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easymarkt3
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Insgesamt 654 Bewertungen
Bewertung vom 10.04.2024
Vor einem großen Walde
Vardiashvili, Leo

Vor einem großen Walde


sehr gut

Gefährliche Spurensuche in Georgien
Der Bürgerkrieg in Georgien lässt 2010 den Vater Irakli mit seinen zwei Söhnen Saba und Sandro Sulidze-Donauri aus Sololaki, Tbilissi fliehen ohne die Mutter Eka aus Geldmangel. Nach vielen Jahren zunächst als Flüchtlinge in London groß geworden geht zunächst Irakli auf Spurensuche nach Eka in Sololaki, gefolgt von seinem älteren Sohn Sandro nach dessen dubiosen, beängstigenden Benachrichtigungen. Schließlich sieht sich auch Saba gezwungen, die rätselhaften Spuren der zwei Vermissten zu verfolgen. Und damit beginnt eine waghalsige, sogar lebensgefährliche Geschichte in Georgien, verflochten mit Märchenfragmenten von Hänsel und Gretel, bereichert durch Kindheitserinnerungen mit unterbewussten Stimmen bereits verstorbener Familienmitglieder. Kreativ bereichert wird die schwierige Suche nach Vater und Bruder auch durch Sandros Graffitis und versteckten Notizen, auch durch Iraklis Kaleidoskupi-Manuskript-Seiten über Waliko. Die Lebensverhältnisse und die deprimierende Atmosphäre auch besonders im besetzten Südossetien schockieren, wogegen die beschriebene Hilfsbereitschaft und Mitmenschlichkeit diese harsche Wirklichkeit wohltuend abmildert. Spannung und Tiefe erhält der Roman durch diese Familienbande und der Verfolgung von Iraklis Spur bis zum Ende vor einem großem Walde. Sabas halbherziges Leben in London mitsamt der Loslösung von der georgischen Vergangenheit mit ihren Helden wird abgelöst von einem befreienden, verantwortungsvollen Neuanfang in Tbilissi. Einige historische Fakten runden das Geschichtsbild dieses kleinen Landes ab. Kraftvoller Lesestoff.

Bewertung vom 07.04.2024
Bonjour Agneta
Hamberg, Emma

Bonjour Agneta


sehr gut

Libido, Demenz und Homosexualität – tragisch.
Das Cover zeigt partiell eine junge Frau, sommerlich gekleidet und auf einer Schaukel schwingend – vielleicht nicht 100 % optimal ausgesucht für den Buchinhalt, denn die Hauptperson Agneta Strömberg ist bereits 49 Jahre alt, sowohl Im beruflichen als auch im privaten Umfeld äußerst unzufrieden. Wegen dieser Leere in ihrem Leben öffnet sie sich einem unerwarteten Abenteuer, in dem sie schließlich zu sich selbst im Äußeren und Inneren findet. Thematisiert werden schwierige Themen wie Libido, Demenz und Homosexualität. Die Szenarien spielen in Sollentuna, Schweden und in Saint Carelle, Avignon und Nîmes in der Provence. Frankreich. Der Charme und die Liebenswürdigkeit der Franzosen sowie ihr Savoir vivre, die Kunst, das Leben zu genießen, kommt voll zum Tragen. Die Beschreibung des Dorflebens und des Klosters in Saint Carelle als künstlerische Wohnstätte des dementen, homosexuellen, alten Schweden Einar ist gelungen. Historische Fakten wie z.B. das klassische Straßenradrennen für Profis und Amateure Paris–Brest–Paris oder Stiere zur Volksbelustigung auf dem Marktplatz in diesem Teil von Südfrankreich gefallen ebenso wie die künstlerische Einflechtung des Malers Jacob Jordaens und seinem Akt (dem Gemälde König Kandaules von Lydien zeigt seine Frau Gyges) , um die Verwandlung und das neue Lebensgefühl von Agneta als Lavendelfrau zu verdeutlichen. Interessant als dazu kontrastierende Lebenseinstellung ist auch das Gesetz von Jante, Moses Zehn Geboten nachgebildet, das als Verhaltenskodex sozialer Spielregeln im skandinavischen Kulturraum verstanden wird. Agnetas Finden des Seelenverwandten in Einar stellt das tiefgehende Thema des Romans dar, dargeboten in teils humorvollem, teils tiefsinnigem Schreibstil.

