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Peter Waldbauer (Autor)
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Heidelberg
Über mich: 
Peter Waldbauer, Jahrgang 1966, ist Betriebswirt und wohnt als freiberuflicher Dozent und Autor in der Nähe von Heidelberg. Er veröffentlichte bisher Essays und fünf Bücher:

Bewertungen

Insgesamt 59 Bewertungen
Bewertung vom 27.08.2017
Stupid Dieser Bohlen
Farian, Frank; Rudorf, Reginald; Kaltwasser, Dieter

Stupid Dieser Bohlen


ausgezeichnet

Bravo Frank! (gekürzte Version)

Wer Bohlen mit Kritik begegnet, seien es aktuelle oder ehemalige Kollegen aus der Musikbranche, wird von ihm meist sehr schnell platt gebügelt, mit dem Hinweis auf deren
a) entweder überhaupt nicht vorhandenen oder
b) nicht mehr vorhandenen oder
c) viel geringeren Erfolg.
Bei einer Größenordnung von über 160 Millionen verkauften Tonträgern und mindestens den gleichen Betrag als Eurovermögen - ein Totschlagargument. Wer Dieter am Zeug flickt, so Bohlens Sicht der Dinge, kann nur von einem motiviert sein: Er ist neidisch. Punkt. Wäre dem nicht so, würden diese „Hanseln“ doch gar nicht erst versuchen, an Bohlens Renomée zu kratzen. Wer soviel Erfolg hat, muss sich ja wohl nichts von irgendwelchen „Losern“ sagen lassen. Bohlens „Personality“, wie er sie in seinem Buch "Nichts als die Wahrheit nennt", kann nur die richtige sein, denn der Erfolg gibt Bohlen recht. Die anderen wissen halt nicht wie`s geht, weshalb ihnen Bohlen auch jeglichen Respekt versagt.
Kurzum, für Bohlen steht der Erfolg, das Materielle, (Anzahl der verkauften Tonträger/der Nummer 1-Hits in den Charts/der Zuschauer bei DSDS) an erster Stelle und wer selbst so sehr materiell ist wie Bohlen, der setzt bei anderen, das ist nur konsequent, ebenso materielle Motive voraus.

So ist es nicht verwunderlich, dass die einzigen Menschen, die Bohlen akzeptiert, ja eventuell sogar als seine Vorbilder ansieht, Personen sind, die noch erfolgreicher sind als er: Frank Farian, was dessen Erfolg als Musikproduzent betrifft und Franz Beckenbauer, was dessen Prestige und Gefragtsein in den Medien angeht. Seit Bohlen bei Deutschland sucht den Superstar mitwirkt, gehört auch Simon Fuller dazu, der Erfinder der gleichnamigen Casting-Show.

Dass der so vehement angestrebte Erfolg auch Menschlichkeit zulässt, dass soziale Harmonie trotz harter Konkurrenz möglich ist, solche Gedanken erscheinen Bohlen offenbar abwegig. Ein exzellentes Beispiel dafür, dass es auch anders gehen kann, ist übrigens Frank Farian.
Bohlen brüstet sich ja, um seinen Wert als bedeutender Musikproduzent zu unterstreichen, bei jeder Gelegenheit damit, über 160 Millionen Tonträger verkauft zu haben.
Nun, was soll Frank Farian da erst sagen? Farian hat über 850 Millionen Tonträger verkauft. Eine Anzahl, die sich kaum noch genau ermitteln lässt. 850 Millionen, fast eine Milliarde(!) verkaufter Tonträger. Bei weltweit über sechs Milliarden Menschen, bedeutet dies: Im Durchschnitt besitzt fast jeder achte Mensch auf diesem Planeten einen Hit von Frank Farian! Bohlen mag der clevere Hitproduzent eines Hamburger Musikverlages sein, der in den Achtzigern einen Trend konsequent zu nutzen wusste, aber Farian ist ein Genie. Farian wandelt über dem Wasser.

Egal, wie sehr Dieter Bohlen sich in seinem künftigen Musikproduzenten-Leben noch abstrampeln wird, Frank Farian kann er nie mehr einholen. Auch wenn man berücksichtigt, dass Bohlen ein Jahrzehnt jünger ist als Farian, die Differenz von rund 700 Millionen verkauften Tonträgern ist für Bohlen unmöglich zu schaffen und das weiß er auch.
Frank Farian hat in den USA, dem größten und schwierigsten Musikmarkt der Welt, ebenso viel Prestige und Erfolg wie in Deutschland, wenn nicht noch mehr. Doch wer in den USA oder England kennt Dieter Bohlen?

