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Benutzername: 
SusanK
Wohnort: 
Osnabrück

Bewertungen

Insgesamt 232 Bewertungen
Bewertung vom 14.11.2021
Die Schokoladenfabrik - Die Tochter des Apothekers / Die Stollwerck-Saga Bd.1
Eder, Rebekka

Die Schokoladenfabrik - Die Tochter des Apothekers / Die Stollwerck-Saga Bd.1


sehr gut

Anna Sophia, Tochter eines Apothekers, hilft diesem in der Apotheke, berät abseits der Schulmedizin viel in Sachen "Heilpflanzen" und stellt ihre eigenen Kräuterbonbons her. Als der Geselle ihres Vaters um ihre Hand anhält, stellt sie jedoch seine Motive in Frage und verdächtig ihn, ihren Vater zu vergiften, um die Apotheke zu übernehmen. Denn auch Franz Stollwerck möchte Anna Sophia zur Frau nehmen ....

Rebekka Eder hat es sich zum Ziel gemacht, die Geschichte der berühmten Firma Stollwerck auf unterhaltsame Weise ihren Lesern näherzubringen. Doch hier gibt es ein kleines Manko, denn der vorliegende gesamte 1. Band handelt noch in keinster Weise auf seinen 656 Seiten von Schokolade im Allgemeinen, sondern diese taucht erstmals auf der letzten Seite auf - und so muss ich zugeben, dass meine diesbezügliche Erwartungshaltung enttäuscht wurde.

Nichtsdestotrotz ist die Saga gut und flüssig geschrieben, so dass ich nur so durch die Seiten flog. DIe wechselnden Erzählperspektiven brachten verschiedene Sichtweisen zum Ausdruck und rundeten die Geschichte ab, verwirrten jedoch auch manchmal ein bisschen, weil sie teilweise doch sehr von der eigentlichen Geschichte abwichen.
Dass Rebekka Eder wahnsinnig viele Themen in ihr Werk eingebracht und mit viel Liebe kleinste Details ausgearbeitet hat, bringt zahlreiche eigene kleine Spannungslinien hervor, die ich mit großem Interesse verfolgt haben; allerdings hätte man hier auch manchmal etwas straffen können, um die eigentliche Geschichte voranzutreiben und den roten Faden nicht aus den Augen zu verlieren.

Der Schausplatz Köln im Jahr 1838 wird überaus lebhaft und anschaulich dem Leser vorgestellt und ich konnte mich sehr gut in das Setting hineinversetzen. Interessant waren hier auch die Geschichten vom Bau des Kölner Doms und der beteiligten Arbeiter. Überhaupt kommt das Lebensgefühl des 19. Jahrhunderts in seinen verschiedenstens Formen sehr schön zum Ausdruck und auch literarische Anklänge sind zu finden - hierin liegt die große Stärke der Saga!

Ein wenig überfordernd empfinde ich die große Anzahl an Figuren; neben den Haupt-Protagonisten erfahren wir viel über weitere Personen, die fast schon ein eigenes Buch verdient hätten wie beispielsweise Anna Sophias Schwester. Glücklicherweise findet sich am Ende des Buches ein Personenverzeichnis, das auch Hinweis darauf gibt, welche Figuren historisch real und welche der Fantasie der Autorin entspringen; mir gefällt es sehr zu wissen, wenn ich aus einem Buch tatsächliche Historie lernen kann.
Allerdings tat ich mich ein wenig schwer mit einzelnen Figuren; mit keiner konnte ich wirklich uneingeschränkt mitgehen, es gibt wirklich viele "Bösewichter" und Franz fand ich absolut unsympathisch. Anna Sophia ist auch nicht die "starke Frau", als die ich sie erwartet hatte, sondern einfach noch zu naiv und verrennt sich gerne in Dinge.

Alles in allem hat mir das Buch Vergnügen bereitet und mein Interesse an den Folgebänden geweckt, denn ich möchte nun unbedingt wissen, wie es nun zu den wirklichen Anfängen der Firma Stollwerck gekommen ist!