Bewertung vom 05.04.2024
Keine Spaghetti sind auch keine Lösung (eBook, ePUB)
Neumayer, Silke

Keine Spaghetti sind auch keine Lösung (eBook, ePUB)


gut

Ein turbulenter Urlaubs-Roman
Sowohl Cover und als auch der Buchtitel versprechen Unterhaltung mit italienischem Flair, mit viel Spaghetti und anderen Köstlichkeiten der Toskana. Assoziationen an Urlaubsfeeling werden geweckt. Die Szenarien spielen in Hamburg und in einem Dorf nahe Buonconvento und Siena.Thematisiert wird eine turbulente Freundschaftsgeschichte mit vier Frauen knapp über 50 Jahre alt. Die Enthüllung einiger Geheimnisse und gegenseitig verborgener Lebenslügen stellt ihre lange Freundschaft auf die Probe, hält aber trotz Schwankungen letztendlich allen Belastungen stand. Landschaftsbeschreibungen wie z.B. die versteckten, heißen Quellen, oder auch Urlaubsflirts lassen die vier Frauen nicht nur eingetretene Pfade verlassen, sondern auch ihr bisheriges Leben überdenken und Neues ausprobieren. Die jeweiligen Charaktere sind beruflich und im Privatleben verschieden dargestellt, sorgen somit für interessante Typen mit verschiedenen Ecken, reichlich Reibungspunkten und Kanten. Der Schreibstil ist erfrischend und angenehm unterhaltend.

Bewertung vom 05.04.2024
Das Fenster zur Welt
Winman, Sarah

Das Fenster zur Welt


sehr gut

Eine Hommage an Florenz
Ein Loblied auf die Liebe, die Kunst und ihre Schönheit, auf lebenslange Freundschaft mit sehr diversen, sympathischen Charaktere, mit überzeugenden, ehrlichen Dialogen, verpackt, in urigen Szenerien z. B. in Col's Pub im Londoner East End oder in den zwei geerbten Wohnungen in Florenz – all das trifft sich in diesem warmherzigen Roman. Neben der Kunsthistorikerin Evelyn imponiert auch der verschrobene, mit Bäumen sprechende Cress oder auch der liebenswert lächelnde, eher unbeholfene Soldat Ulysses neben weiteren interessanten Romanfiguren wie die eigenständige Figur des Papageis Claude. Dieser ist auch im Cover verewigt vor einem gekachelten, blumigen Rahmen. Sowohl beim Neuanfang in Italien mit ungewissen Abenteuern als auch schon bei der Rückkehr aus dem Krieg – immer wird eine warme Atmosphäre beschrieben, durchtränkt von Kunst, Poesie, Kultur, Schönheit, Liebe, Vertrauen, Überlebenswillen und Lebenslust. Eingebunden sind viele historische, auch weltumspannende Ereignisse wie die Hochwasserflut in Florenz von 1966, die Olympischen Spiele im Sommer 1948 in London oder Erfolge der Raumfahrt. Auch die Herstellung von Globen wird eingeflochten. In einem Zeitraum von 1901bis 1979 wird das Leben von Evelyn Skinner beschrieben, besonders ihre Liebe zu dem Dienstmädchen Lidia in der Simi Pensione mit 21 Jahren. Diese zeigt ihr ein Fenster zu ihrer Welt.
Eine großartige, herzerwärmende Story, ein lebensbejahender Roman, der lebenslange Bande vieler überzeugender Freundschaften beschreibt.

Bewertung vom 02.04.2024
Waiseninsel / Jessica Niemi Bd.4
Seeck, Max

Waiseninsel / Jessica Niemi Bd.4


gut

Spannung durch eine Legende – kreativ.
Das Cover zeigt den roten Großbuchstaben W stellvertretend wohl für den Buchtitel WAISENINSEL, zusätzlich am unteren Rand eine moderne Brücke über Wasser führend, vielleicht zu einer der Åland-Inseln – passend zum Krimi. Auf drei Zeitschienen, nämlich 1946, 1982, 2020, verlaufen mysteriöse Begebenheiten auf einer dieser Inseln zwischen Finnland und Schweden. Das Szenarium ist örtlich, aber auch hinsichtlich der in Frage kommenden Serienmörder sehr überschaubar. Kommissarin Jessica Niemi mit feinem Gespür für abwegig Menschliches, jedoch auch von Visionen, Erinnerungen, Schizophrenie und Halluzinationen verfolgt, kämpft sich durch eine jahrzehnte alte Legende als spannenden Handlungsfaden. Die Dialoge zwischen Niemi und dem legendären Mädchen im blauen Mantel wirken etwas unwirklich, zu konstruiert. Durch schlüssige Rückblenden auf obige Zeitebenen ergeben sich wichtige Puzzlestücke zu Morden, die nach verdächtig gleichen Schemata verlaufen sind. Historisch interessant sind kurze Einblicke in die Kriegsjahre um 1946 in Finnland mit der Kinderverschickung. Atmosphärische Spannung kommt vor allem auf durch Jessicas Alleingänge bei widrigen Wetterbedingungen, oft nachts, ohne voll funktionierenden Zugriff auf das Internet. Der Schreibstil gefällt, auch wenn die Weiterentwicklung der wichtigen Charaktere im Ermittlungsverlauf dürftig ist.