Bohlen ließ sich, seiner „Personality“ gemäß, vom Boulevard als Pop-Protz mit Rolls Royce, Mercedes und Millionen-Villa feiern. Frank Farian meldet solche Autos mit Rücksicht auf den Neidkomplex in Deutschland gar nicht erst an und vom Musikkonzern CBS-Records ist zu hören, dass man dort noch nie einem so bescheidenen Menschen begegnet sei wie Frank Farian, der sich zum Mittagessen mit einem Käsebrötchen begnüge.

Bohlen besitzt einen akademischen Abschluss der Universität Göttingen, ist Diplom-Kaufmann. Farian ist gelernter Koch. Wieviel mehr Anlass als Dieter Bohlen hätte Frank Farian, sich auf seine Karriere etwas einzubilden

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.08.2017
Der Bohlenweg
Bohlen, Dieter

Der Bohlenweg


gut

Bohlens BWL (gekürzte Version)

Bohlen hat zwar BWL studiert, aber nicht immer so ganz aufgepasst. Auf Seite 385 unten schreibt er:
"Ich glaube, dass wir mit Daniel das Maximum erreicht und das Minimaxprinzip optimal angewendet haben. Man soll mit minimalem Einsatz das Maximum herausholen. Genau das haben wir gemacht."

Genau das hat Dieter Bohlen bestimmt nicht gemacht, weil das nämlich gar nicht möglich ist. Wer unter dem ökonomischen Prinzip das Anstreben maximalen Resultates bei minimalem Aufwand versteht, begeht den größten Fehler betriebswirtschaftlichen Denkens überhaupt. Dieses Ziel ist nicht lösbar! Die Leser mögen einmal versuchen, folgendes Ziel zu erreichen: Durcharbeiten eines Buches bei minimalem Zeitaufwand und gleichzeitiges Anstreben maximalen Lernerfolges.

Beides gleichzeitig ist nicht möglich: Entweder ist der Ertrag vorgegeben und ich versuche ihn mit minimalem Aufwand zu erreichen, oder aber ich will aus einem bestimmten Aufwand das Maximale herausholen. Beide Größen, Aufwand und Ertrag, gleichzeitig zu optimieren, ist nicht möglich. Auch nicht, wenn man Dieter Bohlen heisst.

Bohlens Stärke liegt denn auch nicht in der allgemeinen BWL, sondern im Marketing. Zweifelsohne hat er es darin zur Meisterschaft gebracht: im Marketing, nicht in der Musikkunst. Entsprechend der Marketinglehre hat Bohlen auch alle seine Musikhits konzipiert, seien es die von Modern Talking, von Blue System, von den Superstars oder die vieler anderer Künstler, die er produziert hat:

1. Zielgruppe festlegen: am lukrativsten ist die untere bis mittlere Mittelschicht, weil die zahlenmäßig am
größten ist.
2. eingängige Melodie wählen: keine komplizierten Kompositionen (Ohrwurmeffekt).
3. gefällige Titel, die leicht zu merken sind: mit Anfangsreim und vielen Vokalen
(Cherie Cherie Lady, Lady Lai, Laila).
4. leicht verständliche Texte: Lovesongs mit wiederkehrender Thematik („dem Alltag entfliehen“).
5. englische Texte: am leichtesten zu singen und mitzusingen, international verständlich, somit größeres
Marktpotenial.
6. tanzbar, damit sie in Diskotheken gespielt, häufiger gehört und dadurch nachgefragt werden (Kauf des
Produkts).
7. attraktive Künstler, denn die Verpackung machts („Sex sells“).
8. romantische Covergestaltung: karibische Ferienorte (Maledivien), Sonnenuntergänge, Luxuskarrossen
(Marketing-Regel aus dem Lehrbuch: Das Produkt muss in Form und Farbe den Erwartungen des
Abnehmers entsprechen).
9. aus einem Erfolgshit viele ähnliche Titel herauspressen (Minimal-Maximal- Prinzip der BWL).