Wer sich nicht allzu sehr auf die Kerngeschichte der Stollwerck-Familie versteift, sondern Interesse an einem mitreißend gezeichneten Bild Zeitgeschichte hat, wird mit diesem Buch voll auf seine Kosten kommen - mir hat es jedenfalls sehr viel Freude bereitet!
Ich vergebe ein "sehr gut" (was vier Sternen entspricht).

Bewertung vom 13.10.2021
Inside Strafverteidigung
Benecken, Burkhard;Reinhardt, Hans

Inside Strafverteidigung


ausgezeichnet

Burkhard Benecken und Hans Reinhardt sind Strafverteidiger aus vollem Herzen. In gemeinsamer Kanzlei im Ruhrgebiet tätig, bieten sie Rechtsbeistand in allen Rechtsgebieten und stehen regelmäßig mit besonders medienwirksamen Fällen oder Prominenten im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit - häufig mit der Frage "Wie kann man so eine Person denn noch verteidigen?" Mit ihrem neuen Buch "Inside Strafverteidigung" geben die hoch qualifizierten Juristen einen Einblick in ihren Arbeitsalltag und ihre Strategien, ein möglichst gutes Ergebnis für den Beschuldigten zu erreichen. Die dabei geschilderten Fälle aus ihrer Praxis sind dabei nicht nur "True Crime" und dem interessierten Leser oftmals aus den Medien bekannt, sondern geben aufschlussreiche Hintergrundinformationen fungieren als Beispiele zu den aufgestellten Thesen.

Eines ist natürlich gewiss: Burkhard Benecken und Hans Reinhard sind als erfolgreiche Anwälte Meister des Wortes und nicht zuletzt auch der Manipulation! Geschickt verstehen sie es, den Leser auf ihre Seite zu ziehen und so beginnt das Buch gleich mit dem Fall des "falschen Sittichs", dem zu Unrecht der Pädophilie beschuldigten Familienvaters, dem durch die geschickte Verteidigung ein falsches Urteil - und noch schlimmere als die schon entstandenen Nachteile - erspart blieben; was aufzeigt, dass ein Tatverdacht nicht gleichzusetzen ist mit Schuld. Doch auch brutale Mörder zählen zu ihren Klienten, was ihnen den Titel "Advokaten des Bösen" eingebracht hat. Hier ist es den Anwälten ein Bedüfnis, aufzuzeigen, dass das Beistehen eines Beschuldigten kein Gutheißen der Tat ist; allerdings hat jeder Verdächtige eine effektive und faire Verteidigung verdient, denn dieses ist ein grundlegender Gedanke unserer Rechtstaatlichkeit. Und als "Hüter unserer Verfassung" möchten sie gesehen werden und mit den Vorurteilen gegen ihren Berufstand aufräumen, was ihnen in weiten Teilen sehr gut gelingt. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Perspektive in der Verteidigung eine einseitige ist und die Anwälte nicht nur das hohe Gericht, sondern hier auch den Leser auf ihre Seite zu ziehen versuchen, und das will ich keinesfalls als Kritik verstanden sehen. Dieses Buch ist eben eine Ode an den Beruf des Strafverteidiger - dass unser Staat gerade auch durch solch gewiefte Anwälte immer mehr von einem Täter- zu einem Opferstaat abrutscht, ist ein anderes Thema, für das es hier keinen Raum gibt. Auf jeden Fall lässt sich nach der Lektüre das Deutsche Rechtssystem und seine Umsetzung als ein Segen ansehen!

