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Sophie

Bewertungen

Insgesamt 167 Bewertungen
Bewertung vom 08.09.2024
Meller, Marc

Das Smartphone


sehr gut

Spannungssnack für Thrillerhungrige

Marc Mellers neuer Thriller „Das Smartphone“ spielt auf spannende Weise mit den Möglichkeiten des technischen Fortschritts – samt allen Konsequenzen. Echter Tiefgang kommt auf der rasanten Reise durch die Welt von KI, Spyware und Genforschung zwar nicht zustande, dafür besticht das Buch jedoch durch sein flottes Tempo und die originellen Ideen.

Paula steht kurz davor, ihre Doktorarbeit in Molekularbiologie zu beginnen und ihre wissenschaftliche Karriere zu starten, als der Kauf eines gebrauchten Smartphones ihr Leben aus den Angeln hebt. Unmittelbar nach dem Kauf wird der Besitzer des Handyshops ermordet – kurz nachdem er Paula mitgeteilt hat, dass er Spyware auf ihrem alten Gerät gefunden hat. Nur ein merkwürdiger Zufall? Paula wendet sich zunächst an die Polizei, gerät jedoch selbst bald ins Fadenkreuz der Ermittlungen. Nur der psychisch kranke Bruder des Ermordeten scheint an Paulas Unschuld zu glauben. Aber ist die Verschwörung, die er aufzudecken gedenkt, echt oder nur ein Hirngespinst?

„Das Smartphone“ bewegt sich auf der Grenze zwischen Wissenschafts- und Actionthriller und setzt vor allem auf ein rasantes Tempo ohne Atempausen. Beinahe jedes Kapitel hält eine neue Wendung bereit, sodass die Lektüre wie im Flug vergeht. Der sehr einfach und knapp gehaltene Schreibstil trägt ebenfalls dazu bei, dass die Seiten nur so dahinsausen. Das Buch legt den Fokus vor allem auf die Schattenseiten moderner Technologie und beleuchtet einige erschreckende Möglichkeiten, wie diese Technologie missbraucht werden kann. So richtig zum Nachdenken anregen kann der Thriller dabei allerdings nicht. Aufgrund des rasanten Tempos und des knappen, handlungsorientierten Stils bleibt wenig Zeit für Reflexion, und bei keinem der angerissenen Themen geht es so richtig in die Tiefe, was gesellschaftliche oder individuelle Konsequenzen anbelangt. Das tut jedoch dem Unterhaltungswert des Buchs keinen Abbruch.

Fazit: „Das Smartphone“ ist ein spannender und origineller Thriller, jedoch eher eine Lektüre für zwischendurch. Wer nicht nach Tiefgang sucht, sondern vor allem gut unterhalten werden möchte, wird mit dem Buch sicher seinen Spaß haben.

Bewertung vom 03.08.2024
Whitaker, Chris

In den Farben des Dunkels


ausgezeichnet

Ein wirklich großer Wurf

Mit „In den Farben des Dunkels“ ist Chris Whitaker ein großer Roman mit phänomenalem Nachhall gelungen, der an die ganz essenziellen Fragen von Menschlichkeit rührt. Die Jahrzehnte umspannende Handlung verliert nie an Intensität, und der sprachlichen Wucht des Romans wird sich wohl kaum jemand entziehen können.

Im Kindesalter wird der Außenseiterin Saint ihr einziger Freund entrissen: Patch, aufgewachsen in schwierigen Verhältnissen, wird unverhofft zum Helden, als er die Entführung einer Mitschülerin verhindert, dabei jedoch selbst in die Fänge des Entführers gerät und über Monate hinweg verschollen bleibt. Während Saint alles daransetzt, ihn zu finden und zu befreien, kommt Patch in Gefangenschaft einem Mädchen näher, das das Verlies mit ihm teilt. Als die Befreiung schließlich irgendwann gelingt, bleibt dieses Mädchen zurück, doch Patch wird sie sein Lebtag lang nicht vergessen und sein Leben der Suche nach ihr widmen.

