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Sternzauber
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Düren

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Insgesamt 179 Bewertungen
Bewertung vom 15.10.2022
Leevers, Jo

Café Leben


ausgezeichnet

Leben und Tod - ganz besonders, unterhaltsam, tiefsinnig und absolut empfehlenswert!

Sterben und Tod sind im Leben der meisten Menschen leider noch immer ein Tabuthema und werden gerne verschwiegen, bzw. einfach ignoriert. Dabei gibt es nichts, was uns Menschen universeller verbindet, als Geburt und Tod, denn diese beiden entscheidenden Wegmarken begrenzen unser Leben nun mal ganz unweigerlich und unumgänglich. Deshalb finde ich es so gut und wertvoll, wenn es Ausreißer aus dem Schweigen gibt (und die gibt es zum Glück zunehmend mehr) und sich auch Autoren mit diesen Themen beschäftigen. Der Autorin Jo Leevers ist dies Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben meiner Meinung nach in ihrem Buch „Cafe Leben“ ausgesprochen gut und auf eine ganz ungewöhnliche Weise gelungen.

In ihrem Buch erzählt sie die Geschichte von zwei ganz besonderen Frauen, die durch das Projekt „Lebensbuch“ verbunden werden. Dieses Projekt bietet sterbenden Menschen die Möglichkeit ihre Lebensgeschichte in Buchform für ihre Hinterbliebenen festzuhalten und somit bleibende Erinnerungen zu schaffen. Henrietta, die Anfang 30 ist und ein sozial extrem zurückgezogenes Leben führt, übernimmt die Aufgabe, die Erzählungen der Menschen im Cafe Leben der Rosendale-Krebsambulanz aufzunehmen und zu verschriftlichen, wo sie auf die 66-jährige Klientin Annie trifft. Diese möchte jedoch keine Erinnerungen festhalten, sondern diese, ganz im Gegenteil, loswerden. Durch die Treffen zur Erstellung des Buches entsteht eine ganz neue Situation für beide Seiten und die zu Beginn so klare Aufgabe nimmt ganz besondere und abenteuerliche Ausmaße an.

Jo Leevers beschreibt die Situation sterbender Menschen ohne Pathos und Kitsch, aber mit viel Einfühlungsvermögen und Innigkeit. Die Protagonistinnen sind mir, trotz oder auch wegen, ihrer „Schrulligkeiten“ und charakterlichen Besonderheiten sehr schnell ans Herz gewachsen und ich habe sehr mit ihnen mitgefiebert. Dabei ist dieses Buch keineswegs eine düstere Abschiedsstory, sondern eine Geschichte voller Leben, mit vielen Facetten und sogar kriminalistisch spannenden Verwicklungen und Verstrickungen. Mich hat die Komplexität sehr positiv überrascht und auch die Tiefe, die in den Gesprächen und Gedanken der Charaktere zu Tage tritt, überzeugt mich.

Die sprachliche Ausdrucksweise der Autorin ist flüssig und sehr angenehm zu lesen. Außerdem mag ich den Zug, dass die einzelnen Kapitel mit den Namen der Personen überschrieben sind, aus deren Sicht die Geschichte weiter erzählt wird, denn so entsteht für mich eine angenehme Intimität mit dem Erleben und ich kann an der Handlung aus verschiedenen Blickwinkeln teilnehmen. Das Cover gefällt mir ebenfalls ausgesprochen gut und vor allem hat mich der Ausdruck der Frau darauf sofort in ihren Bann gezogen.

Sehr berührend finde ich die Idee des Lebensbuches, die es, auf verschiedene Weise, auch im echten Leben gibt und die sicherlich vielen Menschen eine Menge bedeutet. Ein solches Projekt als Ausgangspunkt für einen Roman aufzugreifen gefällt mir sehr, zumal es damit bekannter gemacht werden kann und sicherlich manch einen Leser zu eigener Erinnerungsarbeit anregt. Was wären wir Menschen ohne das Wissen und die Erfahrungen unserer Vorgänger? Und wie wertvoll sind für uns die persönlichen Erinnerungen unserer Herzensmenschen? Aber auch die Frage nach der eigenen Endlichkeit und danach, was wir unseren Lieben hinterlassen möchten, sollte nicht ausgespart werden.

Gerne würde ich noch mehr tolle Einzelheiten beschreiben, aber damit würde ich sicherlich zu viel verraten, deshalb kommt von mir eine ganz klare Ermunterung zum selber Lesen – es lohnt sich absolut!!