Auch, wenn das Buch als "Sachbuch" gelistet ist und Benecken und Reinhardt häufig Fachsprache verwenden sowie die entsprechenden Rechtsnormen zitieren (diese sind meist als Fußnoten angegeben und stören den Lesefluss in keinster Weise), ist die Publikation unterhaltsam und gut und flüssig zu lesen; die "True Crime" Fälle untermauern die geschilderten Argumente und veranschaulichen die Aussagen. Beim Lesen ertappte ich mich häufiger dabei, dass mir die ein oder andere Sache bereits aus der Presse bekannt war, und ich fand es überaus spannend, diese nun aus einer anderen Sichtweise als durch die Journalisten dargestellt zu bekommen. Für meinen Geschmack hätten diese Rechtssachen durchaus etwas ausführlicher und in weiteren Aspekten geschildert werden dürfen, da sie bei mir mehr Fragen ausgelöst denn Antworten gegeben haben, was aber durchaus auf meine große Wissbegierde in diesem Bereich zurückzuführen ist; gerade zum Ende hin geht es Schlag auf Schlag und ich war versucht, im Internet weiter nachzuforschen.

Herr Benecken und Herr Reinhardt, Sie sind vom Vorwurf des Bösen freigesprochen, sofern die Seite des Staatsanwaltes, die mir versagt blieb, keine Einwände erhebt!

Bewertung vom 18.09.2021
Schach mit dem Tod
Jacobsen, Steffen

Schach mit dem Tod


gut

David Adler, Elektroingenieur und damit mit einem gewissen technischen Verständnis, wird vom englischen Geheimdienst zusammen mit seinem Onkel Niels Bohr nach Los Alamos geschickt, um dort bei der Entwicklung der Atombombe zu spionieren. Schnell wird er zum persönlichen Assistent von Oppenheimer und erhält Zugang zu allen wichtigen Informationen. Doch offenbar hat auch die Sowjetunion ihre Finger im Spiel ....

Steffen Jacobsen erzählt mit leisen Tönen und sehr unaufgeregt faszinierende Geschichte; hat doch die Entwicklung der Atombombe nicht nur den Zweiten Weltkrieg mit ihren beiden Abwürfen auf Hiroshima und Nagasaki beeinflusst, sondern die Welt insgesamt verändert. Die Schreibweise konnte mich durchaus in ihren Bann ziehen, doch leider kam für mich wenig echte Spannung auf; nicht zuletzt, weil vieles nur zwischen den Zeilen erzählt wurde und der Schwerpunkt nicht auf einem atmeberaubendem Thriller liegt.

Mit großem Interesse habe ich die hier geschilderten, aus der Zeit heraus gut bekannten historischen Personen Bohr, Oppenheimer und viele weitere Wissenschaftler verfolgt, sowie oder insbesondere das geheime Leben in Los Alamos. Hier lag auch für mich der interessanteste Aspekt des Buches, denn wer möchte nicht mehr wissen über das so bedeutsame Manhattan-Projekt, das fernab der Zivilisation in der amerikanischen Wüste stattfand?! Dabei verzichtete der Autor zum Glück auf detaillierte Beschreibungen der Atomphysik, so dass auch für einen Laien keine Verständnisprobleme auftraten.
Erstmals wurde mir so bewusst, dass den Bomben "Little Boy" und "Fat man" unterschiedliche physikalische Gesetznäßigkeiten und Elemente zugrunde liegen.

Die Figuren und ihre Motive waren sehr gut ausgearbeitet und haben mir viel Freude bereitet; nur die weilbliche Hauptfigur war mir zu klischeehaft. Bedeutsam empfand ich auch die Interessenskonflikte zwischen Politik und Wissenschaft.

Insgesamt ein gutes Buch, das jedoch hinter meinen (zugegebenermaßen großen) Erwartungen zurück blieb.