Was „In den Farben der Dunkelheit“ zu einem so außergewöhnlichen Buch macht, ist nicht nur die psychologische Tiefe jeder einzelnen Figur, sondern auch, dass so viele von ihnen zu Wort kommen, ohne dass die Geschichte je an Richtung verlieren und zerfasern würde. Saints Großmutter, der ermittelnde Sheriff, die von Patch gerettete Mitschülerin, der örtliche Kunsthändler … So viele Menschen spielen eine Rolle rund um die Entführung und die Folgen, die sie auch Jahrzehnte später noch nach sich zieht, und ihnen allen wird eine eigene Geschichte zugestanden, mit ihren eigenen Traumata und Sehnsüchten. Dabei bleibt Whitaker gleichwohl stets fokussiert auf das große Ganze, verliert nie Patchs Suche nach seiner Mitgefangenen aus den Augen. Seine Figuren entwickeln sich stetig weiter, selbst wenn sie auf der Stelle zu treten scheinen. Mit wortgewaltiger Sprache malt der Autor ein Bild davon, wie das Schicksal einer einzigen Person Wogen schlagen kann, die nicht nur eine kleine Gemeinschaft, sondern fast ein ganzes Land in Bewegung setzen.

„In den Farben des Dunkels“ ist ein tief berührender Roman, dessen Figuren einen noch lange nach dem Beenden der Lektüre nicht loslassen. Voller Inbrunst wünscht man ihnen das Beste und muss doch zusehen, wie sie einen Fehler nach dem anderen begehen. Mit diesem Roman ist Chris Whitaker wahrhaftig ein Abbild des wahren Lebens gelungen, jedoch angereichert mit Ästhetik und Poesie. Unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 03.08.2024
Petermann, Axel;Mattfeldt, Petra

Ken und Barbie / Im Kopf des Bösen Bd.2


sehr gut

Trotz schwachem Start eine spannende Lektüre

„Im Kopf des Bösen – Ken und Barbie“, der zweite Band aus der Reihe um das Ermittler-Duo Sophie Kaiser und Leonhard Michels, beginnt schwach, kann sich jedoch stetig steigern. Dank der polizeilichen Expertise von Fallanalytiker Axel Petermann, in Worte gepackt von Autorin Petra Mattfeldt, besticht das Buch vor allem durch die Authentizität des dargestellten Falls, der auf einer wahren Begebenheit beruht.

In Köln treibt ein Frauenmörder sein Unwesen. Mehrere junge Frauen sind bereits verschwunden, und als die ersten grausam zugerichteten Leichen auftauchen, treten Sophie Kaiser und Leonhard Michels vom BKA auf den Plan. Mit ihrem fallanalytischen Know-how erstellen die beiden ein Profil des Täters, das jedoch rasch an seine Grenzen stößt. Sind hier etwa zwei Personen am Werk – ein Paar? Als eine weitere junge Frau entführt wird, beginnt die Uhr zu ticken. Sophie und Leonhard stürzen sich mit allem, was sie haben, in die Arbeit und kommen sich dabei auch auf menschlicher Ebene näher. Für Sophie kein leichter Schritt, denn ihre autistischen Züge erschweren ihr zwischenmenschliche Beziehungen sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext.

Der Thriller basiert auf einem wahren Fall, einer Mordserie, die sich in den 1990ern in Kanada zutrug, wie das Nachwort detailliert aufschlüsselt. Petermann und Mattfeldt halten sich eng an die Abfolge der Ereignisse während dieser Morde und verlegen die Handlung nach Deutschland. Man merkt dem Roman an, dass hier geballte Expertise in Gestalt von Fallanalytiker Axel Petermann im Hintergrund steht, denn die Darstellung der Ermittlungen wirkt außerordentlich authentisch. Neben den beiden Ermittlungsfiguren kommen auch Opfer und Täter zur Sprache, in teils reißerischen Schilderungen, die aber fürs Genre gut passen und eine Abwechslung zum relativ neutral gehaltenen Ton des Handlungsstrangs rund um die Ermittlungen darstellen. Insbesondere der Start ins Buch wirkt beinahe nüchtern und damit nicht unbedingt spannungsgeladen. Das Autoren-Duo nimmt sich viel Zeit, Sophies Autismus zu erklären und vorzustellen, anstatt ihn anschaulich zu zeigen, sodass sich auf den ersten Seiten trotz Leichenfund nicht so recht Spannung einstellen will. Hat man es dann erst mal über die holzige Exposition geschafft, wird der Fall jedoch bald richtig spannend und auch Sophie im Kontakt mit ihrem Kollegen Leonhard als Figur etwas plastischer.