Bewertung vom 08.10.2022
Oswald, Susanne

Neubeginn im kleinen Strickladen in den Highlands / Der kleine Strickladen Bd.4


ausgezeichnet

Wolle, Herzlichkeit, Natur und Wohlfühlzauber!

Ich habe bereits alle vorherigen Bände der Buchreihe um den kleinen Strickalden von Susanne Oswald gelesen und ich bin auch von diesem neuen Teil nicht endtäuscht worden! Ach was, ehrlich gesagt bin ich ganz begeistert!!

Es ist durchaus möglich die Bücher auch als unabhängige Geschichten zu lesen, doch ich würde absolut empfehlen, sie in der richtigen Reihenfolge zu genießen und dabei alle Lebensphasen der Hauptcharaktere mit zu erleben. Mir sind Maighread, Joshua, Chloe, Scott, Peter und die Granny-Truppe inzwischen total ans Herz gewachsen und ich schätze die herzlich liebevolle Art der Figuren im Umgang miteinander, sowie die ebenso herzlichen Beschreibungen der Autorin in ihren Geschichten sehr – davon dürfte es im realen Leben gerne etwas mehr geben ;-)

In diesem Band habe ich nun Amely näher kennen gelernt, die bereits im vorherigen Abenteuer rund um das erste Yarn-Festival einen kleinen Gastauftritt hatte und nun mit Maighread und Chloe befreundet ist. Nach einem harten Schicksalsschlag flieht sie zu ihren Freundinnen nach Callwell und kommt dort langsam etwas zur Ruhe in den sie die Natur genießt und die herzlichen Menschen um sich herum auf sich wirken lässt. Doch für immer kann sie nicht vor ihrem alten Leben und den schmerzlichen Erinnerungen davon laufen und mit der Unterstützung der Callwell-Gemeinschaft stellt sie sich ihren Ängsten…

Mehr sei an dieser Stelle nicht verraten, aber es hat mir viel Freude bereitet dieser Geschichte beizuwohnen, mir die unglaublich stimmungsvolle Landschaft an Hand der tollen Beschreibungen vorzustellen und mich in der (literarischen) Gemeinschaft mit den Protagonisten wohl zu fühlen – ja, es ist ein absoluter Wohlfühlroman!! Dennoch ist nicht alles rosarot oder verkitscht – mit dem Tod von Amelys Mutter wird ein sehr ernstes Thema angesprochen und meiner Meinung nach versteht es Susanne Oswald sehr gut der Auseinandersetzung damit einen authentischen Charakter zu verleihen und durchaus auch tiefsinnige Einsichten einzubauen.

Ihr Schreibstil gefällt mir sehr, denn er ist flüssig, durch viel wörtliche Rede sehr lebendig und abwechslungsreich. Zusätzlich mag ich es, dass Frau Oswald die einzelnen Kapitel jeweils mit einem Personennamen überschreibt, aus deren Sicht die Geschichte dann weiter erzählt wird. Und auch das Cover in den natürlichen Farben gefällt mir sehr gut.

Beim Lesen der Strickladen-Geschichten klingt so viel Liebe und Begeisterung für Wolle und das Stricken mit, dass es mich immer gleich selber in den Fingern juckt und ich ebenfalls loslegen möchte! Susanne Oswald schafft es definitiv (zumindest bei mir) den Funken überspringen zu lassen und ihre Begeisterung auf die Leser/innen zu übertragen! Das ist einfach toll! Und damit das Stricken noch verlockender wird, gibt es im Anhang gleich ein paar Anleitungen, die definitiv zum Nacharbeiten einladen – ein wirklich tolles Konzept!

Im Dank am Ende wird dann noch verraten, dass es ab Januar ein eigenes Strickbuch aus Maighreads Laden geben wird, worauf ich mich tatsächlich schon sehr freue, weil ich sicher bin, dass ich darin viele tolle neue Wollschätze entdecken werde!

Ich genieße meine literarischen Ausflüge nach Callwell jedes Mal sehr, denn ich kann ganz in die Geschichte eintauchen, die mich in eine Welt voller wollener Leidenschaft und einem herzlichen Miteinander entführt – fast schade, dass jedes Buch irgendwann zu Ende ist und ich wieder auftauchen muss…. Also: klare Leseempfehlung für alle Fans von Genuss und Wohlfühlen!