Bewertung vom 01.04.2024
Die Dämmerung / Art Mayer-Serie Bd.2
Raabe, Marc

Die Dämmerung / Art Mayer-Serie Bd.2


ausgezeichnet

Ein sehr kreativer, spannender Krimi!
Das Cover mit dem stolzen, ausgewachsenen Hirsch bietet eine sinnvolle Hinführung zum bizarr arrangierten Szenarium des kranken Mörders. Die Protagonisten sind in ihrer Diversität detailgetreu und klar umrissen. Das ganze Geschehen rund um die nicht alltäglichen Morde ist zwar teilweise sehr verworren, doch spannungsgeladen im Endziel klar aufgeklärt. Durch Wechsel der Erzählperspektiven werden tiefgehende Problematiken wie die Abwicklung von traumatischen Adoptionen und ihre Legalität, Jugendamt und Zeugung von Kindern in heutigen unsicheren Zeiten angesprochen. Das Ende, die glaubhafte Auflösung mit teils aktuellem Zeitgeschehen wie z.B. Klimaaktivisten, lässt den Leser emotional und rational befriedigt zurück. Sehr geschickt eingeflochten sind die gefühlsbetonten Kassetten-Teilabschnitte, eindeutig signalisiert durch den Playbutton. Die emotionale Zerrissenheit der jungen, intelligenten Figur von Leo Tempel sticht deutlich heraus. Der Buchtitel Die Dämmerung spielt weniger auf den physikalischen Zeitraum mit dem fließenden Übergang von Lichtverhältnissen der Sonne an, sondern eher auf das möglicherweise schwindende Streulicht einer wichtigen Person im Krimi.
Ein recht spannender Lesegenuss!

Bewertung vom 30.03.2024
Die Zeit der Kinder
Riess, Lena

Die Zeit der Kinder


sehr gut

Luise und Friedrich Fröbel im Dienst der Kinder weltweit
Das Cover überzeugt durch ein ansprechendes Bild von drei Kindern verschiedenen Alters in einem selbst gezimmerten Handleiterwagen längst vergangener Jahrzehnte – ein sehr ansprechendes Motiv, passend zum Buchtitel. Im Zeitraum von 1788 bis 1900 spielt sich der Kampf um die Errichtung Fröbelscher Kindergärten ab. Dabei beginnt der Roman mit Luise Levin – der späteren Ehefrau Friedrich Fröbel`s - 1842 in Jacobsdorf bei Frankfurt an der Oder. Die nächsten Kapitel springen in die Jahre 1790 und 1797 zurück nach Oberweißbach im Thüringer Wald bzw. Hirschberg an der Saale und behandeln Friedrich Fröbel als Kind in seinem Elternhaus bzw. bei seinem Onkel. Zurück im Jahr 1845 treffen Luise als Haushälterin und Friedrich in seiner Allgemeinen deutschen Erziehungsanstalt in Keilhau erstmalig aufeinander. Parallel dazu verläuft ab 1833 ein Erzählstrang über Verwahranstalten in Hamburg nach strengen preußischen Strafregeln. Das anfängliche, ständige Vor- und Zurück-Springen um ca. 50 Jahren von Kapitel zu Kapitel ist verbunden mit weiteren Ortswechseln wie z.B. zwischen Jena, Hamburg und Keilhau, nicht optimal strukturiert. Die Beschreibung der Fröbelpädagogik dagegen ist gelungen. Auch die Einbettung seiner Sphärentheorie oder Menschenbildung in den historischen, politischen Kontext gefällt und ist spannungsreich und einfühlsam sprachlich verpackt. Ein interessantes Leseerlebnis!

Bewertung vom 28.03.2024
Und Großvater atmete mit den Wellen
Teige, Trude

Und Großvater atmete mit den Wellen


sehr gut

Überleben in Gefangenenlagern – prägend im weiteren Leben.
Die norwegischen Hauptfiguren Konrad, Sverre und Sigrid sind fiktiv eingebunden in eine Geschichte über den zweiten Weltkrieg von 1943 bis 1947, mit japanischen Gefangenenlagern für Männer getrennt von Frauen und Kindern. Darin beschriebene Lebensverhältnisse und Grausamkeiten auf Java basieren auf umfangreichem Recherchematerial aus Archiven, Tagebüchern etc. Thematisiert werden Traumata, tiefste Schuldgefühle neben wahrer Menschlichkeit, endloser Hilfsbereitschaft, aufbereitet in einem warmherzigen Schreibstil. Die Charaktere sind menschlich überzeugend porträtiert. Durch ihre Authentizität ist man als Leser emotional ergriffen, auch durch die passende Wortwahl des Übersetzers. Die historischen Fakten rund um Indonesien mit seiner Kolonisierung durch die Holländer, Eroberung durch die Japaner und schließlich mit der Befreiung durch Revolution im Land sind sehr aufschlussreich. Die schwierige und gefährliche Rolle von Frauen in diesen Kriegsjahren auf Java wird eindrucksvoll herausgestellt. Allein die Hoffnung auf Freiheit und Frieden verleiht solchen Menschen in extremer Not genug Kraft zum Überleben.
Ein sehr lesenswerter Roman!

