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Benutzername: 
eulenmatz
Wohnort: 
Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 72 Bewertungen
Bewertung vom 08.04.2023
Die spürst du nicht
Glattauer, Daniel

Die spürst du nicht


gut

MEINUNG:

Ich habe lange nichts von Daniel Glattauer gelesen. Gut gegen Nordwind und die Fortsetzung Alle sieben Wellen mochte ich damals so gerne. Mir gefällt einfach, wie Daniel Glattauer schreibt und die Menschen sehr gut beobachtet.

Alles beginnt damit, dass die Binders und die Strobl-Marineks in einem gemeinsamen Urlaub in die Toskana fahren. Beide Paare haben Kinder. Die ältere Tochter der Strobl-Marineks, Sophie Luise, durfte nach langen Diskussionen eine Schulfreundin mitnehmen. Aayana ist mit ihrer Famile aus Somalia nach Österreich gekommen. Gleich am ersten Tag kommt es zu einer Katastrophe und für beide Familie ist nichts mehr, wie es war.

Irgendwie hatte ich nicht ganz damit gerechnet, dass der Urlaub in der Toskana nur so kurzweilig ist und praktisch nach ein paar Seiten schon vorbei ist. Das Buch dreht viel mehr, um das, was nach dem Unglück um Aayana passiert ist. Aus dem Klappentext war das so nicht ersichtlich. Der große Fokus liegt auf dem Unglück, wie damit umgegangen und was es für Auswirkungen auf alle Beteiligten hat. Vor allem die Strobl-Marineks trifft es sehr hart. Elisa Strobl-Marinek ist aufstrebenden Politikerin und wird dafür natürlich stark kritisiert. Daniel Glattauer hat dazu immer Einschübe von fiktiven Presseartikeln eingeschoben und die Kommentare dazu, die vermutlich die meisten von uns am besten finden. Diese Kommentare spiegeln die öffentliche Meinung in ihrem ganzen gesellschaftlichen Spektrum ab. Ich mag solche Einschübe, aber es sollte erwähnt werden, dass es davon eine ganze Menge gibt. An den Schreibstil von Daniel Glattauer musste ich mich erst gewöhnen, da voll von Sarkasmus war. Einige Formulierungen fand ich auch ein bisschen steif, aber ich denke, dass für das Österreichische normal ist. So fand ich es komisch, das Elisa ihr Tochter immer mit "Kind" abgesprochen hat. Es wirkte immer so distanziert, aber vielleicht war es auch genau so.

Ich fand den Anfang sehr stark, der Mittelteil hat sich für meinen Geschmack etwas gezogen und den Schluss als es dann noch zu einem Prozess kommt fand ich wieder stark. Der Schluss hat noch mal ganz deutlich daraufhin hingewirkt uns vor Augen zu führen, in welch privilegierten Gesellschaft wir leben und wie wir mit den Menschen umgehen, die unter schwersten Bedingungen zum Schutz des eigenen Lebens zu uns geflüchtet sind vor Krieg, Hunger und erbarmungswürdigen Lebensumständen. Das Buch macht deutlich, dass sich die Gesellschaft und Press nur mit in dem Fall Strobl-Marineks beschäftigt, aber keiner fragt nach der Familie von Aayana und Aayana selbst. Da stellt sich die große Frage, was ein Menschenleben wert ist. Man bekommt schnell den Eindruck, dass hier ein Ungleichgewicht in den Köpfen von vielen gibt und das ist bittere Tatsache, der wir uns als die Privilegierten wohl fast alle stellen müssen.

FAZIT:

Die spürst du nicht war nicht ganz so wie ich es mir anhand des Klappentextes vorgestellt habe, aber ich fand es alles in allem eine gute Geschichte, die wirklich zum Nachdenken anregt. Besonders der Schluss ist sehr eindringlich. Bis dahin musste ich allerdings ein bisschen durchhalten, weil ich in den Mittelteil ein bisschen zäh fand.

Bewertung vom 30.03.2023
Die Herzchirurgin
Jordan, Jack

Die Herzchirurgin


sehr gut

MEINUNG:

Ich lese gerne Thriller, aber eigentlich nicht so gerne Medizin-Thriller. Irgendwie hat mich Die Herzchirurgin aber dann doch gereizt, weil ich die Thematik einfach spannend fand, dass eine Ärztin relativ einfach jemanden töten kann, wenn sie es klug anstellt.