Ein spannender Thriller, der zwar schleppend ins Rollen kommt, dann aber durch hohes Tempo und ein authentisch geschildertes, spannungsreiches Ermittlungsverfahren überzeugen kann.

Bewertung vom 03.08.2024
Golling, Alexander Lorenz

In Flammen


gut

Grusel im klassischen Stil

Die elf Gruselgeschichten in Alexander Lorenz Gollings Kurzgeschichtensammlung „In Flammen“ überraschen zwar nur selten, warten aber doch mit einer ganz eigenen Atmosphäre auf. Sowohl stilistisch als auch inhaltlich entsprechen sie damit oft dem Typus des klassischen Schauermärchens, jedoch ergänzt um manch einen überraschend blutigen Vorgang.

Die in dem Buch versammelten Texte bewegen sich allesamt in der Region Donaumoos mitten in Bayern und greifen mehr als einmal historische Ereignisse oder lokale Legenden auf, was den Texten einen leicht folkloristischen Anstrich gibt. Schauerliche Gebäude und Orte, Geistererscheinungen und einsame Natur bilden die Hauptelemente der meisten Geschichten, sodass sie sowohl durch den regionalen Bezug als auch durch die Themenwahl zusammengehalten werden. Manch ein Geist ist rachsüchtig, manch einer doch eher traurig, aber es sind fast immer die Toten, die in irgendeiner Form aus ihren Gräbern zurückkehren. Eine Ausnahme von diesem Muster bildet „Auf Abruf“ – die kurze Geschichte bleibt jedoch in Andeutungen hängen und kann durch das hastig wirkende Ende nicht überzeugen.

Ebenso klassisch wie die Themenwahl mutet Gollings Sprache an: Altertümliche Ausdrucksweisen sind keine Seltenheit, fügen sich jedoch in den Texten mit historischem Setting naturgemäß besser ein als in anderen („Eine Familienangelegenheit“ ist in dieser Hinsicht positiv hervorzuheben). Insgesamt sorgt dieser Stil für eine gewisse Distanz zwischen Lesenden und Figuren. So richtig mitempfinden kann man das Grauen nur selten. Eine echte Ausnahme, die emotional wirklich zu berühren weiß, stellt der ungewöhnlich melancholische Text „Noch ein Bier, bitte!“ dar. Unter Verwendung der klassischen Methode der Geschichte in der Geschichte und wohlbekannter Motive schafft der Autor einen Text, der zwar nicht zu überraschen, aber auf tiefster Ebene zu berühren vermag. Eindeutig der Höhepunkt der Sammlung!

„In Flammen“ ist ein durchaus unterhaltsames Werk, das immer wieder mit atmosphärischen Momenten glänzt, jedoch keine großen Würfe schafft. Fans von klassischen Schauergeschichten kommen hier durchaus auf ihre Kosten, werden jedoch vermutlich keine großen Überraschungen erleben.

Bewertung vom 10.06.2024
Cors, Benjamin

Krähentage / Gruppe 4 ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Ein Thriller-Highlight

„Krähentage“ von Benjamin Cors hat einfach alles, was man sich von einem anspruchsvollen Thriller wünscht: eine grausige Mordserie, ein perfides Katz-und-Maus-Spiel, eine kompetente Ermittlungstruppe mit Ecken und Kanten und jede Menge Spannung. Mit diesem Buch ist dem Autor wirklich ein großer Wurf gelungen.

Die gerade erst etablierte Gruppe 4 zur Aufklärung von Serienstraftaten hat keinen leichten Start: Direkt am ersten Arbeitstag macht sich ein gewiefter Serienmörder ans Werk, der für kurze Zeit die Identität seiner Opfer annimmt und ihre Leichen ausgehungerten Krähen zum Fraß vorwirft. Die Ermittlungstruppe um Jakob Krogh und Mila Weiss tritt auf der Stelle: Es mangelt an verwertbaren Spuren, der Täter scheint ihnen immer einen Schritt voraus zu sein, und zusätzlich sitzt ihnen der Staatsanwalt im Nacken und ihre Ressourcen werden durch eine parallel laufende zweite Ermittlung gebunden. Mit jedem neuen Opfer wächst die Verzweiflung – ist diesem Mann überhaupt beizukommen?

