handelt es sich nun bei diesem Roman? Einen guten Anhaltspunkt bietet das Nachwort. Dort lässt uns Sanderson wissen, dass er insbesondere von William Goldings Brautprinzessin inspiriert wurde: So störten er und seine Frau sich daran, dass die weibliche Hauptfigur eine so untergeordnete Rolle spielte. Doch ist ihm mit diesem Roman eine Korrektur gelungen?
Modernes Märchen
Hat man diesen Punkt im Hinterkopf, so überrascht einem zunächst nicht, dass in der Tat vieles an Goldings berühmten Roman erinnert:
Auch hier führt uns im Duktus eines engagierten Geschichtenerzählers eine Figur (Hoid) durch das Geschehen, die selbst Bestandteil der Handlung ist. Der Erzähler weiß dabei in etwa so viel wie ein allwissender Erzähler – und er scheut sich auch nicht davor, uns diesen Umstand immer wieder vor Augen zu führen. Beständig würzt er das Geschehen mit bissigen Kommentaren, greift vor, zieht dann wieder zurück und glänzt insbesondere durch seinen trockenen Humor.
Dies ist oft unterhaltsam, könnte aber auch ob der ungewöhnlichen Erzählform und einiger zu moderner Aussagen einige Leser abschrecken. Jedenfalls muss man dieser Erzählerwahl zugutehalten, dass dadurch elegante Verknappungen ermöglicht werden, die das Erzähltempo insgesamt sehr hochhalten. Verstärkt wird dieser Effekt durch den einfachen Satzbau und das Fehlen umfangreicher (Landschafts-)Beschreibungen. Beeindruckend, wenn man bedenkt, dass relativ wenigen Dialoge vorhanden und erzählerbedingt nur wenige Monologe möglich sind.
Wenig innovative Handlung
Die Handlung an sich dürfte dabei für die meisten Leser nur wenig Neues bereithalten: Es handelt sich um eine weitestgehend klassisch verlaufende Heldenreise. Die Hauptfigur bricht zu einer Reise mit einem klar definierten Ziel auf, muss sich auf ihrem Weg vielen Herausforderungen stellen, an denen sie wachsen kann und vollendet schließlich ihre Reise mitsamt Reifeprozess mit einer schwierigen Entscheidung.
Oft passieren genau die Dinge, die man auch erwartet und die Ergebnisse der großen Handlungsstränge und „Mysterien“ dürften den meisten Lesern nach wenigen Seiten klar sein. Allerdings gilt dies wirklich nur für die großen Aspekte. Gerade in Detailfragen schlägt Sanderson so manches Mal einen so ungewöhnlichen und trockenen Weg ein, dass man als Leser einfach nur laut loslachen muss. Beispielhaft und filmreif sind etwa die Flucht von der Insel, die nur gelingt, weil ihre Eltern sie unterstützen oder das Lösen von Problemen durch Nachdenken.
Spannende Welt
Sanderson wirft uns zu Beginn kopfüber in diese verrückte Welt und nicht von ungefähr erinnert vieles an das chaotische und kreative Worldbuilding eines Jack Vance. Idee folgt auf Idee und es bleibt dem Leser überlassen, diese Ideen weiterzuspinnen. Später folgen (leider) zu viele Erklärungen, die zwar in sich stimmig sind, der ganzen Erzählung aber ein Stück weit von ihrem märchenhaften Charme nehmen.
Natürlich ist auch hier nicht alles bis ins letzte Detail durchdacht und wer es wirklich darauf anlegt, der findet auch hier noch das eine oder andere Haar in der Suppe – man kann aber auch ein Märchen einfach nur Märchen sein lassen und die Geschichte genießen.
Überzeugende Charaktere
Eine große Stärke des Romans ist das gesamte Figurenensemble – soweit man sich vor Augen hält, dass der Märchenaspekt im Vordergrund steht. Der Band ist einfach zu kurz, als dass eine angemessene Charakterisierung der vielen Figuren erfolgen könnte.
Am ehesten ist dies noch bei der Hauptfigur Tress der Fall, die so gar nicht ins Märchenschema passt. Sie ist von Beginn der Erzählung an kein Mauerblümchen, sondern eine starke Frauenfigur, die mit Verstand, Entschlossenheit und Einfühlsamkeit agiert. Besonders sympathisch macht sie, dass sie selbst keine übernatürlichen Kräfte besitzt, sondern oft einfach durch Nachdenken und Teamwork (denkt an den Märchencharakter!) an ihr Ziel gelangt.