Alles beginnt damit, dass die Ärztin Anna Jones eines abends nach Hause kommt und ihr Haus nicht mehr so vorfindet, wie sie es verlassen hat und das Schlimmste ist - Ihr Sohne wurde entführt und ihre Nachbarin, die auf ihren Sohn aufpasst wurde ermordet. Sie bekommt ihren Sohn nur zurück, wenn sie einen bekannten Politiker, der als nächster Premierminister gehandelt wird bei einer Herz-Op, die sie als Herzchirurgin durchführen sollen, sterben lässt. Anna merkt ziemlich schnell, dass ihr kaum eine Wahl bleibt, um das Leben ihres Sohnes zu schützen. Dann ist da noch die OP-Schwester Margot, die in ihrem Leben ebenfalls vor einem großen Dilemma steht - sie hat so große Schulden, dass ihre KollegInnen bestehlen muss. Irgendwann ergibt sich eine Möglichkeit, die ihr Dilemma mit dem von Anna verknüpfen.

Die Story wird abwechselnd aus der Sicht von Margot, Anna und der Ermittlerin DS Rachel Conaty. Die Geschichte startet ohne Umschweife. Anna wirkt trotz allem Drama sehr kontrolliert und teilweise recht emotionslos, aber genau das lassen sie die schwierige Situation durchstehen, denn sie muss auch dafür sorgen, dass ihre Taten nicht auffliegen. Mir hat gefallen, dass der Autor sehr kompromisslos erzählt und Anna auch mit dieser Charakter-Eigenschaft versehen hat, denn Anna hat einfach keine Wahl. Oft wird in solcherlei Thriller ja irgendwie nach einem Ausweg gesucht, aber das passiert hier nicht. Auch Margot lädt Schuld auf sich und ist ebenfalls skrupellos, weil es schlichtweg um ihre Existenz geht. Beide Frauen sind in absoluten Extremsituationen. Jack Jordan zeigt auf, dass Extremsituationen dazu führen, dass Menschen nicht mehr objektiv entscheiden und auch zu Straftaten fähig sind. Eigentlich sind beide Frauen nicht wirklich sympathisch, aber irgendwie hatte ich eine Schwäche für Margot. Mir hat auch gefallen, dass der Autor gezeigt hat, dass (Straf-)Taten auch Konsequenzen haben und das nicht nur im rechtlichen Sinn. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es hier vielleicht nochmal einen zweiten Teil gibt.

Die Kapitel sind relativ kurz und ich bin förmlich durch die Seiten geflogen. Die Spannung wird konstant gehalten und es gibt viele spannende Wendungen, die ich so nicht erwartet habe. DS Rachel Conaty ist auch eine interessante dritte Person in dem Gespann der beiden anderen Frauen. Sie ermittelt in dem Fall der ermordeten Nachbarin und hat instinktiv den richtigen Riecher, was Anna angeht und dem Verschwinden von Zack, Annas Sohn. Anna tut alles dafür, dass Rachel ihr nicht auf die Schliche kommt, aber diese ahnt sehr viel mehr. Rachel hat allerdings selbst ein traumatisches Erlebnis gemacht, weswegen ihr Chef ihr nicht glaubt und denkt sie projiziert dies auf den Fall. Als LeserInnen wissen wir natürlich Rachel hat Recht. Manchmal wollte ich am liebsten losschreien, aber auch das hat Jack Jordan wieder clever konstruiert. Manches fand ich allerdings auch ein bisschen unglaubwürdig konstruiert, aber da muss man drüber hinweg sehen bzw. lesen. Ich glaube, es war genauso beabsichtigt vom Autor. 

FAZIT:

Die Herzchirurgin ist ein spannender, ungewöhnlicher und teilweise düsterer Thriller, der mich eher an amerikanische Thriller erinnert. Die Charaktere sind ziemlich skrupellos und schrecken vor Gewalt nicht zurück. Der Schluss war stark und auch ein wenig beklemmend.

Bewertung vom 21.03.2023
Morgen, morgen und wieder morgen
Zevin, Gabrielle

Morgen, morgen und wieder morgen


sehr gut

MEINUNG:

Morgen, Morgen und wieder morgen ist ein Buch, dem man sich momentan nur schwer entziehen kann. Ich muss sagen, dass ich am Anfang gar nicht mal so interessiert war, denn mit der Gaming Welt konnte ich mich noch zu keinem Zeitpunkt in meinem Leben so richtig identifizieren, aber ich wollte dem Buch eine Chance geben und mich überzeugen lassen.