In „Krähentage“ geht es nicht so sehr um die Jagd nach dem Mörder, sondern vielmehr um das Wie: Wie kommt man einem Phantom auf die Schliche? Was sind die Hintergründe seiner Tat? Ab der ersten Seite begleiten wir Lesenden sowohl den Täter als auch die Ermittlungsgruppe – es bestehen keine Zweifel über seine Identität. Bisweilen kommt er Jakob und Mila sogar so nah, dass man die beiden am liebsten durch die Seiten hinweg anbrüllen und auf ihn aufmerksam machen würde. Gerade darin liegt die Stärke des Romans: Benjamin Cors lässt uns den Figuren ganz nahe kommen, und zwar nicht nur Jakob und Mila, sondern auch den anderen Ermittelnden sowie dem Täter selbst. Dabei kommt er weitgehend ohne Klischees aus: Während Jakob und Mila durchaus Anlagen klassischer Figurentypen haben (der Hüter eines dunklen Geheimnisses und die kratzbürstige Supertoughe), durchbrechen sie die stereotypen Verhaltensweisen dieser Figurentypen immer wieder und werden dazu zu echten, nahbaren Menschen, denen man ihre Emotionen wirklich abkauft. Der Autor bedient sich dabei einer Sprache, die für einen Thriller oft ungewohnt poetisch anmutet, gerade dadurch aber eine ganz andere Tiefe entwickelt, als das bei vielen anderen Genrevertretern der Fall ist. Blut und Grausamkeit kommen dabei zwar nicht zu kurz, fügen sich aber organisch in die Handlung ein, ohne voyeuristisch zu wirken.

„Krähentage“ ist blutig und hochspannend, zugleich aber ein Thriller mit echter Tiefe, authentischen Figuren und manch einer wahrhaft originellen Wendung. Unbedingte Leseempfehlung!

Bewertung vom 09.06.2024
Horowitz, Anthony

Mord stand nicht im Drehbuch


sehr gut

Brillant konstruiert und humorvoll erzählt

Mit „Mord stand nicht im Drehbuch“ tritt Bestseller-Autor Anthony Horowitz einmal mehr mitten hinein in seinen eigenen Kriminalroman. Diesmal jedoch nicht als Ermittler, sondern als Tatverdächtiger. Während der Mix aus Realität und Fiktion nicht immer ganz gelingt, ist die Krimi-Handlung selbst ein großes Vergnügen.

Nach der Premiere von Horowitz’ aktuellem Theaterstück – einer Kriminalkomödie – in London, wird die härteste Kritikerin des Stücks tot aufgefunden. Ermordet mit einem Dolch, wie ihn die Besetzung als Geschenk erhalten hat. Horowitz gerät ins Fadenkreuz der polizeilichen Ermittlungen und sieht sich gezwungen, Hilfe bei dem brillanten, jedoch unausstehlichen Privatdetektiv Hawthorne zu suchen.Während sich die Polizei immer dichter an seine Fersen heftet, ziehen Horowitz und Hawthorne auf der Suche nach Antworten quer durch London und Umgebung. Mit jedem Interview eines Verdächtigen aus der Theatertruppe tauchen neue Hinweise auf, und schlussendlich gilt es, ein Puzzle aus unzähligen Teilen zusammenzusetzen, um dem Täter auf die Schliche zu kommen.