Fazit
Brandon Sanderson hat mit Weit über der smaragdgrünen See ein herzerwärmendes und humorvolles modernes Märchen verfasst. Auch wenn nicht jeder Leser mit der Erzählform zurechtkommen dürfte und nicht jeder Aspekt bis ins letzte Detail ausgearbeitet wurde, begeistert der Roman mit skurrilen und liebenswerten Figuren, wichtigen Botschaften, kreativen Einfällen und einer spannenden und innovativen Welt. Die perfekte Lektüre, um unsere Herzen in kalten Zeiten zu erwärmen!
In ihrem 1935 erschienenen Spätwerk Lucy Gayheart spielt Willa Cather gleich mehrfach mit den Erwartungen ihrer Leserschaft. Doch kann der auch Roman darüber hinaus überzeugen?
Das Leben als Bühne
Das Leben scheint es mit der jungen Lucy Gayheart gut zu meinen: Als Tochter eines deutschen Musiklehrers und Uhrenmachers ist sie ihrem provinziellen Heimatdorf Haverford in Nebraska entkommen und studiert erfolgreich Musik in der Großstadt Chicago.
Ihr Heimatdorf vergöttert sie, ihr Professor respektiert sie und schon während des Studiums erhält sie erste Jobangebote. Und auch der reiche und junge Erbe Harry Gordon hat bereits ein Auge auf sie geworfen. Doch Gordon bedeutet gleichzeitig auch Haverford und so stürzt sich Lucy instinktiv auf den deutlich älteren Sänger Sebastian Clement.
Doch trifft sie damit die richtige Entscheidung? Und spielt dies überhaupt eine Rolle?
Meisterhafte Erzählerin
Lucy Gayheart ist als ein Werk konzipiert, dass sich trotz des recht schmalen Umfangs jeglicher Einordnung und Kategorisierung entzieht. Das fängt bereits bei der Erzählperspektive an, die im Laufe des Romans hin und herwechselt und die unterschiedlichen Figuren aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet.
Weiterhin gelingt es der Autorin mit wenigen Worten die Natur Nebraskas bildreich vor unseren Augen entstehen zu lassen. Ihre Motive sind dabei düster und dunkel, nicht ohne Grund spielt der größte Teil der Handlung während dunklerer Jahreszeiten. Dass gleichzeitig in jedem Bild ein Hinweis auf den weiteren Verlauf der Handlung versteckt ist, ist ein weiteres Zeichen wahrer erzählerischer Meisterschaft.
Umso stärker wirkt der Kontrast zum lebendigen und leuchtenden Chicago. Einer Stadt, in der das Leben genauso fließend verläuft wie die alles beherrschende Musik. Die Abschnitte dort wirken erzählerisch wie ein wilder Ritt, kaum ein Augenblick, an dem sich unsere Protagonisten ausruhen können, immerzu geht es weiter, von der Probe zum Auftritt zum Restaurant und so fort, ohne dass auch nur Zeit zum Durchatmen verbleibt.
Musik als Bestandteil der Handlung
Gerade die Abschnitte in Chicago sind mit zahlreichen musikalischen Anspielungen gespickt. Auch wenn die Anmerkungen diesbezüglich für Aufklärung sorgen, bin ich in Sachen Musik einfach nicht bewandert genug, um jedes Detail zu verstehen. Scheinbar scheint sich Cathers Musik-Auswahl jedoch hervorragend in das Gesamtkonstrukt einzugliedern. Der Roman lässt sich allerdings auch ohne diese Kenntnisse hinreichend verstehen und genießen – dazu reicht bereits der abgedruckte Text.
Überraschende Wendungen
Die Handlung selbst weist bereits von Anfang an so viele Überraschungen auf, dass ich eigentlich nicht viele Worte dazu verlieren möchte. Nur so viel: Mag die Inhaltsbeschreibung anfangs noch auf eine gewöhnliche Liebesgeschichte hindeuten und mögen wir im zweiten Schritt eine Emanzipationsgeschichte erwarten, so dreht sich die Handlung gleich mehrfach in verschiedene Richtungen und lässt uns am Ende fassungslos zurück.