So ist es kaum verwunderlich, dass ein Titel wie der andere klingt, dass der jeweilige Interpret austauschbar bleibt. Sie ähnelt einem Industrieprodukt, das, einmal technisch optimiert, immer gleich sein sollte. Deshalb hören wir bei Bohlens schnellen Titeln fast immer den gleichen (tanzbaren) Foxtrott-Rhythmus, und seine langsamen Songs erinnern in ihrem eingängigen Grundmuster an "Alle meine Entchen".

Auch verwendet Bohlen sehr oft die gleichen Textbausteine: „I can see in your eyes“, „my dreams come true“ oder „I miss you so”. Abgenutzte Worthülsen, tausendmal gehört. Lücken in Melodie und Text füllt er aus mit „baby“ oder „oh babe“. Wiederholungen sind so unvermeidbar.
Beispielsweise taucht die Textzeile aus dem ersten Modern Talking-Hit "You`re my heart, you`re my soul" wieder auf in "Take me tonight" von „Superstar“ Alexander. Dort heißt sie in leicht abgewandelter Form: „I feel it in my heart, I feel it in my soul.” Beide Zeilen gleichen sich wie ein Ei dem Anderen, auch wenn fast zwanzig Jahre und zwei verschiedene Künstler dazwischen liegen.
Heart and Soul, Herz und Schmerz; der Kitsch, aus dem die Träume sind und Lieschen Müllers Musikgeschmack.

Dank seines Marketingtalentes, seinem Gespür für den Zeitgeist und seiner Wendigkeit ist es Bohlen gelungen aus einem mittelmäßigen Produkt (seiner Musik und seiner Person) einen Hit zu machen.

Bewertung vom 26.08.2017
Die Kunst des stilvollen Verarmens
Schönburg, Alexander von

Die Kunst des stilvollen Verarmens


weniger gut

Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern? (gekürzte Version)

Als Graf Alexander von Schönburg-Glauchau im Jahr 2005 "Die Kunst des stilvollen Verarmens" schrieb, war er gerade entlassen worden als Berlin-Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. In dem Buch jammert er gleich zu Beginn seiner goldenen Zeit nach: „...hatte Visitenkarten in der Tasche, die mich als Angestellten eines der angesehensten Medienunternehmen des Landes auswiesen...“ und: „Ich wäre also langsam, aber sicher reich geworden.“

Doch bald nach seiner Entlassung kehrte die Realität bei dem Grafen ein, denn er lebte von der Stütze und konnte seine Strom- und Telefonrechnungen nicht mehr bezahlen. Für jemanden, der Partys mit Mick Jagger feierte, muss dieser Zustand die Hölle gewesen sein. Alexander von Schönburg stammt aus einer uralten Adelsfamilie, die zwar über die Jahrhunderte verarmte, aber noch viele Kontakte hat, auch durch seine Schwester, Fürstin Gloria von Thurn und Taxis.
Auf seinem achtzehntem Geburtstag hielt Friedrich Dürrenmatt die Festrede. Als der Graf seine Frau, Prinzessin Irina von Hessen heiratete, eine Großnichte der Queen, war Königin Sophia von Spanien zu Gast.

Doch seit man ihm Telefon und Strom abstellte, hat von Schönburg nichts mehr übrig für reiche Leute. Den Münchener Stadteil Grünwald bezeichnet er als „Reiche-Leute-Slum“, und wir dürfen vermuten, dass es jener Slum ist, in dem von Schönburg nur zu gerne wohnen würde, wenn er könnte.

Trost für seine missliche Lage, findet er auch bei den Engländern. Der Abstieg Englands vom einst mächtigsten und reichsten Land der Welt begann schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, schreibt er, aber: ihr „ausgeprägtes Selbstbewusstsein erlaube es ihnen, unter Anwendung geschickter Autosuggestion über ihre Situation hinwegsehen“. Irgendwie ein Widerspruch: sich selbst bewusst zu sein und sich gleichzeitig selbst zu täuschen, aber dies ist wohl genau das, was von Schönburg jetzt braucht: Realitätsflucht vor der eigenen wirtschaftlichen Situation.