Bewertung vom 18.09.2021
Die Teehändlerin / Die Ronnefeldt-Saga Bd.1
Popp, Susanne

Die Teehändlerin / Die Ronnefeldt-Saga Bd.1


ausgezeichnet

Friederike Ronnefeldt ist die Ehefrau des Frankfurter Kaufmannes Tobias Ronnefeldt, der mit Tee und anderen Importgütern aus Ost- und Westasien handelt. Entsprechend der Zeit des Biedermeiers bestehen ihre Pflichten in der Führung des Haushaltes und der Erziehung der (vier) Kinder; darüberhinaus pflegt sie gesellschaftliche Beziehungen und musiziert. Als ihr Mann Tobias seinen lange gehegten Traum verwirklicht und zu einer Reise in die Heimat des Tees nach China aufbricht und es Anlass zum Misstrauen gegenüber dem neuen Geschäftsführers gibt, erlernt Friederike die Grundlagen des Kaufmännischen und übernimmt immer mehr das Geschäft, was den Argwohn ihrer Mitmenschen weckt. Und auch ihre Schwester Käthe sowie die heimliche Geliebte ihres Schwagers finden sich in der Zeit außergewöhnlichen und schwierigen Situationen wider ....

Als passionierte Teetrinkerin und Kennerin der renommierten Firma Ronnefeldt, die nun bald ihr 200. Jubiläum feiert, war ich außerordentlich gespannt auf den neuen Roman der Geschichtsdidaktikerin Susanne Popp - und ich wurde absolut nicht enttäuscht!

Susanne Popp hat genau recherchiert und erzählt in ihrem Roman von einer starken Frau, die sich zur Zeit des Biedermeiers von einer klassischen Hausfrau zu einer außergewöhnlichen und "ihren Mann stehenden" Geschäftsfrau entwickelt und verbindet dabei wahre Geschichte mit fiktiven Elementen zu einem wunderschön erzählten Roman, der mit viel Zeitgeschichte aufwartet. Denn wenn auch die frühen Jahre des Handelshauses im Vordergrund stehen, so geht es vielmehr um starke Frauenleben, um frühe Emanzipation, um die freie Stadt Frankfurt und das Leben im 19. Jahrhundert. Ein Personenregister am Anfang des Buches, in dem historische Personen von fiktiven Figuren unterschieden werden und ein Nachwort, das wahre Geschichte von fiktiven Elementen abgrenzt, runden das Ganze ab und machen den Roman umso interessanter.

Durch den herrlichen Schreibstil der Autorin konnte ich tief in die Geschichte abtauchen und fühlte mich zuhause in Zeit und Ort. Der Roman lebt von den vielen Informationen, die anschaulich und unaufgeregt den Leser*Innen näher gebracht werden und ich habe die nicht unbedingt große Spannung zu keiner Zeit vermisst.

Die Figuren sind zumeist mehrdimensional angelegt und entwickeln sich im Laufe der Geschichte weiter. Herausragend ist dabei die Titelheldin Friederike, die aufgrund der äußeren Umstände ihre angestammte Rolle als Ehefrau, Mutter und Hausfrau verlassen muss und sich zu einer toughen Geschäftsfrau entwickelt, was nicht gerade auf Sympathien in ihrem weiteren Umfeld trifft; war Emanzipation der Frauen im Biedermeier keinesfalls tolerabel oder gar üblich. Ihr Mann Tobias war in seinen Einschätzungen ein Produkt seiner Erziehung, wenngleich ich ihn dennoch als liebevollen Familienvater zu schätzen wusste. Und auch weitere Frauen (wie Clotilde Koch oder die Buchdruckerin Amalie Stein) in Friederikes direktem Umfeld waren durchaus unangepasst und fortschrifttlich. Lediglich der Bösewicht Julius sorgte für menschliche Dramen neben den zeitgeschichtlichen.

Ein zweiter Erzählstrang, der von Tobias' jahrelanger Reise nach China berichtete, den Gefahren, Erlebnissen in der Fremde und Vorschriften rund um den Teehandel, war ebenfalls höchst interessant und aufschlussreich; diese Reise hätte durchaus ein eigenes Buch verdient, hätte aber mit größerer Ausführlichkeit den Rahmen dieses Buches gesprengt

Quasi nebenbei habe ich erfahren von der Seckenberggesellschaft für Naturforschung und ihrem heute noch bestehenden Naturmuseum, von Shungas (Bildern jeder Art, die in expliziter Weise sexuelle Handlungen darstellen) und Antisemitismus im 19. Jahrhundert.