„Mord stand nicht im Drehbuch“ ist im Grundsatz ein Kriminalroman in bester Agatha-Christie-Manier: ein begrenzter Kreis von Verdächtigen, alle mit ihren jeweils eigenen Motiven und Geheimnissen, und ein Ermittler, der nach und nach die Informationshäppchen sammelt und am Ende durch erstaunliche Denkleistung zu einem klaren Bild zusammensetzt. Horowitz würzt dieses Patentrezept mit einer kräftigen Prise Humor und einer vielleicht etwas ausgearteten Dosis Metaebene. Die selbstironische Art, mit der der Autor sich selbst als Hauptverdächtigen und Erzähler ins Zentrum der Ermittlungen schiebt, wirkt hier und da vielleicht etwas übertrieben augenzwinkernd. Insbesondere dann, wenn Horowitz in tiefstaplerischer Manier seinen eigenen Erfolg als Autor herunterspielt oder sich von anderen Romanfiguren kleinreden lässt. Ein bisschen weniger Horowitz und ein klein wenig mehr Hawthorne hätten dem Roman gutgetan. Die Ermittlungen selbst und die Auflösung des Falls können dank der brillanten Konstruktion und der geschickten Einflechtung kleinster relevanter Details über den gesamten Roman hinweg jedoch auf ganzer Linie überzeugen.

Insgesamt ein lohnenswerter Kriminalroman mit leicht gewöhnungsbedürftiger Erzählperspektive, der Genrefans und Fans von Horowitz ganz sicher großes Lesevergnügen bereiten wird.

Bewertung vom 09.06.2024
Frennstedt, Tina

Das letzte Bild / Cold Case Bd.4


sehr gut

Ein wendungsreicher Krimi zum Mitdenken

„Cold Case. Das letzte Bild“ ist bereits Tina Frennstedts vierter Band um die schwedische Kommissarin Tess Hjalmarsson und ihr Team, das sich gezielt mit Cold Cases, also alten und bislang ungelösten Fällen, beschäftigt. Genau wie die Vorgängerbände glänzt „Das letzte Bild“ durch einen komplexen und spannend konstruierten Fall und zahlreiche unerwartete Wendungen, wobei im Vordergrund stets die eigentliche Ermittlungsarbeit steht.

Tess hat es gerade nicht einfach: Sie ist vorübergehend vom Dienst freigestellt, und dann wird ihr auch noch wegen zu schnellen Fahrens der Führerschein entzogen. Nicht gerade die idealen Voraussetzungen für eine Ermittlung. Als jedoch in einem alten Fall, der Tess persönlich nahegeht, plötzlich neue Informationen auftauchen, ist sie wild entschlossen, der Sache endlich auf den Grund zu gehen. Bislang unbekannte Fotos des Opfers machen die Runde auf einer dubiosen Website. Da Tess die Zusammenarbeit mit ihrem eigenen Cold-Case-Team vorerst verwehrt bleibt, tut sie sich mit einem Profiler und einer Bildanalytikerin von der Kopenhagener Polizei zusammen. Neben den Schwierigkeiten der Ermittlungen bringt dies auch eine Reihe von berufspolitischen und persönlichen Hürden mit sich.

Tina Frennstedts Krimis zeichnen sich vor allem durch ihren Fokus auf der Ermittlungsarbeit selbst aus. Jede Wendung wird sorgfältig vorbereitet, jede Enthüllung befindet sich am richtigen Fleck, sodass Lesende mitdenken und miträtseln können. In „Das letzte Bild“ gelingt dies allerdings nur bis zu einem gewissen Punkt – das Ende bringt dann doch noch eine nicht vorhersehbare Überraschung mit sich. Im Großen und Ganzen ist die „Cold-Case“-Reihe nicht effekthascherisch, in „Das letzte Bild“ lehnt sich die Autorin mit der ein oder anderen Enthüllung zum Ablauf der Tat dann aber doch etwas weiter aus dem Fenster. Das tut dem spannenden Leseerlebnis insgesamt jedoch kaum Abbruch. Besonders gelungen sind in diesem Band die Einblicke in weniger verbreitete Ermittlungsmethoden wie die Bildanalyse, die wertvolle Hinweise zur Lösung des Falls beiträgt. Wie von der Autorin gewohnt, sind es die kleinen Details, die am Ende entscheidend sind.

„Cold Case. Das letzte Bild“ ist ein absolut empfehlenswerter Krimi für Lesende, die gerne komplexe Ermittlungen begleiten und sich dabei selbst den Kopf zerbrechen. Trotz eines nicht hundertprozentig überzeugenden Endes kann dieser Roman gut unterhalten und lädt zum Mitfiebern ein.