Soweit zum ersten Teil seines Buches. Im Zweiten predigt er den Konsumverzicht auf Teufel komm raus. Eigentlich die logische Folge seines stark reduzierten Einkommens. Dass bei dem arbeitslosen Grafen jetzt Schmalhans Küchenmeister ist, verwundert niemand. Peinlich nur, dass er nun alles, was er früher gemocht hat, als unattraktiv hinstellt, bloß weil es ihm zu teuer geworden ist.

Im dritten Teil seines Buches redet von Schönburg die Vorteile des Reichtums immer weiter herunter. „Die armen Reichen“ heisst sein Kapitel. Hatte er bisher bloß gepredigt, Glücklichsein sei auch ohne Geld möglich, so steht es jetzt sogar „dem Glück im Weg“.

Weil von Schönburg sein wahre Natur nie ganz unterdrücken kann, kommen immer wieder Widersprüche ans Licht. So zum Beispiel, wenn er berichtet, dass die Bank manchmal seine Daueraufträge nicht überweist. Gleichzeitig aber er es als Luxus empfinde, eine Armbanduhr zu tragen, eine schweizer Sonderanfertigung, die mehr wert sei als ein Kleinwagen. Der Satz ist deshalb so peinlich, weil ihm eine zweihundert Seiten lange Predigt vorausging, wie sehr von Schönburg, geläutert durch sein neues Leben, den Luxus jetzt angeblich verachte. Man merkt, von Schönburg würde ganz gerne protzen, wenn er es nur könnte.

Alexander von Schönburg vertrat schon völlig andere Ansichten. Sein erstes Buch erschien 1989. Es hieß "Das Beste vom Besten" und war ein Almanach der feinen Lebensart. Vier Jahre später folgten "Die besten Seiten des Lebens von A-Z". 1999 dann das bekanntere "Tristesse Royale". 2001 veröffentlichte er ein Theaterstück mit dem bezeichnenden Titel "Karriere". 2002 verlor er, wie beschrieben, seinen Job und 2005 erschien dann sein Bestseller "Die Kunst des stilvollen Verarmens". Zum Interview mit der TAZ traf sich der „frühere Held der Armut“ bei einem Berliner Edelitaliener. Die Zeiten des gesperrten Kontos waren wohl vorbei.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.08.2017
Simon Wiesenthal
Segev, Tom

Simon Wiesenthal


ausgezeichnet

Fleißarbeit

Eine gute Biographie, eine Fleißarbeit, die sich leicht lesen lässt. Keine Verklärung der Person Wiesenthals, auch persönliche Eitelkeiten kommen zur Sprache.

Wiesenthal, Überlebender von zwölf Konzentrationslagern und Leiter des Jüdischen Dokumentationszentrums in Wien, suchte nach dem Zweiten Weltkrieg nach ehemalige Nazigrößen. So wurde unter seiner Mitwirkung Adolf Eichmann in Buenos Aires 1960 verhaftet. Auch andere KZ-Aufseher und NS-Verbrecher spürte Wiesenthal in Südamerika, Kanada und den USA auf.

Wiesenthals Arbeit war relativ unspektakulär. Sie glich der eines passionierten Sammlers. In mühevoller Schreibtischarbeit trug Wiesenthal viele Informationen geduldig zusammen. Dabei handelte es ich überwiegend um die Erlebnisse ehemaliger Lagerinsassen über ihre Folterer, mündlich überliefert oder schriftlich protokolliert. Den darin enthaltenen Hinweisen ging der „Nazijäger“ Wiesenthal nach. Er verdankte seine Erfolge seinem photographischen Gedächtnis und der kriminalistischen Kombinationsgabe, mit der er die verschiedenen Zeugenaussagen zu einem Puzzle zusammensetzte. Durch das Auswerten unzähliger Briefe entstand eine einzigartige Sammlung, ein Archiv von Schauplätzen, Ereignissen und Namen.

Hatten sich dank dieser Sisyphusarbeit Namen und Spuren ehemaliger Täter herauskristalliert, begann für Wiesenthal erneut eine Odysee: die nervenaufreibende Auseinandersetzung mit Behörden und Dienststellen im In- und Ausland. Diese galt es nun zu überzeugen, dass fundierte Hinweise auf ehemalige Kriegsverbrecher vorlagen. Erst dann konnte er für deren Verhaftung und Auslieferung zu sorgen. Viel Detailarbeit, Geduld und Glück waren ausschlaggebend für den Erfolg.