Wir befinden uns zu Beginn des Buches in 1990er Jahren in New England, Massachusetts. Sadie und Sam treffen sich in Harward wieder, wo Sam studiert. Beide kennen sich schon aus der Kindheit, wo sie zusammen viel gezockt haben. Die Leidenschaft haben beide nicht abgelegt. Sallie ist angehende Designerin für Computerspiele. Beide fangen wieder an sich zu treffen und natürlich auch zu zocken. Dabei kommt ihnen die Idee für ein Spiel, was sie zusammen entwickeln können. Mit dem Erfolg des ersten Spiel fangen aber auch die ersten Rivalitäten

Den Anfang fand ich ein bisschen schwierig, da ich erstmal in die Geschichte reinkommen musste. Man ist sofort Mitten in dem Wiedersehen von Sam und Sallie, aber ich habe noch nicht verstanden, was sie verbindet. Das wird dann immer durch diverse kleinere Rückblenden erzählt. Mit dem Verlauf der Geschichte wird das dann besser. Das Buch spielt ingesamt über einen ziemlich langen Zeitraum und ist in mehrere Abschnitte eingeteilt, was normal bei solchen langen Zeiträumen ist, aber man könnte auch denken, dass es wie ein Spiel aufgebaut ist. Stilmäßig hat die Autorin sehr viele Elemente aus dem Gaming-Universum übernommen. Das Buch ist von großer Kreativität und unerschöpflichen Einfallsreichtum. Auf jeden Fall muss man kein Gamer sein, um dieses Buch zu mögen und zu verstehen und dennoch ist sehr faszinierend in die Welt des Gaming abzutauchen. Ich habe viele gelernt, wie ein Spiel designt und programmiert wird. Ich habe gelernt, worauf es bei einem guten Spiel drauf ankommt, aber ohne dass Gabrille Zevin, selbst Gamerin, uns mit seitenlangen Beschreibungen langweilt. Sie bringt außerdem so viele Meta-Ebenen in dieses Buch und Quer-Verweise zu Popkultur und Literatur. Selten hat mir auch die Wahl eines Buchtitels so sehr gefallen und ist sich absolut stimmig.

Das Buch ist die Geschichte über Freundschaft, aber auch über Liebe. Die Freundschaft zwischen Sam und Sallie gestaltet mit zunehmenden Erfolg der gemeinsamen Firma als immer schwieriger heraus. Es kommt zunehmen zu Konflikten und auch zu Rivalitäten. Für mich war das nachvollziehbar, denn auch wenn man befreundet ist, ist es nochmal etwas anderes, wenn eine Firma zusammen hat. Es geht meistens um Erfolg, Geld und das sich selbst profilieren. Sam und Sallie haben davon z.T. abweichende Vorstellungen. Ich mag es sehr, dass die Autorin Sam und Sallie in all ihren guten und schlechten Seiten darstellt und damit authentische und vor allem fehlbare Charaktere geschaffen hat. Ich habe mich an beiden Charakteren gerieben, d.h. einige ihrer Eigenschaften und Entscheidungen fand ich nicht immer nachvollziehbar, weil es vorauszusehen war, dass es dann Konflikte gibt. Natürlich kann aber nicht jeder immer aus seiner Haut. Objektiv betrachtet als LeserIn ist immer leichter gesagt. Es gibt einen dritten wichtigen Hauptcharakter, Marx, der Mitbewohner von Sam. Marx ist mein Lieblingscharakter gewesen (und sicher von ganz vielen), weil Marx einfach ein großer Herz hat und durch seine angenehme, vor allem fürsorgliche Art der "Puffer" zwischen Sallie und Sam ist. 

Mir hat auch besonders gut gefallen, dass die Autorin sehr viele aktuelle politische und gesellschaftliche Themen unter gebracht hat, auch wenn sich diese natürlich vor allem auf die USA bezogen haben, z.B. die Ehe für alle, Rassismus gegenüber Personen mit asiatischem Migrationshintergrund, aber auch die Rolle der Frau im Gaming-Business und in der Gesellschaft allgemein . Diesen Themen hat sie nötigen Raum gegeben, ohne dabei die Haupthandlung zu stören. Mir gefiel außerdem das Setting, dass zunächst an der von mir sehr geliebten Ostküste spielt und dann nach Kalifornien wechselt. Beide Küsten sind so unterschiedlich und die Autorin hat das Leben dort sehr gut eingefangen, in dem auch immer wieder bekannte Orte, Straße und natürliche Klima erwähnt werden.  Ich glaube, dass die Autorin die 1990er Jahre einerseits ausgewählt hat, weil sie selbst dort groß geworden ist und andererseits war das Programmieren und Designen von Spielen damals einfach noch deutlich anders und jede Entwicklung war sensationeller, da im Gegensatz zu heute vieles noch gar nicht möglich war.  