Und immer wieder kam "Bohea" ins Spiel, der frühere englische Handelsname der exquisiten Tees aus dem nördlichen China, von dem ich gerne ein Tässchen genieße.

Für mich ein höchst gelungener Auftakt einer großen Saga, der Lust auf die weiteren Bände macht!

Bewertung vom 19.07.2021
Das Watt und der Tod
Rahaus, Markus

Das Watt und der Tod


sehr gut

Die Kommissare Greiner und Olofsen aus Cuxhaven ermitteln im Fall einer Leiche in einem gesunkenen Krabbenkutter. Doch schon bald schalten sich das BKA und sogar der britische MI5 in die Nachforschungen ein. Besondere Brisanz entsteht, als ein genmanipuliertes Hanta-Virus eine Rolle spielt ....

Markus Rahaus legt mit "Das Watt und der Tod" bereits seinen dritten Fall der Cuxhavener Kommissare Greiner und Olefsen vor, der sich auch ohne Vorkenntnisse problemlos lesen lässt.

Wer nun einen typischen Lokalkrimi erwartet, sieht sich schnell getäuscht, denn der Fall ist sehr komplex und auch wissenschaftliche Fragen werden - meiner Meinung nach auch für den Laien gut verständlich - ausführlich erörtert und spielen eine gewichtige Rolle.Und wegen der vielen Figuren aus den unterschiedlichsten Bereichen (von den unterschiedlichen deutschen Polizeibehörden über internationale Geheimdienste bis hin zu Wissenschaftlern und den bösen Buben) und zahlreichen losen Enden, die zusammenzuführen sind, lohnt es sich, sich für dieses Buch Zeit zu nehmen und dran zu bleiben. Aber dennoch kommt auch das Küstenflair und die Regionalität nicht zu kurz. Erwähnenswert ist meiner Meinung auch, dass es einige wissenschaftlich orientierte Phasem gibt, um die Hintergründe der Forschungen und den Einsatz der manipulierten Viren darzulegen; wem diese Passagen zu anstrengend sind, kann sie jedoch problemlos überfliegen.

Mich hat der Schreibstil Markus Rahaus´sehr angesprochen, flüssig, anschaulich und einfühlsam und immer mit einer Portion Humor dabei. Die Spannung zieht sich von Anfang bis zum großen Showdown am Ende durch die Geschichte und fesselte mich durchgehend. Das Ende ist in jeder Hinsicht zufriedenstellend und lässt keine Fragen offen.

Die Figuren sind lebendig geschildert und erwecken schnell Sympathie auf der einen Seite, namentlich der Cuxhavener Polizei, und Zweifel und Angst bei den Widersachern. In manchen Teilen war mir das Schwarzweiß dabei ein wenig überzogen, war gerade Greiner doch der große Held und die Gegenseite zu eindimensional brutal, geldgeil und durch und durch böse, was jedoch keine allzu große Kritik sein soll. Rahaus gelingt es dabei immer wieder, auch kleinste Nebenrollen zu etwas besonderem zu machen; so ist die neugierige, pingelige Nachbarin des einen Opfers einfach großartig in ihre Nachvollziehbarkeit.

Mir hat dieser Küsten-Krimi viel Spaß gemacht und ich freue mich auf weitere Bücher des von mir neu entdeckten Autors. Absolute Leseempfehlung für alle, die mehr erwarten als seichte Unterhaltung.

Bewertung vom 19.07.2021
Die Karte / Kerner und Oswald Bd.4
Winkelmann, Andreas

Die Karte / Kerner und Oswald Bd.4


sehr gut

In Hamburg werden einige Joggerinnen grausam ermordert und in ihrem Todeskampf gefilmt. Sie scheinen nichts gemeinsam zu haben - außer ihrem Fitnesstracker, mit dem sie ihre Laufrouten öffentlich ins Netz stellen. Jens Kerner ermittelt - und nicht nur den Opfern läuft die Zeit davon.