Cather behandelt dabei Themen wie den gesellschaftlichen Aufstieg, streift Migrationsaspekte, die Emanzipation der Frau und den Unterschied von Stadt und Land. Rasch wendet sich jedoch das Blatt und wir stellen uns in einem melancholisch düsteren Tonfall die Frage, wie und ob wir mit Rückschlägen umgehen können, ob man Sicherheit oder die große Freiheit wählen sollte und ob wir überhaupt Kontrolle über unser Leben erlangen können
Realistische Charaktere
Das Herzstück des Romans bilden die zahlreichen Charaktere, die man am ehesten noch als realistisch gezeichnet bezeichnen kann. Wirkliche Sympathieträger oder Hassfiguren finden wir hier nicht. So haben wir es weder mit künstlich überhöhten noch mit übertriebenen Menschen zu tun.
Niemand wird durch irgendein Ereignis plötzlich Gut oder Böse, diese Eigenschaften gelten sowieso nicht. Vielmehr sind alle Figuren dem wirklichen Leben nachempfunden und könnten bis hin zur kleinsten Nebenfigur genauso auch im wirklichen Leben auftauchen.
Fazit: Lucy Gayheart von Willa Cather ist ein herausragendes Stück Literatur, dass trotz seiner Kürze in beinahe allen Aspekten überzeugen kann. Der Stil zeugt von wahrer Meisterschaft. Spielerisch geht Cather mit verschiedenen Erzählperspektiven um, erhöht das Tempo in der lebendigen Großstadt Chicago und verliert sich in malerischen Landschaftsbeschreibungen im ländlichen Nebraska.
Die Handlung ist in mehrfacher Hinsicht überraschend und die behandelten Motive sind trotz der sie durchziehenden Melancholie zeitlos. Nicht zuletzt findet man eine so realistische Figurenzeichnung nur äußerst selten.
Insgesamt handelt es sich um ein wahres Meisterwerk, das völlig zurecht neu aufgelegt wurde. Ein idealer Einstieg in das Werk der Autorin!
Mit Aus Sternen und Staub widmet sich Shootingstar T. J. Klune wieder dem Science-Fiction Genre, verzichtet dieses Mal jedoch auf Roboter und Weltuntergangsstimmung. Gelingt es ihm damit, unsere Herzen zu erobern?
Wer ist Artemis Darth Vader?
Nate Cartwright steht 1995 vor einer Reihe von Problemen: Seine Eltern haben ihn vor Jahren wegen seiner Sexualität verstoßen, sein Bruder spricht aus demselben Grund kein Wort mehr mit ihm und seinen Job bei der Washington Post kann er nach einem Skandal vergessen.
Da kommt es ihm gerade recht, dass seine Eltern gestorben sind und ihm eine einsame Hütte in den Bergen vermacht haben. Weit und breit keine Menschenseele – genau das, was er jetzt braucht. Unglücklicherweise haben ein Mann und ein kleines Mädchen seine Hütte ebenfalls als Wohnort auserkoren - und das ist nur der Startschuss für das Abenteuer seines Lebens…
Shootingstar der queeren Phantastik
Aus Sternen und Staub (The Bones Beneath My Skin) erschien bereits 2018 im Selbstverlag und fand erst dieses Jahr seinen Weg nach Deutschland. Vermutlich handelt es sich um einen Vorläufer/ Test einer größeren Welle, kann der Autor doch auf über zwanzig in Deutschland noch unveröffentlichte Werke zurückblicken.
Feel-Good Science-Fiction
Seinen Erfolg verdankt er vor allem der Tatsache, dass er seine Leser auf der emotionalen Ebene erreicht und mit einer warmherzigen Wohlfühlatmosphäre aus dem tristen Alltag entführt. Dabei kombiniert er zumeist ein phantastisches Genre mit einer Liebesgeschichte. Genau diese Formel ist auch Grundlage dieses Romans.
Liebevolle Hauptfiguren
Im Mittelpunkt unserer Erzählung stehen natürlich die drei Hauptfiguren, die junge Artemis Darth Vader, der ehemalige Journalist Nate und der ehemalige Marine Alex. Ihnen allen gemein ist, dass sie Außenseiter mit einer tragischen Vergangenheit darstellen und erst miteinander ihr Glück (wieder-)finden. Gerade das Zusammenspiel zwischen dem griesgrämigen Alex, dem zurückhaltenden Nate und dem Wirbelwind Artemis sorgt für einige Lacher und herzerwärmende Momente. Wer würde diesen Figuren auch ihr Glück verwehren wollen?