Bewertung vom 26.08.2017
Arm durch Arbeit
Breitscheidel, Markus

Arm durch Arbeit


schlecht

Was soll das?

Also bitte! Die Arbeitsbedingungen im Niedriglohnsektor und die Übernahmechancen aus Zeitarbeitsverhältnissen sind bekannt - dafür braucht es keine Undercover-Recherche.
Dass der Autor behauptet, er habe von seinem geringen Verdienst nicht leben können und deshalb Hartz IV beantragen müssen ist wohl ein Witz.
Selbstverständlich brauchte Breitscheidel nicht zum Amt. Der Autor hatte seinen Bestseller "abgezockt und totgepflegt" 70.000 mal verkauft, was ungefähr dem gleichen Eurobetrag als Autorenhonorar entspricht. Hinzu kommen seine Einnahmen aus den zahlreichen Lesungen und PR-Terminen (Spesenerstattung ist immer viel höher als die tatsächlichen Ausgaben).
Hat er die ganzen Einnahmen vor den Behörden verschwiegen, nur um seine Rolle durchhalten zu können? Und falls ja, hat er die Unterstützung nach dem Ende seiner Undercovertätigkeit wieder zurückgezahlt? Das wären doch die viel brennenderen Fragen?
Richtig süß ist die Episode als Erntehelfer. Wer es bisher noch nicht gewusst hat, weiß es jetzt: 12 Stunden bei großer Hitze auf den Knien herumrutschen und dabei Erdbeeren pflücken ist: anstrengend!

Bewertung vom 26.08.2017
Karambolagen
Karasek, Hellmuth

Karambolagen


schlecht

ideenarm

Das ideenärmste Buch, das man sich vorstellen kann. Karasek zählt einfach alle prominenten Namen auf, die er in seinem Journalistenleben kurz gestreift hatte. Billy Wilder, über den er eine Biographie geschrieben hatte, gleich dreimal. Steven Spielberg, Günter Grass (zweimal), Peter Handke, Friedrich Dürrenmatt, Heinz Rühmann, Romy Schneider, Marlene Dietrich, Wolf Biermann, Helmut Kohl und andere.

Aggressives Namedropping, getragen von Geltungsbedürfnis, denn die kurzen Essays von zwei, drei Seiten sind an Banalität kaum zu überbieten. Zwei Fälle seien hierfür exemplarisch gewählt.

Seine Begegnung mit Brigitte Bardot beschränkte sich darauf, dass er sie, den Wunschtraum seiner Jugend, beim Urlaub in St. Tropez einmal am Strand von weitem gesehen habe. Von weitem!
Laut Karasek habe B.B. ihm zugenickt und gelächelt. Oder hat Karasek sich dies nur eingebildet? Haben zwanzig Jahre die Erinnerung womöglich verklärt?

Karasek schlief auch nicht im Bett von Marilyn Monroe, wie er in der Kapitelüberschrift suggeriert. (Schon gar nicht gleichzeitig mit ihr, wie mancher Leser vielleicht vermuten könnte.)
Karasek übernachtete in einer luxuriösen Bungalowsuite des Beverly Hills Hotel. Die Monroe „soll“ dort vor sechsundzwanzig Jahre auch übernachtet haben. Ob es genau die gleiche Suite-Nummer war, ist ebenso wenig bewiesen, wie die Frage, ob Maryiln Monroe in demselben Bett schlief wie Karasek.
Die Monroe könnte zwar im Hotel abgestiegen sein, aber woanders geschlafen haben. Oder das Bett könnte in den sechsundzwanzig Jahren ausgetauscht worden sein.

Zum Thema Bett berichtet Karasek noch stolz, er habe beim Dreh von Regisseur Woody Allen zusehen dürfen. Natürlich „eine sehr intime Szene, wo eine Frau und ein Mann miteinander ins Bett gingen“. Besagte Szene habe Woody Allen dann aber später aus dem fertigen Film herausgeschnitten, bedauert Karasek.

Und erst sein Schreibstil. Kein verrissener Autor des Literarischen Quartetts könnte jemals so schlecht formulieren wie Karasek. Sehen Sie sich einmal diesen Satz an (Seite 91, im Kapitel über Peter Handke, es ging um eine Tagung der Gruppe 47):
„Ich war erst zum zweiten Mal dabei und noch nicht so eingeschliffen in den Chor des als Regen über die Autoren nach der Lesung niederprasselnden Kritiker-Parlandos.“
Wo war bloß der Lekor?
„...in den Chor des als Regen über die Autoren nach der Lesung...“
Wieviele Substantive (nur durch Präpositionen getrennt) will Karasek denn noch aneinanderreihen?