Die Leserin, die gerne joggen geht und entsprechende Fitness-Apps nutzt, wird nach der Lektüre nicht mehr unbelastet ihre abendliche Laufrunde starten - oder sich direkt von den Apps abmelden...

Mit "Die Karte" legt Andreas Winkelmann seinen vierten Thriller um die Ermittler Kerner und Oswald vor, der von Fans der Serie schon heißt erwartet wurde, aber auch ohne Vorkenntnisse gut zu lesen ist.

In gewohnt brillanten Schreibstil erzählt der Autor seine Geschichte aus den verschiedensten Perspektiven, legt immer wieder neue Spuren aus und führt den Leser auf falsche Fährten. Das Buch ist von atemloser Spannung geprägt - doch diese entlädt sich nicht auf wunderbare Art am Ende: Die Lösung wirkt etwas überhastet und lässt mich mit einem unbefriedigten Gefühl zurück.

Ohne in die radikale Femistinnen-Rolle schlüpfen zu wollen, muss ich doch anmerken, dass mir die Sicht auf Frauen nicht sehr gefiel: Frauen sind grundsätzlich die Opfer hier und die wichtigsten sind voller Hass auf die Männerwelt.

Abgesehen von diesem Klischee sind die Figuren sehr genau und bildhaft und mit einem gutem Blick auf Details beschrieben und wachsen dem Leser ans Herz.

Trotz der angesprochenen Kritikpunkte konnte mich der Thriller überzeugen und die spannende Ermittlung hat mir aufregende Momente beschert. Darum eine klare Leseempfehlung von mir!

Bewertung vom 21.06.2021
Paracelsus - Die Fragen der Toten
Schmid, Eva-Isabel

Paracelsus - Die Fragen der Toten


sehr gut

Theophrastus von Hohenheim, Spitzname Paracelsus, hat es endlich geschafft: Er hat in Ferrara seinen Abschluss erhalten und darf sich Arzt beider Arzneien nennen. Zusammen mit seinem Schüler Simon praktiziert er - und sucht weiter nach der unsterblichen Seele der Menschen. Doch der geheime Zauberorden ist ihm auf den Fersen und so beginnt eine Wanderschaft quer durch Europa.
Sein Freund Caspar ist in Basel inzwischen zum Stadtarzt aufgestiegen und sehr angesehen. Doch dann bricht die Pest in Basel aus und die Einwohner suchen bald Schuldigen. Und auch Paracelsus wagt sich zurück in die Stadt...

"Paracelsus - Die Fragen der Toten" ist der zweite Band um den berühmten Arzt Paracelsus, und ich empfehle dringend, den ersten Teil "Auf der Suche nach der unsterblichen Seele" zunächst zu lesen, da die Handlung sich nahtlos anschließt. Für mich ist dieser zweite Band auch noch stärker als der erste!

Eva-Isabel Schmid erzählt die Geschichte diesmal abwechselnd in zwei Strängen, und zwar Paracelsus Wanderschaft und Caspars Leben in Basel; dabei gelingt es ihr mühelos, ihre Leser eintauchen zu lassen in die Welt des Mittelalters und der Menschen. Der Schreibstil ist fesselnd und vor meinem Auge entstanden viele Bilder und ich tauchte tief ein in die Welt der frühen Ärzte und Pfuscher, Krankheiten und Möglichkeiten. Natürlich kam auch Spannung auf und das Ende war noch einmal ein richtiger Hammer.

Für mich großartig veranschaulicht die Autorin den Ausbruch der Pest in Basel und wie die hilflosen Bewohner auf diese Krankheit, gegen die noch kein Mittel gefunden war, reagieren: Aberglaube und schließlich die Suche nach Schuldigen werden deutlich; und schon seinerzeit waren "die Juden" die Sündenböcke für etwas, das man (noch) nicht logisch erklären konnte. Ergreifend, wie selbst Gelehrte und hochgestellte Personen lange an das Gute im Menschen und die Intelligenz glauben, bis die Meute sie opfern will. In diesem Sinne, wie Göttisheim Basel trotz aller Gewaltandrohungen nicht verlassen will, weil er immer noch nicht glauben kann, dass es auch ihm an den Kragen gehen wird.