FAZIT:

Morgen, Morgen und wieder morgen ist ein Buch ist ein großer Roman, der sich über Jahrzehnte erstreckt und nicht nur etwas für Gaming-Fans ist. Ich mochte die Freundschaft(en), die die Autorin hier gestrickt hat, aber die unglaubliche Vielschichtigkeit an Themen, die darüber hinaus noch untergebracht wurde. Ich bewundere auch die Kreativität, mit der Geschichte aufgebaut und geschrieben worden ist. 

Bewertung vom 21.03.2023
Lichte Tage
Winman, Sarah

Lichte Tage


sehr gut

MEINUNG:

Bei diesem Buch habe ich mich definitiv vom Cover und den vielen guten Meinungen und Stimmen leiten lassen. Was die Geschichte angeht, hatte gar keine großen Erwartungen und war am Ende überrascht, wo die Reise mich hingeführt hat.

Es ist gar nicht so leicht die Geschichten zusammenzufassen. Dreh- und Angelpunkt ist wie das Cover schon andeutet das berühmte Sonnenblumenbild von van Gogh. Ellis' Mutter hat davon eine Kopie gewonnen und das Bild war ihr immer sehr wichtig. Ellis verliert die Mutter früh und muss bei seinem Vater aufwachsen, der trinkt und zu Gewalt neigt. Halt findet er bei seinem besten Freund Michael und der Nachbarin Mable, denn auch Michael hat keine einfache Kindheit und die Mutter glänzt irgendwann durch Abwesenheit. Zwischen Michael und Ellis entsteht schon früh mehr als nur Freundschaft. 

Der Roman spielt in einer Zeit (1970er/ 1980er), wo es noch nicht normal ist offen homosexuell zu leben. Es geht natürlich nicht nur darum, aber es ist ein wichtiger Punkt in der Geschichte. Ich habe mich gefragt, warum Ellis, dann Annie geheiratet hat und was auch Michael geworden ist. Das Buch ist sehr melancholisch, schon allein durch die vielen Verluste, die Ellis erleiden muss und musste. So erfährt man gleich zu Anfang, dass er verwitwet ist, sprich Annie ist gestorben. Ellis' hat bereits früh seine Mutter verloren und muss irgendwann auch mit der Nachricht von Michaels Tod zurecht kommen. In Summe ist das mehr, was ein einzelner Mensch ertragen kann, dennoch versucht Ellis' sich wieder zurück ins Leben zu kämpfen. Spannend ist die Dreier-Beziehung, die sich ergibt als Annie in Ellis' Leben tritt. Sie muss gespürt haben, dass es eine besondere Beziehung zu Michael gibt und so war er immer Teil dieser Ehe/ Beziehung. Das fand ich sehr schön. Der Roman beginnt aus der Sicht von Ellis zu erzählen und wechselt dann in Michael Perspektive und so erfährt man, was Michael so gemacht hat. Einen Zeitlang gibt es nämlich keinen Kontakt zwischen ihm und Ellis und Annie. Hier gibt die Autorin noch einen Einblick in das damalige Thema rund um die HIV-Infektionen bzw. Aids-Erkrankungen bei Homosexuellen. Michael kümmert sich einige Männer, die im Hospiz sind. Die Szene haben mich schon sehr mitgenommen, denn irgendwie hatte ich immer im Hinterkopf, dass es ihn auch treffen wird.

FAZIT:

Lichte Tage ist ein ruhiger, poetischer Roman, der dennoch voller gelebter und nicht-gelebter Emotionen steckt. Es geht um Liebe, Freundschaft, Verlust, Einsamkeit, aber auch um Hoffnung, dass ein Leben trotzdem weiter gehen kann, weil es trotzdem voller Liebe und Freundschaft ist.

Bewertung vom 13.02.2023
Liebewesen
Schmitt, Caroline

Liebewesen


ausgezeichnet

MEINUNG:

Meiner Meinung nach ist bis jetzt für 2023 eines der provozierendsten Cover, an dem man und auch ich einfach nicht vorbei gekommen ist. Inhaltlich war ich erstmal gar nicht so angetan, aber wie so viele andere konnte ich mich dem Liebewesen dann doch nicht entziehen. 