Schließen wir mit den Worten von Elke Heidenreich. Die frühere Moderatorin der ZDF-Büchersendung Lesen wurde im Focus gefragt, ob sie sich vorstellen könne, Hellmuth Karasek in ihre Sendung einzuladen.
„Nee“, antwortete sie.
Focus: „Warum nicht?“
Heidenreich: „Da hatten wir ja nun genug davon, all die Jahre. Das reicht erst mal.“

Bewertung vom 26.08.2017
Auf der Flucht
Karasek, Hellmuth

Auf der Flucht


schlecht

Karasek als Klempner

In seinen Memoiren plaudert Karasek über sich selbst und kann sich nicht so recht entscheiden, in welcher Richtung sein Pferd steht. Einerseits sei er ein „Trittbrettfahrer“ gewesen, den andere immer mitschleppten: Rudolf Augstein, Billy Wilder und natürlich Marcel Reich-Ranicki. Er sei der „Harry Klein“ des Kulturbetriebs gewesen; jener Harry, der bei Derrick den Wagen vorfährt.

Andererseits will er im Literarischen Quartett hinter den Kulissen entscheidend mitbestimmt haben, welche Bücher in der Sendung besprochen wurden. Den Rausschmiss der Kollegin Sigrid Löffler habe eigentlich er, der zahme Karasek, vorangetrieben. Grund sei Löfflers vernichtendes Urteil gewesen über den Spielberg-Film Schindlers Liste. Karaseks Leidenschaft fürs Kino ist bekannt.

Auch dass Reich-Ranicki seine Autobiografie Mein Leben schrieb, die ein fulminanter Bestseller wurde, habe Karasek maßgeblich angeregt („Das musst du aufschreiben“).
„Reich“, wie Karasek seinen Mentor nennt, hatte ihm übrigens einmal finanzielle Hilfe angeboten, als er Probleme mit dem Finanzamt hatte.

Karasek kommt auch auf seinen ehemaligen Freund Martin Walser zu sprechen. Walser verfüge über eine „erotische Lebensstrategie“ und habe sich „seine libidinöse Welt an den Bodensee geholt“, sogenannte „Literatur-Groupies“.

In seiner Biographie erfahren wir auch, dass Karasek im Vahinger Schwimmbad „über die vielen Fettbäuche der Männer erschrak“; und, dass er seine Frau betrog und sie ihn.

Erotik ist und bleibt das Lieblingsthema des Kulturprofessors, im Quartett noch relativ bescheiden: „Ein hocherotisches Buch“, jubelte Karasek, als der Roman "Mann und Frau" der Israelin Zeruya Shalev besprochen wurde. In seiner Autobiographie dann wieder so: „Ich hatte die Tochter des Hausbesitzers gewonnen und weiß noch, dass ich das erste Mal mit einem Interruptus beendete, wie Onan im Alten Testament, nur ohne Wüstensand.“
Und für alle, die jetzt Mitleid mit dem armen Karasek haben:“... und mir das Mädchen als zweites Mal eine Fellatio anbot, absolut verhütungssicher.“

Karasek schildert uns die Begegnung mit einer amerikanischen Studentin in den fünfziger Jahren in Tübingen. Er wurde von ihr zum Tee eingeladen, musste dort auf die Toilette und lässt seine Leser wissen, dass er „im Stehen pinkelte“. (Wie interessant, Herr Karasek. Das richtige Thema für seine Memoiren.)

Alsbald trat der Supergau ein, denn „die Toilette war verstopft“, Karsek spülte noch einmal und es „kamen Exkremente“, die die Kloschüssel „bis zum Rand füllten.“
Und Karasek? Was machte er, während die Studentin mit dem Tee auf ihn wartete? Sie ahnen es schon. Karasek „starrte auf die Kloake“, zog Jacke und Hemd aus und „beseitigte mit dem nackten Arm die Verstopfung.“
Also, wenn wir das nächste Mal einen Klempner brauchen - wen laden wir dann wohl zum Tee ein?