Auch die medizinischen Parts habe ich mit großem Interesse verfolgt - gerne hätte ich noch mehr und genauer darüber erfahren!

Die Figuren und ihr Handeln werden schlüssig dargestellt und gerade die Motive der Einzelnen sind spannend zu lesen und nachvollziehbar (auch, wenn man sie nicht gutheißen kann!). Ein wahrer Genuss, der auch durchaus zum Nachdenken anregt; Parallelen zur Gegenwart lassen sich gewiss an etlichen Stellen ziehen....
Paracelsus selbst war sicher ein Mensch mit vielen Ecken und Kanten; und so wird er auch nicht als ein Übermensch dargestellt; jedoch ist sein großes Bemühen um den Menschen immer zu erkennen. Er hat mit seinen Ansichten wirklich die Medizin revolutioniert.

Da die Autorin darauf hinweist, dass der Roman selbst reine Fiktion ist, hätte ich mich allerdings sehr über einen Anhang gefreut, in dem die fiktive Handlung zur wahren Geschichte abgegrenzt wird und eine Zeittafel.

Dennoch hat mir das Buch sehr gut gefallen und ich vergebe 4,5 Sterne!

Bewertung vom 03.06.2021
Montecrypto
Hillenbrand, Tom

Montecrypto


sehr gut

Gregory Hollister ist durch Kryptowährungen reich geworden, doch in der Szene ist er unbeliebt. Nachdem er tödlich verunglückt ist, beauftragt seine Schwester den britischen Finanzfachmann und Ermittler Dante das Vermögen, das die Fachwelt "Montecryto" getauft hat, zu finden - und Dante muss tief in die Materie eintauchen, die offenbar von einer eingeschworenen Gemeinde beherrscht wird ...

Tom Hillenbrand, vielen Lesern in erster Linie bekannt durch seinen kulinarischen Krimis um den Koch Xavier Kieffer, hat sich diesmal mit dem Thema der "Kryptowährungen" befasst und genau recherchiert. Und eben wie seiner Hauptfigur Dante ging es mir beim Lesen: Ich musste erst einmal viel Theorie lernen, um der eigentlichen Suche folgen zu können.Und so wirkt "Montecrypto" an vielen Stellen eher wie ein SAchbuch als ein Thriller und ich musste sehr genau lesen und verstehen, als dass ich mich dem Lesefluss hingeben konnte. Trotzdem genoss ich wieder einmal den angenehmen Schreibstil Hillebrands, der mir einfach liegt.

Die eigentliche Spannungskurve ist durch die vielen Erklärungen durchaus eingeschränkt, trotzdem wurde ich hineingezogen in die Geschichte und wollte wissen, ob Dante erfolgreich wird und was es mit dem riesigen Vermögen nun auf sich hat.

Die Figuren Hillenbrands sind allesamt recht extreme Charaktere, die vielleicht nicht besonders tiefgehend beschrieben wurden, aber dennoch schillern.
Dante, als der schon fast klischeehafte Ermittler, ist eine im normalen Bankalltag gescheiterte Existenz und dem Alkohol zugeneigt, was sich in vielen Cocktail- und Alkoholikabeschreibungen widerspiegelt.

Besonders nett fand ich den besonderen Musikgeschmack Dantes (in Richtung Punk) und die zitierten Bands und Texte untermalten die Handlung.

Ich habe mich gefreut, auf so unterhaltsame Art und Weise an das schwierige Thema herangeführt worden zu sein und habe mich neben dem Lerneffekt auch gut unterhalten gefühlt.
Wer sich von etwas mehr Anspruch und Lerneffekt nicht abschrecken lässt, findet mit "Montecrypto" einen besonderen Finanz-Thriller.