Bewertung vom 01.05.2024
Raabe, Marc

Die Dämmerung / Art Mayer-Serie Bd.2


sehr gut

Überzeugender Thriller

Mit „Die Dämmerung“ schickt Autor Marc Raabe sein Ermittlerduo Art Mayer und Nele Tschaikowski in ihren zweiten Fall. Das Buch ist jedoch auch ohne Kenntnis des ersten Bandes bestens les­‑ und genießbar.

Als die in der Öffentlichkeit wohlbekannte (und wohlbetuchte) Charity-Dame Charlotte Tempel auf grausame Weise ermordet aufgefunden wird, gerät zunächst ihre 21-jährige Tochter Leo mit ihrer radikalen Umweltbewegung ins Visier der Ermittlungen. Den Lebensstil und Reichtum ihrer Familie lehnt sie von Grund auf ab. Dennoch können weder Art noch Nele so recht an die Schuld dieser jungen Frau glauben. Während sie Charlotte Tempels Umfeld auf weitere Verdächtige abklopfen, kommt jedoch einiges über Leos Familiengeschichte ans Licht, das ihr durchaus ein Motiv geben würde.

„Die Dämmerung“ arbeitet geschickt mit den Eigenschaften und Bedürfnissen seiner Figuren, kehrt ihre Schwächen und Unsicherheiten an die Oberfläche und schafft dadurch eine Handlung mit Tiefgang und glaubwürdigen Motiven. Durch den geschickten Kniff eines jahrzehntealten wiedergefunden Tonbands fördert der Roman nach und nach eine tragische Vergangenheit ans Licht, die Auswirkungen auf die Gegenwart hat. Schade ist dabei nur, dass in der Auflösung letztlich nicht alle Fäden zusammenfinden, sondern auch ein gewisses Überraschungselement eine Rolle spielt. So stößt man als Leser*in, der*die gern „mitermittelt“, irgendwann an die eigenen Grenzen und muss sich auf den Weg einlassen, den das Buch zuletzt einschlägt. Dazu gehören auch einige falsche Fährten, die schlussendlich ein wenig zu konstruiert wirken. Trotz dieser leichten Schwächen im letzten Drittel des Buchs lohnt sich die Lektüre von „Die Dämmerung“ aber gerade wegen der Komplexität des Falls und der starken psychologischen bzw. charakterlichen Komponente. Selten kommen in Thrillern die individuellen Eigenschaften von Figuren so stark und wirkungsvoll zum Tragen wie in diesem Roman.

Insgesamt ein absolut lohnenswertes Buch für Thriller-Fans, das vor allem durch seine durchdachten Figuren mit ihren individuellen Biografien glänzt.

Bewertung vom 20.04.2024
Lux, Lana

Geordnete Verhältnisse


sehr gut

Bedrückendes Porträt einer ungesunden Beziehung

Mit „Geordnete Verhältnisse“ gewährt Lana Lux eindringliche Einblicke in die Beziehung zweier Menschen, die sich womöglich bei der Bewältigung ihrer jeweils belastenden Vergangenheit hätten stützen können, jedoch in ihre jeweils eigenen Abgründe stürzen. Mit schonungsloser Ehrlichkeit und subtilem Humor seziert sie eine toxische Beziehung, deren Gefährlichkeit erst viel zu spät in ihrem ganzen Ausmaß zutage tritt.

Philipp ist seit Kindertagen ein Außenseiter. Seine problematische Familiengeschichte und Lebenssituation haben ihn verbittert gemacht, und er sucht die Schuld für sein Unglück in seiner Umgebung: bei den Einwanderern, die das Sozialsystem ausnutzen. Bei den Frauen, die Männer wie ihn verschmähen. Bei der Gesellschaft mit ihrer ihm unverständlichen Sexbesessenheit. Sein einziger Anschluss ist – ebenfalls seit Kindertagen – die ukrainischstämmige Faina. In ihr glaubt er seine Seelenverwandte gefunden zu haben und tut alles, um sie an sich zu binden. Von außen betrachtet wirkt seine vermeintliche Hilfe von Anfang an alarmierend: Er korrigiert ihr Deutsch und ihr Verhalten, stets in dem Bemühen, ihre Integration zu beschleunigen. Was zu Beginn jedoch noch halbwegs harmlos und aus kindlicher Perspektive verständlich scheint, entwickelt sich über die Jahre hinweg zu einer ungesunden Fixierung.