Bewertung vom 26.09.2022
Leeb, Root

Gespräche auf dem Meeresgrund


sehr gut

Besonders, leise und feinsinnig, mit viel Gedankeninput

Die Gestaltung des dünnen Bändchens „Gespräche auf dem Meeresgrund“ von Root Leeb von 147 Seiten gefällt mir sehr, denn neben dem Cover, das abstrakt dargestellte Wellen zeigt, gibt es im Buch auch weitere Bilder, die die Autorin wohl selbst gemalt hat. Die Darstellungen zeigen, passend zum Text, alle maritime Szenen, die bei mir sofort eine ganz typische Meerassoziation hervorrufen und eine große Tiefenwirkung haben. Die Farbe Blau dominiert, sonst sind die Gemälde jedoch sehr unterschiedlich, weshalb ich mich beim Lesen immer darauf gefreut habe, bald ein weiteres entdecken zu können.

Der Text beschreibt Gespräche von drei sehr unterschiedlichen Protagonisten am Meeresgrund, bei denen nicht klar ist, in welchem Daseinszustand sie sich befinden, die sich aber über vielfältige, oft existenzielle und sehr grundsätzliche Ansichten und Einstellungen austauschen.

Der Text zeigt seine größte Stärke für mich darin, dass er zum Nachdenken anregt. So habe ich mich bei der Lektüre immer wieder gefragt, wie ich zu dem gerade thematisierten Punkt stehe oder wie ich die Situation einschätze. Dabei habe ich durchaus spannende Anregungen erhalten und Gedankenexperimente unternommen.

Die Vorstellung eines „Nach-Lebens“ auf dem Meeresgrund für Menschen, die, aus welchen Gründen auch immer, im Meer gelandet sind, war für mich zunächst sehr befremdlich, mit der Zeit habe ich mich jedoch an diese literarische Ausgangssituation gewöhnt und finde sehr gut, dass jeder Leser diese ja auch auf seine Vorstellungen von einem, wie auch immer gearteten, Jenseits übertragen kann. Und mir hat sehr gefallen, dass immer alle Optionen offen bleiben und es nie ein „So-ist-das-nach-dem-Leben“ propagiert wurde.

Etwas gestört haben mich andere Charaktere, die immer wieder die Gespräche der drei Hauptfiguren unterbrachen – aber dies ist sicherlich einfach Geschmackssache.

„Gespräche auf dem Meeresgrund“ ist in meinen Augen ein sehr ungewöhnliches und besonderes Buch, das zum Nachdenken anregt und kurzweilige Lesemomente all jenen schenkt, die offen sind für Ungewöhnliches.

Bewertung vom 10.09.2022
Byrd, Sandra

Die Kunstschätzerin


gut

Angenehme Unterhaltung mit Ausbaupotential

Das Buch „Die Kunstschätzerin“ von Sandra Byrd wollte ich gerne lesen, weil ich das Coverbild so stimmungsvoll schön und edel aber auch geheimnisvoll fand.

Es geht im Buch um eine junge Frau namens Eleanor Scheffield, die um 1866 versucht das Familiengeschäft, das sich mit der Beschaffung, Bewertung und Prüfung von Kunst- und Sammelgegenständen beschäftigt, aufrecht zu erhalten, nachdem ihr Vater gestorben ist und ihr Onkel zunehmend aus Altersgründen ausfällt. Dabei erlebt sie allerlei Schwierigkeiten, Irrungen und Wirrungen und soll zudem das Erbe Lord Lydneys verwalten und entscheiden, ob es an dessen Sohn und Eleanors Jugendliebe Harry vergeben, oder als Schenkung an ein Museum gespendet wird. Auch eine Liebesgeschichte versteckt sich in den Geschehnissen, aber mehr sei an dieser Stelle nicht verraten.