Bewertung vom 27.03.2024
Mit den Jahren (ungekürzt) (MP3-Download)
Steenfatt, Janna

Mit den Jahren (ungekürzt) (MP3-Download)


sehr gut

Ein interessantes Porträt dreier Menschen
Das Cover zeigt drei in sich gekehrte, dösende, müde Personen als Gemälde – ein Mann und zwei Frauen, eindeutig auf den Buchinhalt passend hinweisend. Dieser leicht erotische Roman spielt in Leipzig und Hamburg, spiegelt das damalige Familienleben in Ost- und Westdeutschland wieder. Die drei Hauptfiguren werden in ihrer charakterlichen Eigenart gut porträtiert: Lukas Rademacher aus Hamburg, Maler – Eva, seine Ehefrau aus Leipzig, Gymnasiallehrerin und Jette aus Hamburg, Single, arbeitet in Leipzig in einer Videothek mit Café. Alle drei sind um die 40 Jahre, suchen nach langer Ehe mit zwei Kindern bzw. kinderlosem Singleleben neue Impulse im sehr privaten Bereich. Viele Momentaufnahmen im Leben dieser Personen spiegeln starke, tiefgehende Sehnsüchte wieder, die entweder im Laufe der Jahre bisher unerfüllt geblieben bzw. in der langjährigen Ehe leider verloren gegangen sind – vielleicht auch durch den Familienzuwachs, durch die noch kleinen Kinder Ada und Leo. Das Alltagsleben mit seinen Routinen wird realistisch mit passenden Bildern gut beschrieben ebenso wie die jeweiligen Kindheitserinnerungen in Ost- bzw. Westdeutschland mit Eltern und Geschwistern. In einigen Sequenzen erkennt sich der Leser vielleicht wieder mit seinen Sehnsüchten nach Veränderung oder doch auch nach der bisheriger schönen Vertrautheit im Zusammenleben, die hier schließlich in einem neuen Arrangement aus drei Lebenskrisen erwächst. Dieses Beziehungsdreieck ist sprachlich einfühlsam mit klarem, rotem Faden aufgebaut. Ein Roman zum Nachdenken!

Bewertung vom 25.03.2024
Der rechte Pfad
Sozio, Astrid

Der rechte Pfad


sehr gut

Sektentum, Fremdenfeindlichkeit, Schuldgefühle – schwere Kost!
Den Buchtitel könnte man verschiedentlich interpretieren:
• Rechtes Gedankengut auf den Gemeindesitzungen – ein düsterer Pfad
• Im Wald den rechten Pfad nach Hause zu finden, auch im Dunkeln
• Den richtigen Pfad zu Gott, zu Jesus zu finden bei all diesen Heimlichkeiten, strikten Reglements auch in sexueller Hinsicht
Das Cover passt ideal zum Buchinhalt. Im Kern spielen sich in dörflicher Umgebung in einer weltabgewandten Brüdergemeinde familiäre Geschichten ab, die aus den Erinnerungen der nun 40 Jahre alten Hauptperson Benjamin Weißdorn, kurz Benni - der Blödmann, gespeist werden. In zwei Zeitebenen, die nicht klar voneinander gekennzeichnet sind, werden die in der religiösen Dorfgemeinschaft verbotene Homosexualität, erste sexuelle und traumatische Kindheitserinnerungen und tiefe Freundschaft behandelt. Dialoge sind im Dialekt des Niederrheins gehalten und verstärken authentisch das allgemeine Miteinander. Anfängliche Andeutungen werden im weiteren Verlauf aufgeklärt, als Unfall werden nach scheinbar eigener Rechtsprechung häusliche Gewalt und vorsätzlich gelegter Brand eingestuft. Die Charaktere sind krass in ihrer Eigenwilligkeit, meist unsympathisch wie der Vater, oft kurios wie die Haushälterin Frau Gothel, einsam mit ihren persönlichen Problemen und dort verloren wie Hana, Lea, Gideon, Simon, Luis, Benni etc. Die angehängte Playlist bildet manche Kapitelüberschrift. Diese Erzählung über eine derart reglementierte Gemeinschaft wirkt sehr authentisch.