Da fällt es auch nicht allzu sehr ins Gewicht, das gerade die Liebesgeschichte zwischen Alex und Nate sehr schablonenhaft wirkt und genau so auch in jedem beliebigen Roman stattfinden könnte. Ausgeglichen wird dies durch einige wunderbar schräge Nebenfiguren wie einem Verschwörungstheoretiker oder einer alteingesessenen Reporterin bei der Post.
Solides Handwerkszeug
Sein Handwerk beherrscht Klune allemal. Auffällig ist die Dialoglastigkeit des Romans, die für ein insgesamt hohes Lesetempo sorgt und die gut 500 Seiten wie im Flug vergehen lässt. Etwas vermisst habe ich bei den Dialogen den aus der Familie Lawson bekannten Humor. Während sich seine Protagonisten dort Wortgefecht an Wortgefecht lieferten, geht es hier insgesamt gesitteter zu – auch wenn die kleine Artemis mit voller Kraft dagegenhält.
Dafür müssen wir allerdings auch deutlich weniger Kitsch ertragen. Natürlich – es ist eine Liebesgeschichte und da kann man natürlich nicht völlig darauf verzichten. Aber auf keinen Fall erreichen wir das Kalenderspruchniveau des Vorgängerbandes.
Allerdings durchbricht er seine sonst so gut funktionierende Wohlfühl-Atmosphäre an einigen Stellen. So überrascht eine außerordentlich explizite Sex-Szene und auch einige wenige Gewaltausbrüche passen nicht so recht in das große Ganze des Romans. Da hilft es auch nicht, dass er die Handlung in das Jahr 1995 versetzt hat und wir immerhin nicht von Smartphones und ähnlichen Lästigkeiten gestört werden.
Keine innovative Handlung
Auch vermag die Handlung insgesamt nicht zu überraschen. Im Grunde verläuft die Geschichte genauso, wie man es sich nach der ersten Begegnung zwischen unseren Figuren vorgestellt hat. Uns erwarten weder überraschende Wendungen noch innovative Einfälle – stattdessen bekommen wir einen soliden Roadmovie-Plot, der möglichst viele Leser abzuholen versucht und gerade genug kleine Überraschungen aufweist, um uns nicht zu langweilen.
Aber was genau auf der Handlungsebene passiert, ist letztlich irrelevant. Es geht um größere Themen wie Liebe, das Leben, zweite Chancen, Trauer und Frühstücksspeck – und genau diese Themen behandelt der Autor auch in angemessener Breite.
Fazit: Aus Sternen und Staub von T. J. Klune stellt eine klassische Feel-Good-Geschichte dar, die den Leser wieder einmal vor allem auf der emotionalen Ebene abholt. Das Zusammenspiel der Protagonisten funktioniert hervorragend und glücklicherweise verzichtet Klune zu weiten Teilen auf überflüssigen Kitsch.
Dafür sieht man auch gerne über eine nicht wirklich innovative Handlung und eine oberflächliche Liebesgeschichte hinweg. Ein Roman für alle Leser, die vor allem auf eine Wohlfühl-Atmosphäre Wert legen und für einige Stunden dem tristen Alltag entkommen wollen.
In ihrem 1918 veröffentlichten Roman Meine Antonia entführt uns Willa Cather in die Weiten der amerikanischen Prärien und schildert das entbehrungsreiche Leben der ersten amerikanischen Siedler.
Ungewöhnliche Perspektiven
Uns geleitet der junge Jim Burden als Ich-Erzähler durch das Geschehen – und es handelt sich dabei um einen „echten“ Ich-Erzähler. Wir erfahren also nur das, was Jim selbst (mit-)erlebt hat bzw. was ihm zugetragen wird und müssen dabei stets die subjektive Färbung dieser Perspektive beachten.
Für sich genommen wäre diese Tatsache wahrscheinlich nicht sonderlich außergewöhnlich, wenn es sich bei Jim um die Hauptperson des Romans handeln würde. Dabei stellt Jims Lebensgeschichte nur den Ausgangspunkt für eine Vielzahl von Abzweigungen und Verästelungen dar, die diesen Roman durchziehen und entscheidend prägen.
Wunderschöne Naturbeschreibungen
Heimlicher Star dieses Romans ist - noch vor allen Charakteren und der Handlung - die amerikanische Prärie. Willa Cather nimmt sich ausreichend Zeit, um die schönen, aber auch erbarmungslosen Seiten der Natur aufzuzeigen.