Lana Lux erzählt aus beiden Perspektiven, Philipps und Fainas, was dem Roman eine außergewöhnliche Tiefe verleiht. Denn Philipp, der Kontrollierende, ist aus seiner Sicht kein Monster. Seine Motive und Gedankengänge nachvollziehen zu können, macht den Text noch beklemmender. Fainas Sicht auf die Dinge ist ebenso wenig objektiv. Beim Lesen kommt immer wieder Verzweiflung auf, weil sie Philipps Verhalten nicht so verurteilt, wie eine außenstehende Person es tun würde. Diesen beiden Figuren kommt man im Laufe des Buchs so nahe, dass man sie am liebsten schütteln und anschreien, von ihrem jeweils unverständlichen Verhalten abbringen möchte. So intensiv die langsame Entwicklung dieser Beziehung und von Philipps Kontrollzwang geschildert wird, so abrupt und hektisch endet allerdings der Roman. Somit ist die einzige Schwäche des Buchs sein Ende, das überhastet wirkt und der zuvor entstandenen Tiefe nicht gerecht werden kann.

Trotz des überhasteten Endes ist „Geordnete Verhältnisse“ jedoch ein absolut lohnenswerter Roman, der so tiefgründig wie selten ergründet, welche Wege in eine toxische Beziehung mit all ihren Konsequenzen führen. Klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 20.04.2024
Izquierdo, Andreas

König von Albanien


sehr gut

Ein leichtfüßiger und humorvoller Roman

In „König von Albanien“ macht uns Autor Andreas Izquierdo mit einer außergewöhnlichen Persönlichkeit bekannt: Otto Witte, der sich im frühen 20. Jahrhundert zum Ziel gesetzt hat, König von Albanien zu werden. Wie ihm das gelingt, schildert der Roman voll Witz und Charme sowie unter Einbeziehung einer etwas schleppenden Rahmenhandlung.

Mit viel Humor und Fingerspitzengefühl sowie einer beachtlichen Fülle an historischer Hintergrundrecherche erzählt Andreas Izquierdo die schier unglaubliche Geschichte, wie ein mittelloser Gaukler, der nicht einmal lesen und schreiben kann, sich kurzfristig an die Spitze eines kleinen Staats mogeln konnte. Ottos Ressourcen sind seine Dreistigkeit und sein schier unerschöpfliches Charisma, mit dem er eine ganze Reihe von Menschen in hohen Positionen derart um den Finger wickelt, dass sie zum Gelingen seines irrwitzigen Plans beitragen.

Otto Wittes Weg zum König von Albanien ist gepflastert mit amüsanten Anekdoten und haarsträubenden Lügengeschichten, die uns Lesende immer wieder aufs Neue zum Staunen und Lachen bringen. Mehr als einmal denkt man sich beim Lesen: Damit kann er doch nicht durchkommen – und doch tut er es. Ebenso mitgerissen von Ottos Geschichte ist der Psychiater Alois Schilchegger, der Otto nach seinem Coup in einer Psychiatrie in Salzburg behandelt. Diese Rahmenhandlung mit Schilcheggers individueller Entwicklung und den ganz eigenen Problemen des Psychiatriealltags nimmt unerwartet viel Raum im Roman ein und durchbricht die eigentliche Haupthandlung stark. Mehr als einmal sehnt man sich danach, dass es mit Ottos Geschichte endlich weitergehen möge, anstatt sich mit dieser Nebenhandlung zu befassen.

Trotz des bremsenden Elements der Rahmenhandlung ist „König von Albanien“ jedoch ein gelungener Roman, der vor Witz und Charme nur so strotzt. Auch Menschen, die für historische Romane üblicherweise nichts übrig haben, werden sich von Ottos gewieftem Gaunerstück sicherlich in seinen Bahn ziehen lassen.