Ich muss gestehen, dass es mir nicht ganz leicht fällt den Text zu bewerten.
Auf der einen Seite hatte ich durchaus vergnügliche Lesestunden und je mehr ich in die Geschichte eingetaucht bin, desto wohler habe ich mich gefühlt, desto mehr mochte ich die Protagonisten, desto besser habe ich mich zurecht gefunden und unterhalten gefühlt. Auf der anderen Seite ist mir das Hineinfinden in die Zusammenhänge zu Beginn nicht so leicht gefallen und ich hätte mir gewünscht, dass der Text sprachlich noch etwas mehr aufgearbeitet worden wäre, vor allem aber, dass die Beschreibungen sowohl von Situationen, als auch von Gefühlen und Ereignissen ausgefeilter arrangiert worden wären. Teilweise entsprach die Beschreibung meiner Empfindung nach überhaupt nicht der Wichtigkeit des Inhalts und wurde zum Beispiel nur ganz kurz abgehandelt, an anderer Stelle fiel es mir schwer der Situation wirklich zu folgen, weil ich im Text schon in der nächsten Szene gelandet war. Besonders schade fand ich es aber, dass die für die Geschichte so wertvollen Kunst- und Sammelobjekte nicht genauer und atmosphärischer beschrieben wurden – im Text fehlte mir da der Detailreichtum des Covers, den ich mir versprochen und der der Geschichte gut getan hätte.

Nichts desto trotz finde ich, dass die Autorin sehr sympathische Charaktere geschaffen hat, die mir immer mehr ans Herz gewachsen sind und auch der Spannungsbogen im Verlauf der Geschichte erhält immer wieder einen neuen Höhepunkt oder eine Wendung.

Sehr gefallen hat mir auch, dass Sandra Byrd am Ende eine historische Einordnung an den Text angefügt hat.

Meiner Meinung nach könnte man diese Geschichte noch weiter aufwerten, aber wer Freude an einer spannenden Liebesgeschichte im Milieu der Sammlerkreise der Zeit um 1866 hat, dem sei dieses Werk trotzdem ans Herz gelegt.

Bewertung vom 03.09.2022
Maher, Kerri

Die Buchhändlerin von Paris


ausgezeichnet

Charakterstarke Persönlichkeiten und Bücherliebe in Paris

Schon das Cover, mit der stimmungsvollen Illustration der Buchhandlung „Shakespeare and Company“ von Terry Miura hat mich bei dem Buch „Die Buchhändlerin von Paris“ sehr angesprochen und ich bin vom Text der Autorin Kerri Maher nicht enttäuscht worden!

Die Geschichte dreht sich um die bibliophile Amerikanerin Sylvia Beach, die sich in den Jahren zwischen dem ersten und zweiten Weltkrieg in Paris ein Leben als Buchhändlerin der ersten englischsprachigen Buchhandlung „Shakespeare and Company“ aufbaut und zudem auch noch erste Verlegerin des skandalumwitterten Buches „Ulysses“ von James Joyce wird. Außerdem wird ihr Leben in der Literaturszene der Stadt sowie ganz privat geschildert. Diese Mischung aus persönlicher Geschichte mit allem Glück und allen Schicksalsschlägen in Kombination mit großen Geschehnissen in der Welt hat mich gleich gefangen genommen und selbst nach dem Ende der Lektüre nicht wieder losgelassen. Am liebsten hätte ich sofort Französisch gelernt und wäre ebenfalls in das sehr atmosphärisch, offen und bereichernd kulturell beschriebene Paris Anfang des 20. Jahrhunderts aufgebrochen!!

Die Autorin versteht es meisterhaft ihre Figuren zu beschreiben und mich als Leserin in die Gefühls- und Gedankenwelt der großen Sylvia Beach eintauchen zu lassen, so dass ich das Gefühl hatte, ganz im Geschehen zu versinken und unmittelbar beteiligt zu sein. Sylvia ist mir gleich von Anfang an ans Herz gewachsen, denn sie wird als feinfühlige, hilfsbereite, liebevolle, engagierte und visionäre, sowie äußerst mutige Frau beschrieben, deren Zweifel und Zerrissenheiten jedoch auch nicht ausgespart werden. Auch die anderen Charaktere der Geschichte werden so gezeichnet, dass ich mir ein gutes Bild von ihnen machen und sie einordnen kann, was mir sehr gefällt.

Als sehr positiv habe ich ebenfalls empfunden, dass die Autorin im Nachwort eine Einordnung der Geschehnisse und literarischen Personen zwischen Realität und Fiktion anbietet, so dass ich mich als Leserin selber entscheiden konnte, ob ich diese Informationen erhalten möchte, oder nicht. Ich habe es genossen diesen Hintergrund zu erfahren und bin begierig darauf mehr über das reale literarische Leben in Paris zu der Zeit zu erfahren und mir weitere Lektüre zuzulegen (im Anhang gibt es sogar Literaturvorschläge).