Lio wird ungewollt schwanger. Sie lebt in einer festen Partnerschaft mit Max, aber zu ihrem Körper und zu der Vorstellung eines Tages Mutter zu sein, hat sie ein schwieriges Verhältnis. Die Schwangerschaft versetzt in Lio in eine Schockstarre, in der sie sich nicht wirklich handlungsfähig sieht. Sie schafft es nicht Max davon zu berichten, obwohl klar ist, dass sie das Kind nicht möchte. Lio ist gezwungen sich ernsthaft mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen, damit eine Zukunft für sie möglich ist.

Die fehlende Kommunikation zwischen Lio und Max ist ein großes Problem. Max geht mit seiner Depression offen um. Lio tut und kann es nicht. Die beiden haben definitiv ihre Differenzen, aber für meine Empfinden war da auch eine ganze Menge Liebe füreinander da, aber das Miteinander reden, was eine Beziehung auch braucht, dass schaffen sie nur schwer. Ich fand Lio sympathisch, trotz all ihrer Ecken und Kanten. Ich konnte einfach verstehen, dass es nicht immer so einfach ist, sich seinem inneren Gefühlsleben zu zu wenden und alles, was in der Vergangenheit war aufzuarbeiten und hinter sich zu lassen. Natürlich kann man in Frage stellen, dass sie Max einfach nicht erzählt, dass sie schwanger ist. Immerhin ist es auch sein Kind. Es ist nicht fair diese Entscheidung komplett allein zu treffen, aber Lio ist es nicht anders möglich. Es ist ratsam für dieses Buch eine Triggerwarnung auszusprechen, denn Lio ist sowohl Opfer häuslicher Gewalt in ihrer Kindheit als auch Opfer sexuellen Missbrauchs in ihrer Jugend geworden. Beides führte dazu, dass zu ihrem Körper und auch zu Sexualität ein schwieriges Verhältnis hat, was gut von der Autorin dargestellt worden ist. Die Beschreibungen ihrer Mutter und deren Verhalten sind sehr intensiv und machen wirklich wütend. Umso bewundernder ist Lio, die trotzdem einen guten Job hat, in Mariam eine tolle Freundin und die auf Weg ist in ein selbstbestimmtes Leben.

FAZIT:

Liebewesen ist ein Anti-Liebesroman, der zeigt, dass zwei Menschen eben manchmal nicht zusammen passen und keine Eltern werden sollten. Es aber vor allem die Geschichte von Lio, die für sich endlich eigene Entscheidung trifft, auch wenn diese schmerzhaft sind. Ein sehr intensives, aufwühlendes, aber auch humorvolles Debüt!

Bewertung vom 30.01.2023
NIGHT - Nacht der Angst
Sager, Riley

NIGHT - Nacht der Angst


gut

MEINUNG:

Ich habe von Riley Sager schon fast alles gelesen, was auf Deutsch erschienen ist. Ich schätze an dem Autor, dass seine Thriller nie alle gleich sein bzw. ein Schema F haben. So ist Schwarzer See, mein bisheriger Favorit, ganz anders wie Final Girls und Verschliess jede Tür.

Wir befinden uns 1991 und die Filmstudenten Charlie will unbedingt nach Hause in Ohio, nachdem sie auf grausame Art und Weise ihre Freundin Maddie an den sogenannten Campus-Killer verloren hat. Sie plagen große Schuldgefühle, weil sie Maddie am besagten Abend allein gelassen hat. Auf der Suche nach einer schnellen Mitfahrgelegenheit trifft sie auf Josh. Der Trip wird ganz schnell zum Alptraum, da Charlie irgendwann der Verdacht kommt, dass Josh der Campus-Killer sein könnte.

Der gesamte Thriller findet praktisch auf dem Highway/ auf der Fahrt statt. Charlie und Josh versuchen irgendwie miteinander ins Gespräch zu kommen. Dabei wird klar, dass Charlie immer wieder in Filmfantasien abdriftet und als Leser wird man immer wieder in die Irre geführt, ob Dinge wirklich so passiert sind oder ob sie nur Charlies Fantasie entsprungen sind. Josh' macht sich genau diesen Umstand zu Nutze. Relativ geschickt gelingt es dem Autor mit den Realitäten und Wahrheiten zu spielen. Das hat mir ziemlich gut gefallen. Weniger mochte ich, dass der Thriller inhaltlich eigentlich nicht viel Substanz hatte. Die Dialoge sind begrenzt. Die Informationen zu den Charakteren bleiben begrenzt. Ich konnte hier lediglich zu Charlie ein bisschen eine Beziehung aufbauen. Es ist schnell klar, dass Charlie große Schuldgefühle hat, vor allem als klar wird, dass sie Täter noch gesehen habe könnte. Das Spannungslevel ist sehr hoch, aber einige Wendungen erschienen mir wirklich ziemlich abstrus. Der Autor streut natürlich immer wieder falsche Fährten und man sollte definitiv nicht alles glauben.  Der Autor beschreibt allerdings alle Szenen sehr bildlich, so dass ich mir vorstellen könnte, dass es als Action Film sehr gut funktionieren könnte.