Diese Beschreibungen erfüllen über die Schönheit ihrer Worte hinaus die Funktion, die Abhängigkeit der Menschen vom Verlauf der Jahreszeiten zu verdeutlichen, haben die Jahreszeiten und das Wetter doch einen unmittelbaren Einfluss auf den Alltag und die Planung der Siedler.
Gleichzeitig hat die Natur einen großen Einfluss auf das Erzähltempo. Befinden wir uns auf dem Land, dann ist das Tempo gemächlich, während Abschnitte in der Stadt von härteren Schnitten und längeren Zeitsprüngen geprägt sind.
Erbarmungsloses Leben
So schön ihre Beschreibungen auch sein mögen, so vergisst Cather nicht, auch die schrecklichen Seiten des Lebens darzustellen. Gewalt, Morde, Selbstmorde und Vergewaltigungen gehören genauso zum Alltag der Siedler und werden von ihr auch ausreichend thematisiert.
Vielfältiges Figurenensemble
Eine große Stärke dieser Erzählung bilden die zahlreichen liebenswerten Figuren, die die ganze Welt erst lebendig machen.
Da wäre natürlich zum einen Jim, der es vom Farmerjungen schlussendlich nach Harvard schaffen soll. Sein Leben ist natürlich interessant genug, um ihm zu folgen, aber letztlich auch nicht so interessant, dass wir den Fokus nur noch auf ihn legen wollen.
Naturgemäß kommt einem als Nächstes natürlich die titelgebende Figur Antonia in den Sinn. Und hier war ich ein Stück weit „enttäuscht“, weil ich aufgrund des Titels und der Faszination von Jim mehr von dieser Figur erwartet hätte. Dabei ist sie gar keine Sympathieträgerin im eigentlichen Sinne, sondern fällt eher durch ihr egoistisches und stellenweise habgieriges Gehabe auf.
Natürlich kann man aus Leserperspektive ihr Verhalten nachvollziehen. Im Gegensatz zu Jim befindet sie sich in keiner privilegierten Situation. Sie muss als Einwanderin überleben und kann es sich einfach nicht leisten, zur Schule zu gehen. Aber wenn ich eine Figur so sehr in den Mittelpunkt stelle und sie Lernprozesse durchlaufen lasse, muss ich ihr dann das klischeehafteste Ende überhaupt angedeihen lassen?
Versteckte Anthologie
Dafür lässt Willa Cather die anderen Figuren umso mehr glänzen und gibt ihnen ausreichend Raum dazu. Im Grunde handelt es sich bei diesem Roman nämlich um eine versteckte Kurzgeschichtensammlung. In Nebraska versammelt sie Einwanderer und Glücksritter aus aller Herren Länder und oft haben diese eine bewegende und/oder unterhaltsame Hintergrundgeschichte zu bieten.
Als Beispiel sei etwa die Wolfsgeschichte um die beiden Russen Peter und Pavel genannt, die mich sofort in ihren Bann gezogen hat und genau so auch in einer Kurzgeschichtensammlung abgedruckt werden könnte.
Überrascht haben mich auch die vielen starken Frauenfiguren. Gerade unter den Migrantenmädchen gibt es so einige, die ihr Glück als starke und unabhängige Frauen finden und fernab jeglicher gesellschaftlicher Erwartungen Erfolge feiern können.
Fazit
Meine Antonia von Willa Cather ist ein Roman, der gleich in mehrfacher Hinsicht zu überraschen vermag. Handwerklich begeistert die Geschichte mit einer ungewöhnlichen Erzählperspektive, die es trotz subjektiver Ausgangslage schafft, ein möglichst objektives Bild vom Leben in den amerikanischen Prärien zu zeichnen.
Wir erleben hautnah, was es heißt, als Migrant nach Amerika zu kommen und welche Probleme es zu überwinden gilt. Gleichzeitig treffen wir viele starke Frauenfiguren, die trotz gesellschaftlichen Drucks ihren eigenen und selbstbestimmten Weg gehen. Die Schilderungen der amerikanischen Landschaft sind dabei so schön, dass wir das bisschen Pathos gerne verzeihen können.
Damit handelt es sich um eine überraschend unterhaltsame Lektüre, die gleichermaßen Coming-of-Age, Migrations- und Emanzipationsgeschichte in einem ist. Lesenswert!
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