Zu meiner Freude hat mir auch der Schreibstil Kerri Mahers sehr zugesagt. Sie setzt ihre Worte für mein Empfinden gezielt und baut unheimlich schöne Vergleiche und Beschreibungen in ihren Text ein. An manchen Stellen bin ich hängen geblieben, weil ich mir die Formulierungen (z. B. über den Wert von Büchern und übers Lesen) so gerne merken wollte, aber abgesehen davon ließ sich der Text für mich wunderbar flüssig lesen.

Ich bin ganz begeistert von diesem Buch und kann es nur jedem empfehlen, der Bücher über literarisch verursachtes Glück liebt, oder auch nur historische Romane, Geschichten über starke Frauen oder Liebesgeschichten mag – begleitet Sylvia Beach durch ihr Paris!

Bewertung vom 03.09.2022
Orriols, Marta

Sanfte Einführung ins Chaos


sehr gut

Ein stark polarisierendes Thema, dargestellt im großen Gefühlschaos eines Paares

Bei dem Buch „Sanfte Einführung ins Chaos“ von Marta Orriols hat mich das Cover zunächst nicht sehr überzeugt. Nach der Lektüre sehe ich dort eine Szene, die auch aus der Geschichte stammen könnte, zuvor hatte mir das Bild jedoch nichts über den Inhalt verraten und der gelbe Farbstreifen irritierte mich. Die Gestaltung des Vorsatz hat mich dann jedoch wiederum in Kombination mit dem Buchumschlag sehr überzeugt, denn dort wird das Thema des Covers nochmals gekonnt aufgegriffen und weiter geführt.

Die Geschichte des Paares aus Marta und Dani spielt sich innerhalb weniger Tage ab und zwar in dem kurzen Zeitraum zwischen der Feststellung, dass Marta ungewollt schwanger ist, bis zu dem Tag, an dem sie einen Termin zum Schwangerschaftsabbruch vereinbart hat. Denn für sie steht fest, dass sie das Kind nicht bekommen möchte. Trotzdem ereignet sich in den nächsten Tagen sowohl bei Marta, als auch bei Dani ein regelrechtes Gefühlschaos, an dem die Autorin mich als Leserin intensiv hat teilhaben lassen.

Ihr Schreibstil gefällt mir insgesamt gut, es war für mich allerdings etwas ungewohnt, dass der allwissende Erzähler der Geschichte übergangslos in den Perspektiven springt – so wird im einen Moment noch ausführlich aus Danis Sichtweise berichtet, um im nächsten Moment Dinge zu erzählen, die nur in Martas Geist stattfinden können. Der Text ist zwar in mehrere Bereiche unterteilt, auch in Bereiche, die mit „ER“ bzw. „SIE“ überschrieben sind, doch spielen immer auch beide Hauptcharaktere eine Rolle.

Es hat mich angesprochen, wie feinfühlig die Autorin die Gefühlschwankungen der Betroffenen beschreibt und wie eindringlich die Not dieser wichtigen Entscheidung mit all den unterschiedlichen Hintergründen und Voraussetzungen deutlich wird. Eine solch existenzverändernde Entscheidung, wie die für oder gegen ein Kind, wird in diesem Buch aus zwei verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und mit vielem Für und Wider abgewogen.

Egal, wie ich als Leserin zu der in dieser Geschichte getroffenen Entscheidung stehe, über die ich hier natürlich nichts verraten möchte, so finde ich auf jeden Fall, dass der Text zum „Hinfühlen“ und Nachdenken anregt – eine klare Leseempfehlung für alle, die sich für das Thema interessieren.

Bewertung vom 03.09.2022
Zimmermann, Birgit

Die Wolkenstürmerin


sehr gut

Eine schöne Zeit- und Liebesgeschichte mit Spannung und Kurzweil

„Die Wolkenstürmerin“ von Birgitt Zimmermann hat mich abtauchen lassen - in eine ganz andere Zeit, mit ganz anderen Voraussetzungen, gesellschaftlichen Normen und Lebenswelten. Für mich ist es immer wieder unbegreiflich und sehr interessant, wie anders das Bild der Frau in der Öffentlichkeit, und vor allem bei Männern, noch vor gar nicht so langer Zeit war! Ich bin immer wieder erschrocken darüber, wie selbstverständlich eine absolute Selbstständigkeit, Selbstbestimmung und Freiheit für mich ist und wie lange genau das eben nicht so war für viele Frauen – ich denke, dass wir uns dies in der heutigen Zeit öfter bewusst machen sollten und dieses Buch hat mich dazu aufgefordert.