FAZIT:

Night - Nacht der Angst hat es mir wirklich schwer gemacht es zu mögen. Im Gegensatz zu den anderen Thriller von Riley Sager fehlte es mir hier einfach inhaltlicher Substanz. Ich muss allerdings auch dazu sagen, dass diese Art von Verfolgungs-Thriller nicht so sehr mag. Für mich einer der schwächsten Thriller von Rileys Sager bisher.

Bewertung vom 26.01.2023
Happy New Year - Zwei Familien, ein Albtraum
Stehn, Malin

Happy New Year - Zwei Familien, ein Albtraum


sehr gut

MEINUNG:

Um Happy New Year kam ich schwer drum herum, denn es wurde einerseits schon groß gehypt und andererseits ist einfach genau mein Genre. Es ist von einer Schwedin geschrieben und es ist ein (Spannungs-)roman. Das Cover ist wirklich toll gelungen.

Es ist Silvester und Lollo, Nina und Malena, die schon seit der Schulzeit befreundet sind, feiern zusammen mit ihren Familien Silvester. Das ist Tradition, auch wenn sich die Freundinnen schon etwas auseinander gelebt haben. Die Teenager-Töchter von Lollo und Nina dürfen bei Nina allein mit Freunden feiern. Die pure Panik bricht am nächsten Tag aus als alle feststellen, dass Jennifer, die Tochter von Lollo spurlos verschwunden ist. Es stellt sich die Frage, wie gut alle sich wirklich kannten und was mit Jennifer passiert ist.

Es wird abwechselnd aus der Sicht von Nina, Lollo und Ninas Mann, Frederic, erzählt. Die Autorin gibt gleich zu Anfang schon ein großer Geheimnis preis, welches mich sofort auf eine gewisse Fährt gelockt hat. Sie schafft es meisterhaft durch weitere Enthüllungen und Wendungen der Geschichte immer wieder eine neue Wendung zu geben. Die Spannung war gut, aber auch nicht so, dass ich von einem Pageturner sprechen würde. Es ist allerdings ganz klar auch ein Roman. Es gibt keinen typischen Ermittler, die zu Wort kommen. Ich habe das tatsächlich manchmal vermisst, weil ich immer ganz genau wissen möchte, wie sie auf gewisse "Verdächtige" gekommen sind, aber so ist der Roman angelegt - eben nicht als klassischer Thriller bzw. Krimi. 

FAZIT:

 Happy New Year fängt richtig stark an, ließ mich im Mittelteil ein bisschen durchatmen und geht stark zu Ende. Es ist kein klassischer Ermittlungsroman, sondern tragischer Beziehungsroman, der aufzeigt, dass man niemanden wirklich zu 100% kennt.

Bewertung vom 19.01.2023
Alle Farben meines Lebens
Ahern, Cecelia

Alle Farben meines Lebens


ausgezeichnet

MEINUNG:

Cecelia Ahern hat vor 20 Jahren P.S. Ich liebe dich veröffentlich und wurde kurzerhand zum Star. Daraufhin sind viele weitere Bücher gefolgt. Ich finde, dass sie sich enorm weiter entwickelt hat und nicht nur klassische Familienromane schreibt. Jedes Buch hat eine neue Geschichte, so auch Alle Farben meines Lebens.

Alice ist besonders. Sie stellt in ihrer Kindheit fest, dass sie anders ist als die anderen. Sie kann den Gemütszustand von anderen Menschen anhand von Farben erkennen. Diese Farben umgeben die Menschen, wie Auren. Diese "Gabe" wird für Alice schnell zu Last. Hinzu kommen recht schwierige Familienverhältnisse. Der Vater hat die Familie verlassen. Alice kümmert sich um ihren jüngeren Bruder Ollie, der immer weiter auf die schiefe Bahn gerät. Halt gibt ihr großer Bruder Hugh, aber der verlässt bald das Zuhause. Der Roman schildert Alice' komplettes Leben und wie sie versucht ihren Platz im Leben zu finden.