Die Geschichte wird aus der Sicht von Marlene Lilienthal erzählt, einer jungen Frau, die vor kurzem ihre Eltern verloren hat und die nun versucht, sich in der, von Männern dominierten (Arbeits-)Welt zu behaupten bzw. ihren Platz zu finden. Sie möchte die Flugzeugbaufirma ihres Vaters und Onkels unbedingt vor einer Übernahme retten und entwickelt daher eine Tochterfirma als Flugtaxiunternehmen. Gleichzeitig trifft sie jedoch auch auf einen Mann, der sie nicht mehr los lässt und im Buch erleben wir als Leser mit, wie sich ihr Leben nach diesen besonderen Ereignissen weiter entwickelt.

Der Text ist meiner Meinung nach gut und flüssig geschrieben und mir gefällt auch der sprachliche Ausdruck der Autorin, besonders wenn sie Vergleiche für Gefühle oder Stimmungen nutzt. Außerdem hat es mir sehr gefallen, dass die Überschriften der einzelnen Kapitel mit den Daten des Geschehens überschrieben sind – so ist eine Orientierung und zeitliche Einordnung jederzeit leicht möglich.

Das Cover des 366 Seiten starken Romas ist mir etwas zu lieblich, gefällt mir aber ansonsten gut. Nach der Lektüre habe ich mich gefragt, ob es bei der Geschichte einen wahren Kern gibt und fand es schade, dass es dazu keinerlei Angaben im Anschluss gab. Da ich jedoch auch im Internet auf die Schnelle keinerlei Informationen gefunden habe, gehe ich davon aus, dass die Handlung rein fiktiv ist.

Mit hat dieses Buch angenehme und kurzweilige Lesestunden beschert und ich kann es all jenen Lesern empfehlen, die eine Mischung aus historischer Zeit- und Liebesgeschichte, mit einem guten Schuss Spannung mögen!

Bewertung vom 03.09.2022
Loose, Anke

Der kleine Herr Heimlich bastelt am Glück


ausgezeichnet

Zauberhaft, liebevoll und mit locker-leicht-verpacktem Tiefsinn!

Das Cover von „Der kleine Herr Heimlich bastelt am Glück“ gibt meiner Meinung nach einen wunderbaren Einblick in die Atmosphäre der Geschichte und gefällt mir sehr: es ist in warmen Farben gestaltet, wirkt heimelig, freundlich und kreativ – all das findet sich auch im Buch wieder. Anke Loose versteht es unglaublich gut im Text eine wunderbare Wohlfühlatmosphäre zu schaffen und Ariane Camus unterstreicht das mit ihren Bildern hervorragend. Sie sind farbenfroh aber nicht grell, gradlinig aber detailreich und sehr liebevoll gestaltet. Ich bin ganz begeistert und ergänzend zum Text enthalten sie auch teilweise noch Einzelheiten, die zum weiteren Entdecken einladen.

Der kleine Herr Heimlich ist ein Hauswichtel, der bei Familie Lönnecke wohnt und der beste Freund von Lotte, dem jüngsten Kind ist. Die beiden lieben es gemeinsame Bastelnachmittage zu gestalten, Herr Heimlich sorgt aber auch für das Wohlergehen aller Familienmitglieder, in dem er sich um Haushalt, Garten und alle anderen Bedürfnisse kümmert. Gemeinsam erleben die beiden so manches Abenteuer, helfen, wo immer sie gebraucht werden und erweitern spielerisch ihr „Weltwissen“.

Anke Loose verwendet im Text eine derart ausgefeilte, aber locker-leichte, lustige und einfach zauberhaft pointierte Sprache, dass ich regelrecht verliebt in ihre Ausdrucksweise bin! Die Geschichte erhält durch ihre Sprache so viel an Charakter, die Personen werden so lebendig und der Wortwitz ist einfach unschlagbar – als Erzieherin mit der Aufgabe der Sprachförderung geht mir da wirklich das Herz auf, denn so macht das Lesen und Sprechen, das Zuhören und Weiterdenken einfach nur Spaß!

Ganz besonders begeistert war ich auch davon, dass die Dinge, die in der Geschichte gebastelt werden, stark zum Nachbasteln einladen, denn es gibt sogar (integriert in den Ablauf) wunderschön gestaltete Bastelanleitungen – wirklich toll!