Mich hat das Buch sofort in seinen Bann gezogen. Alice habe ich sehr schnell ins Herz geschlossen. Die Geschichte beginnt als sie 8 Jahre alt ist. Sie muss sehr schnell Verantwortung übernehmen für ihren kleineren Bruder und in meinen Augen bleibt ihr eine Kindheit verwehrt. Später kümmert sie sich um die Mutter, pflegt diese, weil diese an Krebs erkrankt war und so hat Alice kaum Möglichkeiten ihren eigenen Weg zu gehen. Mich hat es wirklich wütend gemacht, wie ihre Mutter teilweise mit ihr umgeht. Auf der anderen Seite habe ich Alice über das ganze Buch dafür bewundert, dass sie trotz des Verhaltens der Mutter immer zu ihr hält, sich kümmert und später Kontakt hält. Cecelia Ahern schildert diese dysfunktionale sehr drastisch und ungeschönt. Alice' Gabe macht sie hochsensibel und gibt Einblick, wie unwägbar das eigene Leben wird, wenn man deutlich sensibler ist und auf vieles reagiert. Einige Situationen sind skurril, gefährlich oder einfach nur lustig. Die Autorin hat das wirklich fantastisch umgesetzt. Mich hat hier sie hier in jeglicher Hinsicht emotional mitgenommen - von Anfang bis zum Ende, wo ich wirklich fast geweint habe.

FAZIT:

Alle Farben meines Lebens ist ein absolutes Highlight und gleichzeitig Herzensbuch in 2023. Ich lese schon seit einigen Jahren die Bücher von Cecelia Ahern und sie schreibt immer wieder neue Geschichten, aber mit dieser hat sie sich selbst übertroffen. Ich hoffe, das Buch findet noch viele LeseInnen!

Bewertung vom 11.01.2023
Der Strand - Vermisst / Engelhardt & Krieger ermitteln Bd.1
Sander, Karen

Der Strand - Vermisst / Engelhardt & Krieger ermitteln Bd.1


sehr gut

MEINUNG:

Ich habe von Karen Sander bereits Wenn ich tot bin gelesen und sehr gemocht, weil ich finde, dass sie sehr nah an die amerikanischen Autorinnen ran kommt von ihrem Schreib- und Erzählstil her. Der Strand ist eine Trilogie und Vermisst ist der erste Teil. 

Lilli Sternberg verschwindet spurlos am Strand von Sellnitz. Sie taucht bei einer Verabredung mit ihrer Freundin nicht auf. Lilli ist gehörlos und umso mehr Sorgen machen sich Freunde und Familie. Kriminalhauptkommissar Tom Engelhardt hat die Leitung für diesen Fall. Als eine kryptische Nachricht von Lilli auf dem Handy ihrer Freundin eingeht, wird Mascha Krieger vom LKA hinzugezogen. Es beginnt das große Rätsel raten, wo Lilli ist und wie es mit den Nachrichten zusammen hängt. 

Der Schreibstil ist flüssig. Die Kapitel sind sehr kurz. ich bin quasi durch die Seiten geflogen. Das Tempo ist auch relativ hoch, denn es kommen immer wieder Wendungen und neue verdächtige Personen dazu. Man merkt dem Buch an, dass es ein erster Teil ist, denn wirklich schlauer wurde ich zwischendurch nicht. Ich hatte nicht das Gefühl der Lösung näher zu kommen, aber ich habe gespürt, dass es ein komplexeres Thema sein wird, wo es viele Beteiligten gibt und vermutlich ein großes Geheimnis in der Vergangenheit. Mich interessiert vor allem die Vergangenheit von Mascha. Sie war mir sehr sympathisch, aber sie scheint auch so ihre eigenen "Ermittlungen" zu haben, die eventuell etwas mit ihrer Familie zu tun haben.  Tom ist ein sehr geradliniger Mensch, der als allein erziehender Vater versucht seine Tochter und die Ermittlungen unter einen Hut zu bekommen, was ihm nicht immer gut gelingt. Für mich war es das richtige Maß zwischen Ermittlung und Privatleben der ermittelnden Personen.

FAZIT:

Der Strand - Vermisst ist der Auftakt zu einer Trilogie. Hier gibt es keine Auflösung, sondern der Fall wird erstmal aufgebaut und macht dabei definitiv Lust die nächsten Bänden zu lesen, um zu erfahren, was hinter allem steckt.