Nicht zuletzt hat mich an erster Stelle der große Respekt und der liebevolle Umgang mit allen Lebewesen, sowie die selbstverständliche Hilfsbereitschaft, Toleranz und Offenheit beeindruckt und begeistert, die aus dem Text, aber auch aus den Bildern sprechen. Für andere da zu sein, liebevoll und aufmerksam miteinander umzugehen und den Wert von Freundschaft und Familie wertzuschätzen spielt eine zentrale Rolle in dieser Geschichte, doch auch die Achtsamkeit sich selbst gegenüber wird nicht vergessen. Herr Heimlich sorgt zwar als Hauswichtel für die Familie, vergisst aber auch sich selber und seine eigenen Bedürfnisse nicht und steht dafür ein, so dass ein ausgewogenes Gleichgewicht entsteht.

Überhaupt wird keine heile rosa Glitzerwelt gemalt, denn es gibt auch Streit, Unverständnis und Unsicherheit, sowie Verwirrung – für mich wichtig, denn auch diese Seiten gehören zum Leben dazu. Aber umso schöner, wenn die Kinder beim (Vor-)Lesen eine Ahnung vom möglichen Umgang mit solchen Gefühlen und Situationen kennen lernen können und Vergleichsbeispiele zu eigenen Erlebnissen entdecken.

Aber auch für Erwachsene gestaltet sich das Vorlesen sicherlich nicht langweilig, denn ich finde, dass Leser aller Altersstufen interessante Inhalte, lustige Momente oder Denkanstöße für sich finden können und das (Vor-)Lesen so zu einem schönen Familienerlebnis werden kann.

Dieses Buch hat mich restlos überzeugt und ich wünsche allen Interessierten viel Freude beim Kennenlernen der Wichtelwelt!

Bewertung vom 03.09.2022

ministeps: Wie klingt deine Welt?


ausgezeichnet

„Wie klingt deine Welt?“ – Bei diesem Bilderbuch für Kleinkinder ab 9 Monaten ist der Titel wirklich Program. Die Bilder veranschaulichen jeweils Szenen aus der Lebenswelt der Kinder, die Geräusche verursachen, wobei die Szene bzw. der Geräuscheproduzent mal alleine auf der Seite zu sehen ist, andere Bilder jedoch auch mehr Details liefern und zum Beispiel zudem einen Hintergrund zeigen. Dadurch können Kinder unterschiedlicher Alter – und Entwicklungsstufen die Bilder für sich herauspicken, die zu ihrem Entdeckungsbedürfnis und kognitiven Voraussetzungen passen, was ich sehr gut finde.

Die Bilder von Martina Kohl sind liebevoll und aussagekräftig gestaltet, bunt, aber nicht grell oder übertrieben und sie bieten meiner Meinung nach eine gute Balance an einfachen Informationen für Kinder diesen Alters. Besonders schön finde ich auch, dass die Menschen im Buch nicht alle eine Hautfarbe und Herkunft zeigen, sondern multikulturelle Erlebnisse ermöglichen.

Von Fahrzeugen über Tiere, Situationen (schlafen, erkältet sein, planschen) und Gefühle (weinen, wegen Verletzung) sind verschiedenste Bilder enthalten, zu denen die Kinder die Geräusche beisteuern können. Ich finde es gut, dass es eben keine vorgefertigten Geräusche im Buch gibt, sondern die Kinder und ihre Bezugspersonen zum eigenen Erzeugen angeregt werden. Dies fördert sowohl die Beziehung untereinander, als auch natürlich vor allem die eigene Lautproduktion und das Sprechen. Zudem erweitern die Kinder spielerisch ihren Wortschatz und können selber aktiv werden.

Für die Erwachsenen stehen Wörter für mögliche Geräusche neben den Bildern, so dass die Kinder zudem auch Buchstaben sehen können, was wiederum erste Kontakte mit diesen ermöglicht. Jedoch bleibt es natürlich den Schauenden frei überlassen, auch andere Geräusche zur Szene zu finden, was mir ebenfalls gefällt, denn bei einer Situation in der Oma im Sessel schläft, steht beispielsweise „Pssst“ daneben, wobei sicherlich auch Schnarchen eine mögliche Interpretation wäre.

Mir gefällt dieses Buch für erste gemeinsame Bucherlebnisse sehr und ich denke, dass es auf vielfältige Weise (z. B. auch zu Such- und Rollenspielen etc.) genutzt werden kann!