Bewertung vom 08.01.2023
Fang jetzt bloß nicht an zu lieben
McFarlane, Mhairi

Fang jetzt bloß nicht an zu lieben


gut

MEINUNG:

Ich wollte schon lange etwas von Mhairi McFarlane lesen und war zum Jahresende auf der Suche nach etwas Leichtem für zwischendurch und da kam mir Fang jetzt bloß nicht an zu lieben gerade recht.

Harriet Hatley ist seine gefragte Hochzeitsfotografin und lebt und arbeitet in Leeds. Sie selbst hat mit Romantik und allem drum herum nicht viel am Hut. Die Geschichte beginnt damit, dass ihr Freund ihr einen Heiratsantrag macht, den sie dann nicht annimmt. Damit endet die Beziehung sofort mit der Trennung. Da Harriet bei ihrem Freund wohnt, braucht sie ein neue Bleibe und findet ein Zimmer bei Cal. Cal ist sie schon einmal begegnet und es war eine weniger erfreulich Begegnung, aber es gibt kein zurück mehr, denn Cal hat ihr ohne sie zu sehen, dass Zimmer angeboten und Harriet hat Zeitdruck. Die Wohngemeinschaft steht auf wackligen Füßen.

Zunächst fand ich Harriet nicht sonderlich sympathisch. Das hängt damit zusammen, dass die einen Heiratsantrag von Jon zunächst annimmt, um vor seiner Familie nicht blöd dazustehen und zieht ihn dann zurück. Ich habe mich gefragt, wie die beiden vorher miteinander kommuniziert haben. Mir erschiene es eh nur so als wäre sie nur mit ihm als Lückenfüller zusammen und so richtig war sie nicht verliebt, im Gegensatz zu ihm. Er kommt aus sehr gutem Hause und will die Trennung nicht so wirklich wahr haben. Als Harriet dann zu Cal zieht, nimmt das Drama dann noch weiter seinen Lauf. Drama gibt es in diesem Buch sehr viel, denn auch Cal und Harriet sind sich schon einmal begegnet auf einer Hochzeit. Dies war zwar unschön und wirft einige Fragen auf, aber alles in allem läuft die "Beziehung" zwischen den beiden ziemlich gut. Cal scheint Harriet endlich etwas Sicherheit zu geben. Mir hat gefallen, dass die sich anbahnende Liebesgeschichte zwischen den beiden nur ganz zart am Rande ist und nicht die ganze Handlung bestimmt. Denn neben Jon gibt es auch noch Scott, mit dem Harriet vor Jon zusammen war und dem sie auf einer Hochzeit wieder begegnet.

Mit Scott hat die Autorin einen Charakter geschaffen, der hochgradig manipulativ und toxisch in seinen Beziehungen ist, so auch mit Harriet. Es ist deutlich zu spüren, dass Harriet das noch keinerlei Weise verarbeitet hat. Darum geht es dann in zweiten Teil des Buches. In meinen Augen hätte Harriet die ganze Beziehung einmal mit therapeutischer Hilfe aufarbeiten müssen. Ich bin kein Freund davon, dass in Büchern vermittelt wird, dass man nur den Richtigen oder die Richtige finden muss und dann ist man geheilt. Mir fehlte hier wirklich die Entwicklung von Harriet, anstatt dessen zieht mit einigen Verbündeten dann eine Rache-Aktion durch, die ich wirklich fragwürdig und unrealistisch fand. Ich habe mich irgendwie in einer Komödie Anfang der 2000er gefühlt und es war mir nicht bewusst, dass man solche Stories noch schreibt. Natürlich ist es Unterhaltungsliteratur, aber gerade bei so einer Art toxischen Beziehung  mit Gaslighting und psychischer Gewalt sollte darauf geachtet werden, was hier für eine Botschaft vermittelt wird, wie man aus dem ganzen rauskommt, wie man vor allem danach damit lebt und wie sich das auf folgenden Beziehungen auswirkt. Dann fand ich ziemlich dünn hier. Vielleicht wäre auch eine Triggerwarnung angebracht gewesen.

FAZIT:

Fang jetzt bloß nicht an zu lieben sieht von außen relativ harmlos aus und wer andere Bücher, der Autorin kennt, wird hier sicher einen leichten Liebesroman erwarten, aber das ist es nicht. Es geht hier um toxische Beziehungen. Mir fehlte hier die Triggerwarnung und grundsätzlich der verantwortungsvolle Umgang mit diesen Thema. Das fand ich ziemlich flach, genauso wie die Entwicklung der Hauptprotagonistin und deren Umgang mit der solcher Art Beziehungen.